Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur “El-Niño – Southern Oscillation”

Die Gegend um San Francisco und Los Angeles (Kalifornien, USA) verwöhnt die vielen Besucher häufig mit Sonnenschein und sehr warmen Temperaturen. Das Meerwasser an den Küsten will aber nicht so richtig warm werden. Stattdessen kühlt es die unteren Luftschichten so stark ab, dass sich teilweise sogar dichter Nebel bilden kann, der dann z.B. die “Golden Gate Bridge” ein in Grau-in-Grau hüllt. Dieses Phänomen lässt sich jedoch nicht nur an der kalifornischen Küste beobachten. Vielmehr herrscht an allen tropischen und subtropischen Westküsten der Kontinente mehr oder minder stark ausgeprägt kaltes Küstenwasser vor. Doch warum ist dies so?

Wie die Atmosphäre ist auch der Ozean ständig in Bewegung. An der Oberfläche und in der Tiefe dominieren dabei häufig horizontale Strömungen. Jedoch kann das Meerwasser lokal auch Absinken oder Aufsteigen.

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Oberflächenströmungen werden im Wesentlichen durch Wind angetrieben. In erster Linie sind dafür die Passate (beständiger Wind in tropischen Seegebieten bis etwa 25° südlicher und nördlicher geographischer Breite) und die Westwinde in den mittleren Breiten verantwortlich. Dabei gibt der Wind durch die Reibung einen Impuls (Bewegungsgröße, Stärke einer bewegten Masse) an das Wasser der oberflächennahen Schichten des Ozeans ab. Das Wasser wird entsprechend mit der Windrichtung gezogen. Durch die Erdrotation wirkt jedoch auf bewegte Flüssigkeiten oder Gegenstände eine ablenkende Kraft, die sogenannte Corioliskraft . Mit der Tiefe nimmt die Abweichung der Wasserströmung von der herrschenden Windrichtung stetig zu, bis der Windimpuls seine Antriebskraft komplett verloren hat und das Wasser steht. Über die gesamte Tiefe gemittelt kommt es daher zu dem Effekt, dass sich das Wasser nicht in Windrichtung, sondern in eine Richtung senkrecht zum Wind bewegt. Auf der Nordhalbkugel zeigt diese Richtung nach rechts (wenn man den Wind im Rücken hat), auf der Südhalbkugel nach links. Eine Strömung, die durch diesen Effekt zustande kommt, wird “Ekman-Transport” genannt.

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An den tropischen und teils auch subtropischen Westküsten der Kontinente wehen die Passatwinde häufig küstenparallel zum Äquator. Entsprechend des beschriebenen Ekman-Transportes wird das küstennahe Oberflächenwasser westwärts von den Küsten weg auf den Ozean getrieben. Da durch die Kontinente von Osten kein Wasser nachströmen kann, quillt aus Massenerhaltungsgründen kaltes nährstoffreiches Tiefenwasser auf und ersetzt somit das abtransportierte Oberflächenwasser.

Als Folge liegen die küstennahen Wassertemperaturen in den Aufquellgebieten von Tiefenwasser und somit auch vor San Francisco selbst im Sommer nur bei etwa 13 Grad. Daher sind diese Küstengebiete nur bedingt für Badegäste geeignet. Gleichzeitig freuen sich jedoch die Fischer über einen durch das kalte, nährstoff- und sauerstoffreiche Tiefenwasser überdurchschnittlich hohen Fischreichtum.

Schwächeln nun die Passatwinde wird weniger warmes Oberflächenwasser von den Küsten Südamerikas westwärts Richtung Australien und Indonesien transportiert, sodass das kalte Tiefenwasser kaum oder gar nicht aufquillt. Dadurch befindet sich das wärmste Wasser nicht mehr über Südostasien, sondern weiter östlich in Richtung der Westküste Südamerikas. Der Weg für ein sogenanntes El-Niño-Ereignis wäre frei.

Als Maß für die Bewertung und Vorhersage eines “El-Niño-Ereignisses” wird beispielsweise der sogenannte “Ozean Niño Index (ONI)” verwendet, der auf den mittleren dreimonatigen Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen in der Niño3.4 Region (170° W bis 120° W, 5° S bis 5° N) basiert. Als Referenz dienen verbesserte und homogene historische Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den 30-jährigen Zeitraum zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist dabei durch einen positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad definiert. Bei einem La Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder gleich -0,5 Grad vor.

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Auch derzeit wird ein “El-Niño-Ereignis” beobachtet. Dieses Ereignis geht dabei mit überdurchschnittlich hohe Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen tropischen Pazifik einher. Die Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen betrugen zwischen dem 18. und 25. September 1,2 Grad in der Niño 4 Region und bis 2,8 Grad in der Niño 1+2 Region. Insgesamt sind seit März überdurchschnittliche Werte zu verzeichnen. Derzeit wird mit einer 95%-Wahrscheinlichkeit erwartet, dass El Niño über den Winter der nördlichen Hemisphäre hinweg bis mindestens März 2024 anhält. Einhergehend ist über Indonesien mit der Abnahme der Niederschläge zu rechnen, während diese über dem zentralen und östlichen tropischen Pazifik zunehmen bzw. weiter überdurchschnittlich ausfallen.

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Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.09.2023
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Auf der Jagd nach dem Indian Summer

Rückseitig einer Tiefdruckrinne wird am morgigen Samstag etwas kühlere Luft von Nordwesten nach Deutschland geführt, trotzdem wird es wohl der heißeste September seit Aufzeichnung in Deutschland werden (siehe unten verlinkte Pressemitteilung vom 29.09.2023). Die Temperaturen der vergangenen Woche wirken eher sommerlich. Auch am heutigen Freitag werden die Höchstwerte vielerorts wieder über 25 Grad liegen. Phänologisch gesehen hat diese Woche am 25.09.2023 aber der Vollherbst Einzug erhalten.
In der Phänologie definieren sich die Jahreszeiten durch den Entwicklungsstand verschiedener mitteleuropäischer Pflanzen. Dabei wird das Jahr in zehn unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Den Vergleich der aktuellen phänologischen Jahreszeit mit dem langjährigen Mittel stellt die Phänologische Uhr dar. Der Beginn des Vollherbstes ist durch die Fruchtreife der Stiel-Eiche definiert und wurde in diesem Jahr am 25.09. beobachtet.

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Die phänologische Jahreszeit Vollherbst zeichnet sich vor allem durch die Blattverfärbung der meisten Laubbaumarten wie beispielsweise Rosskastanie, Esche oder Rotbuche aus. Die Laubverfärbung hat in der zweiten Hälfte des Vollherbstes ihren Höhenpunkt. Die Änderung der Blätterfarbe von grün-gelb auf orange-rot wird durch die kürzer werdende Tageslänge ausgelöst. Im Frühling und Sommer gewinnt der Baum durch Photosynthese im Blattwerk seine Energie. Das dazu benötigte stickstoffhaltige Chlorophyll besitzt grüne Farbstoffe. Somit sind auch die Blätter der Laubbäume grün. Im Winter kann aufgrund mangelnden Lichts und der zunehmenden Kälte keine Photosynthese stattfinden. Des Weiteren verlieren Laubbäume über ihre Blätter viel Wasser, das im Winter bei gefrorenem Boden durch die Wurzeln nur schwer nachgeliefert werden kann. Deshalb ziehen Laubbäume im Herbst alle Nährstoffe aus den Blättern zurück. Dabei wird das grüne Chlorophyll in den Blättern abgebaut. Zurück bleiben gelbe und rote Blattfarbstoffe (Carotinoide und Anthozyane), die langsamer abgebaut werden. Dadurch entsteht die typisch leuchtend rote und gelbe Färbung der Blätter. In Deutschland ist das die Zeit des goldenen Oktobers.

Um den Verfärbungsprozess in Gang zu setzen und zu beschleunigen, sind nicht nur kürzere Tageslängen notwendig, sondern auch kalte Nächte. Besonders mehrere, aufeinander folgende Tage mit Nachtfrösten sind für eine großflächige Blattverfärbung vorteilhaft, da dadurch der Abbau des Chlorophylls beschleunigt wird. Um den Start und den Höhepunkt der Blattverfärbung im goldenen Oktober nicht zu verpassen, muss man also immer ein Auge auf die Minimumtemperaturen im Herbst legen. Was in Deutschland als goldener Oktober bekannt ist, wird auf dem nordamerikanischen Kontinent als Indian Summer bezeichnet. Woher genau die Bezeichnung Indian Summer kommt, ist unbekannt. Es gibt allerdings eine indianische Legende, die sich um die Laubverfärbung während des Indian Summers dreht. Demnach soll im Herbst das Blut eines erlegten Bärens die Blätter des Ahornbaums rot färben. Die Blattfärbung der riesigen Laub- und Mischwälder Nordamerikas kann rund um den Globus beobachtet werden und wird zudem touristisch vermarktet. Es gibt durch das große touristische Interesse Webcams in den Wäldern Kanadas (Beispiel) als auch in den USA explizite Vorhersage-Karten des “fall foliage”, also der Blattverfärbung. Dort hat ein umfangreiches Hochdruckgebiet mit trockener und gleichzeitiger Zufuhr kühler Luft aus Norden in der letzten Woche für eine rasche Ausbreitung der orange-roten Blätterpracht geführt. Doch nicht nur in den USA, auch für die Schweiz gibt es mittlerweile solche Vorhersagekarten.

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In Deutschland zeichnen sich die kommenden Nächte nicht mit besonders niedrigen Temperaturen aus. Ganz im Gegenteil. Vor allem am kommenden Montag bringt Hoch SONJA (ein Name, über den ich mich besonders freue) nochmal warme Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum heran. Dabei können im Südwesten tagsüber sogar nochmal an die 30 Grad erreicht werden. Der deutsche Indian Summer wird also erst mal noch auf sich warten lassen. Auch in der kommenden Woche sind noch keine Nachtfröste in Sicht, die die Blattverfärbung beschleunigen würde. Letztes Jahr begann der Vollherbst fast “pünktlich” am 16. September. Dieses Jahr startete er erst neun Tage später am 25. September. Der Höhepunkt der diesjährigen orange-roten Offensive der Laubbäume wird also vermutlich erst später zwischen Mitte und Ende Oktober eintreffen. In der Warn-Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes können Nutzer neben der Blattverfärbung von sechs Baumarten, auch andere herbstliche Erscheinungen der Phänologie melden. Ein Spaziergang durch die Natur am kommenden Sonntag lohnt sich also immer, auch wenn es für die Jagd auf den Indian Summer noch zu früh ist.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.09.2023
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Als Wetterdaten laufen lernten

Zugegeben, wirklich laufen können Wetterdaten auch heute nicht. Aber sie werden in einem globalen Netzwerk gesammelt und in (Achtung: Wortspiel) Windeseile verteilt. Somit stehen Messwerte schon wenige Minuten nach der Registrierung global zur Verfügung, und dies gilt auch für die abgelegensten Stationen auf dem Globus.

Dagegen dauerte es im Mittelalter Tage oder Wochen, bis wesentliche und bedeutende Informationen auch nur die nächste Stadt erreichten. Und das galt natürlich auch für Informationen bezüglich des Wetters. Schneller lief die Informationsübertragung dann mit Einführung eines relativ engmaschigen, regelmäßig bedienten Stafettenreiter-Postsystems. Die Geschwindigkeit dieses Posttransports lag dabei meist im einstelligen km/h-Bereich.

Aber: Für den Transport von Wetterdaten ist auch das natürlich viel zu langsam. Das aktuelle Tief KILIAN bewegt sich beispielsweise mit etwa 50 km/h – und damit schneller als jeder Postreiter.

Für den Traum der Menschheit, das Wetter vorherzusagen, waren diese Geschwindigkeiten natürlich nicht annähernd ausreichend. Denn neben der Aufgabe, an möglichst vielen Orten das Wetter regelmäßig und zeitgleich zu beobachten und diese Informationen schnell an einem Ort zusammenzutragen (das ist das klassische Betätigungsfeld der synoptischen Meteorologie), stand man auch vor der Herausforderung, die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse möglichst rasch wieder an potentielle Nutzer zu verteilen. Auf die in früheren Jahren mindestens ebenso große Herausforderung, aus den registrierten Daten und ihrer zeitlichen Änderungen zeitnah eine mögliche zukünftige (Wetter-)Entwicklung abzuleiten, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Eine ausreichend schnelle Datenübertragung war erstmals mit der Erfindung bzw. Weiterentwicklung der Telegrafie möglich. Mit ihrer Hilfe konnte man Wetterdaten verschiedener Orte sammeln, schnell zusammenführen und die Auswertungen dann auch schnell wieder verteilen. Genau genommen muss man an dieser Stelle allerdings sagen: Man hätte es machen können, lange Zeit hat man es aber nicht gemacht. Bis im Jahr 1854 während des Krimkrieges die alliierte Flotte von einem Orkan versenkt wurde.

Der französische Kaiser Napoleon III soll erzürnt gewesen sein – und der Leiter der Pariser Sternwarte, Urbain Le Verrier, beschäftigte sich in der Folge mit der Frage, ob es möglich wäre, solche Stürme vorherzusagen. Natürlich nicht in unserem heutigen mathematisch-physikalisch berechnenden Sinn, sondern mehr im Sinn einer Warn- bzw. Meldekette. Le Verrier, der 1845/46 die Existenz des Planeten Pluto postulierte und dessen Name sogar auf dem Eiffelturm verewigt ist, kam zu einem positiven Ergebnis. Und präsentierte am 19. Februar 1855 eine Wetterkarte auf Basis telegrafierter Wetterdaten. Damit war er in Europa führend. Aber in den USA war man noch etwas schneller.

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Schon mit der operationellen Einführung des Telegrafen 1845 kam man dort auf die Idee, Wetterdaten zu sammeln. Im Jahr 1849 lieferten bereits über 100 Freiwillige zu festgelegten Zeiten Wetterinformationen per “Fernschreiber“, dazukamen noch Meldungen der US Army. Am Rande sei hier erwähnt, dass der DWD auch heute noch auf die wertvollen Informationen von ehrenamtlichen Wettermeldern baut, zu denen vor noch gar nicht allzu langer Zeit die anlassbezogen, hochladbaren Wetterinfos in der DWD-App hinzugekommen sind.

DWD Als Wetterdaten laufen lernten

Portrait of Urbain Jean Joseph Le Verrier; 1811-1877. By: Rosselin. . Page or plate: 12.5 x 10 cm

Doch zurück nach Amerika. In den Vereinigten Staaten der späten 1840er und der 1850er Jahre gingen die Wetterinformationen an die sogenannte “Smithsonian Institution“. Diese wurde am 10. August 1846 durch ein Gesetz des US-Kongresses gegründet. Die finanziellen Mittel dazu stammten aus dem Nachlass von James Smithson, was dann auch den Namen erklärt. Und die Aufgabe der Smithsonian Institution war (und ist) die “Vermehrung und Verbreitung von Wissen“.

“Vermehrung und Verbreitung von Wissen“, damit sind wir bei der zweiten großen Persönlichkeit dieses Beitrages angelangt: Joseph Henry. Dieser war nicht nur von 1846 bis 1878 und somit 32 Jahre (!) amtierender Vorsitzender der Smithsonian Institution, sondern er ist auch Namensgeber der SI-Einheit für die Elektrische Induktivität – und erbrachte u.a. 1831 den Nachweis, dass mit Hilfe eines Telegrafen Nachrichten zwischen zwei Orten ausgetauscht werden können. Also sozusagen den Nachweis, dass man (auch) Wetterdaten “Beine machen“ kann.

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“Record Unit 95, Box 11, Folder 15”

Aber Henry war in seinem Wirken keineswegs auf Elektrizität und den damit verbunden Magnetismus fokussiert. Das wissenschaftliche Multitalent, das als Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina durchaus auch Kontakte nach Deutschland hatte, forschte u.a. im Bereich der Akustik, konstruierte Leuchttürme und beschäftigte sich mit dem Wetter. Dabei erkannte er sofort, dass die schnelle Übertragung von Wetterdaten mittels Telegrafen gewinnbringendem Nutzen für die Meteorologie bringen würde. Entsprechend zeichnete er auf, was ihm die o.g. Freiwilligen und die US Army übermittelten. Und schuf somit die erste(n) Wetterkarte(n) der Welt – noch vor derjenigen von Le Verrier.

Leider war es dem Autor nicht möglich, bei seinen Recherchen genaueres über die Form und den Inhalt der Wetterkarten von Le Verrier und Henry herauszufinden. Es ist aber anzunehmen, dass bei beiden die potentiell schadenträchtigen Wetterlagen besonders im Focus standen. Bei Le Verrier kann dies sogar als sicher gelten, denn immerhin war es bei ihm ein Unwetterereignis, das den Impuls für seine Untersuchungen gab. Aber auch in Nordamerika zogen Unwetter das Interesse der Forschergemeinde auf sich. So zeigt Abbildung 4 die Zugbahn eines Sturms am 21. August 1857, der knapp nördlich von Milwaukee auf den Lake Michigan traf.

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Unabhängig von den exakten Inhalten und auch unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Wetterkarten von Le Verrier und Henry – die Leistung der beiden Forscher kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Idee, Wetterdaten zu einem festen Zeitpunkt in einem größeren Gebiet oder sogar weltweit darzustellen bzw. den räumlich-zeitlichen Ablauf eines Ereignisses wiederzugeben, erweist sich noch heute als Erfolgsmodell.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ruhiges Altweibersommerwetter – aber nicht überall…

ROSI heißt das Hochdruckgebiet, dass uns derzeit das ruhige und zumeist sonnenscheinreiche Wetter in Deutschland beschert. Alles andere als ruhig geht es aktuell aber über den Britischen Inseln zu. Sturmtief KILIAN, auf internationalem Parkett unter dem Namen AGNES bekannt, fegt am heutigen Mittwoch und in der kommenden Nacht über Irland und Schottland hinweg.

Besonders im Süden Irlands kommt es dabei heute verbreitet zu Sturm- und schweren Sturmböen, im dortigen Küstenumfeld auch zu Orkanböen. Zwischen 10 und 11 Uhr verzeichnete die Station Sherkin Island an der Südwestspitze Irlands eine orkanartige Böe mit 112 km/h. In der darauffolgenden Stunde meldete dieselbe Station mit 94 km/h und etwas weiter östlich Roches Point mit 104 km/h jeweils eine schwere Sturmböe als höchste aufgetretene Windgeschwindigkeit.

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall

In der Folge muss an den Küsten mit zum Teil meterhohen Wellen gerechnet werden. Im Binnenland sind unter anderem umgestürzte Bäume zu erwarten, da diese derzeit noch voll belaubt sind und dem Wind daher eine große Angriffsfläche bieten. Sehr stürmisch wird es dann zum Abend hin auch besonders an der Westküste der britischen Hauptinsel und im dortigen Bergland, wenngleich das Tief beginnt, sich aufzufüllen und der Wind daher langsam schwächer wird.

Am Donnerstag liegt KILIAN dann bereits über dem Europäischen Nordmeer, vor allem von Irland bis nach Nordengland und Schottland bleibt es aber stürmisch. Denn die Region verbleibt an der Südostflanke des nordostatlantischen Tiefdruckkomplexes, in dem sich auch KILIAN bewegt.

Springen wir von West- nach Südosteuropa, genaugenommen nach Griechenland: Dort ist weniger der Wind als vielmehr unwetterartige Regenfälle gerade Thema – schon wieder… Vergangenen Sonntag konnte sich über dem zentralen Mittelmeerraum ein vor allem in höheren Luftschichten ausgeprägtes Tief aus der großräumigen Zirkulation lösen und bis heute ins Seegebiet zwischen Griechenland und Libyen ziehen. Von den damit verbundenen heftigen Starkregenfällen sind dieses Mal erneut vor allem Mittelgriechenland und der Norden und Osten der Halbinsel Peloponnes betroffen, Thessalien dagegen wohl nicht. Der griechische Wetterdienst rechnet bis in die Nacht zum Freitag in diesen Regionen gebietsweise mit 150 bis 300 l/qm innerhalb von knapp zwei Tagen (ausgehend von heute früh 2 Uhr MESZ).

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall 1

 

Lokal dürfte es aber noch ein ganzes Stück mehr werden. Im Norden der Insel Euböa wurden heute bereits bis zu 235,6 l/qm in rund 12 Stunden gemessen!
Damit sind Überschwemmungen und Erdrutsche leider vorprogrammiert und wurde teilweise auch schon gemeldet. Auch am Freitag muss zwar weiterhin mit Schauern und Gewittern gerechnet werden, die dann aber eher lokaler Natur sein dürften, sodass sich die Lage – zumindest was das Wetter angeht – entspannen sollte.

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall

Da ist man dann doch sehr froh um das sehr ruhige Wetter bei uns in Deutschland. Hoch ROSI verabschiedet sich zwar am Freitag, sodass Tiefausläufer vorübergehend einige Regenwolken über Deutschland hinwegziehen lassen. Mit Blick Richtung Britische Inseln oder Griechenland ist das aber alles andere als erwähnenswert.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die komplexe Vorhersage von Tornados

Am letzten Donnerstag richtete in der Eifel ein Tornado kleinräumig extreme Schäden an. Dabei handelte es sich nach der internationalen Fujita-Skala (ESSL) um einen IF 2.5 Tornado mit Windgeschwindigkeiten von rund 250 km/h. Diese extremen Winde führten vor allem im Ort Nusbaum zu abgedeckten Dächern, beschädigten Fassaden und umgestürzten Bäumen. Gerade aufgrund der hohen Schadensträchtigkeit solcher Ereignisse wäre eine genaue Prognose sehr wichtig. Aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und der sehr geringen räumlichen Ausdehnung gestaltet sich die Vorhersage allerdings alles andere als einfach.

Starke Tornados treten meistens in Verbindung mit kräftigen Gewittern auf. Dabei benötigt es verschiedene Zutaten, damit zunächst einmal die Grundvoraussetzungen für ihre Entstehung gegeben sind. Eine feuchtwarme, energiereiche Luftmasse und einen Hebungsantrieb, beispielsweise durch einen herannahenden, sind förderlich bei der Entstehung von Gewitterzellen. Zudem ist die vertikale Windscherung ein notwendiger Faktor, damit sich diese besser organisieren können. Dabei handelt es sich um die Geschwindigkeits- und Richtungsänderung des Windes mit der Höhe. Ist diese sehr hoch und liegt eine relativ labil geschichtete Atmosphäre vor, können sich Superzellen ausbilden, im Zuge derer die meisten stärkeren Tornados entstehen. Superzellen sind besonders langlebige, rotierende Gewitterzellen, bei denen neben möglichen Tornados auch großer Hagel, heftiger Starkregen und orkanartige Fallböen auftreten können. Entscheidend für ein erhöhtes Tornadopotential ist allerdings die Scherung in den unteren Schichten der Atmosphäre. Dabei wird die Windänderung zwischen 0 und 1 km betrachtet. Außerdem ist eine niedrige Wolkenbasis hilfreich bei der Entwicklung von Tornados, die häufig aufgrund von einem vorausgehenden Niederschlagsgebiet mit entsprechender Anfeuchtung der Grundschicht entsteht. Dies war auch bei dem Eifel-Tornado vom vergangenen Donnerstag gegeben.

Alle diese Zutaten werden bei der Vorhersage betrachtet um daraus eine Potenzialabschätzung durchzuführen. Somit ist es möglich im Voraus größere Regionen zu bestimmen, in denen eine Tornadogefahr vorhanden ist. Eine ortsgenaue Prognose ist aber, wenn überhaupt, nur sehr kurzfristig machbar. Zur kurzfristigen Vorhersage stehen dem Warnmeteorologen verschiedene Tools zur Verfügung. Zum einen lassen sich anhand der Radarsignale verdächtige Strukturen erkennen. Ein Beispiel hierfür ist das charakteristische „Haken Echo“ in Verbindung mit einer Superzelle. Zum anderen lassen sich rotierende Zellen anhand des Doppler-Radars identifizieren. Dabei werden mithilfe des Dopplereffektes die horizontalen Geschwindigkeiten der Niederschlagspartikel bestimmt. Somit lassen sich Superzellen mit rotierenden Aufwinden erkennen. Allerdings produziert nur ein kleiner Teil der rotierenden Superzellen auch einen Tornado. Da die Tornados selbst in den Radarbildern nur sehr selten eindeutig zu identifizieren sind, sind zusätzlich zu den technischen Hilfsmitteln auch Nutzermeldungen über die Warn-Wetter App, sowie Meldungen von Gewitterjägern für unsere Arbeit unerlässlich.

Auch das Warnmanagement bezüglich dieses kleinräumigen Phänomens erfordert Fingerspitzengefühl, da selbst eine kleinräumige Gemeindewarnungen schnell zur Überwarnung führen kann. Die Schneise des Tornados beträgt nämlich meist nur wenige hundert Meter, sodass große Teile des Gebietes vom Tornado unbeeinflusst bleiben.

Am vergangenen Donnerstag zog in Verbindung mit einer von Westen herannahenden Kaltfront eine Gewitterlinie von Frankreich heran. Unter günstigen Bedingungen waren dabei innerhalb mehrerer Gewitterzellen vor allem in unteren Schichten Rotationsstrukturen erkennbar (siehe Abbildung 1). An der Linie bildete sich an der südlichen Zelle anschließend ein kurzlebiger Tornado aus, der lokal eng begrenzt für schwere Schäden sorgte. Dieser Fall gestaltete sich warntechnisch als besonders schwierig, da es sich hierbei nicht um eine klassische, isolierte Superzelle mit typischem „Haken Echo“ im Radarbild handelte, sondern um eine in die Linie eingebettete rotierende Zelle.

DWD Die komplexe Vorhersage von Tornados 1

Vor allem bei besonders kurzlebigen Tornados, die nicht durch klassische Strukturen mithilfe moderner Fernerkundungssysteme erkennbar sind, ist eine ortsgenaue Warnung somit bisher leider noch äußerst schwierig.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.09.2023
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“Altweibersommer” mit seinen typischen Wetterphänomenen nimmt Fahrt auf!

Hoch ROSI dominiert die Wetterküche in weiten Teilen Europas! ROSI hat sich über Osteuropa eingenistet und spannt ein großräumiges Hochdruckgebiet von Nordwestrussland bis nach Griechenland sowie von Russland bis zur Iberischen Halbinsel auf. Die Tiefdruckgebiete um den ehemaligen Wirbelsturm NIGEL westlich von Norwegen müssen notgedrungen über Nordwesteuropa ihre Kreise ziehen. Neben NIGEL tummeln sich dort derzeit auch noch Tiefs südwestlich von Island und westlich von Irland. Auch deren Tiefausläufer können kaum in das Hoheitsgebiet von Hoch ROSI eindringen und streifen somit höchsten den Norden Frankreich, Benelux und den Nordwesten Deutschlands. Eine gewisse Tiefdrucktätigkeit ist ansonsten noch im östlichen Mittelmeerraum zu finden und sorgt so von Süditalien über Griechenland hinweg bis zur Türkei und Israel für einen eher unbeständigen Wettercharakter.

Deutschland liegt auf der Südwestflanke von ROSI. Allenfalls der Nordwesten gerät zeitweise in die sogenannte Frontalzone naher Tiefausläufer, sodass dort auch mal dichtere Wolken durchziehen können, die vereinzelt auch ein paar Regentropfen abladen.

DWD Altweibersommer mit seinen typischen Wetterphaenomenen nimmt Fahrt auf

Ansonsten sind bis Freitag in weiten Teilen des Landes die hochreichenden Strömungsbedingungen antizyklonal geprägt. Entsprechend dominiert Absinken, das heißt, die Luft sinkt aus größeren Höhen zum Boden ab und erwärmt sich dabei. Potentielle Wolkentröpfchen verdunsten und die Sonne kann scheinen. Wenn das Wörtchen “Wenn” nicht wäre.

Die seit dem 23. September länger Nächte als Tage zusammen mit Hochdruckeinfluss lassen nachts typische herbstliche Wetterphänomene wie Nebel oder Hochnebel sowie Tau und Bodenfrost auf dem Spielfeld zu, während tagsüber häufig warmes und sonniges Wetter herrscht.

Genau dies ist auch derzeit zu beobachten. In der Nacht auf den Montag gab es vor allem in einem Streifen vom Südschwarzwald über die Alb und dessen Vorland bis zur Oberpfalz, dem Erzgebirge und Thüringer Wald sowie teils bis in die Lausitz hinein tiefe einstellige Werte in Bodennähe, vereinzelt wurde sogar Bodenfrost gemessen. Dies war z.B. in Bad Lobenstein (-0,8 Grad), Geislingen (-0,8), Sigmaringen-Laiz (-0,8 Grad), Rottweil (-0,9 Grad), Hof (-1,0 Grad), Lenzkirch-Ruhbühl (-1,3 Grad) und Deutschneudorf-Brüderwiese (-2,0 Grad) sowie weitere der Fall. Dazu bildete sich vor allem in Teilen Brandenburgs und Sachsen örtlich Nebel. Diesen Phänomenen stehen die Höchstwerte von 16 und 22 Grad am Sonntag gegenüber.

In den kommenden Tagen wird Frost in Bodennähe weniger ein Thema sein. Dagegen kann sich der Nebel oder Hochnebel wohl etwas ausbreiten. Durch das nächtliche Auskühlen kondensiert die Feuchtigkeit zu Tau und/oder es bildet sich Bodennebel (Strahlungsnebel, vgl. Link). Ist nun wie derzeit kaum Wind vorhanden und die Luft sinkt aus der Höhe ab, kann sich eine kräftige Inversion ausbilden. Unter Inversion versteht man in der Meteorologie die Umkehr des normalerweise mit der Höhe abnehmenden Temperaturverlaufs in einer mehr oder weniger dicken Schicht (vgl. Link). Genau an dieser Schicht bildet sich in Abhängigkeit der Luftfeuchtigkeit regional Hochnebel, der sich teilweise über den gesamten Tag hinweg halten kann. Ob nun viel Sonne oder Hochnebel, die Temperaturen steigen tagsüber stetig auf für die Jahreszeit deutlich überdurchschnittliche Werte an, die am Donnerstag und Freitag 19 bis 29 Grad erreichen. Insgesamt bleibt somit vielerorts ein großer Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht erhalten.

Die beschriebenen Witterungsbedingungen beschreiben somit in ganzer Fülle den sogenannten Altweibersommer.

Der Begriff “Altweibersommer” geht auf das altdeutsche Wort “weiben” zurück, was weben bedeutet und beschreibt beständige frühherbstliche Hochdrucklagen über Mitteleuropa, die besonders häufig Mitte September bis Anfang Oktober auftreten und mit sommerlichen Temperaturwerten am Tag und kühlen Nächten (starke Taubildung, oft Strahlungsnebel) einhergehen (vgl. Link). Der Altweibersommer ist, wie die Schafskälte, eine im mittleren Jahresgang der Lufttemperatur ausgeprägte Singularität. Die Bezeichnung “Altweibersommer” erscheint dabei aus meteorologischer Sicht weder frauenfeindlich noch despektierlich.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.09.2023
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Weltraumwetter

Am heutigen deutschen “Tag der Raumfahrt” wollen wir uns im Thema des Tages dem sogenannten “Weltraumwetter” widmen. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um ein Oxymoron zu handeln, also eine Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe. Immerhin beschreibt das “Wetter” im ursprünglichen Sinne den spürbaren, kurzfristigen Zustand der Atmosphäre, um genau zu sein sogar nur der Troposphäre, dem untersten Bereich der Lufthülle der Erde. Als Weltraum dagegen bezeichnet man den Raum zwischen den Himmelskörpern. Diese haben zwar keine feste Grenze zum Weltraum, sondern eher einen fließenden Übergang zwischen der Atmosphäre, die nach außen hin immer “dünner”, also immer weniger Teilchen beherbergt. Ab einer bestimmten Höhe spricht man aber vom Beginn des Weltraumes, eines Bereiches mit extrem geringer Teilchendichte. Wie passt das zusammen?

Da der Weltraum nach obiger Definition also kein wirklich “leerer Raum” ist, sondern – genau wie die Atmosphären der Himmelkörper – kleine Teilchen beinhaltet (Gase, Staub etc.), lassen sich Analogien herstellen. So kann es durch “Sonnenwinde” im Weltraum durchaus stürmisch zugehen und auch für “Regen” ist gesorgt, wenn kleinste Teilchen von der Sonne auf die Erde prasseln. Immer dann, wenn die Auswirkungen vom Sonnenwind und -regen für uns Menschen auf der Erdoberfläche sichtbar oder spürbar werden, sprechen Experten vom Weltraumwetter. Eine weitere Analogie wurde damit ganz beiläufig angesprochen: Genauso wie das rein irdische Wetter wird auch das Weltraumwetter maßgeblich von der Sonne bestimmt, wenngleich es auch viele weitere Einflussfaktoren gibt.

Unter Sonnenwind verstehen wir einen Strom elektrisch geladener Gasteilchen, die von der Sonne in alle Richtungen wegströmen. “Stürmisch” wird es dann, wenn es zu einem “koronalen Massenauswurf” (englisch: Coronal Mass Ejection, kurz: CME) kommt. Es handelt sich dabei um eine Art Explosion auf der Sonne, bei der nicht nur eine gewaltige Menge an Teilchen, sondern auch ganze Magnetfelder von der Sonne weggeschleudert werden. Dieses Gemisch nennt man “Plasma”. Manchmal beobachtet man auch sogenannte “Flairs”, eine Art Blitz, bei der sich Röntgenstrahlung, also elektromagnetische Energie oder Licht mit Lichtgeschwindigkeit in alle Richtungen ausbreitet.

In unregelmäßigen Abständen sind Sonnenstürme zur Erde gerichtet. Generell schützt uns das Magnetfeld bzw. die darin eingefangenen geladenen Teilchen, der sogenannte Strahlungsgürtel, vor dem gefährlichen Plasma des Sonnenwindes. Ist der Partikelstrom aber zu stark, wird dieses Schutzschild verformt und es können sich vermehrt Schwachstellen auftun. Im schönsten Fall dringen nur verhältnismäßig wenige geladene Partikel des Sonnenwindes bis in die obere Atmosphäre ein, wo sie auf Sauer- und Stickstoffteilchen treffen, diese anregen und zum Leuchten bringen. Diesen Effekt kennen wir als ungefährliches, aber optisch sehr ansprechendes Polarlicht. Im schlimmsten Falle gelangen aber größere Mengen an geladenen Teilchen in die Atmosphäre und sorgen für starke elektrische Ströme. Diese beeinträchtigen in erster Linie Gerätschaften in größerer Höhe wie Satelliten oder Computersysteme in Flugzeugen. Dadurch können die Navigations- und Kommunikationssysteme auf der Erde in Mitleidenschaft gezogen werden oder gar ausfallen. Die Verformung des Magnetfeldes kann sich aber auch am Erdboden bemerkbar machen, indem sich beispielsweise in Stromleitungen große Spannungen aufbauen und starke Ströme fließen können, die zu Überlastungen und Ausfällen im Stromnetz führen.

DWD Weltraumwetter

Ähnlich wie beim Wetter gilt es diese gefährlichen Situationen möglichst zu erkennen, mögliche Auswirkungen vorherzusagen und Warnungen auszusprechen. Mit vielen unterschiedlichen Messgeräten wird die Sonne pausenlos beobachtet und die Richtung und Stärke etwaiger Sonnenstürme gemessen. Wenn sich ein solcher ereignet, bleiben noch zwei bis vier Tage Vorlaufzeit, bevor sie die Erde erreichen. Mit verschiedenen Maßnahmen können Auswirkungen und Schäden an technischen Systemen vorgebeugt werden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.09.2023
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Ex-Tropenstürme in Europas Wetterküche

Recht turbulent geht es aktuell im Wettergeschehen zu. Auch wenn sich nicht alle Facetten des Geschehens bei uns in Deutschland bemerkbar macht, so ist man auch hierzulande von dem ein oder anderen Unwetterereignis nicht verschont geblieben. An vorderster Stelle sei dabei der am vorgestrigen Donnerstag aufgetretene Tornado in der Eifel genannt Dieser stand im Zusammenhang mit Ex-Hurrikan „Lee”, dessen Überreste sich zu jenem Zeitpunkt als kräftiges Tiefdruckgebiet über dem europäischen Nordmeer befanden, und dessen ausgeprägte Kaltfront uns überquerte. An der Kaltfront kam es dann zur Bildung einer ausgeprägten Gewitterlinie, in die auch die tornadoproduzierende Superzelle eingelagert war.

Hier hatte also schon einer der ehemaligen Tropenstürme seine Finger im Spiel. Aber auch danach geht die Geschichte noch weiter: Rückseitig führt Ex-„Lee” aktuell relativ kühle Polarluft nach Deutschland, während bereits der nächste Ex-Tropensturm bzw. -Hurrikan auf dem Atlantik herannaht. Dazu gleich mehr. Zunächst aber führt dieses „Sitzen zwischen den Stühlen” dazu, dass aktuell ein neues Hochdruckgebiet namens „Rosi” von den Azoren seinen Einflussbereich bis zu uns nach Mitteleuropa ausweitet und sich dabei noch verstärkt. Die Folge: Zunehmend trockenes und sonnenscheinreiches Wetter, wobei gerade anfangs noch einige Wolkenfelder mit von der Partie sind, die dem Sonnenschein im Wege stehen.

Interessant wird es auch zu Beginn der neuen Woche. Dann kommt mit Ex-„Nigel” der nächste, bereits schon erwähnte, ehemalige Hurrikan ins Spiel. Dieser zieht im Laufe der kommenden Tage vom Atlantik voraussichtlich an Schottland vorbei Richtung Nordmeer und saugt dabei aus Südwesten jede Menge Warmluft an, die uns im Anschluss auch in Deutschland erreicht. Gleichzeitig bleibt mit der Warmluftzufuhr der Hochdruckgürtel erhalten, der sich in der neuen Woche von den Azoren bis nach Nordosteuropa erstreckt, wo Hoch „Rosi” zu diesem Zeitpunkt liegen wird. Damit bleibt Deutschland zunächst auch vom Einfluss etwaiger Tiefausläufer – sprich: Fronten – verschont. Ins Wettergeschehen übersetzt bedeutet das: Eine ganze Menge Sonnenschein und nochmals spätersommerlich warme Temperaturen. Laut aktuellen Modellprognosen könnte es demnach Mitte der kommenden Woche in einigen Landesteilen nochmals auf bis zu 27 °C hochgehen mit den Temperaturen.

Aber auch der Blick über die Grenzen sollte nicht unbeachtet bleiben: Ex-„Nigel” soll dann als ausgewachsenes Orkantief über die Britischen Inseln ziehen. Je nach Variante wären entweder Schottland, oder aber auch England inklusive Großraum London betroffen, die die volle Orkanwucht zu spüren bekämen. Einige Szenarien könnte man durchaus als „wild” bezeichnen, aber die Prognosen sind auch dementsprechend derart unsicher, dass erstmal weiteres Abwarten angesagt ist. Für Details ist es ohnehin noch zu früh.

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 1

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 2

M.Sc . Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Starke Gewitter und Dauerregen

Die markante Kaltfront des Ex Hurrikans und nun außertropischen Tiefs LEE zog in der vergangenen Nacht sowie am heutigen Freitagmorgen über weite Teile Deutschlands hinweg. In Verbindung mit der Kaltfront gab es gebietsweise kräftige Schauer und Gewitter. Außerdem wurde ein deutlicher Temperatursturz eingeläutet. Nachdem am gestrigen Donnerstag noch in vielen Teilen des Landes ein Sommertag registriert wurde, liegen die heutigen Höchstwerte deutlich tiefer.

DWD Starke Gewitter und Dauerregen 1

Der deutschlandweite Höchstwert wurde gestern mit 30,2 Grad in Langenlipsdorf (Brandenburg) gemessen. Heute zeigt das Thermometer dort aktuell (13 Uhr MESZ) nur 18 Grad an. In Starkenberg-Tegkwitz (Thüringen) und Baruth (Brandenburg) wurde mit 29,7 bzw. 29,5 Grad die Schwelle für einen heißen Tag nur knapp verfehlt. Aber auch dort wird es wie generell im Osten schwierig im Nachmittagsverlauf die 20 Grad-Marke zu knacken. Auch in den anderen Landesteilen bleibt es deutlich kühler als zuletzt.

Neben dem ausgeprägten Temperatursturz traten regional kräftige und schauerartig verstärkte sowie mit Gewittern durchsetzte Regenfälle auf. Insbesondere im Westen und Nordwesten des Landes kamen von Donnerstagmittag bis heute Mittag verbreitet 10 bis 20, lokal um 30 Liter pro Quadratmeter vom Himmel. Oftmals fielen diese Niederschlagsmengen innerhalb von wenigen Stunden. Im Süden setzten die Regenfälle erst im Laufe der Nacht ein und intensivierten sich am Morgen vom östlichen Bodensee bis ins Allgäu. Verbreitet wurden 10 bis 30, örtlich um 50 Liter pro Quadratmeter innert 12 Stunden registriert. Die Radaranalyse bietet hier etwas zu hohe Mengen an.

DWD Starke Gewitter und Dauerregen 2

Die Niederschläge halten am Alpenrand noch weiter an und klingen erst im Laufe des Samstags allmählich ab. Es werden bis Samstagvormittag weitere 20 bis 30 Liter pro Quadratmeter erwartet. Insgesamt kommen somit während dem gesamten Niederschlagsevent 30 bis 60, örtlich um 70 l/qm vom Himmel. Weitere Schauer und Gewitter treten heute und morgen lokal auch noch am im Westen und Südwesten sowie an der Nordseeküste auf. Die Niederschlagsmengen wie am Alpenrand werden dort jedoch nicht erreicht.

DWD Starke Gewitter und Dauerregen 3

Neben den kräftigen Niederschlägen standen gestern Nachmittag und Abend im Zusammenhang mit den Schauern und Gewittern vor allem die Windböen im Fokus. Abgesehen vom Bergland gab es vor allem im Saarland, im südlichen Rheinland-Pfalz und in Westhessen einige stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8-9). Die stärkte Böe wurde in Berus (Saarland) mit 92 km/h registriert. Dies entspricht sogar einer schweren Sturmböe (Bft 10).

DWD Starke Gewitter und Dauerregen 4

Noch deutlich stärker wehte der Wind in Nusbaum, etwa 14 km südwestlich von Bitburg in der Südeifel. Dort kam es am Nachmittag gegen 15:50 Uhr zu einem Tornado, der für zahlreiche und teils erhebliche Schäden gesorgt hat. Nach vorläufigen Schätzungen hat es sich dabei um einen Tornado der Stärke EF2 gehandelt. Erklärungen zu unterschiedlichen Tornado-Intensitätsskalen sind im TdT vom 21.08.2021 unter zu finden.

Am Wochenende beruhigt sich das Wetter deutlich und der Altweibersommer findet seine Fortsetzung. Tagsüber wird es dabei angenehm warm, aber nachts erinnern Tiefstwerte im einstelligen Bereich doch schon deutlich an den nahenden Herbst.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Tagundnachtgleiche läutet (kalendarischen) Herbstbeginn ein

In den vergangenen Wochen war es deutlich spürbar: Die Tage wurden merklich kürzer und die Nächte länger. Besonders in den Abendstunden ist es am ehesten wahrnehmbar, dass die Sonne zeitiger untergeht. Aber auch den morgendlichen Arbeitsweg beginnen viele nun schon im Dunkeln oder zumindest in der Dämmerung. Ein untrügliches Zeichen, dass das Jahr fortgeschritten ist und wir uns dem kalendarischen Herbstbeginn nähern.

Am kommenden Samstag, den 23. September 2023, ganz genau um 08:50 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit beginnt der Herbst. Zu diesem Zeitpunkt zieht die Sonne direkt über den Erdäquator hinweg. Die Sonne geht an diesem Tag überall auf der Erde fast genau im Osten auf und im Westen unter. Man spricht dabei von der Tagundnachtgleiche oder dem Äquinoktium (von lat aequus – gleich und nox – Nacht). Während bei uns auf der Nordhalbkugel also die dritte Jahreszeit beginnt, markiert das Äquinoktium auf der Südhalbkugel den Beginn des Frühlings. Am Tag des Äquinoktiums dauern somit lichter Tag und Nacht überall auf der Erde zumindest theoretisch gleich lang.

Jedem ist bekannt, dass Jahreszeiten existieren. Aber wodurch entstehen sie? Das ist eine Frage, bei deren Beantwortung viele Menschen regelmäßig in eine kleine Falle tappen. Oft hört man, dass es auf der Erde kälter wird, wenn sie sich weiter von der Sonne entfernt, und wärmer, wenn sie näher an unsere Wärmequelle herankommt. Schließlich reist unser Planet auf einer Umlaufbahn um die Sonne, die kein perfekter Kreis, sondern eher eine Ellipse ist. Die Schlussfolgerung aus dieser Tatsache ist jedoch falsch. Unser Erdorbit weicht nur zu drei Prozent von einem Kreis ab. Im nördlichen Winter ist die Sonne der Erde eigentlich am nächsten und im Sommer am weitesten entfernt. An der unterschiedlichen Entfernung zur Sonne liegt es also nicht. Was beschert uns dann die Jahreszeiten?

DWD Tagundnachtgleiche laeutet kalendarischen Herbstbeginn ein

Die Antwort ist schlicht gesagt: die Neigung! Die Erdachse ist relativ zur Sonne gesehen nicht senkrecht ausgerichtet, sondern steht in einem leicht schrägen Winkel von etwa 23,5 Grad. Während sich die Erde um die Sonne dreht, bleibt dieser Winkel erhalten, weshalb das Licht der Sonne nicht direkt auf die komplette Erdoberfläche trifft. Wenn die Nordhemisphäre der Sonne weggeneigt ist, werden deren Lichtstrahlen nur in einem schrägen Winkel aufgefangen. Während dieser Phase herrschen kürzere und somit in der Regel auch kühlere Tage. Gleichzeitig ist die südliche Hemisphäre der Sonne zugeneigt, weshalb ihre Strahlen in einem steileren Winkel eintreffen und für längere Tage sorgen. Nur zweimal im Jahr wird die Erde gleichmäßig in das Licht der Sonne getaucht – nämlich zu den Tagundnachtgleichen. Das zweite Äquinoktium findet um den 21. März statt, wenn sich die eben beschriebenen Gegebenheiten auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre umkehren. Die Äquinoktien selbst definieren nur den Zeitpunkt eines Ereignisses. Sie finden nicht wirklich statt, wenn der Tag und die Nacht gleich lang sind, obwohl man das vielleicht annehmen würde. Eigentlich ist es der Zeitpunkt, zu dem die Sonne am Äquator genau im Zenit und die Sonnenstrahlen dort im 90 Grad Winkel auf die Erdoberfläche treffen. Dann sind Tag und Nacht überall auf der Erde nahezu gleich lang.

In unseren Breiten allerdings sind zum Äquinoktium Tag und Nacht nicht exakt gleich lang und es ergibt sich ein Unterschied von einigen Minuten. Der Tag erscheint tatsächlich etwas länger als die Nacht. Zum einen erklärt sich diese Diskrepanz durch die Ausdehnung der Sonnenscheibe. Während der Äquinoktien wird der geometrische Mittelpunkt der Sonnenscheibe betrachtet, der an diesen Tagen etwa 12 Stunden oberhalb des Horizontes steht. Da allerdings die ersten und letzten Sonnenstrahlen eines Tages vom oberen Rand der Sonnenscheibe ausgehen, dauert der Tag also etwas länger. Zum anderen spielt die Brechung des Sonnenlichts durch die Atmosphäre eine Rolle. Die Erdatmosphäre beugt das Licht, weshalb es aussieht, als befände sich die Sonne noch über dem Horizont, obwohl sie bereits untergegangen ist. Der Kalendertag, an dem tatsächlich zwölf Stunden lichter Tag und zwölf Stunden Nacht herrschen, ist somit um ein paar Tage in Richtung Wintersonnenwende verschoben. Dieser Tag wird als Equilux bezeichnet und liegt für den 50. Breitengrad (geografische Breite von Frankfurt am Main) um den 25 September.

DWD Tagundnachtgleiche laeutet kalendarischen Herbstbeginn ein 1

Zur diesjährigen Tagundnachtgleiche hält sich das Wetter zumindest ein wenig an die Vorgaben. Der Samstag gestaltet sich vor allem in der Nordwesthälfte mit einzelnen Schauern leicht wechselhaft. Insbesondere an der See kann auch mal ein kurzes Gewitter dabei sein. Südlich der Donau muss man sich bei dichter Bewölkung mit zeitweisem Regen begnügen. In den Regionen vom Südwesten bis in den Nordosten hingegen zeigt sich neben einigen Quellwolken häufiger die Sonne bei nur geringer Schauerneigung. Während in Alpennähe die Höchstwerte unter 15 Grad verharren, klettert das Quecksilber in den übrigen Regionen auf 16 bis 21 Grad.

M.Sc (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst