Na Polarwirbel, schon fit für den Winter? Teil 2

Der folgende zweite Teil des Beitrags geht der Frage nach, welche anderen Faktoren noch die Stärke und Ausprägung des Polarwirbels in der Stratosphäre beeinflussen und inwiefern zum jetzigen Zeitpunkt diese Faktoren bereits diagnostiziert und auch prognostiziert werden können.

Im heutigen zweiten Teil des Beitrags werden Faktoren näher betrachtet, die einen eher sekundären Einfluss auf den Polarwirbel haben wie die variable Sonnenaktivität, die angehäufte Schneemenge in Sibirien zum Ende des Herbstes oder auch die Arktische Oszillation (AO), die allerdings eng mit der Nordatlantischen Oszillation (NAO) verknüpft ist. Und zu guter Letzt wagen wir dann noch eine Tendenz für den kommenden Winter.

Nun gut, fangen wir mit der Arktischen Oszillation (AO) an. Gemessen wird diese Oszillation mit dem AO-Index. Er beschreibt drei Zentren: Hochdruck bei den Aleuten, Tiefdruck bei Island und Hochdruck über der Biskaya. Ersteres ist die Nordkomponente des Nordpazifiks, zweiteres die Atlantikkomponente des Polarwirbels, und dritteres die Nordostkomponente des Azorenhochs, drei permanenten Grundcharakteren des Klimasystems. Dabei wird das langjährige Monatsmittel der 1000-hPa-Druckabweichung ab 20° nördlicher Breite bis zum Nordpol gebildet. Positiv fällt diese aus, wenn nach Süden hin höherer Luftdruck als zum Nordpol hin herrscht. Negativ ist sie, wenn die Druckunterschiede schwach ausgeprägt oder umgekehrt sind. Ein positiver AO-Index spricht im Mittel für eine westliche Grundströmung. In den meisten Fällen sind die Vorzeichen von NAO und AO gleich. Es gibt natürlich auch Fälle, wo die Arktische Zirkulation von der Nordatlantischen abgekoppelt ist, z.B., wenn sich die Tiefdruckaktivität deutlich weiter nördlich als normal abspielt. Dann hätten wir zwar mitunter einen positiven AO-Index, aber einen eher neutralen NAO-Index. Das würde allerdings für einen schwächer ausgeprägten Polarwirbel mit regional unterschiedlichen Folgen sprechen.

Häufig wird vom Schnee in Sibirien zum Ende des Herbstes als wichtigen Faktor für einen kalten Winter in Mitteleuropa gesprochen. Ja und Nein lautet die Antwort. Fakt ist, wenn zu Beginn des Winters ausreichend Schnee auch bis nach Westsibirien liegt, dann bildet sich ein starker Kältepol mit einem zumindest am Boden stark ausgeprägten und stabilen Hochdruckgebiet. Dann könnte bei entsprechender Druckverteilung eine nordöstliche bis östliche Strömung kalte Luftmassen nach Mitteleuropa führen, und das über einige Wochen hinweg. Allerdings müssen solche Druckkonstellationen erstmal zustande kommen. Das wird bei vorherrschender westlicher Höhenströmung und einem normal ausgeprägten Polarwirbel schwierig zu realisieren sein, höchstens mal vorübergehend.

Jetzt folgt noch ein heikler, weil umstrittener Faktor. Es geht um die Sonnenaktivität, die periodischen Schwankungen unterliegt (Schwabe-Zyklus ca. 11 Jahre, Anzahl der Sonnenflecken). Momentan befinden wir uns im solaren Minimum, d.h. dass die auf der Erde (bzw.in der Atmosphäre) eintreffende Strahlung (und damit Wärmeenergie) etwas geringer ausfällt (Abstrahlung der Sonne im Mittel um etwa 1 bis 1,5 W/qm geringer). Physikalisch ist das richtig, aber die Atmosphäre und hier speziell die Stratosphäre dient wie bereits mehrmals beschrieben als ausgleichender Puffer gegen Extreme in beide Richtungen. Solche Temperaturdifferenzen durch geringeren Wärmeeintrag werden dann durch Wellen und Schwingungen ausgeglichen, was dann z.B. als Wind messbar ist. Das liefert ggf. eine mögliche Erklärung für einen Teil der QBO-Zirkulation (siehe 1.Teil des Beitrags vom 31.08.2019). Nichtdestotrotz kann auch dieser (kleine) und indirekte Faktor das Zünglein an der Waage spielen, gerade wenn alle anderen Faktoren eine Pattsituation ergeben.

Soweit, so gut. Und was bekommen wir jetzt für einen Winter?

Wenn man streng wissenschaftlich an die Fragestellung herangeht, müsste man sagen: wir können es nicht vorhersagen, da die Zusammenhänge nicht nur sehr komplex, sondern auch ziemlich verstrickt untereinander sind, wo selbst Analysen im Nachhinein nie 100% eindeutig sind.

Gut, wir haben eine Prognose bzw. Tendenz versprochen, deshalb kurz zusammengefasst die wichtigsten Punkte mit anschließender Schlussfolgerung:

– Sowohl ENSO als auch QBO scheinen Ende 2019/ Anfang 2020 neutral zu sein, mit der Tendenz, im Verlauf sogar leicht negativ zu werden;

– Die positiven Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen im Atlantik werden definitiv vor allem zu Beginn des Winters noch signifikant sein und damit Einfluss ausüben auf die großräumige Druckverteilung, z.B. in Form der Abschwächung von Tiefdruckgebieten oder aber Blockierungen über dem Atlantik durch Etablierung von Hochdruckgebieten an bestimmten Stellen (Stichwort positive Temperaturwellen vom Meer aus).

Diese Faktoren und Indikatoren deuten auf einen schwächer als normal ausgeprägten Polarwirbel hin. Damit einher könnten häufigere Blockierungen durch Hochdruckgebiete z.B. über dem Ost-Atlantik oder Skandinavien gehen. Das könnte mitunter längere kalte, aber auch teils recht trockene Phasen bedeuten, da die Tiefdruckaktivität aufgrund oben genannter Faktoren allgemein geschwächt wird. Insgesamt sollte aber das Temperaturniveau nur zeitweise unter den Normalwerten liegen. Bezüglich des Niederschlags deutet sich ein erneutes Defizit an.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 01.09.2019

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