Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat

Das Grundgesetz (GG), also die Verfassung Deutschlands, wird heute 75 Jahre alt. Am 23. Mai 1949 wurde das zunächst als Provisorium gedachte Werk erlassen und trat wenige Stunden später in Kraft. Neben den Grundrechten, die in den ersten Artikeln ihren Platz finden, wird dort die Organisation des Staates bestimmt. Im Artikel 74 Absatz 1 Ziffer 21 ist unter anderem die Gesetzgebung für den Wetterdienst verankert.

Wenige Jahre später hatte der Wetterdienst auf Grundlage des Artikels 74 GG sein eigenes Gesetz bekommen, das sogenannte Wetterdienst-Gesetz oder auch DWD-Gesetz genannt. Das DWD-Gesetz umfasst 14 Paragraphen in denen die rechtliche Einordnung und alle Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes geregelt sind. Alle dort beschriebenen Aufgaben muss der Wetterdienst erfüllen und stellt damit auch dessen Daseinsberechtigung dar.

Die erste, in Paragraph 4 des DWD-Gesetzes aufgeführte Aufgabe, ist die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer. Insbesondere wird dabei auf die Bereiche Verkehr, gewerbliche Wirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesen, der Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft hingewiesen. Man sieht, dass der Wetterdienst Dienstleistungen für die unterschiedlichsten Nutzer bereitstellen muss. Daher ist die Produktpalette des DWDs auch sehr breit aufgestellt. Es gibt spezielle Vorhersagen für die Landwirtschaft, die unter anderem Blüte- und Erntezeiten berücksichtigt und Wert auf die Bodenfeuchte legen. Aber auch Vorhersagen für Hitzestress bei Geflügel. Unter klimatologische Dienstleistungen fallen beispielsweise klimatologische Gutachten, die zur Bewertung der Luftqualität in deutschen Kurorten erstellt werden.

Eine der wohl wichtigsten Aufgaben steht unter Ziffer 2 des Paragraphen 4 und stellt die meteorologische Sicherung der Luft- und Seefahrt, der Verkehrswege sowie wichtiger Infrastrukturen, insbesondere der Energieversorgung und der Kommunikationssysteme dar. Dabei ist der DWD auch an internationale Gesetzgebung und Vereinbarungen gebunden wie beispielsweise an SOLAS (Safety of Life at SEA, internationales Übereinkommen zum Schutz von menschlichen Lebens auf See) und an die Vorgaben der ICAO (International Civil Aviation Organization, Internationale Organisation der Zivilen Luftfahrt). Zur meteorologischen Sicherung der Verkehrswege wurde ein eigenes Portal für die Straßenmeistereien eingerichtet, was vor allem in der Wintersaison Informationen über die Glättegefahr auf Straßen bereitstellt.

Des Weiteren sind die Bereithaltung, Archivierung, Dokumentation und Abgabe meteorologischer und klimatologischer Geodaten weitere Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes. Dazu betreibt der Wetterdienst an den größeren Niederlassungen jeweils ein Archiv. Im Seewetteramt in Hamburg sind beispielsweise über 37000 Schiffsjournale mit Wetteraufzeichnungen archiviert. Das größte Archiv, und einer der größten meteorologischen Bibliotheken weltweit, befindet sich in der Zentrale des DWDs in Offenbach. Dort stehen etwa 190000 Medieneinheiten zur Verfügung. Außergewöhnlich sind die historischen Bände mit Wetteraufzeichnungen die bis ins Jahr 1483 zurückreichen. Auch die Wetterlage am Geburtstag des Grundgesetzes lässt sich in den Archiven finden. Am 23. Mai 1949 lag über den Britischen Inseln ein Tiefdruckgebiet, das seinen Einfluss bis nach Mitteleuropa erstreckte. In Deutschland herrschten ähnlich wie heute schwache Winde und Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad vor. Im Gegensatz zum heutigen Tag, waren vor 75 Jahren jedoch keine Starkregenereignisse zu erwarten.

DWD Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat

DWD Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat 1

Damit kommen wir zu der wohl bekannteste Aufgabe des Wetterdienstes; die Erstellung und Verbreitung amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen. Der Warnkatalog des DWDs ist sehr umfangreich und erstreckt sich von Nebelwarnungen, über Windwarnungen bis zu Warnungen über Tauwetter. Aber auch Warnungen vor Hitzebelastung oder vor hautkrebsfördernden UV-Strahlung gehören zum Repertoire. In den letzten Tagen kam es häufig zu Warnungen vor Dauerregen, Starkregen und Gewittern. Teilweise bis in den extremen Unwetterbereich. Auch heute werden im Süden des Landes wieder lokal unwetterartige Gewitter erwartet.

Damit alle frühzeitig und umfangreich gewarnt werden, wird bei besonders schweren Unwetterlagen neben der Veröffentlichung von Warnungen unter anderem im Internet, auf der WarnWetter-App oder im Teletext auch ein Unwetterclip im Studio des Deutschen Wetterdienstes aufgenommen. Dort erklärt der/die diensthabende Medien-Meteorologe/in die zu erwartende warnwürdige Wetterlage.

M.Sc. (Meteorologin) Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Reinhard Süring – Bis an die Grenzen und darüber hinaus (Teil 1)

Der 15. Mai ist aus meteorologischer Sicht kein ganz gewöhnlicher Tag. Nein, gemeint ist nicht irgendein Schwergewittertag in den letzten Jahrzehnten oder ein besonders „knackiges“ Ende der Eisheiligen in der jüngsten Vergangenheit. Für diese Art von Gedächtnis, bei dem sämtliche Tage, Wochen und Monate mit markanten Wetterereignissen abgespeichert werden und im Falle eines Weckens aus dem Tiefschlaf nachts um drei sofort abrufbar wären, braucht man ohnehin einen siebten Sinn. Einige unserer Kolleginnen und Kollegen können das traumwandlerisch. Bewundernswert! Ob Reinhard Süring auch ein derartiges Datumsgedächtnis hatte, ist nicht überliefert. Gleichwohl hat er in der Meteorologie mächtige Fußstapfen hinterlassen.

Das Licht der Welt erblickte Reinhard Joachim Süring im Jahr 1866 in Hamburg. Schon früh war er an Naturwissenschaften und speziell an den Bedingungen und Prozessen in höheren Luftschichten interessiert. So promovierte er nach seinem Studium für Mathematik und Naturwissenschaften in Göttingen, Marburg und zuletzt Berlin dort 1890 mit seiner Arbeit über „Die vertikale Temperaturabnahme in Gebirgsgegenden in ihrer Abhängigkeit von der Bewölkung“. Wie dem abgebildeten Deckblatt zu entnehmen ist, wurde „vertheidigen“ damals übrigens noch mit „h“ geschrieben.

DWD Reinhard Suering Bis an die Grenzen und darueber hinaus Teil 1 1

Im gleichen Jahr wurde er Assistent am Preußisch-Meteorologischen Institut in Berlin und mit Gründung des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums in Potsdam im Jahre 1892 auch dort. Die erste offizielle Wetterbeobachtung der Säkularstation Potsdam fand am Neujahrstag des Jahres 1893 statt und wurde von Reinhard Süring vorgenommen. Das Wort säkular stammt aus dem Lateinischen (saeculum) und bedeutet Jahrhundert. Die Messreihe in Potsdam ist mit inzwischen über 130 Jahren eine der ältesten Deutschlands. Fortan war er in der Region fest verwurzelt.

Nach der Geburt seiner ersten von insgesamt drei Töchtern mit seiner Ehefrau Olga Elisabeth Wedekind leitete Süring von 1901 an die Gewitterabteilung des Preußisch-Meteorologischen Instituts. Nun war der Stand der damaligen Meteorologie natürlich noch fernab irgendwelcher Modellberechnungen oder Basiskonzepten, wie beispielsweise auch in dieser Rubrik bereits vorgestellten „Zutatenmethode“. Die Faszination fürs Wetter und insbesondere der Wolkenphysik (Entstehungs- und Umwandlungsprozesse) hatten es ihm aber ganz besonders angetan.

Was lag da näher als der Gedanke mithilfe einer bemannten Ballonfahrt selbst einmal in die Wolkenwelt einzutauchen und Messungen vorzunehmen, zumal der Kollege Richard Aßmann (Erfinder des Aspirationspsychrometer) mittels eines unbemannten Registrierballons jüngst eine erstaunliche Entdeckung machte: Laut seiner Messungen hörte nämlich die Temperaturabnahme mit zunehmender Höhe in Schichten zwischen 10 und 13 Kilometer plötzlich auf und kehrte sich gar in eine Zunahme um, was angezweifelt wurde – sogar von Aßmann selbst. Also schnappte sich Reinhard Süring am 31. Juli 1901 seinen Kollegen und im Übrigen zugleich auch engsten Mitarbeiter Aßmanns, Professor Arthur Berson und stieg mit diesem um 11 Uhr Ortszeit mit dem mit Wasserstoff gefüllten Ballon „Preußen“ vom Tempelhofer Feld aus in die Luft. In ihrem Bericht über diese denkwürdige Ballonfahrt schrieben sie:

DWD Reinhard Suering Bis an die Grenzen und darueber hinaus Teil 1

„…Nach 40 Minuten hatte der Ballon bereits eine Höhe von 5000 Metern erreicht. Erst in dieser Höhe nahm der Ballon seine Kugelform an. Die Temperatur war um mehr als 30 Grad auf minus 7 Grad gesunken. Wir fingen bereits zwischen 5 und 6 km Höhe mit der regelmäßigen Sauerstoffatmung an. Nach etwa dreistündiger Fahrt hatten wir 8000 Meter erstiegen, nach 4 Stunden 9000 Meter. Der Einfluss der nunmehr unter 1/3 Atmosphärendruck verdünnte und auf minus 32 Grad abgekühlten Luft machte sich in einer Steigerung der Schlafbedürfnisse geltend. Die letzte den Druck und die Temperatur umfassende Beobachtungsreihe wurde in 10225 Metern prompt und völlig deutlich niedergeschrieben. Bald darauf fielen wir beide in tiefe Ohnmacht; Berson zog noch unmittelbar vorher mehrfach das Ventil, als er schon seinen Gefährten (Süring) schlafen sah (Berson und Süring 1901). …“

Na, neugierig wie’s weitergeht? Dann verpassen Sie nicht die in Kürze erscheinende Fortsetzung.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.05.2024
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Polarlichter eine Nachlese

Am Wochenende gab es Polarlichter bis in mittlere Breiten. Höhepunkt war die Nacht zum Samstag. Dann konnte man sogar mit bloßem Auge helle Polarlichter bis in den Zenit beobachten.

Die Ursache der Polarlichter war ein geomagnetischer Sturm. Gegen Mitte und Ende der vergangenen Woche ereigneten sich mehrere heftige Sonneneruptionen aus einer großen Sonnenfleckengruppe mit der Nummer 3664. Bei diesem Ausbruch wurden große Mengen Gas, das zu einem Großteil aus geladenen Teilchen besteht, in den Weltraum geschleudert. Man spricht dabei von einem koronalen Massenauswurf (engl. Coronal Mass Ejection, CME). Sonnenflecken sind kühlere Bereiche auf der Sonnenoberfläche, die durch Störungen im Sonnenmagnetfeld entstehen und als dunkle Flecken in Erscheinung treten.

Die Wolke aus geladenen Teilchen bewegte sich auf die Erde zu. Die Teilchenwolken deformieren das interplanetarische Magnetfeld, sodass es sich mit dem Erdmagnetfeld verbinden kann. In den oberen Schichten der Atmosphäre treffen die geladenen Teilchen auf Luftmoleküle und regen diese zum Leuchten an, wodurch die Polarlichter entstehen.

Je nachdem, in welcher Höhe welche Moleküle angeregt werden, entstehen leuchtende Bögen, Vorhänge und Bänder in unterschiedlichen Farben. So erzeugen Sauerstoffmoleküle in 200 km Höhe rotes und in 100 km Höhe grünes Licht. Stickstoff leuchtet violett oder blau in tieferen Schichten der Atmosphäre. Deshalb leuchten Polarlichter in mittleren Breiten eher rot, da das grüne und blaue Licht in geringerer Höhe entstehen und nur dort, wo die Teilchen so tief in die Atmosphäre eindringen können. Dies ist meistens in nördlichen Breiten der Fall.

Der geomagnetische Sturm in der Nacht zum Samstag wurde von der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) als G5-Sturm klassifiziert. Es ist der erste G5-Sturm seit dem Herbst 2003. Der erste Höhepunkt war gegen 23:00 Uhr lokaler Zeit. Ein weiterer, noch stärkerer Substurm folgte von 01:00 – 03:00 Uhr, dann waren Beamer und farbige Bögen sogar über den Zenit hinaus zusehen. Fotos gab es sogar von Teneriffa und Puerto Rico.

Nach einer eher geringeren Aktivität in der Nacht zum Sonntag, wo das Polarlicht meist nur auf Fotos zu sehen war, wurde ab Sonntagnachmittag ein weiteres CME vorhergesagt, das auf das Erdmagnetfeld treffen sollte und wieder für helle Polarlichter sorgen sollte. Allerdings ging dieses nur knapp an der Erde vorbei, sodass nur im äußersten Norden Polarlicht zu sehen war. Die für die Polarlichter verantwortliche Fleckengruppe hat sich nun bereits auf die Rückseite der Sonne verlagert. Die Erde ist deshalb erstmal aus dem Schussfeld dieser Gruppe. Auch wenn heute Nacht noch ein schwacher Streifschuss eines CMEs nachkommen und mit etwas Glück Polarlichter auslösen könnte, so hell wie noch am Samstag werden diese wohl nicht mal werden.

Doch wie häufig treten solche Ereignisse in mittleren Breiten auf? Die Sonne durchläuft einen 11-jährlichen Zyklus, in dem es einmal zu einem Sonnenfleckenmaximum kommt. Im Bereich des Sonnenfleckenmaximums sind die Chancen wie derzeit am besten, um bei uns Polarlichter sehen zu können. In der Regel kann man dann ein paar Mal, zumeist schwaches Polarlicht in Deutschland sehen. Solche hellen Polarlichter wie in der Nacht zum Samstag sind aber sehr selten und traten zuletzt am 30. Oktober 2003 auf. Zudem muss auch das Wetter passen und das CME muss die Erde in der Nacht treffen, um Polarlichter überhaupt sehen zu können.

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Diplom- Meteorologe Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.05.2024
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Satellitenmeteorologie (Teil 2) – Bunte Bilder für die Wetteranalyse

Wettersatelliten sind in der heutigen modernen Meteorologie nicht mehr wegzudenken. Mit ihrem Blick aus dem Weltall auf unsere Erde leisten sie unter anderem unschätzbare Dienste bei der Wetteranalyse. Im ersten Teil dieser Reihe (Thema des Tages vom 7. Mai 2024) haben wir die Funktionsweise des Radiometers erklärt, das Herzstück eines jeden Wettersatelliten. Es blickt mit 12 „Augen“, den sogenannten Kanälen, auf unsere Erde, wobei jeder dieser Kanäle einen gewissen Spektralbereich der von der Erde abgegebenen Strahlung „sieht“. Drei der Kanäle empfangen Strahlung im solaren (sichtbaren) und acht im infraroten (thermischen) Bereich. Der 12. Kanal (HRV), das Adlerauge unter den Kanälen, besitzt eine besonders hohe Auflösung. Jeder Kanal sieht für sich betrachtet zwar weniger als unser Auge, in der Kombination aller Kanäle erfasst ein Radiometer aber weitaus mehr Informationen von der Erde als wir Menschen sehen könnten.

Jeder Kanal liefert den Meteorologen ganz individuelle Informationen. Jedoch stoßen die Kanäle auch an ihre Grenzen und manchmal ist eine eindeutige Interpretation der Bilder schwierig. Die Kanäle im sichtbaren Bereich sind nur tagsüber hilfreich, da die Erde nachts keine kurzwellige Sonnenstrahlung reflektiert. Auch kann man manchmal schwer zwischen Wolkenfeldern und Schneeflächen unterscheiden, da beide weiß erscheinen, also ähnliche Reflexionseigenschaften besitzen. Die Zuordnung der erfassten Strahlungstemperaturen der infraroten Kanäle ist auch nicht immer eindeutig. So können niedrige Temperaturen entweder von Wolken in höheren Atmosphärenschichten oder von einer stark ausgekühlten Erdoberfläche emittiert werden.

Um eindeutige Interpretationen der Satellitenbilder zu bekommen, müssen Informationen verschiedener Kanäle kombiniert werden. Eine besonders komfortable Möglichkeit bietet die sogenannte „RGB-Bildauswertetechnik“. Dabei werden die Signale von drei verschiedenen Kanälen mit den Farben Rot (R), Grün (G) und Blau (B) eingefärbt. Fügt man die eingefärbten Bilder zu einem mehrfarbigen Bild zusammen, erhält man bunte Bilder – die sogenannten „RGB-Komposits“. Die hierbei entstandenen Mischfarben können nun vom Meteorologen interpretiert werden. Bei der Zusammenstellung eines RGB-Komposits kann man übrigens sowohl die reflektierte Darstellung (hohe Werte der reflektierten Strahlung entsprechen hellen Pixeln) als auch die invertierte Darstellung (geringe Werte emittierter Strahlung entsprechen hellen Pixeln) miteinander mischen.

DWD Satellitenmeteorologie Teil 2 Bunte Bilder fuer die Wetteranalyse 2

Einige RGB-Komposits haben sich besonders bewährt, von denen wir hier zwei näher erläutern. Abbildung 1 zeigt das Komposit „Luftmasse“. Hierbei handelt es sich um vielmehr als nur ein farbenprächtiges Kunstwerk. Neben den weißlich erscheinenden Wolkenbändern geben uns die unterschiedlichen Farben Auskunft über die Herkunft und die Eigenschaften verschiedener Luftmassen. Mit grünen Farben können warme Luftmassen mit einer hohen Tropopause (Oberrand der Troposphäre), also tropische oder subtropische Luftmassen detektiert werden. Polare oder arktische Kaltluft mit einer niedrigen Troposphäre erscheint hingegen bläulich. Sinkt trockene Stratosphärenluft in die Troposphäre (untere Atmosphäre) ab, erkennt man dies anhand von rötlichen Farben, oft in Form rötlicher Schlieren.

Im dargestellten Beispiel befindet sich über dem Nordatlantik ein kräftiges Tiefdruckgebiet mit seinen charakteristischen Wolkenbändern. Die grünen Farben über Nordafrika, Spanien und der Biskaya (I) zeigen den mit subtropischer Warmluft angereicherten Warmsektor des Tiefs zwischen der Warmfront (Wolkenband über England und Frankreich) und der Kaltfront (Wolkenband über dem Atlantik). Nordwestlich davon sowie über dem Nordpolarmeer befindet sich polare Kaltluft (II), zu sehen an den blauen Farben. An den rötlichen Schlieren (IIIa) erkennt man, dass sich trockene Stratosphärenluft in das Tief einkringelt, welche zu einer Verstärkung des Tiefs beiträgt. Ebenso ist trockene Stratosphärenluft (IIIb) dafür verantwortlich, dass sich über dem Norden Deutschlands Gewitter (Kreuze) bilden.

DWD Satellitenmeteorologie Teil 2 Bunte Bilder fuer die Wetteranalyse 1

Für uns Warnmeteorologen ist das Satellitenkomposit „Nacht“ (Abbildung 2) eine große Hilfe. Er liefert uns eine Fülle von Informationen über Wolken in unterschiedlichen Höhen und zur Beschaffenheit der Erdoberfläche. Neben den Sichtweitenmessungen der Wetterstationen zeigen uns rötliche Farben Regionen mit Nebel- und Hochnebelfeldern (also sehr tiefliegende Wolken) und helfen uns dabei, auch nachts so gut wie möglich vor dichtem Nebel zu warnen. Höhere kompakte Wolkenfelder erscheinen hingegen weißlich, während dünne Eiswolken (Cirren) cyan-farben aussehen. Zudem kann man sogar Schneeflächen erkennen, da diese heller erscheinen als schneefreie Landoberflächen.

Neben diesen beiden RGB-Komposits gibt es noch eine Reihe weiterer bunter Satellitenbilder für unterschiedlichste Anwendungsmöglichkeiten, die an dieser Stelle aber nicht näher erläutert werden. Zu nennen sind beispielsweise das „Echtfarben“-Komposit, der den Farben sehr nahekommt, die das menschliche Auge sehen würde. Das „Konvektion“-Komposit macht sich die unterschiedlichen Reflexionseigenschaften großer und kleiner Hydrometeore zu Hilfe, mit der man das Entwicklungsstadium von Gewitterwolken abschätzen kann. Wieder andere Komposits unterstützen uns bei der Detektion von Sandstürmen, Nebel oder Schnee. Aktuelle Satellitenbilder mit kurzen Erklärungen zu deren Interpretation erhalten Sie auf der Homepage der EUMETSAT .

Im dritten Teil wird der Unterschied zwischen geostationären und polarumlaufenden Satelliten erklärt.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.05.2024
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Satellitenmeteorologie (Teil 1) – Die 12 Augen der Wettersatelliten

Wettersatelliten sind in der heutigen modernen Meteorologie nicht mehr wegzudenken. Sie liefern zum einen wichtige Beobachtungsdaten für Wettervorhersagemodelle, die für eine präzise numerische Wettervorhersage unerlässlich sind. Mit ihrem Blick aus dem Weltall auf unsere Erde leisten sie außerdem unschätzbare Dienste bei der Wetteranalyse und der Kürzestfristvorhersage. Unter letzterem versteht man die Vorhersage des Wetters der kommenden Stunden, für die man nicht zwangsläufig Vorhersagemodelle benötigt. Die Satelliten machen alle 15 Minuten Aufnahmen von unserer Erde, die uns Meteorologen einen schnellen Überblick geben, wo sich beispielsweise aktuell in der Atmosphäre Wolken befinden. Auf einem Blick können wir so Tiefdruckgebiete identifizieren, um die sich die Wolkenbänder schlängeln. Mittels zeitlicher Abfolge vergangener Bilder können wir sogar abschätzen, in welche Richtung sich die Wolken und die dazugehörigen Tiefs bewegen werden, ob sich die Wolken auflösen oder verdichten, wo in Kürze Gewitter entstehen könnten und vieles mehr.

Im heutigen Tagesthema zeigen wir, was Wettersatelliten alles sehen bzw. messen können. (Auf die der Satellitenmeteorologie zugrunde liegenden Strahlungstransporttheorie soll an dieser Stelle bewusst verzichtet werden, damit auch Leserinnen und Leser ohne Physikstudium oder Physikleistungskurs nicht den Durchblick verlieren.) Das wichtigste Messgerät der der Wettersatelliten ist das sogenannte Radiometer, das die von der Erde zurückgesandte Strahlung misst. Ein Radiometer ist eine Art Multifunktions-Kamera, die weit mehr aufnehmen kann als unser menschliches Auge, nämlich die von der Erde abgegebene Strahlung im solaren (sichtbaren) und infraroten (thermischen) Spektralbereich.

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Astronaut und blicken von der ISS auf die Erde. Was Sie sehen würden, ist ein Abbild unseres blauen Planeten im für das menschliche Auge sichtbaren (solaren) Spektralbereich (Wellenlängen zwischen 380 und 780 Nanometer). Unser Auge erkennt also eine ganze Bandbreite an Wellenlängen, die es unterschiedlichen Farben zuordnet. Die Radiometer der Wettersatelliten funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, nur bestehen sie nicht nur aus einem „Auge“, sondern aus gleich zwölf Augen, den sogenannten Kanälen. Jeder der zwölf Kanäle empfängt einen bestimmten von der Erde emittierten Wellenlängenbereich. Die Kanäle messen dabei die Intensität der empfangenen Strahlung, ohne diese Farben zuzuordnen. So entstehen Schwarz-Weiß-Bilder, bei denen weiß eine hohe Strahlungsintensität und schwarz eine geringe Strahlungsintensität bedeutet. Drei der zwölf Kanäle empfangen – ähnlich zum menschlichen Auge – Strahlung im solaren (kurzwelligen) Bereich, aber mit einer jeweils kleineren Bandbreite als unser Auge. Weitere acht Kanäle empfangen Strahlung im thermischen (langwelligen) Strahlungsbereich und damit Informationen, die unser Auge nicht erfassen kann. Jeder dieser elf Kanäle sieht für sich betrachtet zwar weniger als unser Auge, in der Kombination aller Kanäle erfasst ein Radiometer aber weitaus mehr Informationen von der Erde als der sehende Mensch. Das zwölfte Auge des Radiometers, der HRV-Kanal (High Resolution Visible), ist das Adlerauge unter den Kanälen, es sieht besonders scharf, also mit einer höheren Auflösung im gesamten sichtbaren Spektralbereich.

 

DWD Satellitenmeteorologie Teil 1 – Die 12 Augen der Wettersatelliten

Jeder der einzelnen Kanäle liefert den Meteorologen ganz individuelle Informationen. Die sichtbaren Kanäle geben uns beispielsweise Auskunft über die räumliche Verteilung und Dicke der Wolken, sowie dort, wo keine Wolken vorhanden sind, auch über die Beschaffenheit der Erdoberfläche (Abbildung 1, HRV-Kanal). Die Kanäle im thermischen Strahlungsbereich sind hingegen sensitiv für bestimmte Strahlungstemperaturen. Da die Temperatur in der Atmosphäre gewöhnlich mit der Höhe abnimmt, kann mithilfe der erfassten Strahlungstemperaturen an den Oberkanten von Wolken auf die Wolkenhöhe geschlossen werden. Somit kann unterschieden werden, ob es sich um flache tiefe Wolken, um hohe Schleierwolken oder um mächtige hochreichende Wolken handelt (Abbildung 2, IR8.7-Kanal). Einige der infraroten Kanäle messen zudem in Absorptionsbereichen atmosphärischer Gase wie Ozon, Kohlenstoffdioxid (CO2) oder Wasserdampf. So kann man die Ozonkonzentration in der Atmosphäre bestimmen oder erhält Auskunft darüber, in welchen Bereichen der Atmosphäre sich viel oder wenig Wasserdampf befindet. Zudem kann man noch eine Fülle weiterer Informationen aus den einzelnen Kanälen selbst oder aus einer Kombination verschiedener Kanäle gewinnen, was allerdings den Rahmen dieses Themas sprengen würde.

DWD Satellitenmeteorologie Teil 1 – Die 12 Augen der Wettersatelliten 1

Im nächsten Teil dieser Reihe erfahren Sie, wie man mit einer geschickten Technik farbige Bilder erzeugen kann, die den Meteorologen weitere Möglichkeiten die Wetteranalyse bieten.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.05.2024
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Wolkenklassifikation

Wolken zeigen sich in verschiedensten Gestalten: Mal als filigrane Schleier, mal als mächtige Ambosse oder bedrohliche Walzen. Eine Wolke ist eine vergleichsweise dichte Ansammlung winziger Wassertröpfchen oder Eiskristalle in der Luft. Wasser kondensiert dabei an Staubpartikeln, die als Kondensationskeime dienen, bei einer Luftfeuchtigkeit von 100 %. Die unglaubliche Vielfalt ihrer Erscheinungsformen machte es zunächst nahezu unmöglich, eine systematische Klassifikation von Wolken zu erstellen. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte der englische Pharmazeut und Amateurmeteorologe Luke Howard mit seinem Klassifikationsschema Ordnung in dieses Durcheinander. Er ordnete die Wolken ähnlich wie in der Biologie in Familien, Gattungen, Arten und Unterarten ein.

Seine Klassifizierung ist auch heute noch als internationales Standardwerk anerkannt und soll im Folgenden kurz erläutert werden. Die Wolkenfamilien werden zunächst nach ihrer Höhe über dem Boden (Stockwerk) klassifiziert: Es gibt hohe Wolken, die sich in mittleren Breiten in einer Höhe von 7 bis 13 km befinden, mittelhohe Wolken in einer Höhe von 2 bis 7 km und tiefe Wolken in einer Höhe von 0 bis 2 km. Zusätzlich gibt es Wolken mit großer vertikaler Ausdehnung, die sich über mehrere Stockwerke erstrecken. Pro Familie gibt es in der Regel zwei Gattungen: haufenförmige Wolken (Cumulus) und schichtförmige Wolken (Stratus). In höheren Stockwerken gibt es eine weitere Gattung, die aus reinen Eiskristallen bestehende Schleierwolken (Cirrus). In den unteren Schichten gibt es auch Mischformen zwischen Stratus und Cumulus (Stratocumulus). Insgesamt ergeben sich 10 Gattungen. Der Name einer Wolke setzt sich aus dem Namen des Stockwerks und der Gattung zusammen. Für hohe Wolken wird der Präfix „Cirro-„, für mittelhohe Wolken „Alto-“ und für vertikal mächtige Wolken „Nimbo-“ verwendet. Bei tiefen Wolken wird der Präfix weggelassen.

 

DWD Wolkenklassifikation 1

Die Arten beschreiben dann die Gestalt der Wolken, wie zum Beispiel, ob sie linsenförmig (lenticularis) oder schichtartig (stratiformis) sind. In den Unterarten werden weitere Eigenschaften wie Lichtdurchlässigkeit und Anordnung beschrieben. Als Beispiel einer Klassifikation sei die Wolke „Altocumulus stratiformis perlucidus“ genannt. Dabei handelt es sich um eine mittelhohe, flache Haufenwolke, die sich über eine große Fläche erstreckt und kleine Lücken zwischen den Wolkenteilen aufweist, durch die man den Himmel sieht. Umgangssprachlich sind diese als „Schäfchenwolken“ bekannt.

DWD Wolkenklassifikation 2

Diplom-Meteorologe Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.05.2024
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Warum der „Wonnemonat Mai“ nur ein ganz großes Missverständnis ist

In dieser Woche starten wir in den Mai, den fünften Monat im gregorianischen Kalender. Er soll nach der römischen Göttin Maia benannt sein, die am ersten Tag dieses Monats dem Priester Volcanalis ein Opfer gebracht haben soll. Nach anderen Quellen leitet sich der Name von Iuppiter Maius ab, dem Wachstum bringenden Jupiter, der obersten Gottheit der römischen Religion.

Landläufig wird der Mai gerne als „Wonnemonat“ bezeichnet. In der heutigen Zeit wird „Wonne“ in diesem Kontext häufig mit sommerlicher Wärme und Sonnenschein assoziiert. Das Bild von einem Mai, der stets sonnig und „mollig warm“ zu sein hat, wird auch allzu gerne von den Medien gezeichnet. Doch dieser übermäßigen Erwartungshaltung wird der Mai selten gerecht. Doch warum ist das so?

Wir wollen uns der Frage zunächst aus sprachhistorischer Sicht nähern. Der Begriff „Wonnemonat“ geht ganz ursprünglich auf das althochdeutsche Wort „wunnimanod“ zurück, was mit „Weidemonat“ übersetzt werden kann. Der Ausdruck wies darauf hin, dass man in diesem Monat das Vieh erstmals nach einem langen Winter wieder auf die Weide lassen konnte – übrigens bei Wind und Wetter! Mit „Wonne“ im heutigen Verständnis hat die Bezeichnung also nichts zu tun. Schon früh wurde das Wort in Richtung des heutigen „Wonnemonats“ umgedeutet. Mit „Wonne“ im ursprünglichen Sinne beschreibt man ein besonders starkes Gefühl von Freude und Glück. Eine spezielle Form davon sind die sogenannten Frühlingsgefühle, die in uns aufkommen, wenn das intensiver werdende Sonnenlicht auf unsere Haut trifft und die Ausschüttung des „Glückshormons“ Endorphin in Gang kommen lässt. Damit wäre der Bogen vom Weide- zum sonnig-warmen Wonnemonat geschlagen.

Dass ganz alleine der Mai als Wonnemonat diese Frühlingsgefühle erwecken soll, damit tut man dem Monat dennoch Unrecht – und damit kommen wir zu den astronomischen und meteorologischen Aspekten. Die Sonne gewinnt im Mai weiter und deutlich spürbar an Kraft, immerhin nähern wir uns schon dem astronomischen Sonnenhöchststand zur Sommersonnenwende am 20. Juni. So erreicht die Sonnenenergie Werte wie im Juli und August. Dennoch ist es lange nicht warm wie im Hochsommer, denn der Temperaturverlauf hinkt dem Verlauf des Sonnenstandes ein bis zwei Monate hinterher. Das liegt daran, dass Land-, insbesondere aber Wassermassen zunächst viel von der Energie „schlucken“, um sich zu erwärmen. Somit können zum einen über dem Kontinent lagernde Kaltluftreservoire bei richtiger Strömung bis zu uns angezapft werden, zum anderen dämpft der kalte Seewind die Erwärmung über Land noch deutlich. Erst wenn sich alles aufgeheizt hat, kommen die höchsten Temperaturen des Jahres. Die Mitteltemperatur auf Basis des Referenzzeitraumes 1991-2020 liegt am 1. Mai bei etwa 11,5 °C, was dem Wert von Anfang Oktober entspricht. Bis zum Monatsende steigt sie aber deutlich auf gut 15 °C an, was dann schon vergleichbar mit den Verhältnissen Anfang September ist.

Auch ein Blick in die Historie zeigt, dass der Mai weniger ein „Wonnemonat“ als ein weiterer „Übergangsmonat“ ist, der von Spätwinter bis Frühsommer alles bieten kann. Die beiden kältesten Mai-Monate seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen 1902 und 1941 wiesen eine Mitteltemperatur von 8,8 °C und 9,2 °C auf. Frost und Schnee waren vor allem in der ersten Monatshälfte an der Tageordnung, „Sommertage“ mit Temperaturen über 25 °C gab es bis Monatsende dagegen nicht. Die wärmsten Mai-Monate 1898 und 2018 dagegen schafften es auf eine Mitteltemperatur von 16 °C. Sommertage über 25 °C gab es fast überall reichlich und sogar erste Hitzetage mit Temperaturen über 30 °C wurden registriert.

Sie sehen, dass die Erwartungen, die man heute häufig an den sogenannten „Wonnemonat“ Mai stellt, auf linguistischen Missverständnissen beruhen und meteorologisch selten erfüllbar sind. Es wird spannend sein, zu beobachten, welchen Weg der diesjährige Mai einschlagen wird.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.04.2024
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Historisch niedrige Eisausdehnung auf den Großen Seen

Seit 1973 wird die Eisausdehnung auf den Großen Seen an der Grenze zwischen Kanada und den USA per Satellit gemessen. Durchschnittlich frieren 53 Prozent der Fläche der Großen Seen im Winter zu. Das Maximum der Eisausdehnung wird üblicherweise Ende Februar bis Anfang März erreicht. Mitte Februar lag die Eisausdehnung auf allen fünf Seen allerdings bei gerade mal 2,7 Prozent und abgesehen von einem kurzen Peak zum Ende des Monats stieg die durchschnittliche Ausdehnung auch nicht mehr nachhaltig an (siehe Abb. 1). Auf dem Eriesee gab es zu diesem Zeitpunkt sogar so gut wie gar kein Eis. Eine solch geringe Ausdehnung wurde seit Beginn der Satellitenmessungen noch nie registriert.

 

DWD Historisch niedrige Eisausdehnung auf den Grossen Seen

Den Grundstein für die Bildung von Eis auf den Großen Seen legen die Wetterlagen zu Beginn eines jeden Winters im Dezember. Die ersten Vorstöße arktischer Luftmassen nach Süden sorgen für eine nachhaltige Abkühlung des Wassers. Der Eisbildungsprozess beginnt in geschützten Buchten und entlang der Küstenlinien und setzt sich dann bei entsprechend kalter Witterung über den Winter fort. Bleiben die Kaltluftvorstöße in den frühen Wintermonaten aus, wird die Zeit knapp, bis zum Ende der Saison eine signifikant große Eisausdehnung zu erreichen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden immer häufiger Dezember mit viel zu hohen Temperaturen beobachtet. Dieses Jahr lagen die Temperaturen im gesamten Winter signifikant über dem Durchschnitt. In der Abbildung zeigt sich eindrücklich, dass sich bis in den Januar hinein kaum Eis auf den Großen Seen gebildet hatte. Erst Mitte Januar stieß arktische Kaltluft bis in die Mitte der Vereinigten Staaten vor. Als nachhaltig konnte dieser Wintereinbruch jedoch nicht bezeichnet werden, was sich direkt in der zurückgehenden Eisausdehnung zeigte.

Insgesamt ist in den vergangenen 50 Jahren die Eisausdehnung auf den Großen Seen pro Dekade um etwa 5 Prozent zurückgegangen, im gesamten Zeitraum also um etwa 25 Prozent. Zudem ist die Periode mit Eis auf den Gewässern im Mittel fast einen Monat kürzer als noch in den 70er Jahren. Im zurückliegenden Winter 2023/2024 stand das Wetterphänomen El Niño im Verdacht, entfernt Einfluss auf die Eisausdehnung auf den Großen Seen zu haben. El Niño ist zwar ein Phänomen, das sich im äquatorialen Pazifik abspielt, die Fernwirkung ist jedoch beachtlich. Letztlich wird vermutet, dass nicht allein der El Niño die geringe Eisausdehnung verursacht hat. Auch Veränderungen anderer globaler Meeresströmungen wirken sich auf die Großwetterlagen über Nordamerika aus, welche wiederum die Klimatologie der Großen Seen beeinflussen. Im Grunde zeigen sich die steigenden Temperaturen in Verbindung mit der bis in den Herbst hinein andauernden Speicherung der sommerlichen Wärme in den Seen verantwortlich. In einem Artikel des Umweltforschungslabors der Großen Seen der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) wird der Klimawandel zwar nicht explizit erwähnt, dennoch wird darauf hingewiesen, dass der letzte starke El Niño die extrem geringe Eisausdehnung voraussichtlich „nur“ verschlimmert hat. Sowohl die ohnehin über die vergangenen Jahrzehnte gestiegenen Temperaturen – also häufiger werdenden milden Winter – als auch kürzere Perioden mit nach Süden vorstoßenden arktischen Luftmassen sind hauptverantwortlich für die geringe Eisausdehnung. Ähnlich wie in Europa ist in großen Teilen der kontinentalen USA in den Wintermonaten ein Erwärmungstrend zu beobachten. Rund um die Großen Seen (Bundesstaaten Iowa, Michigan, Minnesota, North Dakota, South Dakota and Wisconsin) ist der Trend jedoch am dramatischsten.

Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.04.2024
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Die Frau der Ringe

Der Titel „Die Frau der Ringe“ sollte nicht die Aufmerksamkeit der Leser und Leserinnen auf eine Fortsetzung des Romans „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien hinführen, sondern „Die Frau der Ringe“ ist ein Spitzname, den die Einheimischen der Mittelmeerinsel Sizilien einem Berg gegeben haben. Dieser berühmte Berg ist der Vulkan Ätna, welcher der größte und aktivste Vulkan Europas ist.

Die Einheimischen geben dem Vulkan üblicherweise den Namen „Idda“ oder „Mamma Etna“, weil seine Hänge landwirtschaftlich betrieben werden und der Lavaboden sehr fruchtbar ist. Da der Ertrag oft sehr gut ist, ist für die Bauern der Ätna wie eine „liebende Mutter“. Aber ab und zu wird „Mamma Etna“ zornig und spuckt Feuer und Lava sowie Asche, die dann Probleme und manchmal auch Zerstörung bringen.

Der Ätna ist immer für eine Überraschung gut: In den letzten Tagen konnte man am Ätna ein weltweit einzigartiges Phänomen bewundern. Aus einem der fünf Hauptkrater sind etliche weiße Rauchringe aufgestiegen, die dann für mehrere Minuten am Himmel zu sehen waren. Es ist nicht zum ersten Mal, dass der Ätna Rauchringe produziert. In den Jahren 2000 bis 2003 konnte man schon dieses Naturwunder beobachten. Diesmal war jedoch die Frequenz erstaunlich hoch mit mehreren Ringen hintereinander und nicht wie üblich ein oder zwei am Tag.

Was ist ein Rauchring und wie entsteht er?
Ein Rauchring, im Fachjargon „Volcanic Vortex Ring„, ist ein Wirbel in der Form eines Ringes mit Strömungsrichtung um den Ringkörper herum. Die innere Geschwindigkeit ist stets höher und somit entsteht ein in sich geschlossenes Strömungs- und damit Energiesystem. Die Ringe, zum Beispiel am Ätna, können einen Durchmesser von bis zu 200 m haben.

DWD Die Frau der Ringe

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Am Südostkrater, einem der Hauptkrater des Ätnas, hat sich ein „Pit“-Krater gebildet: ein Krater, der wie ein Brunnen aussieht, in dem heiße Gase austreten. Nun sollte man es sich am Ätna so vorstellen: Der Vulkanschlot ist mit Magma gefüllt. Das Magma kommt aus großer Tiefe, aus dem Erdmantel. Das Magma trifft auf dem Weg zur Erdoberfläche auf mehrere Becken. Eines davon liegt auf 2900 m Höhe, also knapp unter dem Krater, der 3352 m hoch ist. Das Magma ist aber zähflüssig und die Gase können nicht so leicht ausweichen, daher bilden sich größere Gasblasen, die dann plötzlich zerplatzen und einen hohen Druck erzeugen. Die erzeugte Druckwelle muss nun durch die relativ enge Krateröffnung austreten. Durch die Reibung entlang der zylinderförmigen Wände wird die Druckwelle eingebremst, während in der Mitte die Gase schneller austreten können. Somit entsteht ein kreisförmiger Wirbel, der dann nach außen geschleudert wird. Ein Rauchring ist somit entstanden.

In den sozialen Medien sind tolle Bilder der Rauchringe zu finden. Auch in Artikeln und sogar im Fernsehen wurde das Phänomen gezeigt und beschrieben. Der Fotograf und Bergführer Giò Giusa hat dankeswerterweise einige Bilder zu Verfügung gestellt. Diese wurden Anfang April geschossen. Aktuell hat die Anzahl der Ringe zwar abgenommen, aber es können jeder Zeit wieder mehr werden.

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Wer also Urlaub auf Sizilien verbringen will, kann auch dieses Naturschauspiel erleben, auch wenn in den nächsten Tagen das Wetter nicht mehr so mitspielt. Das Wetter zeigt sich nämlich wechselhafter und der Gipfel des Vulkans liegt dann oft in Wolken.

Dipl.-Met. Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.04.2024
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Neue Intensitätsklassifikation für Tornados: Die Internationale Fujita Skala (IF)

Tornados gehören zu den gefährlichsten und schadensträchtigsten Wetterereignissen weltweit. Da es sich um verhältnismäßig kleinräumige Phänomene handelt, gestaltet sich die direkte Messung der Windgeschwindigkeiten innerhalb des Tornados aber sehr schwierig. Selbst „indirekte“ Messungen mit Hilfe von Fernerkundungsinstrumenten wie dem Wetterradar oder die Abschätzung durch die photogrammetrische Analyse von Bildern und Videos des Tornados unterliegen mitunter Ungenauigkeiten. So bleibt am Ende meist nur die Abschätzung der Windgeschwindigkeiten anhand von Schadensbildern.

Eine solche schadensbasierte Intensitätsskala wurde bereits 1971 vom amerikanisch-japanischen Meteorologen Ted Fujita entwickelt. Die Fujita-Skala (F) enthielt ursprünglich 12 Stufen von F1 bis F12, wobei jeder Stufe ein exakt definierter Windgeschwindigkeitsbereich zugewiesen wurde. Die Windgeschwindigkeiten wurden im zweiten Schritt mit groben Schadensausmaßen qualitativ verknüpft, um die Tornadointensität zu bestimmen. Die Schadensindikatoren waren aber noch sehr generell und ohne wissenschaftliche Basis. Mit der Einführung der „Erweiterten Fujita Skala“ (EF) wurde in den Vereinigten Staaten im Jahre 2007 eine neue Intensitätsskala präsentiert, die zwar auf der ursprünglichen F-Skala basierte, aber deutlich spezifischere Schadensindikatoren und eine wissenschaftlich fundiertere Assoziation zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden beinhaltete.

Die Schadensindikatoren selbst basieren allerdings auf der typisch nordamerikanischen Leichtbauweise und sind deswegen nicht 1:1 auf andere Orte der Welt übertragbar. So gibt es weltweit eine Vielzahl an mehr oder weniger stark modifizierten Intensitätsskalen wie die Kanadische EF-Skala, die japanische EF-Skala oder die TORRO-Skala, die in Großbritannien entwickelt und von TorDACH (dem Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und der Schweiz) für Mitteleuropa angepasst wurde.

Wissenschaftler des ESSL (European Severe Storms Laboratory) und diverser Wetterdienste kamen in mehreren Workshops seit 2014 zusammen, um eine möglichst allgemeingültige Tornadoklassifikation zu entwickeln, die weltweit ohne weitere Anpassung angewendet werden kann: Die Internationale Fujita Skala (IF). Sie basiert auf den ersten 5 Stufen der ursprünglichen F-Skala, allerdings werden den Stufen keine fest abgegrenzten Windgeschwindigkeits-Intervalle zugeordnet, sondern nur Richtwerte. Zudem soll es sich bei den Windgeschwindigkeiten nicht mehr um Mittelwerte des horizontalen Windes in 10 Metern Höhe handeln, sondern um instantane 3-dimensionale Windgeschwindigkeiten auf Schadenshöhe, sodass auch Radardaten und photogrammetrische Analysen herangezogen werden können. Damit möchte man den real auftretenden maximalen Windgeschwindigkeiten näherkommen. Um eine feinere Unterscheidung vornehmen zu können, werden zwischen Stufe IF0 und IF3, wo sich die große Mehrheit der Ereignisse einsortieren dürfte, Halbstufen eingeführt (siehe Abbildung 1).

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF

Die wichtigste Errungenschaft der neuen IF-Skala ist allerdings die deutliche Erweiterung der Liste der Schadensindikatoren (Hausdächer, Fahrzeuge, Bäume, Windmessung, …) und die Berücksichtigung von unterschiedlicher Bauweise, Struktur oder Widerstandsfähigkeit des Schadensindikators bzw. der Art der Messung. Abbildung 2 zeigt die vollständige Liste der Schadensindikatoren (Damage Indicators). Aus der Kombination aus Schadensindikator, Bauweise (Subclasses) und Schadensausmaß (Degrees of Damage) lässt sich mit einer Matrix jeweils eine IF-Stufe ableiten. Der Tornado erhält schließlich die aus dieser Ableitung hervorgehende höchste IF-Stufe, basierend auf dem schlimmsten Schaden bzw. der höchsten Windgeschwindigkeit, die er produzierte. Selbstverständlich können auch andere, nicht-tornadische Windereignisse auf diese Weise klassifiziert werden.

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF 1

Die Ergebnisse der Analysen werden auf der European Severe Weather Database (ESWD) veröffentlicht, inklusive der IF-Klasse und des dafür entscheidenden Schadensindikators.

Tiefergehendes Material zum Thema „Internationale Fujita Skala“ und Beispiele erhalten Sie auf der Seite des ESSL (siehe Link unter diesem Text).

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2024
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