Die Sonne machte 2022 Überstunden – Endbilanz

2024,1 Stunden – so lange schien die Sonne im vergangenen Jahr im deutschlandweiten Flächenmittel. Damit war 2022 in Deutschland das sonnigste Jahr seit Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahre 1951, also seit mindestens 72 Jahre. Einigermaßen mithalten konnten lediglich die Jahre 2018 und 2003 mit 2015,4 und 2013,7 Sonnenstunden. Während die „Top 3“ also relativ eng beieinander liegen und jeweils die Marke von 2000 Sonnenstunden überschreiten konnten, wird der Abstand zu Platz 4 und 5 schon deutlich größer. Das Jahr 1959 (Platz 4) kam immerhin noch auf 1984 Stunden (40 Stunden weniger als 2022), 2020 (Platz 5) liegt mit 1896 Stunden aber mit 128 Stunden weit abgeschlagen dahinter. Die Jahre 2003, 2018 und allen voran 2022 stellen also absolute Ausnahmejahre in Punkto Sonnenschein dar (siehe Abb. 1).

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Vergleicht man das Jahr 2022 mit der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990 (1544 Sonnenstunden), so machte die Sonne stolze 480 Überstunden (im Schnitt 1h 19min pro Tag) und lag damit 31,1% über dem Jahressoll. Übrigens, im bisher sonnenärmsten Jahr 1977 zeigte sich die Sonne in Deutschland gerade einmal 1362 Stunden am Himmel, was nur etwa 2/3 der Sonnenscheindauer von 2022 entspricht. Damals schien die Sonne also 662 Stunden (1h 49min pro Tag) weniger. Allerdings gibt es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland einen Trend hin zu mehr Sonnenschein. In der aktuelleren Referenzperiode 1991 bis 2020 registrierte man nämlich durchschnittlich 1665 Sonnenstunden, also 120 Stunden bzw. 7,8% mehr als in der vorherigen 30-jährigen Periode (Abb. 2). Betrachtet man nur das vergangene Jahrzehnt (2011 bis 2020), dann wird der Trend noch deutlicher. In dieser 10-Jahres-Periode lachte die Sonne sogar durchschnittlich 1734 Stunden vom Himmel. Auch der lineare Trend im Zeitraum von 1951 bis 2022 (gestrichelte Linie in Abbildung 1) zeigt eine deutliche Zunahme um 161,9 Stunden (ca. 10%) und im 21. Jahrhundert lagen gerade einmal 4 Jahre leicht unter dem Mittel. Diese Tendenz ist in fast allen Monaten erkennbar (graue Balken in Abb. 4). Besonders deutlich sticht allerdings der April heraus, der im Klimamittel signifikant sonniger geworden ist. Dennoch bleibt 2022 im Hinblick auf Sonnenschein ein Ausnahmejahr und liegt 359 Stunden (21,6%, 59min/Tag) über der Referenzperiode 1991 bis 2020 und 290 Stunden (16,7%, 48min/Tag) über der durchschnittlichen Sonnenscheindauer der Periode 2011 bis 2020.

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Betrachtet man unterschiedliche Regionen in Deutschland (Abb. 3), so fällt auf, dass die Sonne im Südwesten und Süden (Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg, Bayern) besonders selten von Wolken verdeckt war. Das sonnigste Bundesland war Baden-Württemberg mit 2176,3 Sonnenstunden (1961-1990: 1607,1 Stunden, 1991-2020: 1738,4 Stunden). Etwas seltener schien die Sonne hingegen im Norden und Nordwesten (Schleswig-Holstein, Niedersachsen) sowie in Thüringen. Das „sonnenärmste“ Bundesland war Schleswig-Holstein mit 1933,9 Sonnenstunden (1961-1990: 1567,1 Stunden, 1991-2020: 1657,4 Stunden); 2022 war dort nur das viertsonnigste Jahr. Prozentual gesehen ist die Abweichung zum vieljährigen Mittel der Jahre 1961 bis 1990 im Westen am größten (+38,7% in Rheinland-Pfalz, +37,8% in Nordrhein-Westfalen) und im Nordosten am geringsten (+21,0% in Mecklenburg-Vorpommern). Der sonnigste Ort war Rheinfelden im äußersten Südwesten Baden-Württembergs mit unglaublichen 2355 Sonnenstunden (im Schnitt 6h 27min pro Tag). Im sonnenärmsten Ort Glücksburg-Meierwik bei Flensburg schien die Sonne mit 1663 Stunden (5h 33min pro Tag) fast 700 Stunden (ca. 2h/Tag) weniger!

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Schauen wir uns zuletzt den Jahresverlauf an (Abb. 4). Lediglich der Januar verzeichnete eine leicht unterdurchschnittliche Sonnenscheinbilanz; der Oktober und Dezember waren in etwa durchschnittlich. In allen übrigen Monaten schien die Sonne überdurchschnittlich oft. Ganz besonders fleißig war die Sonne im März. Stolze 235 Stunden strahlte sie vom Himmel, länger als in durchschnittlichen Sommermonaten. Die alten Märzrekorde wurden regelrecht pulverisiert! Auf das zweitsonnigste Frühjahr folgte der sonnigste (meteorologische) Sommer seit Messbeginn. Fast 820 Stunden strahlte die Sonne in den Monaten Juni, Juli und August vom Himmel. Bereits Ende August – und damit so früh wie noch nie zuvor – wurde das vieljährige Mittel der Jahre 1961 bis 1990 überschritten. Danach wurde es im Kampf um den Thron aber nochmals spannend. Der September verlief nämlich „nur“ durchschnittlich, sodass die Jahre 2018 und 2003 bis Ende September das vergangene Jahr doch nochmal überholen konnten. Erst zwei sehr sonnige Hochdrucklagen Anfang Oktober sowie zwischen dem 25. Oktober und 15. November stellten die Weichen für den neuen Rekord. Oktober und November konnten somit das Überstundenkonto weiter füllen. Eine extrem trübe Periode Ende November bzw. Anfang Dezember schürte erneut Zweifel, ob es mit dem Rekord klappt. Am 1. Weihnachtstag (25. Dezember) war es aber schließlich soweit – der alte Rekordhalter 2018 wurde vom Thron gestoßen und bis zum Jahresende konnte 2022 seinen Vorsprung noch um ein paar Stunden ausbauen.

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Wie lange das Jahr 2022 an der Spitze bleibt (2018 konnte den Rekord gerade einmal 4 Jahre halten) bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, ob sich der Trend hin zu mehr Sonnenstunden in Deutschland auch in den kommenden Jahrzehnten fortsetzt.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.01.2023
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Nass und recht windig, dazu zunächst sehr mild

Am heutigen Freitag überquert die Kaltfront von Tief EGBERT I mit Kern über Südnorwegen das Vorhersagegebiet südostwärts. Damit gehen die Niederschläge nach Norden und Westen in Schauer über, einzelne kurze Graupelgewitter sind nicht ausgeschlossen. Rückseitig der Kaltfront gelangt ein Schwall kühlerer Meeresluft nach Deutschland, sodass die Schneefallgrenze am Abend vorübergehend auf 800 bis 1000 m sinkt. Besonders an den Alpen fallen in der Nacht zum Samstag um 5 cm Neuschnee. Der Wind frischt erneut auf, dann sind gerade bei Schauern stürmische Böen oder Sturmböen, auf einigen Gipfellagen auch schwere Sturmböen auf dem Programm. Erst ab dem Abend lässt der Wind wieder nach, sowie die Schaueraktivität.

DWD Nass und recht windig dazu zunaechst sehr mild

Kaum ist Tief EGBERT abgezogen, greifen am Samstag die Ausläufer des nächsten Tiefs FREDERIC auf Deutschland über. Bereits am Vormittag beginnt es im Westen kräftig zu regnen. Am Abend erreicht der Regen auch den Osten und Südosten des Landes. Besonders in den westlichen Mittelgebirgen, später auch im Harz, Thüringer Wald, Schwarzwald und Bayerischer Wald fällt teils ergiebiger Regen und sorgt dafür, dass Bäche und kleinere Flüsse weiter anschwellen können. Der Wind frischt erneut auf und weht, abgesehen vom Südosten des Landes, frisch mit starken bis stürmischen Böen. An der Nordsee und im Bergland treten teils schwere Sturmböen auf. Die Schneefallgrenze liegt noch sehr hoch und zwar bei 1500 m, sodass zunächst nur die Hochlagen der Alpen Schnee abbekommen.

DWD Nass und recht windig dazu zunaechst sehr mild 1

Am Sonntag liegt der Kern des Sturmtiefs FREDERIC über Südskandinavien. Die dazugehörige Kaltfront erreicht am Nachmittag Süddeutschland, wo bis zum Abend flächiger Regen fällt. Der Rest des Landes gelangt auf die Rückseite der Kaltfront. In der einfließenden hochreichenden Kaltluft treten vor allem im Nordwesten wiederholt Schauer auf. Einzelne kurze Graupelgewitter sind dabei. Die Schneefallgrenze sinkt bis zum Abend im Norden auf 500 m, im Süden auf 700 bis 1000 m ab. Der Wind weht vor allem in der Mitte und im Norden stark mit teils schweren Sturmböen, an der See sowie im Bergland treten Orkanböen auf.

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In der Nacht zum Montag lässt der Sturm deutlich nach und die Schauer klingen allmählich ab. Aber das nächste Tief steht vor der Haustür und kann am Montagvormittag in der Westhälfte für Behinderung im morgendlichen Berufsverkehr sorgen. Denn neue Niederschläge greifen auf Deutschland über und oberhalb 200 bis 400 m gehen diese als Schnee nieder. Besonders in den westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen sind dann 10 bis 15 cm Neuschnee in relativ kurzer Zeit möglich und mit dem stark auffrischenden Wind können in den höheren Lagen auch Schneeverwehungen auftreten.

Am Ende noch ein kurzer Ausblick für die neue Woche. Die Wetterlage stellt sich dahingehend um, dass die Höhenströmung über West- und Mitteleuropa mehr auf nordwestliche Richtung dreht. Damit gelangen kältere Luftmassen polaren (maritimen) Ursprungs über den Atlantik zu uns, die dann für einen nasskalten, vor allem im Bergland auch winterlichen Witterungscharakter sorgen.

Dipl.-Met Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.01.2023
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Was sind Atmosphärische Flüsse?

Flüsse schlängeln sich mal ruhig und still, mal mit tosender Gewalt durch unsere Landschaften und Städte. Doch auch in der Atmosphäre gibt es Flüsse, die jedoch kaum jemand (außerhalb des Meteorologenkreises) kennt. Um richtige Flüsse handelt es sich dabei natürlich nicht, aber „nass“ ist es in den entsprechenden Atmosphärenschichten schon. In der Atmosphäre findet zu jeder Zeit und kontinuierlich ein Feuchtestrom von den (sub-)tropisch warmen Bereichen nach Norden in die kühleren mittleren Breiten statt. Gefördert wird dies durch rege Tiefdruckaktivität, die für das Vermischen der unterschiedlich temperierten Luftmassen mit variablem Feuchtegehalt verantwortlich ist.

In der Wissenschaft beschreibt ein atmosphärischer Fluss (engl. atmospheric river) ein relativ schmales, gerichtetes Band feuchtegesättigter Luft in 1 bis 2,5 km Höhe mit einer Breite von etwa 500 km und einer Länge von rund 2000 km und mehr. Angetrieben wird dieses Feuchteband zudem von starken Winden. Diese „Wasserdampfförderbänder“ bewegen sich daher mit dem Wetter und transportieren dabei den größten Teil des Wasserdampfs außerhalb der Tropen. Ein einzelner Atmosphärenfluss kann laut der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) eine Wassermenge mit sich führen, welche in etwa der 7,5 bis 15-fachen Menge entspricht, die der Mississippi an seiner Mündung normalerweise führt. An der Westküste Nordamerikas sind solche Strömungen schon länger aufgrund ihrer Herkunft aus tropischen Meeresregionen des mittleren Pazifiks rund um Haiwaii als „Ananas-Express“ bekannt.

Atmosphärische Flüsse gibt es in vielen Formen und Größen und sie treten nicht nur über dem Pazifik auf. In der Erdatmosphäre sind zu jeder Zeit und pro Erdhalbkugel rund fünf solcher Wasserdampfströme unterwegs. Die folgende Animation zeigt das in der Atmosphäre verfügbare niederschlagbare Wasser aus dem ICON Modell, welches den atmosphärischen Fluss von den Subtropen in die mittleren Breiten sichtbar macht. Die atmosphärischen Flüsse nehmen eine zentrale Rolle im globalen Wasserkreislauf ein. Sie sind für mehr als 90% des globalen meridionalen (und damit polwärts gerichteten) Wasserdampftransportes verantwortlich, obwohl sie so schmal ausfallen. Es ist auch bekannt, dass atmosphärische Flüsse zu etwa 22 % des gesamten globalen Abflusses an der Erdoberfläche beitragen. An der Westküste Nordamerikas sind rund 30-50 % des jährlichen Niederschlages auf den „Ananas-Express“ zurückzuführen

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Auch hier in Europa erleben wir immer wieder solche „Atmosphärenflüsse“ (wie in Abbildung 1 derzeit auch erkennbar), die vor allem den Westen Europas wie die Britischen Inseln, die Iberische Halbinsel, Frankreich oder Norwegen heimsuchen können. Mit etwas Abschwächung können sie auch Mitteleuropa beeinflussen. Bisher gibt es jedoch für unsere Breiten noch keine entsprechende Namensnennung.

Welche Gefahren bergen nun solche atmosphärischen Flüsse? Wenn solche Ereignisse auf das Festland treffen, geben sie den mitgeführten Wasserdampf in Form von Niederschlägen ab. Nicht alle Flüsse verursachen jedoch gleich Schäden. Die meisten sind schwache Systeme, die nützlichen Regen oder Schnee liefern, der für die Wasserversorgung wichtig ist.

Jene Flüsse aber, die die größten Mengen an Wasserdampf und die stärksten Winde enthalten, können enorme Regenmengen verursachen, wobei allerdings weitere Faktoren eine Rolle spielen. Wenn der Fluss über einen längeren Zeitraum auf die gleiche Region trifft und insbesondere mit einer senkrechten Komponente auf eine Gebirgskette (z.B. Zentralmassiv in Frankreich oder Skandinavisches Gebirge in Norwegen) gerichtet ist, dann muss im Stau mit sehr ergiebigen Regenfällen gerechnet werden, die mehrere Tage andauern können. Zudem sorgt die herangeführte, meist auch noch sehr warme Luft aus den Subtropen dafür, dass die Schneefallgrenze außergewöhnlich hoch ansteigt und somit in den Bergen nicht in Form von Schnee gebunden werden kann. Das alles sind Bedingungen, die für einen erhöhten Abfluss förderlich sind und somit die Hochwasser- und Überschwemmungsgefahr deutlich erhöhen. Wie ausgeprägt diese Gefahr ist, hängt auch davon ab, wie schnell sich so ein „Atmosphärenfluss“ verlagert. Insgesamt können diese Ereignisse in den überschwemmungsgefährdeten Wassereinzugsgebieten Verkehrswege unterbrechen, Schlammlawinen auslösen und damit verbunden katastrophale Schäden an Infrastruktur verursachen oder gar Menschenleben kosten.

Welchen Einfluss könnte nun der Klimawandel mit höheren Temperaturen auf die „Atmosphärenflüsse“ nehmen? Man geht davon aus, dass atmosphärische Flüsse durch den Klimawandel um 25 % länger und um 25 % breiter werden und mehr Wasser führen werden. Dies könnte die Bewirtschaftung der Wasserversorgung erheblich erschweren, da gemäßigte atmosphärische Flüsse, die für die Wasserversorgung von Vorteil sein können, seltener auftreten und starke Flüsse häufiger und intensiver werden könnten.

DWD Was sind Atmosphaerische Fluesse

Die Westküste der USA wird seit dem Jahreswechsel von einem fortdauernden atmosphärischen Fluss mit einer Serie von kräftigen Tiefdruckgebieten heimgesucht. Einzelne Niederschlagsevents luden dabei rekordverdächtige Mengen teils zwischen 100 und 150 mm innerhalb eines Tages ab. Aufsummiert über die vergangenen 14 Tage kamen dabei verbreitet in Kalifornien 200 bis 500 mm (Abb. 2, links) zusammen, was einer Abweichung von 300 bis 600 % zum Normalwert für die Jahreszeit entspricht (Abb. 2, rechts). Wiederholte Überschwemmungen, Murenabgänge, umgestürzte Bäume mit größeren Stromausfällen waren die Folge und hielten die Einsatzkräfte durchgehend beschäftigt. Leider wurden auch schon über ein Dutzend Todesopfer gezählt. In den Hochlagen der Sierra Nevada fielen die Niederschlagsmengen noch höher aus, wobei dort ein beträchtlicher Teil in Form von großen Schneehöhenzuwächsen zu verzeichnen war. Dabei wurden an nahezu 30 Stationen die bisher größte Schneedecke registriert. Vielfach kletterte die Schneedecke dabei auf 175 bis 250 % des Normalwertes.

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Über die nächsten Tage hält die rege Tiefdruckaktivität über dem Pazifik an, wodurch weiterhin große Niederschlagssummen (nach dem ICON bis zu 300 mm) abgeladen werden (siehe Abb. 3).

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Auch bei uns in Deutschland hält die nasse Witterung mit Tiefs am laufenden Band an, die sich auf einen atmosphärischen Fluss (wenngleich einem schwächeren) vom Atlantik zurückführen lassen. Regengebiete ziehen in den kommenden Tagen wiederholt über die Bundesrepublik. Insbesondere in den westlichen und südlichen Mittelgebirgen kommen teils ergiebige Summen zusammen (siehe Abb. 4). In den dortigen Regionen dürfte an den Flüssen und Bächen die Hochwassergefahr zunehmen.

M.Sc. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Atmosphärischer Fluss oder Warm Conveyor Belt?

Extreme Niederschläge in Verbindung mit intensiven außertropischen Zyklonen können mitunter zu Überschwemmungen führen, wenn letztere über Land ziehen.

In der Fachliteratur gibt es eine Debatte über den Zusammenhang zwischen Warm Conveyor Belts (WCB oder auch warme Transportbänder genannt) und atmosphärischen Flüssen. Um Verwirrung zu vermeiden, soll zunächst eine begriffliche Klärung erfolgen. Ein atmosphärischer Fluss ist ein langer und schmaler Korridor mit starkem horizontalen Wasserdampftransport. Letzterer wird anhand eines Schwellwerts für den vertikal integrierten Wasserdampftransport (IVT) identifiziert und befindet sich typischerweise vor der Kaltfront in intensiven außertropischen Zyklonen, wo sowohl die Werte für die spezifische Feuchte der Luft als auch die horizontalen Windgeschwindigkeiten in der unteren Troposphäre relativ hoch sind.

Ein warmes Transport- oder Förderband (WCB) ist eine relative Luftströmung zur Zyklone, die von der atmosphärischen Grenzschicht bis in die obere Troposphäre aufsteigt.

Die exakten dynamischen Mechanismen, durch die feuchte Luft in die Zyklonen transportiert wird, sind jedoch bislang nur unzureichend verstanden. Die Analyse einer Vielzahl von Zyklonen zeigt jedoch, dass innerhalb des Warmsektors einer Zyklone die Luftströmung relativ zur Ausbreitungsrichtung der Zyklone rückwärtsgerichtet ist. Diese niedertroposphärische Luftströmung (die so genannte Feeder-Strömung) verlangsamt sich, wenn sie die Kaltfront erreicht, was zu einer Konvergenz der Feuchteströme und damit zur Bildung eines Bandes mit hohem Feuchtegehalt führt.

Ein Zweig der Feeder-Luftströmung geht in Richtung Zentrum der Zyklone und liefert Feuchte an die untere Basis des warmen Förderbandes (auch Warm Conveyor Belt genannt), der in der Folge langsam aufsteigt und sich somit Niederschlag bildet (siehe Bild 1). Der andere Zweig dreht sich vom Tiefzentrum weg und führt Feuchte (oder Wasserdampf) aus der Zyklone heraus. In Zugrichtung der Zyklone führt dieser Export zu einem Filament mit sehr hohem spezifischen Feuchtegehalt in der Luft (Feuchtekonvergenz), der die Zugbahn der Zyklone regelrecht markiert (und oft zur Identifizierung atmosphärischer Flüsse verwendet wird). Es wurde festgestellt, dass sowohl die Niederschläge im Rahmen des Tiefs als auch der Wasserdampftransport zunehmen, wenn die Feuchtigkeit im Feeder-Luftstrom anwächst. Damit lässt sich grob gesagt die Verbindung zwischen atmosphärischen Flüssen und den Niederschlägen erklären, die aus dem Aufstieg des Warm Conveyor Belts (WCB) resultieren. Im nachfolgenden Bild sind die wesentlichen Luftströmungen nochmals zusammengefasst.

DWD Atmosphaerischer Fluss oder Warm Conveyor Belt

Bild 1: Schema der Luftströmungen relativ zur Zyklone, überlagert mit den typischen Merkmalen des Bodentiefs. Kalt- und Warmfront (schwarz), Niederschlag (dunkelblaue Schattierung) und hohe Werte des Gesamtwasserdampfgehaltes in der Luftsäule (TCWV, hellblaue Schattierung). Aufsteigendes warmes Förderband (WCB; rot), aufgespalten in einen unteren zyklonal eindrehenden und einen oberen antizyklonal abdrehenden Ast. Rückwärts fließender Feeder-Luftstrom in der unteren Troposphäre (FA; grün), gesplittet in einen unteren zyklonal eindrehenden und einen oberen antizyklonal abdrehenden Zweig (in Richtung WCB). Absinkende stratosphärische dry Intrusion (DI; gelb), erneut aufgeteilt in einen unteren antizyklonal drehenden Ast und einen oberen zyklonal eindrehenden Ast. Quelle: Journal of Hydrometeorology 20, 6 via DWD.

Im Thema des Tages vom 11.01.2023 wurde bereits über die Auswirkungen und regionale Verbreitung atmosphärischer Flüsse berichtet

Der Impact solcher Extremwetterereignisse liegt auf der Hand, wie aktuell an der Westküste der USA oder aber bei so genannten rapiden Zyklogenesen über Teilen des Nordatlantik mit ausgeprägten WCB’s, die West- und zuweilen auch Mitteleuropa mit heftigen Regenfällen (kombiniert mit veritablen Sturmlagen) bevorzugt im Winterhalbjahr beeinflussen können.

Dipl.- Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.01.2023

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Alle Weihnachtsbäume fliegen hoch….

Durchziehende Tiefdruckgebiete sorgen in dieser Woche nicht nur für nasses Wetter. Auch der südwestliche Wind frischt deutlich auf und erreicht in der Nacht zum Mittwoch mit Ankunft von Tief DELF bereits an der Nordseeküste und im Bergland Sturmböen (Bft 9, mehr als 75 km/h). Im Westen und Norden des Landes treten teilweise steife Böen (Bft 7, mehr als 50 km/h) auf. Auf dem Brocken im Harz droht schwerer Sturm.

DWD Alle Weihnachtsbaeume fliegen hoch….

Am Mittwoch selbst lässt der Wind zwischen zwei Tiefdruckgebieten insgesamt etwas nach, es ist aber weiterhin windig mit stürmischen Böen (Bft 8, mehr als 62 km/h) an den Küsten. Auf den Gipfeln von Harz und Schwarzwald können im Verlauf teils schwere Sturmböen (Bft 10, mehr als 89 km/h) auftreten. In den Niederungen werden nur vereinzelt in prädestinierten Südwestlagen steife Böen erreicht.

Mit Tief EGBERT nimmt der Wind am Donnerstag in der Südhälfte des Landes an Fahrt auf. Dabei sind in den Niederungen verbreitet stürmische Böen zu erwarten. In den Bergen kommt es zu Sturmböen und schweren Sturmböen. Auf den Gipfeln der Mittelgebirge sind orkanartige Böen (Bft 11, mehr als 103 km/h) bis hin zu Orkanböen (Bft 12, mehr als 118 km/h) wahrscheinlich. Der Wind weht meist aus Südwest, kann aber vorübergehend auch auf westliche Richtung drehen.

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Am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag lässt der Wind wieder nach, frischt aber am Freitag von Nordwesten her erneut auf und erreicht dann, mit Ausnahme des Ostens, verbreitet steife bis stürmische Böen. An den Küsten und in den höheren Lagen werden Sturmböen, auf den Bergen schwere Sturmböen und in Gipfellagen orkanartige Böen erwartet.

Das kommende Wochenende bringt uns weiterhin windiges Wetter. Dabei sind in den Niederungen verbreitet steife bis stürmische Böen, in den Bergen und an den Küsten Sturmböen und auf Gipfeln und Kämmen orkanartige Böen möglich.

Wer also seinen Weihnachtsbaum oder den gelben Sack für die Abfuhr bereitstellt, der sollte auf eine windgeschützte Ablage achten oder die Gegenstände gegen Umherfliegen sichern. Kann der Besitzer von Baum oder Sack ermittelt werden, haftet er im Schadenfall.

Dipl. Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Tiefdruckautobahn

Derzeit geht es im Nordatlantik zu wie auf einer Autobahn. Ein Tief nach dem anderen zieht über den nördlichen Teil des Atlantischen Ozeans in Richtung Europäisches Nordmeer hinweg. Die dazugehörigen Ausläufer beeinflussen dabei unter anderem auch das Wettergeschehen in Deutschland. Seit Wochen ist es wechselhaft, immer wieder wechselt sich der Regen mit trockenen Phasen ab. Es fühlt sich eher nach windigem Herbstwetter statt Winter an. Warum sollte es also in dieser Woche anders sein?

Die zweite Woche des noch jungen Jahres begann wie die erste Woche aufgehört hat: Nämlich mit Regen! Tief „Constantin“, dessen Kern am heutigen Montag, den 09.01.2023 zwischen Schottland und Island zu finden ist, schickte seine Ausläufer über uns hinweg und sorgte für Regen. Insbesondere in höheren Lagen des Schwarzwalds und der Alpen kam sogar etwas Schnee vom Himmel. Dieser ist seit Wochen Mangelware in Deutschland. Dazu frischte der Wind immer wieder stark böig auf, im Bergland traten zeitweise Sturmböen auf.

DWD Tiefdruckautobahn

Wer die Wetterkarten nun ganz genau in Augenschein nimmt, dem fällt an der Südostflanke von „Constantin“ eine nordwestliche Strömung ins Auge, die bis nach Deutschland gerichtet ist. Dabei wird Meeresluft polaren Ursprungs bis nach Deutschland geführt – zumindest vorübergehend. Entsprechend sinkt auch die Schneefallgrenze allmählich etwas ab. So kommt es im Verlauf des heutigen Tages zunächst im Schwarzwald und in den Alpen zu weiteren Schneefällen. In der Nacht zum Dienstag und am Dienstag tagsüber sinkt die Schneefallgrenze dann auf bis zu 600 Meter ab. Dann reicht es sogar in einigen Mittelgebirgslagen für etwas Neuschnee und selbst in tieferen Lagen des Voralpenlands können Dienstagfrüh einige Flocken vom Himmel fallen.

Wer sich nun aber auf einen nachhaltigen „Wintereinbruch“ freut, wird leider enttäuscht. Denn das nächste atlantische Tief zieht bereits in Richtung Nordeuropa. Das zunächst noch wetterbestimmende Tief „Constantin“ schwächt sich am Dienstag über dem Europäischen Nordmeer und Skandinavien etwas ab. Dafür übernimmt dann Tief „Delf“ über dem Nordostatlantik die Wetterregie. Dabei stellt sich einmal mehr eine westliche bis südwestliche Strömung ein, die wieder mildere Luftmassen zu uns führt. Zwar setzen ab Dienstagabend weitere Niederschläge ein, Schneefälle im Bergland stehen aber lediglich in der anfangs noch kälteren Luft auf dem Programm. Mit Eintreffen der milderen Luft steigt die Schneefallgrenze im Laufe der Nacht vielerorts auf rund 1800 bis 2000 Meter an. Und so zieht sich der Winter dann rasch wieder bis in Gipfellagen der Mittelgebirge und darüber zurück.

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Das Wettergeschehen bis Freitag lässt sich dann relativ schnell zusammenfassen. Es bleibt wechselhaft, bei Temperaturen von 7 bis 13 Grad ist es weiterhin deutlich zu mild für die Jahreszeit und auch der Wind frischt immer wieder stark bis stürmisch auf – insbesondere in der Südwesthälfte. Ab Mittwochnachmittag kann es zudem im Schwarzwald sowie im Allgäu kräftiger und länger anhaltend regnen, am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag sind davon voraussichtlich weitere Mittelgebirgslagen betroffen. Neuschnee wird dabei jedoch allenfalls auf den Gipfeln der Mittelgebirge und in den Alpen erwartet.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ein Januar auf Höhenflug

Nach dem rekordverdächtig warmen Jahreswechsel setzte sich das zeitweise ungewöhnliche milde Wetter in den ersten Tagen des neuen Jahres mit nur wenigen Abstrichen fort. Der Januar befindet sich im Hinblick auf die Temperatur auf einem beständigen Höhenflug. Wie die Abbildung unten zeigt, stabilisierte sich die über alle DWD-Stationen gemittelte Mitteltemperatur des laufenden Monats bei etwa 8 °C. Zum Vergleich: Das entspricht einer Temperatur, die man auf Grundlage des vieljährigen Mittelwertes der Jahre 1991-2020 eher Mitte April erwarten darf. Der letzte April 2022 beispielsweise schaffte am Ende nur einen Wert von gut 7,8 °C. Der sagenhafte Wert von fast 12 °C vom 01. Januar entspricht sogar eher den Mittelwerten für Mitte Mai!

DWD Ein Januar auf Hoehenflug

Verantwortlich für die ungewöhnlich hohen Temperaturwerte zeichnet sich eine beständige „zyklonale Westlage“, eine von westlichen Winden und Tiefdruckeinfluss geprägte Großwetterlage. Der Westwind sorgt dafür, dass milde Meeresluft vom Atlantik nach Mitteleuropa geführt wird. Böiger Wind und dicke Wolken verhindern zudem, dass sich die Luft in den noch langen Nächten stärker abkühlen kann.

In den kommenden Tagen bleibt diese Wetterlage weiterhin vorherrschend, allerdings macht sich hinter ostwärts schwenkenden Kaltfronten immer häufiger auch mal Meeresluft polaren Ursprungs bemerkbar. Diese ist von Natur aus kälter, allerdings wirkt die gute Durchmischung, also rege Umwälzungsprozesse, sowie ein stetiger Luftmassenaustausch dafür, dass die einfließende Meereskaltluft nicht „altern“ kann. Das bedeutet, ihr bleibt keine Zeit, zur Ruhe zu kommen und sich weiter abzukühlen. Zudem hat die Luft aufgrund ihres maritimen Charakters, der eine hohe Luftfeuchtigkeit bedeutet, ohnehin ein begrenztes Abkühlungspotenzial. Den kurzzeitigen Polarluftvorstößen zum Trotz bleibt es also insgesamt zu mild für die Jahreszeit, auch wenn die Abweichungen vom Klimamittel tendenziell eher etwas zurückgehen.

Es wundert daher nicht, dass die Modelle von einer nur langsamen Abnahme der Mitteltemperatur ausgehen. In der obigen Abbildung ist der auf verschiedenen Berechnungen des US-amerikanischen Wettermodells GFS und des deutschen Wettermodells ICONEU basierende, weitere Verlauf der Mitteltemperatur dargestellt. Zum Ende der ersten Dekade wird eine durchschnittliche Mitteltemperatur von etwa 7,5 °C modellübereinstimmend berechnet. Damit wird die 1. Januardekade wahrscheinlich die wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, wie man der Abbildung unten entnehmen kann. Der bisherige Rekordhalter des Jahres 2007 wird nochmal deutlich übertroffen. Von eisigen Mitteltemperaturen von unter -4 °C, die die zehn kältesten 1. Januardekaden allesamt hervorgebracht haben, ist man meilenweit entfernt.

DWD Ein Januar auf Hoehenflug 1

Auch in der 2. Januardekade soll die Mitteltemperatur nach Berechnungen von GFS nur geringfügig weiter zurückgehen. Mit rund 6 °C wäre man aber immer noch auf Rekordkurs. Es bräuchte schon einen echten Temperatursturzflug in der 3. Dekade, um einem weiteren Temperaturrekord noch aus dem Weg zu gehen.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Nasser Jahresstart vor allem im Norden

Der Start ins neue Jahr 2023 verlief verbreitet sehr mild und es haben sich einige Tiefdruckgebiete quasi die Klinke in die Hand gedrückt. Dadurch kam es in vielen Teilen des Landes immer wieder zu teils kräftigen Regenfällen. Einzig im Süden machte sich immer wieder schwacher Hochdruckeinfluss bemerkbar und hat dort die Niederschlagsneigung doch erheblich gedämpft. Insgesamt ergibt sich so im bisherigen Januar eine deutliche Zweiteilung in der Niederschlagsverteilung. Während etwa südlich einer Linie Eifel-Erzgebirge sowie in der Magdeburger Börde radarbasiert 1 bis 10, im Bergland bis 20 l/qm vom Himmel kamen, schaut es in den restlichen Gebieten ganz anders aus. Verbreitet fielen 15 bis 35 l/qm. Vor allem in Teilen Schleswig-Holsteins, im Harzumfeld und im Emsland wurden auch 30 bis 50 l/qm gemessen.

DWD Nasser Jahresstart vor allem im Norden

Besonders am Dienstag, dem 03.01.2023, regnete es im Norden gebietsweise sehr kräftig. Beispielsweise wurden zwischen Dienstag, 7 Uhr MEZ und Mittwoch, 7 Uhr MEZ in Braunlage (Niedersachsen) 38,6 l/qm registriert. Auch Wernigerode-Schierke (Sachsen-Anhalt) und Marxen (Niedersachsen) hatten mit 34,7 bzw. 34,2 l/qm innerhalb von 24 Stunden einiges zu bieten. An manchen Orten wie Schneverdingen-Osterwede oder Rehlingen-Ehlbeck (jeweils Niedersachsen) wurden sogar mit 30,1 bzw. 28,4 l/qm die Monatsrekorde für den jemals höchsten gemessenen Tagesniederschlag im Januar geknackt.

Wenn man bedenkt, dass im Durchschnitt im Norden des Landes im Januar gerade mal 40 bis 50 l/qm fallen, dann wird deutlich, dass dieser Wert bereits innerhalb einer Woche erreicht worden ist und der diesjährige Januar dort mit großer Wahrscheinlichkeit als zu nass in die Klimazeitreihe eingehen wird. Dieser Aspekt wird dadurch untermauert, dass in der kommenden Woche noch einiges an Niederschlägen zu erwarten ist.

DWD Nasser Jahresstart vor allem im Norden 1

Bis einschließlich Donnerstagmorgen fallen im Osten 5 bis 20 l/qm. In den anderen Landesteilen liegt die Niederschlagsmenge bei 15 bis 30 l/qm. Vor allem in den West- und Südweststaulagen des Schwarzwaldes und im Bergischen Land sowie im Allgäu sind 40 bis 60 l/qm, punktuell auch noch höhere Niederschlagssummen möglich. Zumindest in den höchsten Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen fällt aber zeitweise Schnee, sodass das Wasser vorübergehend gebunden wird. Allerdings sorgen Warmluftvorstöße dafür, dass sich kein nachhaltiges Winterwetter etablieren kann.

Dipl.-Met Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.01.2023

La Niña schwächt sich ab

La Niña bezeichnet die periodische Abkühlung der Meeresoberflächentemperaturen im zentralen und östlich-zentralen äquatorialen Pazifik. Normalerweise treten La Nina-Ereignisse etwa alle 3 bis 5 Jahre auf, gelegentlich können sie aber (wie aktuell) über mehrere Jahre hinweg auftreten. La Niña steht für die kühle Phase des El Niño/Southern Oscillation (ENSO)-Zyklus (siehe auch hier:

Während eines La Niña-Ereignisses wirken sich die Temperaturveränderungen im Bereich des äquatorialen Pazifik auf die Muster der tropischen Niederschläge von Indonesien bis zur Westküste Südamerikas sowie auf den Indischen und Westafrikanischen Monsun aus. Diese Veränderungen in den tropischen Niederschlagsmustern wirken sich wiederum indirekt auf bestimmte Wettermuster in der ganzen Welt aus. Diese Auswirkungen sind normalerweise in den Wintermonaten am stärksten ausgeprägt, wenn der pazifische Jet-Stream über den Vereinigten Staaten am kräftigsten ist. La-Niña-Episoden gehen somit in den Wintermonaten mit einer insgesamt wellenförmigeren Jet-Stream-Strömung über den Vereinigten Staaten und Kanada einher, die im Norden häufig kältere und stürmischere Bedingungen als im Durchschnitt und im Süden wärmere Bedingungen verursacht. Auf der Abbildung erkennt man das hierfür typische synoptische Wettermuster für den Nordostpazifik. Zu sehen ist ein blockierendes Hochdruckgebiet (bzw. Höhenrücken) etwa im Bereich südlich von Alaska bzw. in Richtung der Alëuten-Inseln. Normalerweise nimmt klimatologisch gesehen dort das Alëuten-Tief diesen Platz ein.

DWD La Nina schwaecht sich ab

Aktuell hält La Niña im äquatorialen Pazifik zwar noch an, schwächt sich aber bereits langsam ab. Während sich die Meerestemperaturen in den letzten Wochen sukzessive erwärmt haben, verbleiben atmosphärische Indikatoren und großräumige Zirkulationen wie z.B. die Walker-Zirkulation weiterhin auf La-Niña-Niveau.

Langfristige Vorhersagen deuten darauf hin, dass sich die Temperaturen im tropischen Pazifik in den kommenden Wochen weiter auf ENSO-neutrale Werte erwärmen werden, wobei auch eine gewisse Veränderung der atmosphärischen Muster in Richtung neutraler Werte möglich ist.

Abschließend soll mit Hinblick auf das Thema des Tages vom 21.09.2022

darauf verwiesen werden, dass sich bei nun zu erwartender allmählicher Stärkung des Alëuten-Tiefs in den kommenden Wochen verstärkte meridionale und vertikale Wärmeflüsse (allgemein Wellenflüsse) im erweiterten Arktisumfeld bis in die Stratosphäre ausbreiten können und so den Stratosphärischen Polarwirbel (SPV) insgesamt schwächen dürften. Dann wäre neben anderen Bedingungen auch die Wahrscheinlichkeit einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung (SSW) für den Spätwinter erhöht. Dies wiederum könnte Konsequenzen z.B. für die Nordatlantische Zirkulation (NAO) haben. Die Vorhersageunsicherheit ist allerdings aufgrund komplexer Zusammenhänge recht hoch.

Dipl.- Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Dicker Brocken

Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Es ist Hochwinter! Laut Wikipedia im Allgemeinen „die kälteste Phase des Winters“ und damit natürlich auch des gesamten Jahres. Aber in den letzten Tagen, genau genommen seit etwa zwei Wochen, ist davon nichts zu spüren. In vielen Wetterberichten lauteten die Kommentare zu den Temperaturen mild, sehr mild oder ungewöhnlich mild.

Großräumig betrachtet scheint die Wetterlage festgefahren. Nördlich von uns geben sich die Tiefdruckgebiete die Klinke in die Hand. War es gestern noch Sturmtief AXEL, das sich heute aber schon auf den Weg nach Osteuropa gemacht hat und dessen Windfeld auch allmählich nach Polen abzieht, so haben wir es ab der kommenden Nacht mit Tief BENITO und danach mit Tief CONSTANTIN zu tun.

Und letzterer ist wahrlich ein dicker Brocken – genauer muss man sagen, er entwickelt sich zu einem dicken Brocken. Denn wer aktuell auf die Wetterkarten schaut, sieht auf dem zentralen Nordatlantik, etwa auf halbem Weg zwischen Neufundland und Spanien, nur ein kleines, unscheinbares Teiltief, dessen Kerndruck von knapp unter 995 hPa erstmal keinen Anlass zu Sorge bereitet (siehe Abbildung, kleiner Ausschnitt, Zeitpunkt Donnerstag 13 MEZ).

DWD Dicker Brocken

Diesbezüglich ist allerdings Vorsicht geboten: Da unter anderem die Konfiguration der Höhenströmung () für bodennahen Druckfall sorgt und auch ein Starkwindband () in der Höhe die Tiefdruckentwicklung „anfacht“, plustert sich CONSTANTIN ganz schön auf. Der Druckfall ist beachtlich: heute um 18 UTC (früher Greenwich Mean Time; entspricht MEZ -1 Stunde) soll er bei knapp unter 985 hPa liegen, morgen früh um 06 UTC schon bei 950 hPa – um morgen Abend Werte von knapp unter 945 hPa zu erreichen!

Aber nicht nur die Druckentwicklung ist beeindruckend. Auch CONSTANTINs Ausdehnung ist gewaltig. Die Abbildung (großer Ausschnitt) zeigt eine Prognose des Bodendrucks und der Position der Fronten für den morgigen Samstag um 12 UTC. CONSTANTIN überdeckt zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Nordatlantiks, dazu auch West- und Nordeuropas. Und da Mitteleuropa östlich bzw. südöstlich des Tiefzentrums liegt und damit im Zustrom milder Luft verbleibt (roter Pfeil), ist es mit winterlichen Verhältnissen bei uns auch erstmal nicht weit her.

Dabei hätte das Tief BENITO, das in der Abbildung (kleiner Ausschnitt) nordwestlich von Irland zu finden ist, durchaus Kaltluft im Gepäck gehabt. Sein Frontensystem ist in den Feuchtefeldern in 700 hPa (ca. 3 km Höhe) gut zu erkennen. Die Warmfront erstreckt sich als grünes Band von England nach Ostfrankreich, die Kaltfront liegt dagegen, von Nordost nach Südwest orientiert, über dem Atlantik. Allein: Die Kaltfront schafft es nicht bis zu uns. Da sich CONSTANTIN aufbläht, wird in dessen Zirkulationsfeld BENITOs Kaltluft wieder nach Norden geschoben – also dahin, wo sie herkam. Und in der Folge hält die milde Witterung auch in den kommenden Tagen an.

Wird es denn irgendwann doch noch Winter? Nach jetzigem Stand versucht ab dem 9.1. wieder kalte Luft bei uns Fuß zu fassen. Dann rutschen wir auf die westliche und somit kalte Seite von CONSTANTIN. Er bestimmt unser Wetter also weiterhin, aber dann sollte die Situation zumindest „winterlich angehaucht“ sein. Aber ein veritabler Kaltlufteinbruch, der dem Hochwinter wirklich Ehre macht, ist weiterhin nicht in Sicht.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst