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Wie entsteht großer Hagel?

Hagelkörner so groß wie Tennisbälle? Gerade im Frühling und im Sommer kommt es bei uns immer mal wieder zu unwetterartigen Gewittern mit großem Hagel. Beispielsweise zog am 28. Juli 2013 eine Superzelle vom Schwarzwald entlang der Schwäbischen Alb bis nach Franken und sorgte vor allem südlich von Stuttgart für massiven Hagelschlag. Die Hagelkörner erreichten teils Durchmesser von bis zu 8 cm. Eine Woche später produzierte eine weitere Superzelle sogar das bisher größte Hagelkorn Deutschlands. Dieser Eisbrocken wurde in Undingen im Landkreis Reutlingen gefunden und hatte einen Durchmesser von 14,1 Zentimeter. Doch es geht noch größer. Das größte Hagelkorn weltweit wurde in der Nähe von Vivian in South Dakota in den USA gefunden. Dieser Hagelbrocken hatte einen Durchmesser von unglaublichen 20,32 Zentimeter. 

Wie entsteht grosser Hagel teil 1

Das weltweit größte Hagelkorn. Gefunden am 23.07.2010 in der Nähe von Vivian in South Dakota in den Vereinigten Staaten von Amerika. (Quelle:severe-weather.eu NWS Aberdeen) 

Wie kann derart großer Hagel entstehen? 

Damit Hagel entstehen kann, werden hochreichende und vor allem langlebige Gewitterzellen benötigt. In diesen Wolken sind sowohl Eiskristalle als auch unterkühlte Wassertröpfchen vorhanden. Zudem befinden sich dort Aerosole, die vereinzelt als Gefrier- und Kondensationskeime agieren können. Bei tiefen Temperaturen von unter -10 Grad sind allerdings nur wenige dieser Aerosole als Eiskeime geeignet. Beispielsweise liegt bei einer Temperatur von -20 Grad die Konzentration bei etwa 1 Eiskeim pro Liter Luft. Das bedeutet, dass in diesen Wolkenbereichen viele unterkühlte Wassertröpfchen und nur sehr wenige Eiskeime vorhanden sind. 

Durch die Deposition von Wasserdampf entstehen Eiskristalle, welche durch Anlagerung von weiteren Eiskristallen oder von unterkühlten Wassertröpfchen zu Graupelkörnern anwachsen können. Graupel ist die Vorstufe von Hagel. Laut Definition handelt es sich dabei um Eiskörner mit einem Durchmesser zwischen 2 und 5 Millimeter. In hochreichenden Gewitterwolken ist die Turbulenz meist ausreichend groß, dass das Graupelkorn durch Anlagerung von weiteren unterkühlten Wassertröpfchen und durch Diffusion von Wasserdampf zu einem Hagelkorn anwachsen kann. Dies geschieht in einem idealen Temperaturbereich zwischen -10 und -20 Grad. 

Damit sich nun große Hagelkörner bilden können, benötigt es eine lange Lebensdauer des Gewittersturms und hohe Vertikalgeschwindigkeiten. Diese sollten vor allem im wachstumsrelevanten Wolkenbereich mit Temperaturen zwischen -10 und -20 Grad vorhanden sein. Zudem ist ein hoher Flüssigwassergehalt in diesem Temperaturbereich förderlich. Da Einzelzellen recht kurzlebig sind, kann bei diesen Gewittersystemen kein größerer Hagel entstehen. Auch in Multizellengewittern, die aus einem Cluster von verschiedenen Einzelzellen bestehen, ist großer Hagel selten. Somit tritt großer Hagel mit Korngrößen von über 5 cm fast ausschließlich in Verbindung mit Superzellengewittern auf. Durch die rotierenden Aufwinde innerhalb einer solchen Zelle werden die Hagelembryos auf Spiralbahnen in den oberen Teil der Wolke transportiert. Auf der langen Bahn können sich eine Vielzahl an unterkühlten Wassertröpfchen anlagern, sodass daraus Hagelkörner mit einem sehr großen Durchmesser entstehen können, die unmittelbar auf der Vorderseite des Aufwindes der Zelle zu Boden fallen. 

Am vergangenen Mittwoch waren in der Modellwelt die Voraussetzungen für großen Hagel im Vorfeld gegeben. Allerdings konnten die Gewitter aufgrund ungünstiger Konstellationen nicht ihr volles Potential ausschöpfen, sodass nur mittelgroßer Hagel bis 5 Zentimeter beobachtet wurde! Details dazu können Sie im gestrigen Thema des Tages nachlesen. 

M.Sc.Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.06.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Wie entsteht Hagel?

Hagel verursacht oftmals erhebliche Schäden und gehört in Deutschland zu den schadensträchtigsten Wetterereignissen überhaupt, allerdings sind die Ereignisse mit besonders schlimmen Auswirkungen eher selten. Vor allem die hohe Bewegungsenergie (kinetische Energie) der Hagelgeschosse führt an Gebäuden, Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Flächen zu großen Schäden. Beispielsweise verursachte das „Münchner Hagelunwetter“ am 12.07.1984 Versicherungsschäden von mehreren hundert Millionen Euro.
Am heutigen Dienstag und in der kommenden Nacht zum Mittwoch sind die Bedingungen für die Hagelbildung in Deutschland sehr günstig. Vor allem in einem breiten Streifen quer über der Mitte des Landes können sich einzelne Superzellen samt großem Hagel mit Korngrößen um 5 cm entwickeln. In der nachfolgenden Grafik sind die Bereiche, in denen die Wahrscheinlichkeit für die Bildung schwerer Gewitter deutlich erhöht ist, dargestellt.

DWD Wie entsteht Hagel

Großer Hagel bildet sich dabei nur in hochreichenden organisierten Gewitterzellen wie beispielsweise Superzellen, Multizellen, Gewitterlinien oder mesoskaligen konvektiven Systemen. Der Grund dafür ist, dass sich nur bei hohen Vertikalgeschwindigkeiten, bei einer langen Aufenthaltsdauer in der Wolke und einem hohen Flüssigwassergehalt große Hagelkörner bilden können.

Damit sich im ersten Schritt ein Hagelkorn entwickeln kann, setzt das voraus, dass sich kleine Eispartikel in der Atmosphäre bilden. Dies nennt man Nukleation. Dabei können sich die Eisteilchen bereits bei Temperaturen knapp unter 0 °C formieren, indem Wassertröpfchen an Eiskeimen anfrieren. Damit das kleine Hagelkorn (Nuklei) weiter anwachsen kann, müssen sich weitere Tröpfchen oder Eisteilchen anlagern. Diesen Vorgang nennt man Akkreszenz. In der Grafik wird der Vorgang der Entstehung aufgezeigt.

DWD Wie entsteht Hagel 1

Um ein weiteres Wachstum des Hagelkorns zu erreichen, müssen sich weitere unterkühlte Wassertröpfchen an das Hagelembryo anlagern. Dies geschieht besonders im Bereich des Aufwindes, denn hier können durch den Vertikalwind besonders viele unterkühlte Tröpfchen herangeführt werden. Für das Wachstum des Hagelkorns ist es dabei maßgeblich entscheidend, wie lange sich das Hagelembryo im Bereich der unterkühlten Tröpfchen halten kann. Besonders in Superzellen können sich sehr große Hagelsteine bilden, denn durch die lange Verweildauer im spiralförmigen Aufwindschlauch können sich sehr viele unterkühlte Wassertröpfchen an ein Hagelkorn anlagern. Das bedeutet, dass die Akkreszenzrate relativ hoch ist.

Sicherlich haben Sie auch schon festgestellt, dass Hagelkörner unterschiedlich aussehen und aufgebaut sind. Verantwortlich dafür ist, ob das Anwachsen des Hagelkorns trocken oder feucht erfolgt. Beim trockenen Wachstum werden kleine Luftbläschen in das Hagelkorn eingeschlossen und die entstehende Hagelschicht erscheint opak (undurchsichtig). Durchsichtig hingegen wird das Hagelkorn beim feuchten Wachstum. Oftmals kommt es bei der Hagelentstehung zu einem Wechsel der angesprochenen Wachstumsarten, sodass ein Hagelkorn aus durchsichtigen und undurchsichtigen Schichten besteht.

Ist das Hagelkorn schwer genug geworden und überwiegt die Gravitationskraft (Erdanziehungskraft) gegenüber der Auftriebskraft, die das Hagelkorn durch starke Aufwinde erfährt, fällt das Hagelkorn zu Boden und kann die eingangs erwähnten großen Schäden verursachen.

Diplom Meteorologe Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst