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Hurrikan ERIN und dessen Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa

ERIN hatte sich am Samstagabend zwischenzeitlich zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 entwickelt. Der Hurrikan befindet sich in leicht abgeschwächter Form aktuell mit seinem Zentrum nördlich der Dominikanischen Republik und wird in den kommenden Tagen zunächst seinen nordwestlichen bis nördlichen Kurs beibehalten. Dabei bleibt seine Intensität zunächst nahezu unverändert. Glücklicherweise wird er aber über dem Meer bleiben und dabei nur einzelne Inselgruppen am Rande beeinflussen. Südöstlich von Neufundland wird ERIN voraussichtlich zu Beginn des kommenden Wochenendes die Transformation von einem tropischen Wirbelsturm in eine extratropische Zyklone vollziehen.

Hurrikan ERIN und dessen Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa

Das Satellitenbild von Hurrikan ERIN am Montagmorgen nahe der Dominikanischen Republik. Der Sturm zeigt eine symmetrische Struktur mit einem klar definierten, kleinen Auge.

Grund dafür sind vor allem die deutlich geringeren Wassertemperaturen des nördlichen Nordatlantiks. Während die Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Nordatlantik teils bei über 28 Grad liegen, sind es auf dem nördlichen Nordatlantik südöstlich von Neufundland lediglich noch um oder knapp über 20 Grad. Damit wird dem Hurrikan die Hauptenergiequelle mehr und mehr entzogen. Gleichzeitig gelangt der Sturm in eine Umgebung mit einer erhöhten vertikalen Windscherung. Dies zerstört die symmetrische Struktur des Wirbelsturms und führt zu einer Kappung der Energieflüsse vom Ozean. Dadurch wird sich Erin zum kommenden Wochenende hin nicht nur abschwächen, sondern er wird auch sein Aussehen auf dem Satellitenbild deutlich verändern.

Erreicht der Hurrikan den nördlichen Nordatlantik wird er in die Westwindzone integriert. Dabei findet eine Interaktion mit dem Jetstream statt. In einem Wirbelsturm werden große Mengen an latenter Wärme freigesetzt. Diese Wärmeenergie kann östlich des ehemaligen Hurrikans die großräumige Strömungskonfiguration beeinflussen und gegebenenfalls über Europa einen Höhenrücken verstärken. Damit wird ERIN auch Einfluss auf unser Wettergeschehen nehmen. Allerdings sind die Wechselwirkungen wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden, sodass sich die Wettervorhersage für den mittelfristigen Zeitraum als sehr schwierig gestaltet.

Außerdem könnte sich Ex Hurrikan ERIN nach einer kurzen Abschwächung und der Aufnahme in die Westwindzone wieder intensivieren und als außertropisches Sturmtief oder gar Orkantief Westeuropa beeinflussen. Dabei müsste ERIN in eine günstige Position auf die Vorderseite eines Höhentroges gelangen. Da allerdings auch die Zugbahn von tropischen Wirbelstürmen mit Unsicherheiten verbunden ist, kann das aus heutiger Sicht noch nicht vorhergesagt werden. Es ist aber durchaus möglich, dass sich ERIN als Ex-Hurrikan zu Beginn der kommenden Woche in Westeuropa durch Sturm und kräftige Regenfälle bemerkbar macht. Gerade das Potenzial für kräftige Regenfälle ist in einem ehemaligen Hurrikan kurz nach der Transformation zu einem außertropischen Tief aufgrund seiner immer noch vorhandenen Luftmasse tropischen Ursprungs im Vergleich zu normalen winterlichen Sturmtiefs erhöht.

Dieser mögliche Ex-Hurrikan ist allerdings nicht mehr vergleichbar mit einem ausgewachsenen starken Hurrikan. Ex Hurrikan ERIN wäre durch deutlich geringe Windgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Außerdem hätte er im Vergleich zu einem durchschnittlichen Hurrikan eine deutlich größere Ausdehnung und würde klar definierte Frontensysteme aufweisen.

Zudem wäre es ebenfalls möglich, dass ERIN bei seiner Transformation zu einem außertropischen Tief durch den Übertrag von Wärme- und Bewegungsenergie stromabwärts Rossbywellen nicht nur modifizieren, sondern diese auch brechen kann. Dies könnte über Europa blockierenden Wetterlagen führen.

Die mittelfristige Wetterentwicklung auf dem europäischen Kontinent gestaltet also äußerst spannend. Die zunehmende Unsicherheit der Modellwelt zeigt sich auch in der mittelfristigen Ensemblevorhersage des ECMWF. Während die Vorhersage bis einschließlich des kommenden Wochenendes recht sicher ist, divergieren zu Beginn der kommenden Woche die einzelnen Modellösungen stark. Somit ist die wechselhafte und zum Wochenende auch deutlich kühlere Wetterphase so gut wie eingetütet, während die Vorhersage ab der kommenden Woche noch sehr unsicher ist!

Hurrikan ERIN und dessen Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa 2

Ensemblevorhersage der Temperatur, des Niederschlags und des Geopotentials für Offenbach bis einschließlich Mittwoch, den 27.08.2025.

Meteorologe (M.Sc.) Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2025

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Hurrikan ERIN wirbelt über dem Atlantik

Am Abend des 11. August wurde eine tropische Störung knapp östlich der Kapverden vom National Hurricane Center (NHC) der USA als tropischer Sturm analysiert und mit dem Namen ERIN versehen. Bevor wir auf die weitere Entwicklung von ERIN schauen, werfen wir einen Blick zurück. Denn schon bevor ERIN ein Sturm wurde, hat er, für uns in Mitteleuropa wohl meist unbemerkt, auf den Kapverden Schäden verursacht. 14 Menschen verloren dort, insbesondere auf São Vicente ihr Leben. Dabei sorgte nicht Wind, sondern große Niederschlagsmengen für Probleme. Knapp 200 Liter pro Quadratmeter fielen dort in nur fünf Stunden. In dem stark gegliederten und für gewöhnlich eher trockenen Gelände waren Sturzfluten die Folge.

Entwicklung von ERIN

Doch nun zur Entwicklung von ERIN nach dem 11. August. Zunächst verlief die Entwicklung zögerlich. Erin verstärkte sich aufgrund eher ungünstiger Randbedingungen kaum. Die Oberfläche des Ozeans war mit 26/27 Grad gerade warm genug, um ERIN am Leben zu halten. Teils trockene Luft in seiner Umgebung war ebenfalls nicht förderlich. Dies änderte sich auf seiner Zugbahn über dem südlichen Nordatlantik Richtung Westen. Der Ozean, über den ERIN zog, war nun 29/30 Grad warm. Der Unterschied von drei Kelvin mag klein wirken, die zur Verfügung stehende Energie in Form von Wasserdampf wuchs aber beträchtlich an.

Hurrikan ERIN wirbelt ueber dem Atlantik 1

Abb.1: Windfeld von ERIN. orange: Bereich mit Windgeschw. eines tropischen Sturms, rot: Windgeschw. eines Hurrikans

Ab dem 14. August nahm die Konvektion rund um ERIN zu, der Sturm war besser „organisiert“ und bekam zunehmend ein symmetrischeres Aussehen. Der Kerndruck begann langsam zu fallen, die Windgeschwindigkeiten nahmen allmählich zu. Diese zunächst zögernde Entwicklung setzte sich am 15. August fort und am Nachmittag wurde ERIN vom NHC zum ersten Hurrikan 2025 über dem Nordatlantik heraufgestuft.

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Satellitenbild von ERIN vom 16.08.2025 20:40 Uhr MESZ. NOAA GOES-19 Satellit.

Nachdem sich ERIN Zeit genommen hatte sich zu organisieren, verlief die Entwicklung ab dann umso explosiver. Ab der Nacht vom 15. auf den 16. August vertiefte sich ERIN rasant. Innerhalb von 24 Stunden fiel der Kerndruck von 993 Hektopascal (hPa) auf 915 hPa. Die mittleren Windgeschwindigkeiten um das Auge von ERIN herum stiegen von 120 km/h auf 260 km/h. Damit war aus seinem Hurrikan der Kategorie 1 ein Sturm der höchsten Kategorie 5 geworden. So früh im Jahr gab es im Nordatlantik (exklusive Karibik) bisher keinen Sturm dieser Stärke. Die rasche Verstärkung in 6/12/24 Stunden verlief nahe den bisher beobachteten Rekordmarken.

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Flug der NOAA Hurricane Hunters durch die Eyewall von ERIN ins Auge des Hurrikans.

Zugbahn

ERIN zieht bislang über den freien Ozean. Landmassen wurden bisher verschont und auf seiner weiteren Zugbahn wird ERIN sehr wahrscheinlich keine Inseln direkt treffen, sondern nördlich der Karibik, östlich der Bahamas und westlich der Bermuda-Inseln nach Nordwesten und später nach Norden ziehen. Dennoch werden Teile der genannten Inselgruppen von Ausläufern ERINs erfasst. Dabei stehen erneut weniger der Wind als heftige Niederschläge und an der Küste auch hoher Seegang im Fokus.

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Vorhersage der Zugbahn von ERIN (Ausgabe: 17.08.2025 11 Uhr MESZ)

Umwandlung und Kurs Richtung Europa

Auf seinem weiteren Weg wird ERIN zunächst sehr stark bleiben und vor allem an Größe gewinnen. Bislang ist ERIN ein sehr kleiner Hurrikan mit einem sehr kleinen Auge und einem heftigen, aber in seiner horizontalen Dimension ebenfalls kleinen Windfeld (siehe Abbildung1). Wahrscheinlich am kommenden Wochenende wird ERIN östlich von Neufundland eine Umwandlung zu einem außertropischen Sturmtief vollziehen. Und mit dem typischen Ostkurs in diesen Breiten über den Nordatlantik ziehen. Auch wenn der Zeitraum noch über eine Woche in der Zukunft liegt, so ist es doch wahrscheinlich, dass ERIN oder dann besser „Ex-Erin“ Einfluss auf das Wetter in Europa nehmen wird. Starke ehemalige Hurrikane bringen hin und wieder eine Änderung der Großwetterlage in Europa mit sich. Ob das dieses Mal der Fall ist, lässt sich aber jetzt noch nicht sagen.

MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.08.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst