Schlagwortarchiv für: Hurrikan

Wassermassen im Paradies

Während hierzulande das umfangreiche Sturmtief JOSHUA mit Zentrum bei Dänemark für klassisches Herbstwetter mit viel Wind, Regen und kühle Temperaturen sorgt, kommt es für Teile der Karibik in den kommenden Stunden knüppeldick mit Gefahr für Leib und Leben. So schickt sich zur langsam aber sicher zu Ende gehenden Hurrikansaison (im Normalfall bis Ende November) Hurrikan MELISSA an, der bis dato eher ruhigen Saison nochmal ein gewaltiges Ausrufezeichen zu verpassen.

Wobei man hierbei differenzieren muss. So war die Vorhersage des Klimaprognosezentrums der US-amerikanischen NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) für eine tendenziell leicht überdurchschnittliche Wirbelsturmaktivität auf dem Nordatlantik durchaus zutreffend ( Thema des Tages vom 08.08.2025) und eben nicht gerade ruhig. Ein teilweise verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit ist dadurch entstanden, dass bisher so gut wie keine Auswirkungen auf die US-Küste oder Karibikstaaten entstanden sind und es in der Mehrheit „nur“ sogenannte Fischstürme über offenem Wasser waren. Die avisierten 6 bis 10 Hurrikans sind zwar noch nicht erreicht, MELISSA ist aber bereits der 5. Hurrikan der Saison und nach ERIN, GABRIELLE und HUMBERTO bereits der 4. Major Hurrikan (Kategorie 3+). Dabei ist die Prognose bezüglich der Anzahl schwerer Hurrikans bis zum Limit ausgereizt (vorhergesagt waren 2-5).

Satellitenbild von 12 UTC mit Hurrikan MELISSA südlich von Kingston/Jamaika (Quelle:DWD)

Wassermassen im Paradies

Mit einem Kerndruck von rund 950 hPa steuert der Wirbel nun allmählich auf Jamaika zu, liegt aktuell rund 200 km südöstlich des Inselstaates. Im Satellitenbild von 12 UTC erkennt man gut das Auge des Hurrikans (Bild 1). In den letzten 24 Stunden hat sich MELISSA extrem intensiviert, die Mittelwinde um rund 50 Knoten (entspricht knapp 100 Kilometer pro Stunde) auf über 120 Knoten (circa 220 km/h) zugenommen. Damit hat der Wirbel mal eben so die Hürde von einem Tropensturm zu einem Hurrikan der Kategorie 4 genommen, soll sich laut Prognosen des National Hurricane Centers bis zum noch auf Kategorie 5 mit dann 140 Knoten im Mittel hochschrauben. Spitzenböen können unfassbare 300 km/h überschreiten. Dafür findet MELISSA ideale Bedingungen mit Wassertemperaturen nahe 30 °C und keinerlei nennenswerter Änderungen der Windrichtung und -geschwindigkeit in höheren Luftschichten vor.

Als wäre das alles nicht schon genug, kommt nun noch erschwerend hinzu, dass sich der Hurrikan nur sehr langsam verlagert, derzeit mit gerade einmal 7 Kilometern pro Stunde westwärts. Laut übereinstimmenden Berechnungen erfolgt zum Montag dann der langsame Abzweig nordwärts, so dass das System in der Nacht zum Dienstag an der Ostseite Jamaikas aufschlagen dürfte. Dabei lädt es unvorstellbare Regenmassen ab. Aktuelle Prognosen gehen von verbreitet 300 bis 500, kleinräumig von mehr als 750 Litern auf den Quadratmetern (entspricht auch Millimetern/mm) aus, teilweise innerhalb von 24 Stunden (Bild 2). Zum Vergleich: Die durchschnittliche jährliche Niederschlagssumme liegt in Berlin bei etwa 600, in Düsseldorf bei rund 800 Litern pro Quadratmeter. Das bedeutet, dass sämtliche Summen aus winterlichen Niederschlägen und sommerlichen Gewittern hierzulande in diesem tropischen System binnen eines Tages abgeladen werden. Wahnsinn!

Prognostizierte 24-stündige Niederschlagssumme ab Sonntag, 26.10.2025 18 UTC (Quelle:DWD)

Wassermassen im Paradies 2

Dementsprechend sind bereits zahlreiche Warnungen der Behörden ausgegeben worden. Für Jamaika, zur Wochenmitte auch in Teilen Haitis, der Dominikanischen Republik und der Ostteil Kubas besteht erhöhte Gefahr von schweren Überschwemmungen, Landrutschen, zerstörter Infrastruktur und von der Außenwelt abgeschnittenen Regionen. Eine Flutwelle bis zu 4 Metern wird prognostiziert. Erst zum Donnerstag, wenn der Hurrikan von einem Höhentrog über dem Osten der USA eingefangen und dadurch beschleunigter nordostwärts geführt wird, kann Entwarnung gegeben werden. Es steht zu befürchten, dass man diesbezüglich bis dahin in den kommenden Tagen aber erstmal einiges an verheerendem Bild- und Videomaterial in den einschlägigen Medien zu sehen bekommen wird.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.10.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

„Ex-Gabrielle“ überquert die Azoren

Am frühen Morgen des heutigen Donnerstags zog der ehemalige Hurrikan und nun außertropische Sturmtief mit dem Namen „Ex-Gabrielle“ über bzw. knapp nördlich der Azoren ostwärts. An der Südflanke von „Ex-Gabrielle“ wurden auf der Inselgruppe Orkanböen bis 122 km/h gemessen. Die stärksten Regenfälle blieben an der Nordflanke von „Ex-Gabrielle“ knapp nördlich der Azoren. Am gestrigen Donnerstag war noch fraglich, ob Hurrikan „Gabrielle“ bis zum Erreichen der Azoren noch seine tropischen Eigenschaften beibehält. Am späten Abend wurde dann vom National Hurricane Center (NHC) entschieden, dass „Gabrielle“ eine Umwandlung zu einem außertropischen Sturmtief vollzogen hatte. Das NHC, eine Unterabteilung des US-amerikanischen Wetterdienstes, erstellt unter anderem für den Nordatlantik Vorhersagen für tropische Tiefs. Die Transformation hin zu einem außertropischen Tief ist typischerweise dann gegeben, wenn keine oder kaum noch Konvektion, sprich Gewitter am Tiefkern vorhanden ist und Luftmassengegensätze in Tiefnähe, sprich Fronten, vorhanden sind. Dafür verantwortlich können niedrigere Wassertemperaturen oder/und zunehmende Scherung (Windstärke- und richtungsänderung mit zunehmender Höhe) in Nähe der Frontalzone sein. Nichtsdestotrotz war „Ex-Gabrielle“ auch als mehr oder weniger gewöhnliches Sturmtief gefährlich. Denn die Schadenwirkung der Böen ist letztlich unabhängig von der Art des Tiefs.
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Satellitenbild, Isobaren des Bodendrucks und stündliche Messwerte der Windböen in Kilometer pro Stunde.

„Ex-Gabrielle“ wird in den nächsten Tagen den Ostkurs beibehalten und am Sonntag Südportugal erreichen. Das stärkste Windfeld wird aber auf See bleiben, sodass dort nicht mit einem außergewöhnlichen Sturm zu rechnen ist. Örtlich könnten allerdings kräftige Niederschläge mit Niederschlagssummen um 100 Liter pro Quadratmeter zum Problem werden. Der Schwerpunkt der Niederschläge liegt wahrscheinlich zwischen Lissabon und Porto.
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Prognostizierte Zugbahn von „Ex-Gabrielle“

Mit dem Ende von „Gabrielle“ kehrt jedoch bei weitem nicht Ruhe auf dem Atlantik ein. Mit „Humberto“ gibt es seit heute den dritten Hurrikan der Saison 2025 auf dem Nordatlantik. Momentan befindet sich „Humberto“ weit nordöstlich der Karibik und wird in den kommenden Tagen auf nordwestlichem Kurs in das Seegebiet westlich der Bermudas gesteuert. Währenddessen soll sich der Hurrikan bis auf Stufe 4 der fünfstufigen Skala intensivieren. Damit wären die ersten drei Hurrikane des Jahres zugleich besonders starke Hurrikane (mindestens Stufe 3) gewesen. Zuletzt war dies 1935 der Fall. „Humberto“ bedroht auf seiner Zugbahn zunächst aber sehr wahrscheinlich kein Land. Anders sieht dies bei einer weiteren tropischen Störung dicht südlich der Bahamas aus. Diese verstärkt sich wahrscheinlich zu einem tropischen Sturm und könnte dann die Bahamas und in der kommenden Woche auch die Südostküste der USA erreichen. Falls es zu einer Verstärkung zum Sturm kommt wird dieser den Namen „Imelda“ tragen.
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Übersichtskarte mit den aktiven tropischen Systemen auf dem Nordatlantik. In dem rot schraffierten Gebiet könnte „Imelda“ entstehen.

M.Sc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Der Okeechobee-Hurrikan 1928

Der Okeechobeesee ist der größte See im US-Bundesstaat Florida und nach dem Michigansee und dem Iliamna Lake (Alaska) der drittgrößte vollständig in den USA gelegene Süßwassersee. Durch den Okeechobee-Hurrikan brach am 17. September 1928 der Deich des Okeechobeesees. Die daraus resultierende Flut forderte über 2.500 Menschenleben.

An dieser Stelle folgt zunächst noch ein kleiner Exkurs über tropische Tiefdruckgebiete, bevor genauer auf den Okeechobee-Hurrikan eingegangen wird.

Tropische Tiefdruckgebiete entstehen meist über den warmen (sub)tropischen Ozeanen. Sie weisen einen warmen Kern sowie eine axial-symmetrische und barotrope Struktur auf (barotrop = Flächen gleicher Temperatur verlaufen parallel zu Flächen gleichen Drucks). Die barotrope Struktur erkennt man beispielsweise daran, dass sie keine Fronten besitzen, da keine oder nur geringe Temperaturunterschiede am Boden vorliegen. Charakteristisch ist das kreisförmige, nahezu wolkenlose „Auge“ im Zentrum. Um das Auge herum befindet sich eine Wolkenwand aus hochreichender Konvektion, die sogenannte „eyewall“.

Bedingungen für das Auftreten von tropischen Tiefdruckgebieten sind:

1) Gewisse Entfernung zum Äquator (geografische Breite > 5 Grad), da ein signifikanter Coriolisparameter für die Rotation nötig ist

2) Meeresoberflächentemperaturen von über 26,5 Grad Celsius bis in eine Tiefe von 50 bis
150 m

3) Geringe vertikale Windscherung

4) Hochreichend labil geschichtete Atmosphäre

5) Feuchte mittlere Troposphäre

6) Anfangsstörung (z.B. Easterly Wave, mesoskaliger Gewittercluster)

Sobald eine solche Anfangsstörung eine geschlossene Zirkulation mit Windgeschwindigkeiten (über 10 min gemittelt) von bis zu 61 Kilometern pro Stunde aufweist, wird von einem tropischen Tiefdruckgebiet bzw. einer tropischen Depression gesprochen. Das nächste Entwicklungsstadium ist ein tropischer Sturm mit im Zentrum konzentrierter Konvektion und den spiralförmig angeordneten Regenbändern. Ab Windgeschwindigkeiten von 119 Kilometern pro Stunde spricht man dann je nach Ort ihres Auftretens von Hurrikans, Taifunen oder Zyklonen. Im Nordatlantik sowie Nordostpazifik wird der Begriff „Hurrikan“ verwendet.

Der Okeechobee-Hurrikan oder auch Huracán San Felipe Segundo war nicht nur der folgenschwerste Sturm der atlantischen Hurrikansaison 1928, sondern auch einer der stärksten Hurrikane der US-amerikanischen Geschichte. Er war zudem der erste gemessene Hurrikan der Kategorie 5 im atlantischen Becken.

Der Okeechobee-Hurrikan entstand ganz klassisch vor der Westküste Afrikas und zog als tropischer Sturm südlich der Kapverden weiter Richtung Westen über den Atlantik. Er intensivierte sich rasch, während er die Inseln über dem Winde (nördlicher Teil der Kleinen Antillen) kreuzte und traf schließlich am 13. September als Hurrikan der Kategorie 5 auf Puerto Rico. Damals war es noch üblich Hurrikane anhand der christlichen Gedenktage ihres Auftretens zu benennen und da dieser Hurrikan bereits der zweite war, der Puerto Rico an einem 13. September erreichte, trägt er auch den Namen San Felipe Segundo.

Über die Bahamas führte der Weg schließlich Richtung Florida, wo er nahe West Palm Beach als Hurrikan der Kategorie 4 seinen Landgang vollzog. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere Hundert Menschenleben gefordert. Dann traf er auf den Okeechobeesee, wodurch der Deich brach und die Katastrophe ihren Lauf nahm. In der Flutwelle, die die umliegenden Städte und Sümpfe überschwemmte, kamen mindestens 2.500 Menschen ums Leben. Nachfolgend schwächte er sich rasch ab, zog über den westlichen Bundesstaaten nordwärts und löste sich über dem Eriesee auf.

Der Okeechobee-Hurrikan war mit insgesamt mehr als 4.000 Todesopfern nicht nur einer der tödlichsten Hurrikane, sondern auch eine der tödlichsten Naturkatastrophen der US-amerikanischen Geschichte.

Der Okeechobee Hurrikan 1928

Schematische Darstellung der Zugbahn des Okeechobee-Hurrikans 1928

M.Sc. (Meteorologin) Tanja Egerer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Vom Frühherbst zum Spätsommer

Das Sturmfeld von Tief ZACK erreicht am heutigen Montag den Nordwesten Deutschlands und sorgt dort für den ersten kleinen Herbststurm der noch jungen Saison. Im Binnenland reicht es für stürmische Böen und einzelne Sturmböen aus Südwest bis West (Bft 8 und 9). An der Nordsee werden schwere Sturmböen (Bft 10) und an der nordfriesischen Küste sogar einzelne orkanartige Böen (Bft 11) erwartet. Passend dazu gestaltet sich das Wetter wechselhaft, vor allem im Nordseeumfeld gibt es Schauer und einzelne Gewitter. Im Binnenland sind diese seltener und südlich der Donau bekommt man von Schauern und Wind kaum etwas mit. ZACK führt anfangs noch einen Schwall warmer Luft nach Deutschland. Das treibt die Temperaturen auf 21 bis 26 Grad Celsius.

Vom Fruehherbst zum Spaetsommer 1

Prognostizierte maximale Böen am 15. und 16.09.2025. MOS-Daten.

In der Nacht zum Dienstag beruhigt sich im Binnenland das Wetter meist, Schauerhäufigkeit und Wind nehmen deutlich ab. In der Nordwesthälfte Niedersachsens und in Schleswig-Holstein nehmen Schauer und einzelne Gewitter dagegen eher zu, es bleibt dort zudem windig bis stürmisch.

Der Dienstag steht weiterhin im Zeichen von ZACK. Sein Sturmfeld liegt über Norddeutschland und sorgt dort für stürmische Böen und einzelne Sturmböen, an den Küsten teils für schwere Sturmböen. Der anhaltend kräftige westliche Wind sorgt an der Nordsee für erhöhte Wasserstände. Trotz „ungünstiger“ astronomischer Bedingungen kurz nach Halbmond berechnet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Wasserstände, die an der Westküste Schleswig-Holsteins nur knapp unter 1,50 Meter über dem mittleren Hochwasser, der Schwelle einer Sturmflut liegen. Fährfahrten nach Helgoland werden vorübergehend ausgesetzt. Dennoch: Für die winderprobten Schleswig-Holsteiner stellt dies kein außergewöhnliches Ereignis dar. Im Süden verläuft der Dienstag abermals ruhiger als weiter nördlich. Mehr Sonne, weniger Niederschlag und Wind stehen dort auf dem Programm.

Vom Fruehherbst zum Spaetsommer 2

Gezeitenvorausberechnung für Husum.

Am Mittwoch gibt es im Südwesten Deutschlands den ersten Fingerzeig einer bevorstehenden markanten Änderung der Großwetterlage. Im Tagesverlauf setzt sich dort Hochdruckeinfluss durch und über die burgundische Pforte fließt allmählich warme Luft in den Oberrheingraben. Für immerhin knapp 24 Grad im Breisgau sollte diese gut sein. Im Rest des Landes bleibt es vorerst noch unbeständig, teils windig und mit Höchstwerten zwischen 17 und 21 Grad auch kühler.

Im weiteren Wochenverlauf spielt ZACK für das Wetter in Deutschland keine Rolle mehr. Über dem Alpenraum baut sich ein Hoch auf und aus Südwesten wird warme bis heiße Subtropikluft herangeführt. Am Donnerstag reicht es im Süden gebietsweise für einen Sommertag mit mehr als 25 Grad, am Freitag wird dieser dann abseits des äußersten Nordens verbreitet erreicht. Am Samstag wird örtlich wahrscheinlich sogar die 30-Grad-Marke erreicht oder überschritten.

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Prognostizierte Temperaturmaxima vom 16.09. bis 19.09.2025. MOS-Daten.

M.Sc.Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Ungewöhnlich ruhiger tropischer Atlantik!

Hurrikan ERIN entwickelte sich vom 15. zum 16. August über dem südwestlichen Atlantik in einer beeindruckenden Zeit von lediglich 25 Stunden von einem Tropensturm zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5! Er war der erste und zugleich auch der bisher letzte Hurrikan in dieser Saison. Nach ERIN entwickelte sich allerdings am 23. August der vorerst letzte tropische Sturm der diesjährigen Hurrikan-Saison. Dieser Sturm wurde auf den Namen FERDINAND getauft. FERDINAND vollzog am 28. August seine extratropische Umwandlung und verlagerte sich anschließend in Richtung Westeuropa bevor er sich auflöste.

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Diese Grafik zeigt die klimatologische Verteilung von Hurrikans und tropischen Wirbelstürmen über dem Atlantik. (Quelle: NOAA)

Nachfolgend gab es bis zum heutigen Tag keinen weiteren tropischen Sturm im Atlantik mehr. Und auch die Vorhersage für die nächsten 7 Tage zeigt nur wenig Aktivität über dem mittleren Atlantik. Lediglich eine aktuell noch schwach ausgeprägte Störung könnte sich zum Ende der kommenden Woche zu einem Tropensturm entwickeln. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass es bisher seit 1950 erst einmal vorkam, dass sich vom 29. August bis zum 16. September während der klimatologischen Hochphase der atlantischen Hurrikan- Saison kein einziger Sturm bildet. Deshalb stellt sich die Frage: Was sind die Gründe für diese außergewöhnlich ruhige Phase?

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Diese Grafik zeigt die Anzahl der Hurrikans innerhalb von 100 Jahren auf dem Atlantik im Monat September. (Quelle: NOAA)

Damit sich tropische Störungen zu einem Hurrikan entwickeln können, ist es förderlich, dass die Umgebung eine hohe Feuchtigkeit und Instabilität aufweist. Betrachtet man allerdings die Bedingungen in den letzten Wochen über dem mittleren Atlantik, zeigt sich eine ungewöhnlich trockene und stabil geschichtete Troposphäre. Ein Grund dafür ist ein sehr stark ausgeprägtes Hochdruckgebiet über dem subtropischen Atlantik. Dabei ergibt sich auf der Ostseite des Druckgebildes ein bis in die Tropen reichender Strom von sehr trockener Luft. Dadurch wurde vorhandene Konvektion über dem tropischen Atlantik stark unterdrückt. Außerdem spielt dabei auch ein tropischer Trog in der höheren Troposphäre eine wichtige Rolle. In den letzten Wochen wurde dieser über dem westlichen subtropischen Atlantik beobachtet. Der Trog transportierte trockene, konvektionshemmende Luftmassen von den Subtropen in die Tropen. Zudem sorgt er auch für eine erhöhte Windscherung in seinem Einflussbereich. Dadurch werden trockene Luftmassen von höheren Schichten in tiefere troposphärische Schichten transportiert und somit jegliche tropische Konvektion unterdrückt.

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Diese Grafik zeigt die vorhergesagte Anomalie der Windscherung über dem Atlantik im Zeitraum vom 14. bis zum 19. September. Die Werte zeigen vorerst noch weitgehend ungünstige Bedingungen für die Entwicklung von Hurrikans an. (Quelle: Tidbits)

Normalerweise kommt es während einer neutralen oder positiven ENSO– Phase deutli

ch seltener zu der Entwicklung eines Troges in der Höhe im westlichen subtropischen Atlantik. So herrschten zu Beginn der laufenden Saison gute Bedingungen für die Entwicklung von tropischen Stürmen und Hurrikans. Die Folge war Hurrikan ERIN. Dieser war der frühste Kategorie 5 Hurrikan seit Aufzeichnungsbeginn.

Zudem zeigten sich bei einem Blick auf den östlichen Atlantik und nach Westafrika deutlich schwächer ausgeprägte African Easterly Waves. Dies führte nicht nur zu geringeren Niederschlägen in Westafrika, sondern auch zu schlechteren Anfangsbedingungen für die Ausbildung eines tropischen Sturms über dem östlichen Atlantik!

Auch in den kommenden Tagen bleibt es im tropischen und subtropischen Atlantik voraussichtlich sehr ruhig. Erst zum Ende des Monats deuten sich bessere Bedingungen an. Im mittelfristigen Zeitraum zeigen einige Modelle eine Abnahme der vertikalen Windscherung und gleichzeitig eine Abschwächung des subtropischen Hochdruckgebietes. Dies könnte zusammen mit den immer noch sehr hohen Wassertemperaturen dazu führen, dass uns in diesem Jahr nach einer sehr ruhigen Phase eine späte Hurrikan-Saison bevorsteht. In der vergangenen Saison gab es ebenfalls eine ruhige Phase bis Mitte September und anschließend konnten noch einige Tropenstürme und Hurrikans beobachtet werden. Möglicherweise nehmen dann im Oktober auch einzelne ehemalige Tropenstürme Einfluss auf das Wettergeschehen in Mitteleuropa. Es bleibt also sehr spannend.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Die beeindruckende Entwicklung von Hurrikan Otis

Mindestens 27 Tote und schwere Verwüstungen! Das ist das Resultat von Hurrikan Otis, welcher am vergangenen Mittwoch die mexikanische Großstadt Acapulco erreichte.

DWD Die beeindruckende Entwicklung von Hurrikan Otis 1

Otis entwickelte sich am Sonntag den 22. Oktober südlich von Mexiko über dem östlichen Pazifik zu einem tropischen Sturm. Seine Intensität änderte sich zunächst nur wenig, bevor am Dienstag eine rapide Intensivierung von einem tropischen Sturm zu einem Hurrikan der Kategorie 5 mit einem Kerndruck von 923 hPa und Windgeschwindigkeiten von bis zu 270 km/h einsetzte.

Trotz der Fortschritte in der Vorhersage von Hurrikans in den letzten Jahrzehnten deutete kein Vorhersagemodell, nicht einmal ansatzweise eine derartige Intensivierung an. In der Vorhersage vom 24. Oktober um 00 UTC simulierten alle Modelle für die nächsten 48 Stunden für Otis tropische Sturmstärke mit Windgeschwindigkeiten von lediglich 63 bis 118 km/h.

DWD Die beeindruckende Entwicklung von Hurrikan Otis 2

Doch wie ist das möglich? Dazu schauen wir uns zunächst einmal an, welche Bedingungen für eine Intensivierung gegeben sein müssen. Damit sich tropische Stürme weiter intensivieren können, benötigt es warme Meeresoberflächentemperaturen von mindestens 26 Grad bis in eine Tiefe von 50 Metern. Zudem ist für eine rapide Verstärkung (Windzunahme von mindestens 55 km/h in 24 h) eine Meeresoberflächentemperatur von mindestens 28 Grad förderlich. Dies war zu diesem Zeitpunkt in der Region über große Flächen gegeben. Teils wurden sogar über 30 Grad gemessen. Gefördert werden diese ungewöhnlich hohen Temperaturen auch durch das Klimaphänomen. Damit steht dem potenziellen Sturm ein gigantisches Energiereservoir zur Verfügung. Zudem ist eine schwache vertikale Windscherung sowie eine geringe Feuchte vor allem in der unteren Atmosphäre notwendig, sodass ein Sturm eine symmetrische Struktur annehmen und sich weiter intensivieren kann. Die Scherungswerte waren allerdings kurz vor der rapiden Intensivierung mit 10 bis 15 Knoten erhöht und zusätzlich die Feuchte im Umfeld relativ gering. Kommen hohe Scherungswerte und geringe Feuchtigkeit zusammen, so bedeutet das, dass keine weitere Verstärkung möglich ist. Häufig ist das sogar der Todesstoß für den Sturm.

Doch neue Forschungsergebnisse zeigen, dass sich tropische Stürme auf zwei verschiedene Arten zu einem Hurrikan rapide intensivieren können. Die klassische Theorie ist, dass solche Stürme zu gewaltigen Hurrikans der höchsten Kategorie heranwachsen können, falls hohe Wassertemperaturen, geringe Windscherung und eine hohe Feuchte gegeben sind. Ein Beispiel hierfür sind die verheerenden Hurrikane Andrew (1992), Katrina (2005) und Maria (2015). Allerdings können sich tropische Stürme auch rapide zu einem Hurrikan der Kategorie 1 oder 2 bei hoher Windscherung intensivieren. Entscheidend hierfür sind dabei „Gewitterausbrüche“ außerhalb des Sturms, welche die klassische Zirkulation des Wirbelsturms umgestalten. Dadurch kann sich der Sturm innerhalb von nur wenigen Stunden zu einem Hurrikan leichter bis moderater Intensität verstärken. Dieser Prozess könnte bei Otis eine wichtige Rolle gespielt haben, da dies momentan noch nicht ausreichend von den Modellen dargestellt wird. Dieser „Sprint“ dauert nur kurze Zeit und könnte gerade in Zeiten der globalen Erwärmung eine immer wichtigere Rolle spielen. Otis entwickelte sich allerdings weiter und wuchs zu einem „Major Hurrikan“ der Kategorie 5 heran. Dadurch, dass dieser Prozess nicht adäquat in den Modellen simuliert wurde und damit auch kein Hurrikan im weiteren Verlauf in der Modellwelt entstanden ist, könnte es zu den enormen Unterschieden in der Intensitätsvorhersage von Otis gekommen sein (siehe Abbildung 2). Denn stärkere Wirbelstürme nehmen auf der einen Seite größeren Einfluss auf die Umgebungsbedingungen und sind auf der anderen Seite auch persistenter gegen Faktoren, die die Intensität verringern können, wie zum Beispiel eine erhöhte Windscherung.

Dieser Fall zeigt eindrücklich, dass trotz der deutlichen Fortschritte in der Vorhersage von Hurrikans noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, um die Vorwarnzeit für solche Extremereignisse mit sehr hohem Schadenspotential zu vergrößern.

M.Sc Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.10.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ex-Tropenstürme in Europas Wetterküche

Recht turbulent geht es aktuell im Wettergeschehen zu. Auch wenn sich nicht alle Facetten des Geschehens bei uns in Deutschland bemerkbar macht, so ist man auch hierzulande von dem ein oder anderen Unwetterereignis nicht verschont geblieben. An vorderster Stelle sei dabei der am vorgestrigen Donnerstag aufgetretene Tornado in der Eifel genannt Dieser stand im Zusammenhang mit Ex-Hurrikan „Lee”, dessen Überreste sich zu jenem Zeitpunkt als kräftiges Tiefdruckgebiet über dem europäischen Nordmeer befanden, und dessen ausgeprägte Kaltfront uns überquerte. An der Kaltfront kam es dann zur Bildung einer ausgeprägten Gewitterlinie, in die auch die tornadoproduzierende Superzelle eingelagert war.

Hier hatte also schon einer der ehemaligen Tropenstürme seine Finger im Spiel. Aber auch danach geht die Geschichte noch weiter: Rückseitig führt Ex-„Lee” aktuell relativ kühle Polarluft nach Deutschland, während bereits der nächste Ex-Tropensturm bzw. -Hurrikan auf dem Atlantik herannaht. Dazu gleich mehr. Zunächst aber führt dieses „Sitzen zwischen den Stühlen” dazu, dass aktuell ein neues Hochdruckgebiet namens „Rosi” von den Azoren seinen Einflussbereich bis zu uns nach Mitteleuropa ausweitet und sich dabei noch verstärkt. Die Folge: Zunehmend trockenes und sonnenscheinreiches Wetter, wobei gerade anfangs noch einige Wolkenfelder mit von der Partie sind, die dem Sonnenschein im Wege stehen.

Interessant wird es auch zu Beginn der neuen Woche. Dann kommt mit Ex-„Nigel” der nächste, bereits schon erwähnte, ehemalige Hurrikan ins Spiel. Dieser zieht im Laufe der kommenden Tage vom Atlantik voraussichtlich an Schottland vorbei Richtung Nordmeer und saugt dabei aus Südwesten jede Menge Warmluft an, die uns im Anschluss auch in Deutschland erreicht. Gleichzeitig bleibt mit der Warmluftzufuhr der Hochdruckgürtel erhalten, der sich in der neuen Woche von den Azoren bis nach Nordosteuropa erstreckt, wo Hoch „Rosi” zu diesem Zeitpunkt liegen wird. Damit bleibt Deutschland zunächst auch vom Einfluss etwaiger Tiefausläufer – sprich: Fronten – verschont. Ins Wettergeschehen übersetzt bedeutet das: Eine ganze Menge Sonnenschein und nochmals spätersommerlich warme Temperaturen. Laut aktuellen Modellprognosen könnte es demnach Mitte der kommenden Woche in einigen Landesteilen nochmals auf bis zu 27 °C hochgehen mit den Temperaturen.

Aber auch der Blick über die Grenzen sollte nicht unbeachtet bleiben: Ex-„Nigel” soll dann als ausgewachsenes Orkantief über die Britischen Inseln ziehen. Je nach Variante wären entweder Schottland, oder aber auch England inklusive Großraum London betroffen, die die volle Orkanwucht zu spüren bekämen. Einige Szenarien könnte man durchaus als „wild” bezeichnen, aber die Prognosen sind auch dementsprechend derart unsicher, dass erstmal weiteres Abwarten angesagt ist. Für Details ist es ohnehin noch zu früh.

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 1

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 2

M.Sc . Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Tropische Wirbelstürme im Mittelmeer

Bestimmt erinnern sich viele noch an die Bilder der verheerenden Überschwemmungen in Griechenland und am vergangenen Sonntag in Libyen. Dabei kamen in Griechenland teils um 1000 mm innerhalb von 3 Tagen zusammen. Dies ist mehr als der mittlere Jahresniederschlag von Hamburg, der bei rund 800 mm liegt. Verantwortlich dafür war ein abgekoppeltes Tiefdruckgebiet, welches sich nahezu stationär über den griechischen Inseln befand und sich im Laufe seiner weiteren Entwicklung dann nur sehr langsam über das warme Mittelmeer nach Libyen verlagerte. Bei dieser Zyklone handelte es sich um ein sogenanntes Cut-Off Tief, dass sich aufgrund eines ausgeprägten blockierenden Hochdruckgebietes über Mitteleuropa von der Höhenströmung abschnürte. Solche blockierenden Wetterlagen sind vor allem im Spätsommer und Herbst häufig die Grundlage für schwere Unwetter im Mittelmeerraum. So auch in der vergangenen Woche als sich Tief DANIEL abkoppelte und sich in Richtung östliches Mittelmeer verlagerte.
DWD Tropische Wirbelstuerme im Mittelmeer 1

Nachdem DANIEL in Teilen Griechenlands für extreme Niederschlagsmengen gesorgt hatte, verlagerte er sich auf das östliche Mittelmeer. Die sehr hohen Wassertemperaturen von teils über 26 Grad führten zu einer Intensivierung der Zyklone zu einem mediterranen Tropensturm. Dies ist ein Sturm über dem Mittelmeer mit tropischen Eigenschaften, bei dem die auftretenden Windgeschwindigkeiten zwischen 64 und 111 km/h liegen. Hätte sich Daniel noch weiter verstärkt, würde man von einem Medicane sprechen. Der Name Medicane setzt sich aus mediterran und Hurrikan zusammen und bezeichnet starke Wirbelstürme mit tropischen Eigenschaften über dem Mittelmeer.

Der Unterschied zu den Hurrikans auf dem Atlantik liegt hauptsächlich in der Struktur des Sturms. Hurrikans besitzen einen hochreichenden, warmen Kern, welcher durch die Energieflüsse vom warmen Ozean entsteht. Mediterrane Stürme im Mittelmeer sind dagegen oftmals nur in unteren Schichten durch einen warmen Kern charakterisiert. In höheren Schichten ist dagegen teils sogar ein kalter Kern vorherrschend, denn zu Beginn der Entwicklung ist vor allem der dynamische Antrieb in Verbindung mit einem in der Höhe mit Kaltluft gefüllten Tief entscheidend. Dies wurde auch bei der Zyklone DANIEL beobachtet. Außerdem befinden sich die höchsten Windgeschwindigkeiten bei Hurrikans in der Augenwand nahe zum Zentrum des Sturms, während mediterrane tropische Stürme die stärksten Winde in den spiralförmigen Bändern im äußeren Bereich haben. Zudem sind diese Stürme auch aufgrund der geringen Ausdehnung des Mittelmeers nicht so groß wie die Exemplare auf dem Atlantik.

DWD Tropische Wirbelstuerme im Mittelmeer

Eines haben die beiden Stürme aber gemeinsam: Und das sind die intensiven Regenfälle, die teils schwere Überschwemmungen auslösen können. Bei der Zyklone DANIEL war dabei neben den hohen Wassertemperaturen des Mittelmeers als Feuchtereservoir auch die langsame Verlagerung des Sturms für die teils extrem hohen Regensummen verantwortlich.

Zudem können auch Medicanes über dem Mittelmeer im Endstadium ein Auge ausbilden. Das wird allerdings relativ selten beobachtet, da viele Stürme über dem Mittelmeer keine Hurrikanstärke erreichen. Damit ist die Rotationsgeschwindigkeit der Stürme meist nicht groß genug, womit die Absinkbewegungen zur Ausbildung eines Auges nicht stark genug sind. Der letzte Sturm, der diese für Hurrikans typische Struktur mit klarem Auge hatte, war Medicane IANOS im September 2020, der in Griechenland für teils schwere Schäden sorgte (siehe Abbildung 3).

DWD Tropische Wirbelstuerme im Mittelmeer 1

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ein Auf und Ab beim Wetter

Das spätsommerliche Wetter im Einflussbereich von Hoch PATRICIA verabschiedet sich allmählich ostwärts, zumindest vorübergehend übernimmt eine Tiefdruckzone die Regie. Der Tiefdruckkomplex HANJO erstreckt sich von der Barentssee über Skandinavien in Richtung Iberischer Halbinsel, verlagert sich ostwärts und gestaltet unser Wetter am heutigen Dienstag und morgigen Mittwoch, im Süden auch noch in Teilen des Donnerstages maßgeblich. Nachfolgend setzt sich wieder Hochdruckeinfluss durch.

Im Einflussbereich der Tiefdruckzone HANJO fließt sehr feuchte und labil geschichtete, also zu Schauern und Gewittern neigende Luft nach Deutschland. Daher kommt es zeit- und gebietsweise zu kräftigen Schauern und Gewittern, die insbesondere mit heftigem Starkregen verbunden sein können. Der Schwerpunkt dieser kräftigen, strichweise unwetterartigen Niederschlagsentwicklung wird für den Dienstagabend und die Nacht zum Mittwoch in einem Streifen vom südlichen NRW über Rheinland-Pfalz und das Saarland nordostwärts bis nach Vorpommern oder auch das nördliche Brandenburg erwartet. Bei diesen häufig gewittrigen Niederschlägen muss neben dem heftigen Starkregen über wenige Stunden lokal auch mit größerem Hagel und Sturmböen (eventuell auch schweren Sturmböen) gerechnet werden. Das Risiko für größeren Hagel und Sturmböen nimmt im Laufe der Nacht ab. Abseits der genannten Zone, vor allem südlich davon, werden ab dem späteren Nachmittag einzelne, lokal aber ebenfalls kräftige Gewitter vor allem über dem Bergland ausgelöst. Lokales Unwetterpotenzial kann auch dort nicht ausgeschlossen werden.

Nach Abzug dieser kräftigen Niederschläge nach Nordosten bis etwa Mittwochfrüh/-vormittag, setzt sich die Wetterberuhigung unter Hoch QUITERIA von Nordwesten bis in die mittleren Landesteile fort. Im Süden und Südosten lebt die Schauer- und Gewittertätigkeit nochmal kräftiger auf, auch mit lokalem Unwetterpotenzial hinsichtlich Starkregen oder auch größerem Hagel. Vor allem am Alpenrand klingen die Niederschläge voraussichtlich erst im Verlauf des Donnerstagvormittages ab.

DWD Ein Auf und Ab beim Wetter

Im Laufe des Donnerstages setzt sich insgesamt meist freundliches und ruhiges Wetter auf geringerem Temperaturniveau durch: Die Höchsttemperaturen liegen am Donnerstag zwischen 18 Grad im Norden und 23 bis 25 Grad im Süden. Zum Wochenende werden 20 bis 27 Grad erwartet. Vor allem in den nördlichen Landesteilen gehen nachts die Temperaturen deutlich zurück, vor allem bei klarem oder gering bewölktem Himmel werden verbreitet Tiefstwerte im einstelligen Bereich auftreten.

Dipl.-Met. Sabine Krüger
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.09.2023
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Kleine Gewitterkunde – Teil 5: Die Squall-Line (Gewitterlinie)

Im Thema des Tages vom 6. September ging es um größere Gewitterkomplexe, auch mesoskalige konvektive Systeme (MCS) genannt. Eine spezielle Form ist die im Fachjargon als „Squall-Line“ bezeichnete Gewitterlinie.

Squall-Lines entstehen häufig auf der Vorderseite (d.h. östlich) eines Höhentiefs am Rande der Frontalzone. Dort ist (bedingt durch die hohe ) eine starke Windscherung vorhanden (Zunahme und Richtungsänderung des Winds mit der Höhe). Diese spielt bei der Erhaltung einer Squall-Line eine wesentliche Rolle, wie wir später noch sehen werden. Befindet sich das Tief über dem nahen Ostatlantik oder Westeuropa, so wird mit einer südlichen bis südwestlichen Strömung zudem feucht-warme Subtropikluft nach Mitteleuropa geführt.

Oft bildet sich in dieser Warmluft etwa 100 bis 200 km vor einer Kaltfront in Bodennähe ein rinnenförmiges Tief, in das die Luft von beiden Seiten im Bereich einer Konvergenzlinie zusammenströmt und zum Aufsteigen gezwungen wird. Dadurch entstehen zunächst isolierte Gewitter (Einzelzellen, Multizellen, in seltenen Fällen auch Superzellen). Diese wachsen allmählich zu einer Linie zusammen, die mehrere Hundert Kilometer lang sein kann – die Squall-Line ist geboren. Durch wiederholte Neubildung von Gewittern am Vorderrand kann die Squall-Line über mehrere Stunden andauern. Im fortgeschrittenen Stadium weist der Querschnitt einer Squall-Line eine starke Asymmetrie auf (Abbindung 1). Die Vorderseite ist geprägt von Gewittern mit Starkregen. Diese können eine zusammenhängende Linie bilden (Abbildung 2a) oder Lücken besitzen, bei denen man noch die Aneinanderreihung der einzelnen Gewitter erkennen kann (Abbildung 2b). Dahinter folgt als „Überbleibsel“ der alten Gewitter ein Bereich mit schwachen bis mäßigen und relativ gleichmäßigen Regen, der mit fortscheidender Dauer an Ausdehnung zunimmt.

DWD Kleine Gewitterkunde – Teil 5 Die Squall Line Gewitterlinie 1

Die Squall-Line hält sich durch eine ausgeprägte Eigendynamik am Leben: An ihrer Vorderseite steigt Warmluft im Aufwindbereich (Updraft) auf. Als Gegenbewegung sinkt Luft aus oberen Atmosphärenregionen im Abwindbereich (Downdraft) ab. Durch Verdunsten von Wassertropfen sowie durch Schmelzen und Sublimieren von Eispartikeln wird die Luft im Downdraft stark abgekühlt. Da kalte Luft schwerer ist als warme Luft, wird der Downdraft auf seinem Weg nach unten beschleunigt, bis die Luft am Boden horizontal ausströmt. Durch die zahlreichen Gewitter entlang der Squall-Line kann so ein massives Kaltluftreservoir entstehen, das als Kältepool bezeichnet wird (Abbildung 1).

DWD Kleine Gewitterkunde – Teil 5 Die Squall Line Gewitterlinie 2

Bei fehlender Windscherung würde der Kältepool in die Warmluft fließen und den Aufwindbereich von der Warmluft abschneiden. Die Gewitter würden sich also rasch wieder auflösen. Die Windscherung führt allerdings dazu, dass an der Vorderseite der Gewitterlinie der Wind in Bodennähe dem Ausfließen des Kältepools entgegenwirkt (siehe Windpfeile in Abbildung 1). So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Kältepool und Windscherung, das gewährleistet, dass der Kältepool zunächst unterhalb der Gewitter verbleibt. Dort schiebt sich die kalte und schwere Luft des Kältepools unter die leichtere und energiereiche Warmluft, wodurch diese gehoben wird. Die kontinuierlich aufsteigende Warmluft kann so wiederholt neue Gewitter auslösen, während die abschwächenden „alten“ Gewitter langsam auf die Rückseite der Squall-Linie wandern und den gleichmäßigen Regen ausbilden. Mit fortschreitender Zeit wird der Kältepool immer mächtiger und dominiert schließlich gegenüber der Windscherung. Nun fließt der Kältepool zunehmend in den vorderseitigen Warmluftbereich und die Squall-Line befindet sich im Auflösestadium.

Studien haben aber gezeigt, dass die reine Wechselwirkung zwischen Kältepool und Windscherung die Langlebigkeit einer Squall-Line nicht vollständig erklären kann. Auch eine Scherung oberhalb des Kältepools bis etwa 5 Kilometer Höhe trägt zur Erhaltung der Squall-Line bei. Zudem spielt ein weiteres Windsystem eine wichtige Rolle: Da die aufsteigende leichtere Warmluft eine geringere Dichte als die schwerere Kaltluft des Kältepools besitzt, bildet sich am Boden ein kleines Hoch (H), auch Gewitterhoch genannt, und direkt oberhalb des Kältepools ein lokales Druckminimum (T). Um einen horizontalen Druckausgleich zu erzielen, strömt von hinten (Rückseite) mit zunehmender Geschwindigkeit Luft in Richtung des Tiefs. Dadurch entsteht oberhalb des Kältepools ein Starkwindband, der sogenannte „Rear Inflow Jet„. Er strömt also in Richtung des Updrafts und kann diesen aufrichten, was zum Erhalt der Squall-Line beiträgt.

DWD Kleine Gewitterkunde – Teil 5 Die Squall Line Gewitterlinie 3

Nach den zugegebenermaßen recht komplexen Erklärungen kommen wir zum Schluss zu den Auswirkungen einer Squall-Line. Neben Starkregen kann es vor allem im Anfangsstadium, wenn die Zellen noch nicht komplett zusammengewachsen sind, mitunter auch zu größerem Hagel kommen. Der ausfließende Kältepool macht sich durch einen plötzlich auffrischenden Wind bemerkbar, der häufig Sturmstärke oder sogar Orkanstärke erreichen kann. Gleichzeitig sinkt die Temperatur meist innerhalb weniger Minuten um 5 bis 10 Grad oder mehr (Abbildung 3), während der Luftdruck sprungartig um mehrere Hektopascal ansteigt (Gewitterhoch im Kältepool). Setzen die Sturmböen zeitgleich mit dem Starkregen der Gewitter ein, ist mit einer Intensivierung der Squall-Line zu rechnen. Frischt der Wind allerdings bereits einige Zeit vor den Gewittern auf, deutet dies darauf hin, dass der Kältepool bereits in die Warmluft eingeflossen ist. Die Gewitter entlang der Squall-Line sind bereits von der bodennahen Warmluft abgeschnitten, weshalb sie sich wahrscheinlich allmählich abschwächen werden, bis sie sich ganz auflösen. Es bleibt nur das großflächige Regengebiet übrig.

Dr. rer. nat Markus Übel (Meteorologe)
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