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Heftige Gewitter drehen die Wetteruhr vom Frühsommer zurück zum Frühling!

Da sich der hohe Luftdruck aus dem Staub gemacht hat und mit dem Hoch RICCARDA nun zwischen Island und den Britischen Inseln zu finden ist, konnten weite Teile Europas, von Skandinavien bis zur Iberischen Halbinsel, vom tiefen Luftdruck erobert werden. 

Heftige Gewitter drehen die Wetteruhr vom Fruehsommer zurueck zum Fruehling teil 1

Prognostizierte Wetterlage für Samstag, 3. Mai mit Hoch RICCARDA südlich Island, Tief IMMO bei Dänemark und Tief HENRY über Nordfinnland. (Quelle: DWD) 

Dabei schieben die Tiefs über der Iberischen Halbinsel von Südwesten weiter warme Subtropikluft bis nach Deutschland, während in den Norden schon kühlere Nordseeluft einsickert. Resultierend kann sich eine sogenannte Luftmassengrenze über Deutschland ausbilden. An dieser sowie auf der warmen, südlichen Seite kommt die Troposphäre richtig in Wallung. Quellwolken können in die Höhe schießen und kräftige Gewitter auslösen. Über die Mitte hinweg stehen die Gewitter vor allem mit Starkregen in kurzer Zeit oder mehrstündig in Verbindung. Dabei sind Regenmengen bis 35 l/m² möglich. Vom Saarland und Rheinland-Pfalz über Südhessen, Südthüringen, den Norden Baden-Württembergs hinweg bis nach Nordostbayern und Sachsen sind bei kräftigen und/oder wiederholt auftretenden Gewittern auch mehrstündiger Starkregen bis 50 l/m² sowie Sturmböen bis 85 km/h und kleinkörniger Hagel auftreten. Vom Allgäu über dem Süden und Osten Bayerns hinweg können im Tagesverlauf in der warmen bis sehr warmen Luft auch einzelne, teils rotierende und langlebige Gewitterzellen entstehen, die mit Starkregen, Hagel und Sturmböen, vereinzelt sogar schweren Sturmböen einhergehen. 

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Schematische Karte für die potentielle Gewittergefahr am Samstag, 3. Mai. Über der Mitte und dem Süden starke bis schwere Gewitter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel. (Quelle: DWD) 

Die genannte Luftmassengrenze mit viel Getöse und ordentlichen Krachern bleibt aber nicht über der Mitte liegen, sondern bewegt sich bis Sonntag zu den Alpen. Denn zwischen dem Hoch RICCARDA und den Tiefs HENRY über Nordfinnland und Tief IMMO über Dänemark setzt eine stramme nördliche Grundströmung ein, die Polarluft anzapft und erwärmt über die Nordsee hinweg nach Deutschland schiebt. Die Vorderseite wird dabei von einer zu IMMO gehörenden Kaltfront markiert, die zwar thermisch signifikant ist, aber aus Wettersicht eher auf leisen Pfoten daherkommt. An bzw. in den Alpen kommt die nach Süden geschobene Luftmassengrenze zum Schleifen. Zudem sorgen die einsetzenden Nordwinde an den Alpen für eine gewisse Staukomponente. Als Folge kann es dort sowie im Vorland bis in die Nacht zum Dienstag teils länger anhaltend und schauerartig verstärkt regnen. 

Heftige Gewitter drehen die Wetteruhr vom Fruehsommer zurueck zum Fruehling teil 3

Akkumulierte Niederschlagsmengen des ICON6-Modells bis Dienstag 8 Uhr. Vor allem an den Alpen in der Fläche 30 bis 50 l/qm möglich. (Quelle: DWD) 

Ansonsten kann sich nach Abzug der Luftmassengrenze das Hoch RICCARDA aufplustern und sich von den Britischen Inseln bis nach Deutschland ausdehnen. Da der Wind aber weiter von Norden weht und somit die Zufuhr von kühler Luft polaren Ursprungs anhält, bleibt das Temperaturniveau eher auf Frühlingsniveau. Die Nordseeluft verfügt zudem auch über ausreichend Feuchte, sodass im Küstenumfeld und vielleicht auch im Mittelgebirgsraum einzelne kurze Schauer möglich sind. 

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Prognostizierte Wetterlage für Mittwoch, 7. Mai mit Hoch RICCARDA über der Nordsee und Tiefs über dem zentralen Mittelmeerraum. (Quelle: DWD) 

Mit Blick auf warnwürdige Wetterparameter ist neben den starken bis schweren Gewittern von Samstag bis Sonntagabend noch der stark böige Wind an der Nordsee sowie dem höheren Bergland zu nennen. Ab der Nacht zum Montag und vor allem in der Nacht auf Dienstag muss im Norden, Osten und Teilen der Mitte auch nochmals mit Bodenfrost, im Osten gebietsweise sogar mit Luftfrost gerechnet werden, sodass gefährdete Pflanzen geschützt werden sollten.
Im Trend über die Woche hinweg bis zum Wochenende sorgt Hoch RICCARDA verbreitet für freundliche, zunehmend auch sonniges und trockenes Wetter. Mit dem Sonnenschein steigen auch die Temperaturen langsam wieder auf Werte um 20 Grad an. Allenfalls im Süden ziehen häufiger noch dichtere Wolken durch, die zeit- und gebietsweise auch etwas Regen bringen können. 

Dipl. Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.05.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

 

Luftmassen

Die Theorie und Klassifizierung von Luftmassen wurde bereits vor über 100 Jahren von Villhelm Bjerknes und seinem Sohn Jacob Bjerknes, Halvor Solberg und Tor Bergeron an der Universität Bergen entwickelt. In ihren Arbeiten wiesen sie nach, dass sich Eigenschaften wie Temperatur und Feuchtigkeit einer Luftmasse über einen längeren Zeitraum nur unwesentlich ändern, wenn sie über Land zieht.

Luftmassen werden nach ihrer Herkunft klassifiziert. Ursprünglich wurden drei Haupttypen unterschieden: Polarluft (P), Tropikluft (T) und Äquatorialluft (E). Zusätzlich wurde zwischen trockenen kontinentalen Luftmassen (c) und feuchten maritimen Luftmassen (m) unterschieden. So bezeichnete „mP“ die maritime Polarluft und „cT“ die kontinentale Tropikluft. Im Jahr 1948 verfeinerte der Meteorologe Richard Scherhag diese Einteilung, insbesondere für die Wetteranalyse in Mitteleuropa. Er führte die Begriffe „subtropische“ und „subpolare“ Luft, um die Übergangsbereiche besser zu erfassen, sowie „arktische Luft (A)“ als eigenständige Kategorie ein. Außerdem wurden Luftmassen, denen nicht eindeutig kontinental oder maritim zugeordnet werden konnten, mit einem „x“ gekennzeichnet (z.B. xP). Zusätzlich wurde eine weitere Kategorie für Luftmassen der mittleren Breiten (Sp) eingeführt.
Luftmassen teil 1

Tabelle der Luftmassen nach Scherhag, die Mitteleuropa beeinflussen.

Luftmassen teil 2  

Ursprungregionen der Hauptluftmassen  

In der heutigen Meteorologie wird zur genauen Beschreibung von Luftmassen die sogenannte äquivalentpotenzielle Temperatur verwendet. Sie beschreibt die Temperatur, die ein Luftpaket hätte, wenn der gesamte Wasserdampf kondensiert und die dabei freiwerdende Kondensationswärme an die Luft abgegeben würde und auf das 1000 hPa-Druckniveau gebracht würde. 

Diese Größe erlaubt eine differenzierte Betrachtung der Luftmassen: Warme, feuchte Luftmassen wie die maritime subtropische Luft haben eine hohe, kalte, trockene Luftmassen wie die kontinentale arktische Luft eine niedrige äquivalentpotenzielle Temperatur. 

Trägt man diese Temperatur in eine Karte mit Linien gleicher äquivalentpotenzieller Temperatur ein, so erkennt man an den Drängungszonen der Isolinien eine sogenannte Luftmassengrenze. Diese werden je nach relativer Bewegungsrichtung als Warm- oder Kaltfront bezeichnet. Durch die Zirkulation um ein Tiefdruckgebiet werden Warm- und Kaltfronten verwirbelt und aufgewickelt. Dabei vermischen sich die wärmeren und kälteren Luftmassen – es entsteht eine sogenannte Okklusion. Dies ist die Grundlage der Frontentheorie, die ebenfalls von Bejerknes vor über 100 Jahren entwickelt wurde.
 

Luftmassen teil 3 

Donnerstag 27.02.2025 12 UTC Frontenanalyse mit äquivalentpotenzieller Temperatur (ThetaAe) und Luftmassen. 

 

Diplom-Meteorologe Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.02.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst