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Arktisches Meereis mit historisch niedriger Winterausdehnung

Seit dem Jahr 1979 wird mittels kontinuierlicher Satellitenmessungen die Ausdehnung des Meereises in der Arktis gemessen. Die Meereisbedeckung folgt einem saisonalen Zyklus, der durch die jahreszeitlichen Temperaturänderungen angetrieben wird. In der Regel wird Ende März das jahreszeitliche Maximum erreicht. Nachfolgend startet die Schmelzsaison und die Meereisausdehnung schrumpft nun wieder bis zu ihrem sommerlichen Minimum.

In diesem Jahr erreichte laut dem Meereisportal des Alfred-Wegener-Institutes die Meereisdecke mit 14,45 Millionen Quadratkilometern auf dem Arktischen Ozean am 21. März ihre maximale winterliche Ausdehnung. In der 46-jährigen Messreihe entspricht dieser Wert einem neuen Negativrekord. Auch der US-amerikanische Beobachtungsdienst NSIDC (National Snow and Ice Data Center) wertet die Satellitendaten der Meereisbedeckung aus. Bei der Auswertung kommen im Vergleich zum Meereseisportal etwas unterschiedliche Methoden und Algorithmen zum Einsatz. Nichtsdestotrotz vermeldetet das NSIDC mit einem Wintermaximum von 14,33 Millionen Quadratkilometer für den 22. März ein neues Rekordminimum in der Gesamtausdehnung des arktischen Meereises.
 

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Abb 1: Differenz der mittleren Eiskantenposition im März 2025 im Vergleich zum Langzeitmittel der Jahre 2003 bis 2014. Rot: Meeresgebiete mit weniger Meereis; Blau: Meeresgebiete mit mehr arktischem Meereis

Die geringe Meereisausdehnung hielt seit dem sommerlichen Minimum im September 2024 über das gesamte zurückliegende Winterhalbjahr an. Insbesondere im Gebiet nördlich von Spitzbergen sowie im nordöstlichen Teil der Barentssee waren weniger meereisbedeckte Flächen als im vieljährigen Mittel zu verzeichnen (Abbildung 1). Dabei spielt in beiden Regionen die Zufuhr von warmem Atlantikwasser eine Rolle, welches auf das Meereis trifft und dessen Neubildung verzögert. Auch im Beringmeer auf der pazifischen Seite der Arktisregion wurde weniger Meereis als im vieljährigen Mittel dokumentiert. Darüber hinaus hat die Arktis erneut ein außergewöhnlich warmes Winterhalbjahr erlebt. Das Eiswachstum wurde daher in den Wintermonaten von Oktober 2024 bis März 2025 durch die weit überdurchschnittliche Lufttemperatur gehemmt. Diese lag in weiten Teilen der Arktis fast durchgehend 5 bis 6 °C über dem vieljährigen Mittel.

Zudem nimmt auch die Eisdynamik, also die Bewegung und Verformung von Meereis durch Wind und Strömungen, Einfluss auf die Meereisbedeckung. Insbesondere in der Laptewsee, in der Karasee sowie in der Barentssee trieben stark ablandige Winde das Meereis von der Küste weg in Richtung zentrale Arktis. Während diese Dynamik in kälteren Regionen wie der Laptew- und Karasee zu einer überdurchschnittlichen Bildung von Neueis führte, konnte in der wärmeren Barentssee eine Verlagerung der Eiskante nach Norden beobachtet werden.

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Abb 2: Vergleich des Jahresganges der Meereisausdehnung in der Arktis für die Jahre 2024, 2025, 2012 und das vieljährige Mittel 1981-2010 

Nach Erreichen des winterlichen Maximums am 21. März ist nun wieder die saisonale Schmelzsaison aktiv. Die Satellitendaten dokumentieren einen beständigen Rückgang des Meereises beginnend von den äußeren Rändern bzw. Randmeeren rund um den Arktischen Ozean. Die Meereisbedeckung hat bereits über eine Million Quadratkilometer seit dem Wintermaximum eingebüßt und steht aktuell bei etwa 13,3 Millionen Quadratkilometern. Dabei wurde in einer Phase etwa von Ende März bis in die erste Aprildekade vorübergehend nur ein geringer Eisverlust verzeichnet (siehe Abbildung 2). Verantwortlich hierfür könnten leicht unterdurchschnittliche Temperaturen und nördliche Wind mit entsprechender Eisdrift im Bereich der nördlichen Barentssee gewesen sein. Nachfolgend beschleunigte sich der Meereisverlust wieder und lag weiter deutlich unter dem langjährigen Mittel 1981-2010. Insbesondere in der Barentssee und im Beringmeer setzen sich die großen Defizite fort (Abbildung 3).

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Abb 3: Meereiskonzentration in der Arktis vom 04.05.2025. Grüne Linie: Mittlere Meereisausdehnung im Mai 1981-2010  

Im Verlauf der Schmelzsaison, die bis etwa Mitte September anhalten wird, wird sich die arktische Meereisausdehnung auf rund 4 Millionen Quadratmeter reduzieren. Inwiefern der sommerliche Allzeitnegativrekord von 3,4 Millionen Quadratkilometern von 2012 in Gefahr sein könnte, bleibt abzuwarten. Aber die Vorzeichen mit einer relativ dünnen und verletzlichen Eisdecke sind jedenfalls nicht gut.
 

M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.05.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Wenn Atmosphärische Flüsse das Meereiswachstum zum Stillstand bringen ….

Kurz nach unserer letzten Analyse an dieser Stelle (siehe Thema des Tages vom 11.09.2023) wurde Mitte September das jährliche arktische Meereisminimum mit 4,33 Millionen Quadratkilometer erreicht und nahm damit den siebten Platz in der Messreihe der geringsten Meereisausdehnung ein, die seit 1979 mittels Satellitendaten kontinuierlich erfasst wird. Im Vergleich zum vieljährigen Mittel 1981-2010 rangierte die Meereisausdehnung im ganzen Jahr 2023 am unteren Rand der Spannbreite und vor allem in den Monaten August und September auch unter den Vorjahreswerten (siehe Abbildung 1). Mit dem Beginn des langen arktischen Winters hat die Ausdehnung des Meereises überdurchschnittlich stark zugenommen. Ende Oktober hatte die Eisdecke die sibirische Küste erreicht, während an den Küsten der Beaufort- und Tschuktschensee weiterhin offenes Wasser vorhanden war.

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Auch bis weit in den November hielt das leicht überdurchschnittliche Meereiswachstum an, wobei die Expansion vor allem in der Baffin Bay und in der südlichen Beaufortsee dominierte. Gemittelt über den Monat lag die tägliche Zunahme der Eisbedeckung bei 70.800 Quadratkilometern (langjähriges Mittel 1981-2010: 69.500 Quadratkilometer), was in etwa der Fläche Irlands entspricht. Die durchschnittliche Meereisausdehnung in der Arktis betrug im November 2023 9,66 Millionen Quadratkilometer und rangiert damit zusammen mit dem November 2006 auf dem siebtniedrigsten Rang in der 45-jährigen Satellitenaufzeichnung.

Ab dem 22. November kam das Zufrieren vorübergehend für einige Tage nahezu zum Stillstand. Ursächlich war eine vom 21. bis zum 28. November andauernde Serie von drei kräftigen Tiefdruckgebieten. Diese schlugen eine sehr ähnliche Zugbahn ein, die sich von der Nordostküste Grönlands ostwärts entlang des nördlichen Randes der Barents-, Kara- und Laptev-See erstreckte. Auf dem Weg in den Arktischen Ozean verschmolzen die Tiefs mit ihren Vorgängern, so dass ein anhaltendes zyklonales (gegen den Uhrzeigersinn rotierendes) Windsystem entstand. Sowohl der erste als auch der dritte dieser Stürme hatten ihren Ursprung in der Region des Islandtiefs, bevor sie die Ostseite Grönlands hinaufwanderten. Das zweite Tiefdrucksystem entstand unmittelbar nördlich von Grönland. Gleichzeitig entwickelte sich ein Hochdruckzentrum über dem eisfreien Teil der Barentssee aus, das vom 26. bis 28. November besonders stark wurde.

Diese Kombination aus anhaltendem Tiefdruck nördlich und westlich von Spitzbergen und einem Hochdruckzentrum im Südosten führte zu einer starken, anhaltenden Strömung sehr warmer und feuchter Luft aus dem Bereich des mittleren Nordatlantiks in Richtung Spitzbergen. Von dort drehte die Strömung dann entlang der Randeiszone nach Osten. Insgesamt begünstigte diese Konstellation die Ausdehnung eines atmosphärischen Flusses über die mittleren Breiten hinaus bis in die Arktis. Atmosphärische Flüsse sind übrigens lange, schmale Korridore, die eine große Menge Wasserdampf transportieren (für mehr Informationen zu atmosphärischen Flüssen sei auf das verwiesen). Neue Forschungsergebnisse (https://eos.org/articles/rivers-in-the-sky-are-hindering-winter-arctic-sea-ice-recovery) zeigen, dass atmosphärische Ströme immer häufiger weiter nach Norden vordringen als noch vor vier Jahrzehnten. Diese atmosphärischen Flüsse pumpen vermehrt warme und feuchte Luft in die Arktis, auch in den Wintermonaten. Sie lassen Regen auf das sich erholende arktische Meereis fallen, wenn das Eis eigentlich seinen saisonalen Höchststand erreichen soll. Zudem sind mit dem häufigeren Auftreten der atmosphärischen Flüsse höhere Windgeschwindigkeiten und auch größere Wellen verbunden, die die Eisbildung weiter behindern können. Insgesamt stehen diese neuen Erkenntnisse im Einklang mit der beobachteten Unterbrechung des saisonalen Eiswachstums Ende November.

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Nachdem die Tiefdruckserie Ende November ihr Ende fand, beschleunigte sich die tägliche Meereiszunahme wieder auf weitgehend durchschnittliche Werte. Aktuell wird die Meereisbedeckung auf 12,45 Millionen Quadratkilometer beziffert (siehe Abbildung 2). Damit entspricht die Flächenausdehnung zu Beginn der dritten Dezemberdekade in etwa denen des Vorjahres und liegt damit weiter am unteren Rand der vieljährigen Schwankungsbreite.

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Von der Arktis begeben wir uns noch zuletzt in die Antarktis. Wie hat sich die Meereisbedeckung in den ersten Sommermonaten (auf der Südhalbkügel herrscht derzeit Sommer) nach einem absoluten winterlichen Rekordtiefststand entwickelt? Der tägliche Eisverlust bewegte sich bis Anfang November zunächst in einem ähnlichen Bereich wie im letzten Jahr. Der Rückgang der antarktischen Meereisausdehnung hielt um den 9. November herum für einige Tage an. Dies führte erstmals seit Mai dazu, dass die Ausdehnung über dem Minimum aus dem Jahr 2016 lag. Der saisonale Rückgang nahm dann jedoch wieder zu und folgte eng dem Verlauf der rekordtiefen Tagesausdehnung von 2016.

 

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Aktuell fällt die Eisausdehnung im Weddellmeer- und der Kosmonautensee sowie im Rossmeer anhaltend niedrig aus, in der Bellingshausen- und Amundsensee liegt sie jedoch leicht über dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 (siehe Abbildung 4). Ungewöhnlich warme Bedingungen über dem östlichen Weddellmeer und starke ablandige Winde direkt im Osten (an der Küste von Dronning Maud Land) führten zu einem Rückzug des Eises entlang dieser Küste und öffneten eine breite Küstenpolynja in diesem Gebiet. Das heißt der ablandige Wind treibt das Meereis von der Küste weg, wodurch es zu einer relativ beständigen, eisfreien Zone kommen kann.

M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.12.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst