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Europawetter

Vor allem zwischen Ostsee und Erzgebirge wird man aufatmen – zumindest, wenn die Wettervorhersagemodelle recht behalten sollten. Tief GABRIEL sorgt übers Wochenende dort für einiges an Regen. Lokal eng begrenzt kann es sogar schon wieder etwas (zu) viel werden, denn kräftige Schauer und Gewitter können durchaus Unwetterpotential aufweisen. Und auch in den übrigen Gebieten, so z. B. in der Nordhälfte Bayerns, wird der Mangel an Niederschlag etwas abgemildert. 

Europawetter 1

Tief GABRIEL und die Temperaturverteilung sowie die angedeutete Strömung im Niveau 850 hPa (ca. 1,5 km Höhe)

Auf seinem Weg vom südlichen Baltikum nach Westen erreicht GABRIEL am morgigen Samstagmittag das Stettiner Haff. In Abbildung 1 ist seine Position um 12 UTC (14 MESZ) zu sehen, zusammen mit der durch Pfeile angedeuteten, gegen den Uhrzeigersinn verlaufenden Zirkulation um Gabriel herum. Dazu liefert Abbildung 1 auch Informationen über die Temperaturen in ca. 1,5 km Höhe. Die in Orange und Rot gehaltenen Bereiche relativ hoher 850 hPa-Temperaturen bilden dabei einen Ring um GABRIEL, wobei dieser in gewisser Weise als steuerndes Zentraltief fungiert. 

Die Temperaturunterschiede sind dabei durchaus beachtlich. Über der zentralen Ostsee in unmittelbarer Nähe des Tiefkerns liegen sie teils nur um 7°C, dagegen können Teile Nordwestrusslands mit bis zu 20°C aufwarten. Insbesondere vom östlichen Schwarzen Meer, dem Kaukasus und dem Kaspischen Meer wird in einem breiten Streifen heiße Luft über den Westen Russlands hinweg bis nach Skandinavien geführt. Westlich von Tief GABRIEL und damit über Westeuropa ist die Strömung dagegen etwas diffuser und nicht so klar konturiert. Für den „warmen“ oder „heißen“ Ring braucht es dort die Hilfe von Hochdruckgebieten, deren Absinken für eine Austrocknung und Erwärmung der Luftmassen sorgt. 

Europawetter 2

Höchsttemperaturen in Europa am kommenden Sonntag 

Wie stark sich insbesondere das „Förderband“ östlich von GABRIEL bei den Höchsttemperaturen bemerkbar macht, zeigt Abbildung 2. Nördlich des Kaukasus werden am Sonntag Höchstwerte von 35 bis 40°C erwartet, gebietsweise kann es auch noch etwas mehr sein. Die Region um Moskau bringt es auf bis zu 30°C, und selbst in Skandinavien und England, die man normalerweise nicht mit solchen Temperaturen in Verbindung bringt, fällt zumindest lokal die 30°C-Marke. Für das Mittelmeer sind dies sicherlich im Juli erwartbare Maxima, in Deutschland kann sich in den erlauchten Kreis der „30er“ nur der Oberrhein einreihen. Überall dort, wo GABRIEL für viele Wolken sorgt, schwanken die sonntäglichen Maxima um 25°C, und wenn dann auch noch eine ordentliche Portion Regen dazu kommt, schaffen es die Maxima sogar nur knapp über 20°C – wenn überhaupt. 

Skandinavien hat es bezüglich des Sonnenscheins und des damit verbundenen „Sahnehäubchens“ bei den Höchstwerten etwas besser als wir. Einerseits scheint dort die Sonne am Wochenende von einem oft blitzblank geputzten Himmel, andererseits sind im hohen Norden die Tage noch immer bemerkenswert lang. So geht im mittelschwedischen Gunnarn am morgigen Samstag die Sonne schon um 02:37 MESZ auf und erst um 23:12 MESZ unter. Gunnarn ist für MOSMIX auch der „Top-Pick“ bei den sonntäglichen Maximalwerten: 31°C peilt das Modell dort an, der entsprechende Wert ist auch in Abbildung 2 zu finden. 

Europawetter 3

Klimadiagramm der Station Sundsvall-Härnösand (Mittelschweden) 

Da die Temperaturen in Mittelschweden in der Nacht zum Montag auch nur auf meist 19 bis 14°C zurückgehen (Gunnarn: 17°C) und damit teils knapp an der Tropennacht vorbeischrammen, ergeben sich in der Folge recht hohe Tagesmitteltemperaturen. Für die in Abbildung 2 mit einem grünen Stern markierte Station Sundsvall-Härnösand liegen die nächtlichen Minima bei 14°C und die Höchstwerte bei 26°C, was grob über den Daumen gepeilt eine Tagesmitteltemperatur von 20°C bedeutet. Dass dies deutlich mehr ist als zu der Zeit normalerweise zu erwarten ist, zeigt Abbildung 3. Dort ist das Klimadiagramm von Sundsvall-Härnösand zu sehen. Immerhin weicht die geschätzte Mitteltemperatur um 5°C von der klimatologisch zu erwartenden ab. In Gunnarn dürfte es sogar noch etwas mehr sein. 

Diplom-Meteorologe Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.07.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst

Als Jetstream oder Strahlstrom wird ein Starkwindband in der Atmosphäre bezeichnet. Dabei muss die maximale Windgeschwindigkeit des Starkwindbandes mindestens 60 Knoten, also etwa 110 Kilometer pro Stunde erreichen. Zwischen dem 40. und 60. Grad nördlicher und südlicher Breite befindet sich der sogenannte Polarfront-Jetstream in einer Höhe von 8 bis 15 Kilometern. Der Polarfront-Jetstream ist dabei aber kein statisches Band, das sich um die Erde legt. Durch größere Hindernisse wie beispielsweise die Rocky Mountains und die Corioliskraft gerät der Jetstream ins schlingern und bildet Wellen. Diese Wellen werden als Rossby-Wellen bezeichnet und mäandrieren um den Globus.

DWD Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst

Die genau Ausprägung der Rossby-Wellen hängt dabei zum einen von der Jahreszeit ab. Im Sommerhalbjahr befindet sich der Polarfront-Jetstream auf der Nordhalbkugel weiter im Norden, zum Herbst hin wandert der Strahlstrom wieder in südliche Richtungen. Zum anderen ist der Jetstream im Sommer generell weniger intensiv ausgeprägt als im Winter. Diese Verschiebung bestimmt das Wetter sowohl in Nordamerika als auch in Europa. In der Regel sind starke Stürme und Orkane über Europa auch immer mit einem starken Polarfront-Jetstream verbunden. Die Windgeschwindigkeit des Strahlstroms über dem Nordatlantik hängt dabei von dem Temperaturunterschied zwischen der arktischen Atmosphäre und der über den gemäßigten Breiten ab.
Je größer die Temperaturdifferenz ist, umso stärker weht der Strahlstrom. Im Sommer ist der Temperaturunterschied etwas geringer, sodass der Jetstream meist schwach ausgeprägt ist. Starke Stürme oder Orkane sind dann über Europa eher selten. Im Herbst hingegen werden die Unterschiede wieder größer. In der Arktis beginnt die Zeit der Polarnacht. Durch die fehlende Sonneneinstrahlung geht die Temperatur der Troposphäre (also der untersten Atmosphärenschicht) dort stark zurück. Im Gegensatz dazu sind die Temperaturen über Europa und auch die Meeresoberflächentemperaturen noch recht warm. Die Temperaturdifferenz wird also größer.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Flugzeiten zwischen Nordamerika und Europa. Flüge von West nach Ost, also in Stromrichtung des Jetstreams sind generell kürzer als in die Gegenrichtung. Ein Flug von London nach New York dauert durchschnittlich knapp acht Stunden, der Rückflug nur sieben Stunden. Die Flugzeuge fliegen in der Strömung mit, sodass sich die Geschwindigkeiten von Flieger und Umgebungsströmung addieren. Das heißt, dass die Geschwindigkeit eines Fliegers über Grund schneller oder langsamer ist als die wahre Fluggeschwindigkeit relativ zur Umgebungsströmung. Typischerweise erreicht der Jetstream im Herbst und Winter Maximalgeschwindigkeiten von etwa 260 Kilometern pro Stunde. Bei einer Reisegeschwindigkeit des Flugzeuges von 800 Kilometern pro Stunde ergibt sich in Richtung Osten eine Geschwindigkeit von 1060 Kilometern pro Stunde über Grund. Würde das Flugzeug entgegen des Strahlstroms fliegen, würde sich die Geschwindigkeit auf 540 Kilometer pro Stunde verringern und die Reisezeit würde dadurch erheblich verlängert werden. Für die Berechnung der Flugzeit und dem damit benötigten Treibstoff eines Fluges sind die Vorhersage des Jetstreams und der Windgeschwindigkeit in Reisehöhe wichtig.

Aufgrund der potentiellen Treibstoffeinsparung und der modernen Navigations- und Telekommunikationssysteme wurden vor einigen Jahren auch die festen Flugrouten über dem Nordatlantik abgeschafft. So kann der Pilot bzw. die Airline ihre Flugroute selbst planen und die effizienteste Route wählen. Dabei hilft die numerische Wettervorhersage, die für die einzelnen Flughöhen die Windgeschwindigkeiten und -richtungen prognostiziert werden. Es werden auch spezielle Karten für die Luftfahrt erstellt, aus der Lage und Verlauf des Jetstreams hervorgeht.

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Normalerweise dauert ein Flug von London nach New York knapp acht Stunden. In umgekehrter Flugrichtung knapp sieben Stunden. Ein Flug der British Airways heute morgen hatte eine Reisezeit von etwas über 6 Stunden. Obwohl der Flieger mit einer Verspätung von einer Stunde gestartet ist, kam er noch zur geplanten Ankunftszeit in London an. Dabei half der Jetstream ordentlich mit.

DWD Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst 2

Im Februar 2020 betrug die Flugzeit einer Boeing 747 unterwegs von New York nach London nur 4 Stunde 56 Minuten. Kurzzeitig erreichte die Maschine dabei eine Spitzengeschwindigkeit von über 1300 Kilometern pro Stunde über Grund. Das ist schneller als der Schall. Die Schallmauer wurde aber nicht gebrochen, da der Knall nur bei absoluten Windgeschwindigkeiten ausgelöst wird. Der starke Jetstream hat damals Orkantief SABINE verursacht, das im Februar 2020 über Deutschland hinwegfegte. Den bis heute gültigen Reisezeit-Rekord einer kommerziellen Maschine hält übrigens immer noch die Concorde. Der Überschallflieger legte die Strecke 1996 in 2 Stunden 53 Minuten zurück.

Für morgen werden keine neuen Rekorde erwartet. Die Abbildung 1 zeigt die Prognose des Windgeschwindigkeiten etwa in Reisehöhe des zivilen Flugverkehrs (etwa 10 Kilometer über Grund). Die Geschwindigkeiten über dem östlichen Nordatlantik nehmen etwas ab. Sollte Ihr Flieger in Nordamerika also mit Verspätung starten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er diese durch eine kürzere Reisezeit wieder aufholen kann.

M.Sc. Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.10.2023
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