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Starkregen, Hagel und einzelne Tornados: Ein Rückblick auf letzten Mittwoch

Gut zu tun hatten unsere Warnmeteorologen am vergangenen Mittwoch. Überraschend war das jedoch nicht, denn die von den Wettermodellen prognostizierten Gewitterzutaten, lieferten bereits einige Zeit im Vorfeld Hinweise darauf, dass es ordentlich krachen kann. 

Deutschland lag an jenem Tag auf der Südflanke von Tief OLE, das von Schleswig-Holstein ostwärts zur Ostsee zog und sehr feuchte und instabil geschichtete Luft (starke Temperaturabnahme mit der Höhe) aus der Biskaya im Gepäck hatte. Diese Luftmasse konnte sich vor allem auf den Süden und die Mitte ausbreiten, während auf den Norden bereits OLEs Kaltfront übergegriffen hatte, die dort kühlere und trockenere Luft einströmen ließ. 

Bereits in der Nacht zum Mittwoch zogen im Westen aus Belgien schauerartige Regenfälle auf, die sich ostwärts in die Mitte ausweiteten und neben dem ein oder anderen Liter Regen auf den Quadratmeter auch einzelne Böen bis Sturmstärke mit sich brachten. Zum Beispiel meldete Aachen um 2 Uhr eine Böe von 76 km/h, Wuppertal um 3 Uhr 74 km/h. Ursache dafür war der kräftige Höhenwind, der durch die schauerartigen Verstärkungen lokal bis zum Boden heruntergemischt werden konnte. 

Während sich diese Regenfälle zunehmend in den Süden verlagerten und so die Gewitterentstehung dort hemmten, konnten sich vor allem über der breiten Mitte und anfangs auch im Nordosten ab dem frühen Nachmittag zahlreiche Gewitter entwickeln. Hier und da gingen diese mit Starkregen (häufig etwa 10 bis 20 l/qm in kurzer Zeit), stürmischen Böen und kleinkörnigem Hagel einher. Lokal kamen aber auch deutlich höhere Regenmengen zusammen. 

Starkregen Hagel und einzelne Tornados Ein Rueckblick auf letzten Mittwoch teil 1

24 stündige Niederschlagsmenge vom 28. bis 29.05.2025, 8 Uhr MESZ, ab 10 mm. Zahlen zeigen Messwerte, die Flächendarstellung steht für aus Radardaten abgeleitete Mengen. 

Durch die vorherrschenden Strömungsverhältnisse kam es teilweise dazu, dass Gewitterzellen immer wieder über denselben Ort zogen oder sich rückseitig neugebildet haben. Dieses Schicksal traf beispielsweise Worms am Abend als dort 43,7 l/qm innerhalb einer Stunde beziehungsweise 53 l/qm in zwei Stunden zusammenkamen. Von derselben Gewitterlinie betroffen war auch die Station Wilhelmsfeld in Nordbaden wo innerhalb weniger Stunden rund 80 l/qm vom Himmel stürzten. Ein weiterer Korridor mit hohen Regenmengen spannte sich zwischen Ostthüringen und Westsachsen auf. 

Starkregen Hagel und einzelne Tornados Ein Rueckblick auf letzten Mittwoch teil 2

24 stündige Niederschlagsmenge vom 28. bis 29.05.2025, 8 Uhr MESZ, ab 10 mm. Zahlen zeigen Messwerte, die Flächendarstellung steht für aus Radardaten abgeleitete Mengen. 

Nun gab es einen Bereich, der etwa vom Westen bis in die zentrale und südliche Mitte reichte, in dem zur feuchten und instabilen Luftmasse auch noch eine erhöhte Windscherung dazukam, sprich eine kräftige Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe. Dadurch konnten sich die Gewitter dort organisieren, das heißt, ihr jeweiliger Auf- und Abwindbereich waren voneinander getrennt, wodurch die Zellen langlebiger und kräftiger wurden. Mit Hilfe der stark gegliederten Orographie im dortigen Mittelgebirgsraum war zudem auch ein gewisses Maß an Richtungsscherung vorhanden, das heißt die Windrichtung dreht mit der Höhe. Mehr zum Thema Windscherung finden Sie zum Beispiel im Thema des Tages vom 18.04.2025 (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2025/4/18.html). 

Starkregen Hagel und einzelne Tornados Ein Rueckblick auf letzten Mittwoch teil 3

Foto des Tornados in Biebergemünd am 28.05.2025 (Quelle: Jörg Müller DWD) 

Alles in allem waren dadurch ausreichend gute Bedingungen geschaffen, dass sich vereinzelt sogar Tornados entwickeln konnten. Einer wurde im südosthessischen Biebergemünd kurz nach 15 Uhr gesichtet, der dort zum Teil schwere Schäden hinterließ. Ein weiterer Tornado wirbelte nur wenig weiter nordöstlich nahe Steinau an der Straße. Dieselbe Zelle brachte etwas später bei Schweinfurt wohl nochmals einen Tornado hervor. Zumindest liefert das vorhandene Bildmaterial starke Hinweise dafür, dass sich dort erneut einer gebildet hat. 

Auch wenn der heutige Freitag in Sachen Wetter recht ruhig verläuft, bleiben kräftige Gewitter ein Thema! Am morgigen Samstag drohen im Westen, am Sonntag dann in der Südost- und Osthälfte kräftige Gewitter mit lokalem Unwetterpotenzial. 

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.05.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Neue Intensitätsklassifikation für Tornados: Die Internationale Fujita Skala (IF)

Tornados gehören zu den gefährlichsten und schadensträchtigsten Wetterereignissen weltweit. Da es sich um verhältnismäßig kleinräumige Phänomene handelt, gestaltet sich die direkte Messung der Windgeschwindigkeiten innerhalb des Tornados aber sehr schwierig. Selbst „indirekte“ Messungen mit Hilfe von Fernerkundungsinstrumenten wie dem Wetterradar oder die Abschätzung durch die photogrammetrische Analyse von Bildern und Videos des Tornados unterliegen mitunter Ungenauigkeiten. So bleibt am Ende meist nur die Abschätzung der Windgeschwindigkeiten anhand von Schadensbildern.

Eine solche schadensbasierte Intensitätsskala wurde bereits 1971 vom amerikanisch-japanischen Meteorologen Ted Fujita entwickelt. Die Fujita-Skala (F) enthielt ursprünglich 12 Stufen von F1 bis F12, wobei jeder Stufe ein exakt definierter Windgeschwindigkeitsbereich zugewiesen wurde. Die Windgeschwindigkeiten wurden im zweiten Schritt mit groben Schadensausmaßen qualitativ verknüpft, um die Tornadointensität zu bestimmen. Die Schadensindikatoren waren aber noch sehr generell und ohne wissenschaftliche Basis. Mit der Einführung der „Erweiterten Fujita Skala“ (EF) wurde in den Vereinigten Staaten im Jahre 2007 eine neue Intensitätsskala präsentiert, die zwar auf der ursprünglichen F-Skala basierte, aber deutlich spezifischere Schadensindikatoren und eine wissenschaftlich fundiertere Assoziation zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden beinhaltete.

Die Schadensindikatoren selbst basieren allerdings auf der typisch nordamerikanischen Leichtbauweise und sind deswegen nicht 1:1 auf andere Orte der Welt übertragbar. So gibt es weltweit eine Vielzahl an mehr oder weniger stark modifizierten Intensitätsskalen wie die Kanadische EF-Skala, die japanische EF-Skala oder die TORRO-Skala, die in Großbritannien entwickelt und von TorDACH (dem Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und der Schweiz) für Mitteleuropa angepasst wurde.

Wissenschaftler des ESSL (European Severe Storms Laboratory) und diverser Wetterdienste kamen in mehreren Workshops seit 2014 zusammen, um eine möglichst allgemeingültige Tornadoklassifikation zu entwickeln, die weltweit ohne weitere Anpassung angewendet werden kann: Die Internationale Fujita Skala (IF). Sie basiert auf den ersten 5 Stufen der ursprünglichen F-Skala, allerdings werden den Stufen keine fest abgegrenzten Windgeschwindigkeits-Intervalle zugeordnet, sondern nur Richtwerte. Zudem soll es sich bei den Windgeschwindigkeiten nicht mehr um Mittelwerte des horizontalen Windes in 10 Metern Höhe handeln, sondern um instantane 3-dimensionale Windgeschwindigkeiten auf Schadenshöhe, sodass auch Radardaten und photogrammetrische Analysen herangezogen werden können. Damit möchte man den real auftretenden maximalen Windgeschwindigkeiten näherkommen. Um eine feinere Unterscheidung vornehmen zu können, werden zwischen Stufe IF0 und IF3, wo sich die große Mehrheit der Ereignisse einsortieren dürfte, Halbstufen eingeführt (siehe Abbildung 1).

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF

Die wichtigste Errungenschaft der neuen IF-Skala ist allerdings die deutliche Erweiterung der Liste der Schadensindikatoren (Hausdächer, Fahrzeuge, Bäume, Windmessung, …) und die Berücksichtigung von unterschiedlicher Bauweise, Struktur oder Widerstandsfähigkeit des Schadensindikators bzw. der Art der Messung. Abbildung 2 zeigt die vollständige Liste der Schadensindikatoren (Damage Indicators). Aus der Kombination aus Schadensindikator, Bauweise (Subclasses) und Schadensausmaß (Degrees of Damage) lässt sich mit einer Matrix jeweils eine IF-Stufe ableiten. Der Tornado erhält schließlich die aus dieser Ableitung hervorgehende höchste IF-Stufe, basierend auf dem schlimmsten Schaden bzw. der höchsten Windgeschwindigkeit, die er produzierte. Selbstverständlich können auch andere, nicht-tornadische Windereignisse auf diese Weise klassifiziert werden.

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF 1

Die Ergebnisse der Analysen werden auf der European Severe Weather Database (ESWD) veröffentlicht, inklusive der IF-Klasse und des dafür entscheidenden Schadensindikators.

Tiefergehendes Material zum Thema „Internationale Fujita Skala“ und Beispiele erhalten Sie auf der Seite des ESSL (siehe Link unter diesem Text).

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Lösung Osterquiz

Frage 1: Was gab es in Deutschland an Ostern noch nie?

D: Eine mehrere Zentimeter dicke Schneedecke selbst im Tiefland.
E: Einen heißen Tag (30 Grad und mehr).
F: Eine tropische Nacht (Tiefstwerte nicht unter 20 Grad).

Schnee zu Ostern gab es selbst im Tiefland schon häufiger und auch Temperaturen über 30 Grad. Doch bisher wurden noch nie eine tropische Nacht zu Ostern registriert. Antwort F ist richtig.

Frage 2: Als „Höheneier“ bezeichnet man in der Wettervorhersage umgangssprachlich…

N: … Messinstrumente, die in einer eiförmigen Schutzhülle an einem Wetterballon befestigt aufsteigen.
O: … kleinräumige Tiefdruckgebiete in höheren Luftschichten.
P: … das, was Vögel beim Überflug einer Messstation hin und wieder ablassen.

Eierförmige Schutzhüllen an Messinstrumenten machen nicht wirklich Sinn. Auch werfen Vögel keine Eier auf Wetterstationen. Antwort O ist richtig. Tiefdruckgebiete in höheren Luftschichten, auch bekannt als Kaltlufttropfen, sind oft eierförmig und werden deshalb von Meteorologen häufiger als „Höheneier bezeichnet“.

DWD Loesung Osterquiz

Frage 3: Auf was deutet eine Art Rippenmuster bei der Bewölkung im Satellitenbild hin?

C: sehr starke Höhenwinde
D: hohe Ozonwerte
E: Saharastaub

Der Höhenwind führt zwar dazu, dass Cirruswolken verweht werden und sogenannter Cirrus fibratus entsteht, der aber eher fischgrätenartig aussieht und in der Regel zu kleine „Gräten“ hat, um diese im Satellitenbild zu erkennen. Ozon beeinflusst die Wolkenform nicht. Richtig ist hier Antwort E. Der Saharastaub, der oft zur Bildung von rippenartigen Wolken führt, wie man sie heute früh im Satellitenbild über Ostdeutschland gesehen hat. Näheres zur Bildung von diesen Wolken findet man im Thema des Tages

DWD Loesung Osterquiz 1

Frage 4: Der Monat mit den im Mittel meisten starken Tornados (F2 und stärker) liegt im meteorologischen…

H: … Frühling
I: … Sommer
J: … Herbst

Zwar treten die meisten, starke Tornados im Sommer auf, da dann Gewitter am häufigsten sind. Tatsächlich ist aber der Monat mit den meisten starken Tornados der Mai und liegt somit im meteorologischen Frühling. Also ist H die richtige Antwort. Grund dafür ist, dass es im Mai schon häufig Gewitter gibt und gleichzeitig die vertikale Windscherung (Änderung der Windrichtung und Geschwindigkeit) mit der Höhe durch eine im Mittel kräftigere Höhenströmung häufig stärker ist, als in den Sommermonaten. Diese vertikale Windscherung ist einer der Voraussetzungen für Tornados.

Frage 5: Welche Aussage stimmt?

L: Es gab bisher in diesem Jahr etwa fünfmal so viele benannte Tiefs wie Hochs.
M: Letztes Jahr war das Tief-Hoch-Verhältnis bis Ende März nahezu ausgeglichen.
N: Für dieses Jahr sind bereits alle noch kommenden Hochs und Tiefs benannt.

Ihre Namen erhalten Tief- und Hochdruckgebiete von der Aktion Wetterpate des Vereins Berliner Wetterkarte e.V. und der Freien Universität Berlin. Dort kann man eine Namenspatenschaft für ein Hoch oder ein Tiefdruckgebiet übernehmen. Mit der Spende wird die studentische Ausbildung im Bereich Meteorologie unterstützt. In der Regel gibt es deutlich mehr Tiefdruckgebiete als Hochdruckgebiete. In diesem Jahr stehen 41 benannte Tiefdruckgebiete 14 Hochdruckgebieten gegenüber, sodass die Antwort L falsch ist. Richtig ist die Antwort N. Für diese sind bereits alle Wetterpatenschaften vergeben

Wenn Sie in den vergangenen Themen des Tages gut aufgepasst haben, müssten Sie passend zum aktuellen Wetter somit auf das Lösungswort FOEHN kommen, der über Ostern in den Alpen ordentlich bläst.

Christian Herold und Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst