Die knieenden Mönche im Schnee

Zugegeben, bei den teils sommerlich anmutenden Bedingungen ist ein winterliches Thema auf den ersten Blick etwas fehl am Platz, doch wir werden sehen, dass dem nicht so ist. Beginnen wir nun aber der Reihe nach.
Was macht man, wenn man sich im Winter vor lauter Grau, Regen und Wetter-Tristesse mal nach etwas Abwechslung in Form schöner Schneebilder sehnt? Richtig, man durchforstet die unzähligen Bildberichte im Internet von wagemutigen Bergsteigern, deren Reiseberichte mit schönen Aufnahmen gespickt sind. Neben beeindruckenden Panoramaaufnahmen von Gipfeln, wo man als Normalsterblicher wohl eher nicht hinwandern würde, kann man sich an tief verschneiten Schneelandschaften sattsehen – und stolpert manchmal über Aufnahmen, die einen stutzen lassen.
So auch in diesem Fall bei einem Bericht von einem Bergsteiger in den Anden.

Nach etwas Nachforschung stellte sich heraus, dass die entdeckten Schnee- und Eisformationen in der Tat einen Namen besitzen und zudem auch noch Gegenstand aktueller Forschungen sind. Sie tragen den englischen Namen „snow penitents„, was sich ins Deutsche in etwa in „Büßerschnee oder Büßereis“ übersetzen lässt. Wieso diese Benennung? Von der Ferne sehen die Formationen aus wie betende Mönche mit ihren weißen Hauben, was die früheren Entdecker auf diese Namensgebung brachte.

 

DWD Die knieenden Moenche im Schnee

Seit der Entdeckung dieser Schneeformationen im Jahre 1835 durch keinen geringeren als Charles Darwin, rankten sich unzählige Theorien über deren Entstehung. Die Theorien umfassten den Einfluss der Sonne, einen warmen Wind oder aber die elektromagnetische Ausrichtung der Schneeflocken. Besonders oft konnte man von diesen Beobachtungen hören, wenn z.B. in alpinen Regionen nach einer schneereichen Periode im Spätwinter/Frühling direkt eine heiße Witterung folgte (wie es auch aktuell der Fall war). Anderswo kann man solche Formationen sehr häufig beobachten, und zwar in Gebirgen, die in subtropischen oder tropischen Bereichen liegen, wie z.B. den Anden in Chile.

Bereits 1942 erkannte der Professor C. Troll, dass wohl einzig die Sonnenstrahlung für die Entwicklung des Büßereis verantwortlich sei. Seitdem gab es weitere Studien und Untersuchungen, wo das Bild der Entwicklung immer genauer nachvollzogen werden konnte. Grundsätzlich sind folgende meteorologische Bedingungen notwendig:

Die Lufttemperatur sollte nahe dem Gefrierpunkt zu finden sein, der Taupunkt sollte sich deutlich unterhalb des Gefrierpunktes befinden und es muss eine starke Sonneneinstrahlung vorhanden sein. Dies alles ist z.B. in den Hochlagen der (sub)tropischen Gebirge gegeben.

Doch wie entstehen diese Skulpturen nun eigentlich? Man kann den Entstehungsprozess z.B. mit der Entwicklung von Schlaglöchern in Straßen vergleichen. Dort sorgen die kleinste Unebenheit oder Risse für eine Wasseransammlung, die durch wiederholte Gefrierprozesse im Winter sowie durch mechanische Einwirkung des Straßenverkehrs zügig echte Krater in den Straßen hervorrufen kann.

In unserem Fall sorgt die kleinste Unebenheit oder etwa Staub auf der Schneeoberfläche dafür, dass eine zunehmende Mehrfachreflexion der einfallenden Sonnenstrahlen die Chance erhöht, dass die Strahlungswärme vom Schnee aufgenommen werden kann (u.a. auch Veränderung der Albedo). Der direkte Einfluss der Strahlung ist wohl auch der bedeutendste Faktor bei der Entstehung der Formationen, was u.a. die Beobachtungen hervorheben, die die größten Formationen in den tropischen Bereichen sowie in hoch gelegenen Gegenden mit intensiver Sonneneinstrahlung zeigen.

Nun kommt die extrem trockene Luft ins Spiel, die den Taupunkt bei deutlich unter 0 Grad belässt. Würde der Schnee durch die aufgenommene Wärme schmelzen, dann würde sich Wasser sammeln und der Schnee würde an diesen Stellen nicht mehr bzw. stark verzögert weiter schmelzen können. Doch bei der trockenen Luftmasse erfolgt auch kein Schmelzprozess, sondern eine direkte Phasenumwandlung von fest zu gasförmig, genannt „Sublimation“. Die durch diesen Prozess benötigte Energie wird durch die Sonnenstrahlung wieder zugeführt, sodass sich ein Art Gleichgewichtsprozess einstellen kann. In den Senken sorgt die zunehmend komplexere Reflexion des Sonnenlichts dafür, dass immer mehr Wärme gespeichert werden kann und somit die großen Hohlräume entstehen. An der u.a. von der Wissenschaftlerin Meredith Betterton (Universität Colorado) aufgestellten Theorie gibt es Zweifel, dass dieser Prozess nicht alles erklärt. So würde man alleine durch den beschriebenen Prozess nicht die zu beobachtende recht homogene Größe der schneefreien Flächen erhalten. Von hier aus geht es weit in die Schneephysik hinein sowie in Feinheiten wie z.B. die Tatsache, dass Wärme von den Schneekuhlen weniger effektiv abgestrahlt werden kann, als von den Schneespitzen, was auch einen vertikalen Temperaturgradienten nach sich zieht, was wiederum die Sublimationsrate beeinflusst. Wie so oft zeigt sich, dass auch diese schönen Naturphänomene einer komplexen Entwicklung unterworfen sind.

Der Wind sollte zudem recht schwach ausfallen, da er sonst die benannten physikalischen Prozesse rasch (negativ) beeinflussen könnte. Das ist auch der Grund, wieso viele dieser Formationen im Lee von Bergen oder Hängen zu finden sind, wo ein gewisser Windschutz besteht.

Wenn Ihr Interesse nun geweckt wurde, dann können Sie gerne noch weitere Informationen in dem unten aufgeführten „fachlichen“ Link nachlesen. Ansonsten bleibt mir nur Ihnen viel Spaß beim Genießen der im Internet zu findenden Bilder zu wünschen und wer weiß: Vielleicht hat ja jemand von Ihnen diese Formation schon einmal in echt sehen und fotografieren können?

Dipl. Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Start in die Gewittersaison

Warnungen entstehen grundsätzlich in einem mehrstufigen Prozess. Dabei ist es egal, welchen Warnparameter man betrachtet, es gilt für Schneefall genauso wie für Wind oder eben auch Gewitter. Allerdings sind Gewitter weit im Voraus schwierig vorherzusagen. Dieser Warntyp erfordert eine ständige Beobachtung, Neubewertung und Anpassung der aktuellen Lage in der Kürzestfrist, auch „Nowcasting“ genannt. Die Vorbereitungszeit bei Gewittern ist recht „entspannt“, dafür erfordert die Warnzeit ein hohes Maß an Agilität. Bei skaligen Ereignissen wie Wind oder längerem Regen ist hingegen die Vorbereitungszeit intensiver als die Warnzeit.

Bereits etwa 6 Tage vor einem Warnereignis kann man mit Hilfe probabilistischer Ensemble-Verfahren schon einmal grob vorpeilen, ob ein markantes oder Unwetter-Ereignis möglich ist. Bis zum Vorhersagezeitpunkt werden laufend die Ergebnisse aus Ensembleberechnungen und deterministischen Modellen verglichen und im Falle einer zu erwartenden Unwetterlage wird bis zu 3 Tage vor einem Ereignis ein erster grober Unwetterhinweis formuliert. Etwa 48 Stunden vor einem Wetterereignis liefern fein aufgelöste Lokalmodelle die notwendigen Details zur Eingrenzung eines Warngebietes und nicht selten den eigentlichen Input für die Ausprägung der zu erwartenden Warnlage. Aufgrund der feinen Modellauflösung ist die benötigte Rechenleistung sehr hoch und der Vorhersagehorizont daher begrenzt.

Einen Wetterwarnentwurf gibt es meist 24 Stunden vor einem Ereignis. Bei einer erneuten Modell- und Ensembleanalyse sowie bei großräumigen Ereignissen auch einer Sichtung der Punktprognosen aus dem MOS (Model Output Statistics) kann nun eine Warnung in einem näher bestimmten Gebiet vordefiniert werden. Im meteorologischen Kürzestfristzeitraum – 6 bis 12 Stunden vor einem Wetterereignis – wird der Warnentwurf noch einmal überprüft und gegebenenfalls angepasst. Jetzt fließt auch das aktuelle Wetter in Form von Messwerten, Radar-, Blitz- und Satellitendaten sowie von analysierten Wetterfronten in die zu konkretisierende Wetter- oder Unwetterwarnung mit ein.

Bei Gewittern kann eine Warnung meist nur sehr kurzfristig erfolgen. Sind großräumig schwere Gewitter wahrscheinlich, wird mittels Vorabinformation auf das Potenzial und die möglichen Auswirkungen hingewiesen. Dann wird meistens auch ein Unwetterclip produziert, der noch einmal in Bild und Ton auf die möglichen Gefahren hinweist und den Bereich eingrenzt. Oft wird in diesen Videos auch auf die Sicherheit oder Unsicherheit der Lage hingewiesen. Gerade aber bei Wärmegewittern, die sich spontan und schnell bilden, sind oft schon erste Blitze aufgetreten, bevor eine Warnung erfolgt.

DWD Start in die Gewittersaison

Sollten Sie also im Wetterbericht für Ihre Region das Wort „Gewitter“ hören oder lesen, empfiehlt sich des Öfteren ein Blick in den Himmel und in eine Wetter-App. Mit der WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes erhalten Sie alle Warnungen kostenfrei. Im Falle einer großräumig schadensträchtigen Gewitterzelle können Sie Warnungen auch direkt mittels Cell Broadcast auf Ihrem Mobiltelefon empfangen.

Dipl. Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Der Sturmwarndienst am Bodensee – Blinklichter, die Leben retten

Die Gründung des Sturmwarndienstes Bodensee geht auf ein Sturmereignis im Jahr 1937 zurück. Damals starben am 18. Juli sieben Menschen. 1957 wurde dann die Vereinbarung über den Sturmwarndienst gefasst. In den Jahren darauf bildete sich eine Arbeitsgruppe, welche sich mit den Windsystemen am Bodensee befasste: Die sogenannte Internationale Sturmwarnkonferenz. Und Windsysteme gibt es am Bodensee einige, alleine aufgrund der Nähe zu den Alpen. Beispielhaft lässt sich hier der Föhn nennen, welcher regelmäßig auf den Ostteil und – bei besonders kräftigen Föhnereignissen – sogar bis auf den Mittelteil des Sees ausgreift. Der föhnreichste Monat im Jahr ist übrigens der aktuelle April.

Die Aufteilung des Sees in West, Mitte und Ost fand übrigens erst im Jahr 2000 statt, als die Mitglieder der Internationalen Sturmwarnkonferenz beschlossen, ein kleinräumigeres und detailliertes Warnmanagement umzusetzen, was durch eine Aufteilung von bisher zwei (West/Ost) auf die genannten drei Seeteile gelang. So kann den Bedürfnissen der Seenutzer sowie der Wasserschutzpolizei Rechnung getragen werden. Diese profitieren in großem Maße vom Sturmwarndienst Bodensee, was sich in Lob und Dank gegenüber den zuständigen Wetterdiensten MeteoSchweiz, GeoSphere Austria und dem Deutschen Wetterdienst äußert.

Die aktive Ausübung des Sturmwarndienstes führen MeteoSchweiz und der Deutsche Wetterdienst in gemeinsamer Absprache durch. Das heißt, es werden Warnungen je nach Windstärke in zwei Stufen ausgesprochen und im Sommerhalbjahr zwischen 6 und 22 Uhr über Sturmwarnleuchten entlang des Ufers signalisiert:

• Stufe 1: Starkwindwarnung. Ab 25 Knoten (46 km/h).
• Stufe 2: Sturmwarnung. Ab 34 Knoten (63 km/h).

DWD Der Sturmwarndienst am Bodensee – Blinklichter die Leben retten 1

Bei großen Festlichkeiten im Sommer findet zum Teil eine Ausweitung der Signalisationszeiten bis auf 24 Uhr statt. Großereignisse wie das Seenachtfest Konstanz/Kreuzlingen und die „RundUm” werden sogar die ganze Nacht hindurch betreut.
Die Signalisation zeigt an insgesamt 30 installierten Leuchten ein zu erwartendes Windereignis der Stufe 1 mit 40 Blitzen pro Minute und ein Windereignis der Stufe 2 mit 90 Blitzen pro Minute an. So ist für den Seenutzer auf dem Wasser direkt zu erkennen, welche Maßnahmen er einleiten sollte, um sich und seine Mitmenschen in Sicherheit bringen zu können. Meist bleibt hierfür noch genug Zeit, da der Sturmwarndienst Bodensee vorausschauend agiert und in der Regel etwa eine Stunde vor Erreichen bzw. Überschreiten der Warnschwellen tätig wird.

DWD Der Sturmwarndienst am Bodensee – Blinklichter die Leben retten

Neu seit 2024 ist eine rundum erneuerte Software und Ansteuerungstechnik der Warnbeleuchtung, die durch die Stadtwerke Konstanz unter Federführung des Schifffahrtsamtes Konstanz entwickelt und umgesetzt wurde. Damit wurde es auch möglich, dass von nun an der Deutsche Wetterdienst am Standort Stuttgart die Signalisation der Leuchten auf baden-württembergischer, bayrischer und österreichischer Seite übernimmt. Zuvor wurde diese Aufgabe von der Wasserschutzpolizei Konstanz wahrgenommen. So wurde nicht nur die Lampensteuerung optimiert, sondern durch die Einsparung eines Zwischenschrittes und damit wertvoller Zeit auch die Effizienz erhöht. Damit kann sich die Wasserschutzpolizei nun noch intensiver um in Seenot Geratene kümmern und ihren anderen wichtigen Aufgaben nachkommen.
Der Deutsche Wetterdienst wünscht allen eine gute und sichere Sommersaison am oder auf dem Bodensee.

M.Sc. Kai-Uwe Nerding, RWB Stuttgart
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

DWD führt Kelvin-Temperaturskala in Wetterberichten ein

In intensiven Absprachen mit zahlreichen nationalen Wetterdiensten hat die „World Meteorological Organisation“ (WMO) beschlossen, William Thomson, 1. Baron Kelvin (kurz: Lord Kelvin) eine Ehre zu erweisen. Dazu sollen zu seinem 200. Geburtstag am 26. Juni 2024 weltweit für ein Jahr die Temperaturvorhersagen in der von ihm eingeführten Kelvin-Skala angegeben werden. Da diese Temperaturskala einige Vorteile mit sich bringt, wird in Erwägung gezogen, diese auch über das Gedenkjahr hinaus beizubehalten und als neue offizielle Temperatureinheit einzuführen. Um den Bundesbürgern diese Umstellung zu erleichtern, führt der DWD in einem Parallelbetrieb bereits in den kommenden Wochen die Kelvin-Skala ein.

Der britische Physiker Lord Kelvin (* 26. Juni 1824, † 17. Dezember 1907) war ein britischer Physiker auf den Gebieten der Elektrizitätslehre und der Thermodynamik. Aufgrund seiner vielfältigen wissenschaftlichen Leistungen war Thomson zeitweilig einer der bekanntesten und einflussreichsten Wissenschaftler Europas, was ihm die Erhebung in den Adelsstand und die Peerswürde einbrachte. Bekannt wurde er durch die später nach ihm benannte thermodynamische Temperaturskala, die er im Alter von 24 Jahren einführte.

Bei der Kelvin-Skala (kurz: K) handelt es sich neben der in Europa gängigen „Grad-Celsius-Skala“ (°C) und der in den USA und Großbritannien geläufigen „Grad-Fahrenheit-Skala“ (°F) also um eine weitere Temperatureinheit, die bisher hauptsächlich in der Wissenschaft genutzt wurde. Kelvin ist die seit 1968 gesetzlich festgelegte SI-Einheit der Temperatur. Dabei beschreibt 0 K den absoluten Nullpunkt, der bei -273,15 °C liegt. Dies ist die tiefst mögliche Temperatur, die nur theoretisch erreicht und nicht unterschritten werden kann. Die Differenz zwischen zwei Temperaturwerten ist bei der Kelvin- und Celsius-Skala gleich groß. Daher handelt es sich in Regionen, die die Celsius-Skala nutzen, lediglich um eine Verschiebung der Temperaturwerte um 273,15 K. So entsprechen 0 °C = 273,15 K; 1 °C = 274,15 K; 10 °C = 283,15 K usw. Bei der Fahrenheit-Skala ist die Umrechnung etwas komplizierter.

DWD DWD fuehrt Kelvin Temperaturskala in Wetterberichten ein

Scientific Identity, Portrait of William Thomson, Baron Kelvin

Die weltweite Umstellung zur Einheit Kelvin bringt einige Vorteile mit sich. Allen voran steht natürlich die Vereinheitlichung der Temperaturskalen. Da sowohl bei der Celsius- als auch bei der Fahrenheit-Skala bei der Beschreibung von Temperaturen umgangssprachlich häufig lediglich von „Grad“ die Rede ist, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Verwechslungen. Zudem ist ein großer Nachteil der Celsius-Skala, dass bei dieser 0 bzw. 100 °C durch den Gefrier- bzw. Siedepunkt von Wasser bei einem Druck von 1013,25 hPa definiert ist. Diese Fixpunkte sind also abhängig vom Druck und dem chemischen Element. Bei abweichenden Luftdrücken (z.B. in höhergelegenen Regionen) sowie bei anderen Lebensmitteln (z.B. Milch) besteht dann kein Zusammenhang mehr zwischen deren Siede- bzw. Gefrierpunkten und der Celsius-Skala. Kelvin ist hingegen unabhängig vom Luftdruck und chemischen Elementen und dadurch eindeutig definiert.

Um Ihnen genügend Zeit zu geben, sich an die neue Temperaturskala zu gewöhnen, stellt der DWD bereits jetzt sukzessive die Wetterberichte in einem Parallelbetrieb um und gibt beide Temperaturen an. Der heutige Wetterbericht würde also wie folgt lauten:

Heute zunächst in der Westhälfte Regen. Im Nordosten und Südosten anfangs noch trocken. Im Tagesverlauf bei starker Bewölkung auch dort zeitweise etwas Regen oder Schauer. Tageshöchstwerte 283 bis 287 K (10 bis 14 °C), im Osten und Südosten nochmals 288 bis 293 K (15 bis 20 °C). Im Norden schwacher bis mäßiger Wind aus Ost, im Süden und der Mitte dagegen zeitweise stürmische Böen aus Südwest.

In der Nacht zum Dienstag im Nordwesten und Norden anfangs Regen, nordostwärts abziehend. Sonst wechselnd bewölkt und gebietsweise Schauer. Abkühlung auf 282 bis 277 K (9 bis 4 °C). Vor allem im Nordosten und Osten noch starke bis stürmische Böen.

Auch in den Wetterberichten in Funk und Fernsehen sowie in Printmedien wird in den kommenden Wochen diese Umstellung erfolgen. Ab dem 26. Juni wird dann nur noch die Einheit Kelvin in den Berichten des DWD verwendet. Diese ist dann vorläufig für ein Jahr gültig. In dieser Testphase wird evaluiert, ob sich die neue Temperaturskala bewährt. Im kommenden Jahr wird schließlich Bilanz gezogen und von der WMO entschieden, wie nach dem 26.06.2025 weiter verfahren wird. Die Entscheidung hängt hauptsächlich vom Feedback der Bevölkerung ab, aber auch politische Entwicklungen wie beispielsweise das Ergebnis der Präsidentenwahl in den USA könnten eine Rolle spielen.

Bis dahin werden im Handel noch weitgehend Thermometer mit den bisher gängigen Skalen verkauft. Die WMO steht aber bereits seit längerer Zeit in engem Kontakt mit der Industrie. Die Produktion von Thermometern mit der Kelvin-Skala soll aber erst in Serie gehen, falls die Beibehaltung der neuen Skala beschlossen werden sollte. Die großen Autokonzerne haben aber bereits signalisiert, dass bei neueren Autos mit Bordcomputern lediglich ein kleines Software-Update bei der jährlichen Inspektion in den Vertrags-Werkstätten nötig sein wird, um die Temperaturanzeige im Auto auf die neue Einheit umzustellen. Einige Firmen von Elektroherden haben ebenfalls Interesse gezeigt, für bestehende Modelle Drehknöpfe mit der neuen Skala anzubieten, die leicht austauschbar sind. Allerdings gibt es aktuell auch noch einige Probleme, für die bisher keine Lösung gefunden werden konnte. Als Beispiel sind die zahlreichen Temperaturanzeigen zu nennen, z.B. an den Hausfassaden von Apotheken, die meist nur eine zweistellige Temperaturanzeige besitzen und somit nicht ohne Weiteres auf die Kelvin-Skala umgestellt werden können. Die WMO und die Industrie sind aber zuversichtlich, diese Probleme nach und nach lösen zu können.

Der DWD erhofft sich viele positive Impulse durch die Kelvin-Skala und würde sich über ein reges Feedback von Ihnen freuen, welches Sie z.B. an tdt@dwd.de richten können.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn

Das Winterhalbjahr 2023/24, also der Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. März 2024 wird in die Wetterannalen eingehen. Auch wenn es erst in ein paar Tagen zu Ende geht, steht schon jetzt fest, dass es das niederschlagreichste Winterhalbjahr sein wird, das seit Beginn regelmäßiger und flächendeckender Messungen im Jahre 1881 in Deutschland beobachtet wurde. Bis einschließlich des gestrigen Sonntags (24. März 2024) sind im deutschlandweiten Mittel in diesem Zeitraum rund 538 mm Niederschlag gefallen. Das entspricht etwa 150% der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 359,3 mm im Zeitraum von 1961-1990 oder etwa 144%, verglichen mit der aktuelleren Vergleichsperiode 1991-2020 (372,6 mm). Derartige Abweichungen zum vieljährigen Mittel in einem Zeitintervall von einem halben Jahr ist sehr bemerkenswert und bisher beispiellos. Bezogen auf die durchschnittliche Menge eines gesamten Jahres in Deutschland sind in diesem Halbjahr etwa 2/3 gefallen, obwohl üblicherweise das Sommerhalbjahr die regenreichere Jahreshälfte darstellt.

Zeitliche Verteilung der Niederschläge

Fünf überdurchschnittlich nasse Monate in Folge waren für diese hohen Niederschlagssummen verantwortlich (Abb. 1). Erst der aktuelle Märzmonat fällt voraussichtlich unterdurchschnittlich aus. Den Startschuss machte ein mit 100,7 mm ziemlich nasser Oktober, wobei vor allem die zweite Monatshälfte ungewöhnlich regenreich war. Ihm folgte der zweitniederschlagreichste November seit Messbeginn. Mit 124,1 mm kam rund das Doppelte der üblichen Monatsmenge vom Himmel. Nach diesen beiden Herbstmonaten erlebten wir den viertnassesten Winter seit 1881. (Eine ausführliche Analyse des Winterniederschlags kann im Thema des Tages vom 20. Februar 2024 nachgelesen werden.) Vor allem der Dezember setzte die ungewöhnlich niederschlagreiche Witterung fort. Die Niederschlagsmenge summierte sich auf 120,4 mm, von der ein beachtlicher Teil in der zweiten Monatshälfte fiel und in einigen Regionen ein großes Weihnachts- und Silvesterhochwasser auslöste. Bereits in den ersten drei Monaten wurde die durchschnittliche Menge des gesamten Winterhalbjahrs schon bis auf wenige Millimeter erreicht! Jeder weitere Niederschlag war also quasi eine Zugabe. Auch die Monate Januar (75,2 mm) und Februar 2024 (81,1 mm) präsentierten sich überdurchschnittlich nass. Erst der aktuelle März bleibt wohl unter dem Monatssoll, wobei erst in ein paar Tagen endgültig Bilanz gezogen wird.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn

Vergleich mit früheren Winterhalbjahren

Vergleicht man das diesjährige Winterhalbjahr mit früheren, wird deutlich, wie ungewöhnlich der Niederschlagsüberschuss war (Abb. 2). Der bisherige Rekordhalter war das Winterhalbjahr 1998/99 mit 506,4 mm, gefolgt vom Winterhalbjahr 1993/94 mit 485,5 mm. Damit liegen wir kurz vor dem Ende bereits rund 30 mm über dem bisherigen Rekordhalter und sogar etwa 50 mm über dem nun drittplatzierten Halbjahr. Das Rennen um das niederschlagreichste Winterhalbjahr war also keinesfalls knapp, vielmehr musste sich der alte Rekordhalter klar geschlagen geben. Zudem lohnt sich ein Vergleich mit den bisher niederschlagärmsten Winterhalbjahren. Am wenigsten Niederschlag im deutschlandweiten Mittel wurde 1953/54 registriert mit gerade einmal 193,0 mm, gefolgt von den Winterhalbjahren 1971/72 mit 206,2 mm und 1995/96 mit 212,0 mm. Im Vergleich zu all diesen Zeiträumen kam im jetzigen Winterhalbjahr also mehr als das 2,5-fache vom Himmel. Interessant ist nebenbei bemerkt, dass die negativen Abweichungen sogar noch größer sind als die positiven.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn 1

Auswirkungen der hohen Niederschlagsmengen

Die hohen Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr hatten und haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Natur. Es ist wenig verwunderlich, dass bei derart großen Regen- und Schneemassen Hochwasserereignisse nicht ausbleiben. Da im Winterhalbjahr die Verdunstungsraten gering sind, führt dies unausweichlich dazu, dass der Boden irgendwann gesättigt ist, also kein weiteres Wasser mehr aufnehmen kann. Folglich fließt jedes weitere Wasser in Bäche und Flüsse, deren Pegel ansteigen. Vor allem sehr intensive Regenfälle in der Woche vor Weihnachten 2023 ließen die Pegel in vielen Teilen Deutschlands ansteigen und Talsperren überlaufen. Ein massives Weihnachtshochwasser an mehreren Flüssen, insbesondere in Niedersachsen, war das Resultat. Aber auch zu anderen Zeiten der vergangenen Monate gab es wiederholt kleinere und größere Hochwasser, die allerdings nicht so großflächig auftraten und damit weniger in die Schlagzeilen gerieten. Vielen Rheinanrainern ist sicherlich auch noch Weihnachten 1993 in negativer Erinnerung, als am Rhein eines der schlimmsten Hochwasser des vergangenen Jahrhunderts herrschte.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn 2

Der große Niederschlagsüberschuss hatte aber auch positive Effekte. Nach vielen Jahren mit sehr niedrigen Grundwasserspiegeln hat sich die Lage in diesem Winter endlich wieder entspannt. Ähnlich sieht es mit der Bodenfeuchte aus. Die seit 2018 andauernde historische Dürreperiode wurde für beendet erklärt. In den oberen Bodenschichten ist nun wieder ausreichend Wasser vorhanden oder es liegt sogar eine Überversorgung vor (Abb. 3). Selbst in tieferen Bodenschichten, wo das Regenwasser deutlich zeitverzögert ankommt, ist in den meisten Regionen Deutschlands wieder ausreichend Wasser vorhanden. Lediglich in ein paar Regionen der östlichen Bundesländer, insbesondere in Teilen Sachsen-Anhalts und Thüringens, dauert der Trockenstress weiter an. Tief wurzelnde Pflanzen und Bäume sollten in den meisten Regionen selbst in einem trockenen Sommer in diesem Jahr keine Probleme bekommen und können sich von der mehrjährigen Dürreperiode hoffentlich wieder erholen. Wie es für kleinere Pflanzen und die Landwirtschaft aussieht, kann allerdings aus heutiger Sicht noch nicht abgeschätzt werden. Durch die starken Verdunstungsraten im Sommer kann der Oberboden nach längeren Trockenperioden recht schnell wieder austrocknen. Für diese Kulturen ist also eher der Sommer- als der Winterniederschlag ausschlaggebend.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale

Internationaler Tag der Meteorologie 2024

Das Datum für den internationalen Tag der Meteorologie wurde nicht durch Zufall ausgewählt, sondern geht auf das Gründungsdatum der WMO (Weltorganisation für Meteorologie, engl.World Meteorological Organization) am 23.03.1950 zurück. Damals trat die Konvention zur Errichtung der WMO als Nachfolgeorganisation der zwischen 1873 und 1879 ins Leben gerufenen Internationalen Meteorologischen Organisation (IMO) in Kraft. Ein Jahr später wurde die WMO mit Sitz in Genf eine Teilorganisation der Vereinten Nationen (UNO). Die gewählte Organisationsstruktur soll dabei die friedliche Zusammenarbeit der nationalen Wetterdienste ermöglichen.

Das Mandat der WMO bezieht sich auf die Bereiche Meteorologie (Wetter und Klima), angewandte Hydrologie und weitere verwandte geophysikalische Wissenschaften. Da Wetter, Klima und der Wasserkreislauf keine nationalen Grenzen kennen, ist eine internationale Zusammenarbeit auf globaler Ebene für die Entwicklung der Meteorologie und Hydrologie sowie für die Nutzung der Vorteile ihrer Anwendung unerlässlich. Die WMO bietet dabei den Rahmen für eine solche internationale Zusammenarbeit für ihre 193 Mitgliedstaaten und Territorien.

Die WMO leistet einen wichtigen Beitrag, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Nationalen Wetterdiensten und den Hydrologischen Diensten (NMHS) ihrer Mitglieder fördert und die Anwendung von Meteorologie und Hydrologie in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen vorantreibt. Hervorzuheben sind dabei die Förderung und Regelung des freien und uneingeschränkten Austausches von Daten und Informationen, Produkten und Dienstleistungen in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit. Die Organisation spielt außerdem eine führende Rolle bei den internationalen Bemühungen zur Überwachung und zum Schutz von Klima und Umwelt. In Zusammenarbeit mit anderen UN-Organisationen und NMHS unterstützt die WMO die Umsetzung des UNFCCC (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen) sowie einer Reihe von Umweltübereinkommen und ist maßgeblich an der Beratung von Regierungen beteiligt.

DWD Internationaler Tag der Meteorologie 2024 1

Das Thema des Weltwettertages 2024 lautet im englischen Original „At the Frontline of Climate Action“ und kann übersetzt werden mit „An vorderster Front des Klimaschutzes“. Dieses Motto soll laut WMO darauf hinweisen, dass der Klimawandel eine reale Bedrohung für unsere gesamte Zivilisation ist. Die Auswirkungen seien bereits jetzt sichtbar und können katastrophal sein, wenn wir nicht handeln. Ziel 13 des beschlossenen Maßnahmenplans für nachhaltige Entwicklung verpflichte uns, „dringende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen zu ergreifen“. Dabei sei die Arbeit der WMO-Gemeinschaft für den Klimaschutz und für die Erreichung der allgemeinen Ziele für nachhaltige Entwicklung unverzichtbar. Dazu zähle die Verringerung von Hunger und Armut, die Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden, die Gewährleistung von sauberem Wasser und bezahlbarer und sauberer Energie, der Schutz des Lebens unter Wasser und an Land sowie die Intention unsere Städte und Gemeinden widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen.

Im Statement zum heutigen Tag schreibt die WMO weiter, dass Wetter- und Klimavorhersagen dazu beitragen die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln und dem Ziel „kein Hunger“ näher zu kommen. Die Verknüpfung von Epidemiologie und Klimainformationen helfe außerdem klimasensitive Krankheiten zu verstehen und auch zu bewältigen. Entsprechende Frühwarnsystem könnten nach Ansicht der WMO helfen, die Armut zu reduzieren, indem sie den Menschen die Möglichkeit geben, sich auf extreme Wetterereignisse vorzubereiten und damit die Auswirkungen zu begrenzen. Die WMO, ihre Mitglieder und Partner treiben dafür den gesamten Wertschöpfungszyklus, der von der Wissenschaft über Dienstleistungen bis hin zu Maßnahmen zum Wohl der Gesellschaft reicht, voran. Dabei wird das Wissen über unser Erdsystem erweitert, der Zustand des Klimas und der Wasserressourcen überwacht und wissenschaftliche Informationen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen sowie Frühwarnungen zur Verfügung gestellt.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.03.2024
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Klimaerwärmung und die Auswirkungen auf die Vegetation

Die Natur kommt immer früher in Gang

In den vergangenen Jahren kam die Vegetation im Mittel immer früher in Gang. Es gibt zwei Möglichkeiten diese Entwicklung recht eindrücklich zu zeigen. Da wäre zum einen der Blühbeginn der Forsythie, der auch den Start der phänologischen Jahreszeit „Erstfrühling“ markiert.

Im Deutschlandmittel lässt sich ein deutlicher Sprung zwischen den beiden Referenzperioden 1961-1990 und 1991-2020 erkennen. Im Mittel über Deutschland hat sich der Blühbeginn der Forsythie um elf Tage nach vorne verschoben. An Stationen im Westen und Südwesten Deutschlands sind die Veränderungen noch stärker, so beginnt beispielsweise die Blüte der Forsythie in Geisenheim bereits 18 Tage früher (1961-1990: 25.März, 1991-2020: 07.März). Schaut man speziell auf die letzten 10 Jahre (Zeitraum 2011 bis 2020), erkennt man, dass auch dieses neue Referenzmittel bereits verlassen wurde (Mittel 2011-2020: 1.März). In Geisenheim markierte das Jahr 2024 den bisher frühesten Forsythienblühbeginn seit Aufzeichnungsbeginn. Mit dem 19. Februar 2024 war man über einen Monat früher dran, als im Mittel von 1961-1990 (25.März).

DWD Klimaerwaermung und die Auswirkungen auf die Vegetation

Nicht nur die Temperatur hat Einfluss auf den Blühbeginn

Die Forsythie ist nicht die einzige Pflanze, die immer früher startet. Vergleichbare Veränderungen findet man bei einer Vielzahl von Pflanzen, so auch beim Blühbeginn der Süßkirsche oder bei der Blattentfaltung der Stachelbeere. Allerdings lässt sich die Größenordnung der Verfrühung nicht auf alle Pflanzen(arten) übertragen. Neben der Lufttemperatur beeinflussen auch andere meteorologische Faktoren die Pflanzenentwicklung. Dazu gehören neben der Summe der Sonnenscheindauer auch die Bodentemperaturen in unterschiedlichen Tiefen und die nächtlichen Tiefstwerte in Bodennähe. Forsythie und Stachelbeere sind beispielsweise Flachwurzler und reagieren entsprechend früh auf die Erwärmung der oberen Bodenschichten. Bei Birnen und anderen Tiefwurzlern, reicht eine Erwärmung der oberen Bodenschichten alleine nicht aus.

DWD Klimaerwaermung und die Auswirkungen auf die Vegetation 1

Anstieg der Mitteltemperatur und Wachstumsstart im Grünland

Die früher einsetzende Vegetationsphase im Frühjahr ist eine direkte Folge des Anstiegs der Mitteltemperatur in den ersten Monaten des Jahres. Um den aktuellen Stand der Frühjahrsentwicklung zu beurteilen nutzen Landwirte die sogenannte Grünlandtemperatursumme. Sie gibt einen Hinweis auf den Termin, zu dem das Wachstum im Grünland beginnt – ein Termin, der sozusagen den Startschuss für die landwirtschaftlichen Arbeiten gibt. Für diese Maßzahl werden mit Jahresbeginn fortlaufend die positiven Tagesmitteltemperaturen aufsummiert. Im Januar werden aufgrund des niedrigeren Sonnenstandes die Mitteltemperaturen noch mit 0.5 und im Februar mit 0.75 multipliziert. Ab März zählen die Tagesmittelwerte voll.

Der Schwellenwert, ab dem man von einem nachhaltigen Wachstumsstart des Grünlands spricht ist die Summe von 200 °C. Schaut man sich die Statistik dazu im Stationsmittel von Deutschland an, erkennt man eine deutliche Verfrühung des Erreichens der 200 °C Marke. In diesem Frühjahr 2024 wurde dieser Schwellenwert sehr früh erreicht und die Natur hat sich folglich besonders früh entwickelt, wie man am Beispiel Frankfurt/Main in der Grafik erkennen kann.

DWD Nicht nur die Temperatur hat Einfluss auf den Bluehbeginn

DWD Klimaerwaermung und die Auswirkungen auf die Vegetation 2

Bis spät in den Herbst Wärme – Verlängerung der Vegetationsperiode

Auf der anderen Seite dauern im Jahresverlauf die sommerlich warmen Wetterlagen immer länger an. Das Jahr 2023 war dahingehend ein Extrembeispiel mit einem September, der als vierter Sommermonat in die Geschichte eingegangen ist. An einigen Wetterstationen entlang der Nordseeküste und im höheren Bergland markierte der September 2023 den wärmsten Monat des Jahres, wärmer als Juni, Juli oder August. Auch bei der Anzahl der Sommer- und Hitzetage (Maxima ≥25 Grad bzw. ≥30 Grad), wurden neue Rekordwerte erzielt. Details dazu sind im nachzulesen. Die spätsommerliche Wärme zog sich bis in die erste Oktoberdekade hinein.

Mit dem im Mittel späteren Absinken der Tagesmitteltemperauren unter 5°C, verlängert sich automatisch die Vegetationsperiode. Blickt man auf die phänologische Uhr, ist zu erkennen, dass insbesondere der „Vollherbst“ in der Periode 1991-2020 deutlich länger andauert, als in der Periode 1961-1990. Dass die phänologische Jahreszeit „Vollherbst“ so viel länger geworden ist, liegt an der Kombination aus zwei Faktoren und der Definition des Beginns der Jahreszeit. Der Vollherbst beginnt mit der Fruchtreife der Stieleiche. Durch die wärmeren Temperaturen wird die Fruchtreife beschleunigt und der Vollherbst beginnt, wie alle phänologischen Jahreszeiten davor, früher als nach der alten Referenz. Der Übergang zur phänologischen Jahreszeit „Spätherbst“ erfolgt mit der Blattverfärbung der Stieleiche. Durch die wärmeren Temperaturen setzt diese im Mittel deutlich später ein. In der Konsequenz ist der „Vollherbst“ der große Gewinner des Klimawandels.

In Folge der zuvor erläuterten Veränderungen, hat sich die Jahreszeit Winter in der Pflanzenwelt deutlich verkürzt (um rund 20 Tage zwischen 1961-1990 und 1991-2020).

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Verlängerung des Grünlandwachstums und Verkürzung der Vegetationsruhe

Daraus folgt auch, dass das Grünlandwachstum immer länger andauert. Um diesen Parameter zu bestimmen, muss man wissen, dass ab einer bestimmten Temperatur das Wachstum der Pflanzenwelt zum Erliegen kommt. Die meisten Pflanzen stellen bei Temperaturen unterhalb von 7 bis 4 °C das Wachstum ein und wechseln in die Winterruhe. Etwas vereinfacht kann man den Beginn der Winterruhe damit definieren, dass die Tagesmitteltemperatur an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter 5°C liegen soll. Die Dauer des Grünlandwachstum berechnet sich aus der Zeitspanne zwischen dem Erreichen der Grünlandtemperatursumme von 200 °C und dem Beginn der Vegetationsruhe. Im Vergleich der beiden Klimareferenzperioden erkennt man, dass sich der Zeitraum verlängert hat (fast zwei Wochen länger) und gerade im letzten Jahrzehnt nochmal einen Sprung nach oben gemacht hat.

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Auswirkungen der Verkürzung der Ruhephasen

Wenn sich also die Vegetationsperiode verlängert, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Ruhephasen für die Pflanzenwelt kürzer werden. Es stellt sich also die Frage, welche Konsequenzen dies für die Natur hat. Ganz pauschal lässt sich das nicht beantworten. So gibt es in der Natur und im Garten Pflanzenarten, die auch in den Wintermonaten in milderen Phasen noch aktiv sind. Da sind neben Winterraps/-getreide auch verschiedene Wintersalate und Winterkohlarten zu nennen.

Bei anderen Pflanzenarten, wie den Obstgehölzen, ist dies aber deutlich komplizierter. Diese besitzen einen Schutzmechanismus, der verhindert, dass es während warmen Witterungsabschnitten im Winter zu einem frühzeitigen Austrieb kommt. So gibt es verschiedene Phasen der Winterruhe, während derer sich antriebshemmende Stoffe in den Blütenknospen ausbreiten, die einen frühen Austrieb bei günstigen Temperaturen verhindern. Dieser Stoff wird in der Folge langsam abgebaut. Details über den Prozess finden sich in verschiedenen Veröffentlichungen, z.B

Die immer milderen Winter führen also nicht automatisch zu einem früheren Austrieb, entscheidend für eine Verfrühung ist die Temperatur im Frühjahr. Zwar erkennt man auch bei Obstgehölzen, wie dem Apfel, dass sich der mittlere Austrieb verfrüht hat, der Verfrühung sind aber natürliche Grenzen gesetzt.

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Auswirkungen der wärmeren Winter auf das Schädlingsaufkommen

Auch lassen sich keine pauschalen Aussagen über ein vermehrtes Schädlingsaufkommen machen. Es ist zwar richtig, dass wärmere Winter vor allem bei Schädlingen, die ursprünglich aus warmen Gebieten stammen, zu einem Anstieg der Population führen, andersherum bedeuten kalte Winter aber nicht zwingend, dass viele Schädlinge absterben. Was ihnen eher zu schaffen macht, sind häufige Wechsel von Frostperioden und milden Abschnitten.

Man sieht also, dass die Phänologie im gesamten nicht linear auf Veränderungen durch die Klimaerwärmung reagiert, sondern es auch andere Einflussfaktoren gibt, die ebenfalls eine Rolle spielen. Es ist aber nachweisbar, dass sich im Mittel die Vegetationsperiode verlängert und die Winterruhe kürzer ausfällt. Inwiefern dies positive oder negative Konsequenzen hat, ist nicht pauschal zu beantworten und wird auch weiterhin erforscht.

Zustand der Vegetation über Warnwetter App zumelden

Im Übrigen: Sie können uns bei der Erfassung des Zustandes der Vegetation mit Ihren Meldungen über die Warnwetter App unterstützen. Die Zumeldungen stellen eine gute Ergänzung des phänologischen Meldenetzwerks in Deutschland dar.

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Dipl. Met. Marcus Beyer mit fachlicher Unterstützung von Bianca Plückhahn

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Erneute Eruption auf Island

Nach dem 18. Dezember 2023, 14. Januar 2024 und dem 8. Februar 2024 öffnete sich am Samstagabend, dem 16. März 2024 um 20:23 Uhr isländischer Zeit (identisch mit der Weltzeitzone UTC) nahe Grindavík erneut die Erde. Mit der mittlerweile vierten Spalteneruption zeichnet sich nun dabei allmählich ein Muster ab, nach dem es während der aktuellen Phase etwa im monatlichen Turnus zu einer Eruption kommt. Alle vier Eruptionen hielten dabei grob gesagt etwa 24 bis 48 Stunden an. Die sich öffnenden Spalten waren dabei oft um drei Kilometer lang. Eine Ausnahme bildet hier die Eruption vom 14. Januar. Hier betrug die Länge der Fissur nur 1,5 km, allerdings gab es gleichzeitig einen zweiten Eruptionsherd unmittelbar an der Siedlungsgrenze. Die dort ausfließende Lava zerstörte im Anschluss drei Häuser am Rande Grindavíks.

Auch die neue Spalte ist wieder etwa drei Kilometer lang. Im Unterschied zu vorher war die Vorwarnzeit allerdings diesmal nur sehr kurz. Nachdem sich die vorherigen Ausbrüche mit zahlreichen, teils starken Schwarmbeben ankündigten, setzte die Bebenaktivität diesmal verhältnismäßig plötzlich und unvermittelt erst 40 Minuten vor Beginn der Eruption ein. Der Lavafluss findet in südöstliche Richtung statt. Damit bewegt sie sich direkt auf die Erdwall-Barrieren zu, die in Windeseile in den Wochen zuvor errichtet wurden, um die Stadt Grindavík zu schützen. Erreicht hat sie diese aber noch nicht. Ob sie das tut, scheint fraglich, da nach aktuellstem Stand die Aktivität und damit die Ausflussmenge an Lava bereits wieder nachlässt. Die Länge des aktiven Spaltenbereichs beträgt nunmehr nur noch 500 Meter (Stand: Abend des 17. März 2024).

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Die Gefahrenlage vor Ort ist dabei im Großen und Ganzen unverändert. Problematisch sind zum Einen natürlich der Lavafluss selbst, als auch die ausgestoßenen Gasmengen, die in unmittelbarer Nähe in gesundheitsschädlichen Konzentrationen auftreten können (insbesondere Schwefeldioxid SO2). In der Stadt besteht die Hauptgefahr vor allem durch Erdbeben und sich auftuende Hohlräume und Spalten. Eine neue Gefahrenquelle stellt das mögliche Erreichen des Meeres dar. Trifft die heiße Lava auf das kalte Meerwasser, so erstarrt zum Einen die flüssige Lava auf der Stelle. Zum Anderen kommt es zu Explosionen, weil das kalte Meerwasser schlagartig verdampft. Diese Explosionen können die fragmentierten Lavateile (sogenanntes Tephra) über mehrere hunderte Meter bis teilweise kilometerweit schleudern. Die kritischste Gefahrenquelle stellt aber die Entstehung von Chlorwasserstoff-Wolken dar, die sich durch die Reaktion der Lava mit dem Meerwasser bilden. Dieses Gas wirkt stark ätzend und kann in höheren Konzentrationen sogar tödlich sein, da in der Lunge Salzsäure gebildet wird. Der isländische Wetterdienst schätzt diesen Vorgang in einer Zone mit Radius 500 Meter an dem betreffenden Küstenabschnitt als lebensgefährlich ein (Abbildung 2). Ob es die Lava aber wirklich bis ins Meer schafft, ist aktuell nicht abzusehen.

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M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Eine Fahrt ins Ewige Eis: Alles ganz EAS(I)Y!

EASI-2 ist die Abkürzung des zweiten Teils eines internationalen Forschungsprojektes mit dem Namen „East Antarctic Ice Sheet Instability“. In dem Projekt wird die Veränderungen der Instabilität des Ostantarktischen Eisschildes sowie deren Wechselwirkungen mit der Zirkulation im Südozean untersucht. Auf der Expedition EASI-2 waren mehrere Forschungsteams unter anderem aus Deutschland, den Niederlanden und Australien an Bord von FS Polarstern. Der Schwerpunkt der Forschung lag dabei auf den aktuellen Prozessen der Wassersäule der Südpolarmeere mit Augenmerk auf die Nährstoffverfügbarkeit. Zudem wurden Sedimentproben von bis zu 25 Metern Tiefe aus dem Meeresboden gezogen, um Rückschlüsse auf Veränderungen der letzten 500 Tausend Jahre ziehen zu können. Es war eine sehr arbeitsintensive Forschungsreise mit 140 Forschungsstationen. Dass so viele Stationen erfolgreich stattfinden konnten, lag nicht nur an der guten Zusammenarbeit auf dem Schiff, sondern auch an den günstigen Wetterbedingungen, die uns auf dieser Reise begleiteten.

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Ende November stach FS Polarstern von Kapstadt aus in See. Knapp drei Wochen dauerte die Fahrt von Südafrika an den Prinz Edward Inseln vorbei bis zum antarktischen Festland in der Prydz-Bucht. Das Wetter war uns von Beginn an wohl gesonnen. Bei Windstärken um 6 Beaufort und einer signifikanten Wellenhöhe von 3 Metern erreichten wir ohne Probleme nach nur wenigen Tagen die erste Forschungsstation. Während des Transits stoppte FS Polarstern immer wieder für solche Stationen auf. Dann bleibt der Eisbrecher mitten im „Nichts“ für 10 bis 16 Stunden auf offener See stehen und wissenschaftliche Gerätschaften werden ins Wasser gelassen. Nur ein einziges Mal hat uns ein Sturmtief gezwungen, die Forschungsarbeit früher zu beenden. Am Dienstag, den 12. Dezember 2023 fand eine rapide Zyklogenese knapp südöstlich von Südafrika statt. Innerhalb von etwa 40 Stunden fiel der Druck im Zentrum des neu entstandenen Tiefs über 60 hPa. Gleichzeitig verlagerte sich das Sturmtief dabei mit 50 Knoten südostwärts, sodass FS Polarstern am Donnerstag, den 14. Dezember 2023 in dessen Einflussbereich geriet. Da wir aber bereits frühzeitig den Kurs gewechselt hatten, waren wir bereits in einem Bereich, indem die Forschungsarbeiten trotz Sturm weitergeführt werden konnten. Rückseitig des Tiefs weitete sich erneut ein Hochdruckkeil südwärts aus, was vorübergehend für schwachwindige und teils sonnige Wetterbedingungen sorgte.

Am 17. Dezember 2023 erreichten wir dann die Gewässer vor der Australischen Antarktisstation Davis in der Prydz-Bucht. Von dort aus wurde ein Team aus sechs Geologen auf das Festland ausgeflogen. Während die Geologen drei Wochen in ihren Zelten auskommen mussten, erforschte der Rest der Wissenschaft in der behaglichen Behausung des Eisbrechers die Prydz Bucht. Das Wetter zeigte auch innerhalb der nächsten Wochen in der Prydz-Bucht seine schöne Seite. Lokale Tiefs entwickelten sich immer wieder über dem „warmen“ Wasser der Bucht. Dadurch formierte sich wiederkehrend dichte Bewölkung, die von Nordosten in Richtung FS Polarstern strömte. Vor allem durch die sehr trockene Antarktische Festlandsluft mit Taupunkten weit unter -10 Grad wurden die Wolkenfelder jedoch meist abgetrocknet und lösten sich auf. Das Resultat war dann strahlender Sonnenschein. Dank des Polartages hielt dieser teils auch ununterbrochen für 48 Stunden an. Bei der Annäherung an die Schelfeiskante des Amery Eisschildes konnte man zudem andere, für die Region typische Wetterphänomene beobachten. Zum einen die katabatischen Winde, die als kalter, ablandiger Fallwind von den Gletschern der Antarktis in Richtung Meer hin wehten und manchmal als Verwirbelungen vom lockeren Schnee an der Eiskante erkennbar waren.

Durch die guten Sichten in der sehr trockenen Luft, konnte man die faszinierenden Eisstrukturen im vollen Umfang bestaunen. Die Eiswelten zeigten sich, trotz eines Minimums in der Meereisbedeckung, in all seinen Facetten. Besonders beeindruckend war das bläuliche Leuchten, das aus dem Inneren der Eisberge durchschimmert. Am Amery Eisschelf erinnerten Aushöhlungen, die an der Wasserkante ausgewaschen wurden, an italienische Arkaden und luden zu Erkundungen ein. Doch nicht nur die Süßwasser-Eis-Formationen lösten Bewunderungen aus, sondern auch die verschiedenen Stufen der Meereisbildung. Vom ersten Frazil-Eis, über Pfannkucheneis bis hin zu Presseishügeln wurde alles gesichtet und bestaunt. Wir hatten auch Glück, dass wir die gefrorene Landschaft nicht nur beobachten durften. An zwei Tagen hielt FS Polarstern für kurze Zeit an einer Eisscholle. Wer Zeit hatte, durfte dann seinen Fuß auf das gefrorene Wasser setzen.

Anfang Januar wurden die Landgeologen mit dem Hubschrauber zurück auf das Mutterschiff geholt. Wieder vollzählig fuhren wir weiter ostwärts um das Shackleton Schelfeis herum bis hin zum Denman Gletscher. Auf dieser Teilstrecke mussten wir das Wetter aufgrund seiner Windrichtung rügen. Durch beständigen Nordostwind wurde sehr viel Treibeis an das Shackleton Schelfeis hin verdriftet. Aufgrund der hohen Eiskonzentration verlangsamte sich das Vorankommen etwas. Nichtsdestotrotz hielten wir an der geplanten Route fest und wurden nicht nur durch eine Vielzahl an erfolgreichen Forschungsstationen am östlichen Rand des Denman Gletschers, sondern auch durch eine wunderschöne Kulisse belohnt. Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte uns eine Orca-Schule die aus einer Eisbucht heraus und weiter am Schiff vorbei schwamm.

Nach diesem bezaubernden Tag verabschiedeten wir uns aus dem Eis und fuhren in Richtung Norden hinaus auf die offene See. Nach vier Wochen im ruhigen Eis, musste man sich erst wieder an die schaukelige See gewöhnen. Und schließlich warteten die berühmt, berüchtigten Furious Fifties und Roaring Forties auf uns. Doch auch hier blieben die Stürme aus und die Arbeiten an Bord konnten ohne meteorologische Störungen weitergehen. Ein kleines Manko beim Transit von der Antarktis bis nach Tasmanien stellte der fehlende Sonnenschein dar. Der typische maritime Stratocumulus begleitete uns fast durchgehend. Größere Wolkenlücken traten meist nur für wenige Stunden auf. Und es wurde auch plötzlich wieder Nacht. Mit der Fahrt in niedrigere Breiten konnten wir wieder Sonnenunter- und aufgänge beobachten. Da wir aber gleichzeitig ostwärts fuhren, waren wir nun gezwungen auch die Uhren an Bord allmählich den Zeitzonen anzupassen. Insgesamt musste neun Mal die Uhr jeweils eine Stunde vorgestellt werden. Das hieß, dass fast jeden zweiten Tag die Nacht um eine Stunde verkürzt wurde.
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Ende Januar kam dann endlich wieder Land in Sicht. FS Polarstern lief in Hobart/Tasmanien ein. Zur Begrüßung wartete der australische Forschungseisbrecher RV Nuyina im Hafen auf uns. Aktuell befindet sich FS Polarstern wieder in der Antarktis auf dem dritten Teil des Projektes EASI-3. Die aktuelle Position von FS Polarstern mit Infos zu den Expeditionen findet man hier.

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MSc Meteorologin Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2024
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Saharastaub und Wolken – eine optisch sehr ansprechende Kombination

Beim Blick auf das Satellitenbild am heutigen Mittwochmorgen stieß einem eine Wolkenformation über Osteuropa förmlich ins Auge. Eine Wolkenspirale mit einer Art Rippenmuster – jetzt schon Anwärter auf das optische Highlight des Tages! Oder was meinen Sie beim Anblick von Abbildung 1? Dahinter steckt die Einbindung von Saharastaub in die Luftzirkulation.

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination

Bei bestimmten Strömungsverhältnissen können große Mengen Staub in der Sahara aufgewirbelt werden und in der Troposphäre bis etwa 10 Kilometern Höhe quer über den Globus verteilt werden. Es handelt sich dabei um Mineralstaub, also winzig kleine Schwebeteilchen, sogenannte „Aerosole“. Diese Teilchen sind hygroskopisch. Das bedeutet, dass sie als Kondensationskeime dienen. Wasserdampf aus der Luft kann an den Teilchen also zu kleinen Tröpfchen kondensieren. Wenn durch den zusätzlichen Eintrag von Saharastaub nun mehr hygroskopische Aerosole in die Luft gelangen, kann dadurch die Wolkenbildung angeregt werden.

Nicht selten führen Saharastaubereignisse zu Bildung dichter Schleierwolken, die den Himmel stark eintrüben können. Was für uns also statt eitel Sonnenschein Tristesse bedeuten kann, ist aus Sicht der Meteorologen durchaus problematisch. Denn bis heute haben die Wettermodelle so ihre Schwierigkeiten mit der Vorhersage dieser „staubgeschwängerten“ Bewölkung. Daher gab und gibt es auch beim Deutschen Wetterdienst intensive Forschungsarbeiten in dieser Thematik. In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat der DWD in der Folge ein Modellsystem entwickelt, das den Mineralstaub als prognostische Größe behandelt und auch aktuelle Staubausbrüche in der Vorhersage berücksichtigt, das sogenannte ICON-ART. In Abbildung 2 sieht man eine Berechnung der sogenannten optischen Dicke für heute früh 6 UTC. Die optische Dicke beschreibt grob gesagt die Trübung der Atmosphäre durch Mineralstaub. In der Abbildung lässt sich dadurch schön der Transport von Mineralstaub aus Nordafrika in einem Bogen über die Türkei, das Schwarze Meer und die Ukraine bis nach Polen und tatsächlich auch in die Osthälfte Deutschlands nachvollziehen. Zudem findet sich ein Maximum der Optischen Dicke genau in dem Bereich, wo sich im Satellitenbild das Rippenmuster präsentierte.

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination 1

Apropos Rippenmuster: Tatsächlich gibt es für seine Entstehung mehrere Theorien, wobei wir uns hier auf die verbreitetste beschränken wollen. Dafür muss man wissen, dass Aerosole nicht nur die Wolkenbildung fördern, sondern auch einen direkten Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre haben. Offenkundig ist, dass in der Troposphäre befindlicher Mineralstaub weniger kurzwellige Sonnenstrahlung zum Erdboden durchlässt und dafür sorgt, dass es dort kühler ist. Doch was passiert mit der Sonnenstrahlung, die nicht bis zum Erdboden durchkommt? Nun, ein Teil wird direkt zurück in Richtung Weltraum reflektiert. Der andere Teil wird absorbiert und in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt. Diese führt zu einer Erwärmung im Bereich des Staubes beziehungsweise der damit in Verbindung stehenden Wolkendecke. Die Temperatur nimmt also mit der Höhe weniger stark ab. Die Veränderung des Strahlungshaushaltes durch den Staub führt tagsüber daher zu stabileren Verhältnissen im Bereich der Wolkendecke (siehe Abbildung 3 links).

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination 2

Wenn die Sonne abends untergeht, wird die Wärme nach oben in Richtung Weltraum abgegeben. Die Wolkendecke kühlt insbesondere an ihrer Oberseite demnach stärker ab. Das wiederum führt zu einer langsamen Labilisierung, also einer zunehmend starken Temperaturabnahme mit der Höhe. Bei labilen Verhältnissen ist ein Luftpaket, das aus der Wolkendecke nach oben steigt, stets wärmer und damit leichter als seine Umgebung. Es bekommt damit wie ein heliumgefüllter Luftballon Auftrieb und steigt ungehindert weiter nach oben. An seinen Flanken kommt es zu einer ausgleichenden Abwärtsbewegung von Luft (siehe Abbildung 3 rechts). Das Resultat ist eine mehr oder weniger gleichmäßige Wellenform an der Oberseite der Wolkendecke, die vom Satelliten aus gesehen wie ein Rippenmuster erscheinen kann. Wenn die Sonne nun wieder aufgeht und sich die Luftschichtung stabilisiert, geht das zumindest vom Weltraum aus schön anzusehende Rippenmuster allmählich wieder verloren.

Dipl.-Met. Adrian Leyser und Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst