DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn

Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn

Das Winterhalbjahr 2023/24, also der Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. März 2024 wird in die Wetterannalen eingehen. Auch wenn es erst in ein paar Tagen zu Ende geht, steht schon jetzt fest, dass es das niederschlagreichste Winterhalbjahr sein wird, das seit Beginn regelmäßiger und flächendeckender Messungen im Jahre 1881 in Deutschland beobachtet wurde. Bis einschließlich des gestrigen Sonntags (24. März 2024) sind im deutschlandweiten Mittel in diesem Zeitraum rund 538 mm Niederschlag gefallen. Das entspricht etwa 150% der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 359,3 mm im Zeitraum von 1961-1990 oder etwa 144%, verglichen mit der aktuelleren Vergleichsperiode 1991-2020 (372,6 mm). Derartige Abweichungen zum vieljährigen Mittel in einem Zeitintervall von einem halben Jahr ist sehr bemerkenswert und bisher beispiellos. Bezogen auf die durchschnittliche Menge eines gesamten Jahres in Deutschland sind in diesem Halbjahr etwa 2/3 gefallen, obwohl üblicherweise das Sommerhalbjahr die regenreichere Jahreshälfte darstellt.

Zeitliche Verteilung der Niederschläge

Fünf überdurchschnittlich nasse Monate in Folge waren für diese hohen Niederschlagssummen verantwortlich (Abb. 1). Erst der aktuelle Märzmonat fällt voraussichtlich unterdurchschnittlich aus. Den Startschuss machte ein mit 100,7 mm ziemlich nasser Oktober, wobei vor allem die zweite Monatshälfte ungewöhnlich regenreich war. Ihm folgte der zweitniederschlagreichste November seit Messbeginn. Mit 124,1 mm kam rund das Doppelte der üblichen Monatsmenge vom Himmel. Nach diesen beiden Herbstmonaten erlebten wir den viertnassesten Winter seit 1881. (Eine ausführliche Analyse des Winterniederschlags kann im Thema des Tages vom 20. Februar 2024 nachgelesen werden.) Vor allem der Dezember setzte die ungewöhnlich niederschlagreiche Witterung fort. Die Niederschlagsmenge summierte sich auf 120,4 mm, von der ein beachtlicher Teil in der zweiten Monatshälfte fiel und in einigen Regionen ein großes Weihnachts- und Silvesterhochwasser auslöste. Bereits in den ersten drei Monaten wurde die durchschnittliche Menge des gesamten Winterhalbjahrs schon bis auf wenige Millimeter erreicht! Jeder weitere Niederschlag war also quasi eine Zugabe. Auch die Monate Januar (75,2 mm) und Februar 2024 (81,1 mm) präsentierten sich überdurchschnittlich nass. Erst der aktuelle März bleibt wohl unter dem Monatssoll, wobei erst in ein paar Tagen endgültig Bilanz gezogen wird.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn

Vergleich mit früheren Winterhalbjahren

Vergleicht man das diesjährige Winterhalbjahr mit früheren, wird deutlich, wie ungewöhnlich der Niederschlagsüberschuss war (Abb. 2). Der bisherige Rekordhalter war das Winterhalbjahr 1998/99 mit 506,4 mm, gefolgt vom Winterhalbjahr 1993/94 mit 485,5 mm. Damit liegen wir kurz vor dem Ende bereits rund 30 mm über dem bisherigen Rekordhalter und sogar etwa 50 mm über dem nun drittplatzierten Halbjahr. Das Rennen um das niederschlagreichste Winterhalbjahr war also keinesfalls knapp, vielmehr musste sich der alte Rekordhalter klar geschlagen geben. Zudem lohnt sich ein Vergleich mit den bisher niederschlagärmsten Winterhalbjahren. Am wenigsten Niederschlag im deutschlandweiten Mittel wurde 1953/54 registriert mit gerade einmal 193,0 mm, gefolgt von den Winterhalbjahren 1971/72 mit 206,2 mm und 1995/96 mit 212,0 mm. Im Vergleich zu all diesen Zeiträumen kam im jetzigen Winterhalbjahr also mehr als das 2,5-fache vom Himmel. Interessant ist nebenbei bemerkt, dass die negativen Abweichungen sogar noch größer sind als die positiven.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn 1

Auswirkungen der hohen Niederschlagsmengen

Die hohen Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr hatten und haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Natur. Es ist wenig verwunderlich, dass bei derart großen Regen- und Schneemassen Hochwasserereignisse nicht ausbleiben. Da im Winterhalbjahr die Verdunstungsraten gering sind, führt dies unausweichlich dazu, dass der Boden irgendwann gesättigt ist, also kein weiteres Wasser mehr aufnehmen kann. Folglich fließt jedes weitere Wasser in Bäche und Flüsse, deren Pegel ansteigen. Vor allem sehr intensive Regenfälle in der Woche vor Weihnachten 2023 ließen die Pegel in vielen Teilen Deutschlands ansteigen und Talsperren überlaufen. Ein massives Weihnachtshochwasser an mehreren Flüssen, insbesondere in Niedersachsen, war das Resultat. Aber auch zu anderen Zeiten der vergangenen Monate gab es wiederholt kleinere und größere Hochwasser, die allerdings nicht so großflächig auftraten und damit weniger in die Schlagzeilen gerieten. Vielen Rheinanrainern ist sicherlich auch noch Weihnachten 1993 in negativer Erinnerung, als am Rhein eines der schlimmsten Hochwasser des vergangenen Jahrhunderts herrschte.

DWD Nassestes Winterhalbjahr seit Messbeginn 2

Der große Niederschlagsüberschuss hatte aber auch positive Effekte. Nach vielen Jahren mit sehr niedrigen Grundwasserspiegeln hat sich die Lage in diesem Winter endlich wieder entspannt. Ähnlich sieht es mit der Bodenfeuchte aus. Die seit 2018 andauernde historische Dürreperiode wurde für beendet erklärt. In den oberen Bodenschichten ist nun wieder ausreichend Wasser vorhanden oder es liegt sogar eine Überversorgung vor (Abb. 3). Selbst in tieferen Bodenschichten, wo das Regenwasser deutlich zeitverzögert ankommt, ist in den meisten Regionen Deutschlands wieder ausreichend Wasser vorhanden. Lediglich in ein paar Regionen der östlichen Bundesländer, insbesondere in Teilen Sachsen-Anhalts und Thüringens, dauert der Trockenstress weiter an. Tief wurzelnde Pflanzen und Bäume sollten in den meisten Regionen selbst in einem trockenen Sommer in diesem Jahr keine Probleme bekommen und können sich von der mehrjährigen Dürreperiode hoffentlich wieder erholen. Wie es für kleinere Pflanzen und die Landwirtschaft aussieht, kann allerdings aus heutiger Sicht noch nicht abgeschätzt werden. Durch die starken Verdunstungsraten im Sommer kann der Oberboden nach längeren Trockenperioden recht schnell wieder austrocknen. Für diese Kulturen ist also eher der Sommer- als der Winterniederschlag ausschlaggebend.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale

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