Mitternachtsdämmerung

Am Donnerstag war meteorologischer Sommeranfang, der den Beginn der längsten Tage des Jahres markiert. Die warme Jahreszeit lädt zu ausgedehnten Grillabenden ein und bietet uns viel Tageslicht. Gleichzeitig verlängert sich auch die Dauer der Dämmerung.
Die Dämmerung bezeichnet die Phase vor Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang, in der die Sonne noch unter dem Horizont steht, aber ihr Streulicht in der Atmosphäre sichtbar ist. Es gibt drei Phasen der Dämmerung: die bürgerliche Dämmerung, die nautische Dämmerung und die astronomische Dämmerung.

Die bürgerliche Dämmerung beginnt unmittelbar nach Sonnenuntergang und geht weiter, bis die ersten hellen Sterne oder Planeten sichtbar werden. Dies geschieht, wenn die Sonne etwa 6 ° unter dem Horizont steht. Nach der bürgerlichen Dämmerung folgt die nautische Dämmerung, in der Sterne mittlerer Helligkeit sichtbar werden. Sie endet, wenn die Sonne etwa 12 ° unter den Horizont sinkt. An die nautische Dämmerung schließt sich die astronomische Dämmerung an, die endet, wenn die Sonne etwa 18 ° unter dem Horizont steht und die Nacht beginnt.

In der Zeit des astronomischen Sommerbeginns, zur Sommersonnenwende ist die Dämmerung besonders lang. Dies liegt daran, dass die scheinbare Bahn der Sonne zu dieser Zeit am flachsten auf dem Horizont steht, wodurch der Winkel, unter dem die Sonne untergeht, am kleinsten ist. Die kürzesten Dämmerungszeiten hingegen gibt es zum Frühlings- bzw. Herbstanfang während der Tagundnachtgleiche.

In der Nordhälfte Deutschlands, wird es jetzt selbst um Mitternacht nicht mehr vollständig dunkel. Am Nordhorizont ist immer noch einen Rest von Dämmerung erkennbar. Da die Sonne dort derzeit nachts nicht mehr als 18 ° unter den Horizont sinkt, wird die abendliche astronomische Dämmerung nicht mehr beendet und geht in die morgendliche astronomische Dämmerung über. Dieses Phänomen wird Mitternachtsdämmerung genannt. Zur Sommersonnenwende am 21.Juni tritt es nördlich des 49. Breitengrades auf. Nördlich des 61. Breitengrades sinkt die Sonne die ganze Nacht nicht mehr als 6° unter den Horizont, wodurch die bürgerliche Dämmerung nicht mehr endet. Diese Nächte werden dort als „Weiße Nächte“ bezeichnet. Bekannt sind vor allem „die Weißen Nächte von St. Petersburg“. In Deutschland kann man die Weißen Nächte nur ansatzweise auf einigen Nordseeinseln oder im Norden Schleswig-Holsteins erleben.

Der Zeitpunkt der beginnenden Dämmerung hängt nicht nur von der geographischen Breite ab, sondern auch von der geographischen Länge. So wird es am östlichen Ende der Bundesrepublik etwas über 30 Minuten früher dunkel als am westlichen Ende. Die Intensität der Dämmerung wird auch von Aerosolen wie zum Beispiel Vulkanstaub in der oberen Atmosphäre beeinflusst. Mit etwas Glück lassen sich auch leuchtende Nachtwolken beobachten. Dies sind Wolken in 81 bis 87 km Höhe in der Mesopausenregion. Sie können nur in der Zeit um die Mitternachtsdämmerung beobachtet werden. Denn wenn die Sonne etwa 6 bis 16 Grad unter dem Horizont steht, erscheint der Himmelshintergrund bereits dunkel, die Wolken werden allerdings aufgrund ihrer enormen Höhe von der Sonne noch beschienen und erscheinen als Leuchtende Nachtwolken. Doch dies ist ein weiteres Thema für einen anderen Tag.

 

DWD Mitternachtsdaemmerung
Dipl. Met Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.06.2023

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Leuchtende Nachtwolken – ein sommerliches Phänomen

\Wettertechnisch sieht es in den nächsten Tagen sehr sommerlich aus. Zum ersten Mal in diesem Jahr werden die Temperaturen die 30 Grad-Marke überschreiten. Auch lauen Nächten steht dann nichts mehr im Wege. Bei den warmen Verhältnissen hält man sich dann auch nachts noch gerne draußen auf. Ein Phänomen was sich dort eventuell am nächtlichen Himmel blicken lässt, sind leuchtende Nachtwolken (englisch: noctilucent clouds, kurz: NLC).

Leuchtende Nachtwolken sind silbrig-weiße dünne Wolken, haben jedoch im engeren Sinne nicht direkt was mit Wetter zu tun. Denn das Wetter spielt sich hauptsächlich in der Troposphäre ab, deren Obergrenze in unseren Breiten in etwa eine Höhe von 10 bis 13 km erreicht. Leuchtende Nachtwolken entstehen in der Mesosphäre, in einer Höhe zwischen 80 bis 85 km. Vieles was mit der Entstehung der leuchtenden Nachwolken zu tun hat, ist im Detail noch nicht geklärt. Man weiß aber, dass sie aus kleinen Wassereisteilchen bestehen, weswegen sie optisch an Cirruswolken erinnern. Schon lange vermutet, wurde dieses erst 2001 durch das Satelliten-Messinstrument HALOE bewiesen. Zur Entstehung von Wolkeneisteilchen braucht man zum einen Wasserdampf und zum anderen Sublimationskerne, an die sich die Wasserteilchen anheften können.

In der Mesosphäre ist kaum Wasserdampf vorhanden, sodass sich im Normalfall nur wenige Wassermoleküle miteinander verbinden können. Damit die Wasserdampfmoleküle doch zu kleinen Eisteilchen gefrieren, benötigt man besonders kalte Temperaturen von unter minus 120 Grad Celsius. Von Mai bis August sind aufgrund der inter-hemisphärischen Zirkulation die Temperaturen in der Mesosphäre besonders kalt. Es treten dort teils Temperaturen von unter minus 140 Grad auf. Im Winter dagegen ist die Mesosphäre meist wärmer, sodass dann keine Wolken entstehen können.

Die zur Eiskristallbildung benötigten Eiskeime können aus verschiedenen Staubpartikel oder andere Aerosole bestehen. Die Staubpartikel kommen zum einen durch Meteorite, die in die Erdatmosphäre eindringen und dabei verglühen in diese Atmosphärenschicht. Zur Zeit der ersten Entdeckung der NLC lag die Vermutung nahe, dass Vulkanausbrüche größere Mengen von Staub auch in diese Höhen transportieren. Die erste Beschreibung von leuchtenden Nachtwolken stammt aus dem Jahr 1885, zwei Jahre nach dem Vulkanausbruch des Krakatau. Doch bis heute ist es weiterhin unklar, ob der Vulkanausbruch tatsächlich zu einer erhöhten NLC Aktivität geführt hat. Es könnte auch sein, dass die intensivere Beobachtung des Himmels erhöhte Sichtungszahlen der leuchtenden Nachtwolken ergaben. Nach dem Vulkanausbruch kam es durch die große Staubbelastung in der Tropo- und Stratosphäre spektakuläre Sonnenuntergänge. Es besteht auch die Theorie, dass bei der Entstehung von Eiskristallen nicht unbedingt Sublimationskerne vorhanden sein müssen. Aufgrund des Dipol-Charakters von Wassermolekülen bilden sich sogenannte Wasserclusterionen. Diese Wassercluster sind aber nur kurzlebig.

Um die Wolken zum Leuchten zu bringen ist Licht nötig. Dieses Licht stammt von der Sonne, die zwischen 6 und 16 Grad unter dem Horizont stehen muss, damit die Wolken in einer Höhe von etwa 83 km über dem Erdboden angestrahlt werden. Daher sind in unseren Breiten leuchtende Nachtwolken zwischen Anfang Juni und Mitte Juli zu sehen. Und das am besten gegen Mitternacht, wenn die Dämmerung am dunkelsten ist und das schwache Schimmern der Wolken nicht übertrifft. Sie erreichen über Deutschland eine Höhe von etwa 20 Grad über dem Horizont, wenn man in nördliche Richtungen blickt. In Ausnahmefällen sind sie auch bis in Zenitnähe zu sehen.

 

DWD Leuchtende Nachtwolken ein sommerliches Phaenomen

Langzeitliche Trends zur NLC Aktivität sind schwer zu prognostizieren, da die Forschungen darüber noch andauern. Ein Zusammenhang mit der Sonnenaktivität ist nahe liegend. Allerdings konnte bis jetzt nicht eindeutig beobachtet werden, dass die Häufigkeit der leuchtenden Nachtwolken im Sonnenmaximum-Zeitraum wirklich zunimmt. Für eine erhöhte Nachtwolken-Aktivität könnte auch die Zunahme von Methan und Kohlenstoffdioxid verantwortlich sein. Durch das Erwärmen der Troposphäre, könnte die Mesosphäre kälter werden. Ein weiterer Zusammenhang wird zwischen leuchtenden Nachtwolken in unseren Breiten und den polaren mesosphärischen Wolken vermutet, die während des gesamten Sommers über den Polen liegen. Durch erhöhte Windgeschwindigkeiten könnten die mesosphärischen Wolken über den polaren Gebieten sich schneller und weiter nach Süden hin ausweiten. Auch erhöhte Konzentration von Eiskeimen in der Mesosphäre kann zur Zunahme von Leuchtenden Nachtwolken führen. Bei den Starts der Space Shuttles zwischen 1981 und 2011 als auch beim Start von SpaceX Falcon 9 2014 wurden nach dem Start leuchtende Nachtwolken gesichtet. Durch die Raketen werden nicht nur Staubpartikel, sondern auch Wasserdampf in große Höhen in die Atmosphäre gebracht. Allerdings ist die Höhe des Beitrags von Raketenstarts zur Bildung von leuchtenden Nachtwolken noch umstritten.

Wer in der kommenden Nacht leuchtende Nachtwolken beobachten möchte, hat die größten Chancen dazu an der Ostsee oder im Südwesten Deutschlands. Dort ist der Himmel meist klar. Wer das ganze Spektakel am Himmel auch fotografieren möchte, dem empfiehlt sich eine Belichtungszeit von etwa 10 Sekunden bei einer erhöhten ISO von 800 bis 1600, da sich die Eiswolken bewegen. Das erste Foto von leuchtenden Nachtwolken schoss übrigens Otto Jesse weit vor Erfindung von Digitalkameras im Jahr 1887. Er gab den Wolken auch ihren Namen.

 

DWD Leuchtende Nachtwolken ein sommerliches Phaenomen 1

MSc Sonja Stöckle (Meteorologin)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.06.2023
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Deutschlandwetter im Mai 2023

Die wärmsten, trockensten und sonnigsten Orte in Deutschland

Erste Auswertungen der Ergebnisse der rund 2000 Messstationen des DWD in Deutschland.

Besonders warme Orte im Mai 2023*

Platz Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Waghäusel-Kirrlach Baden-Württemberg 16,4 °C +1,9 Grad
2 Frankfurt a. Main Hessen 15,8 °C +2,1 Grad
3 Rheinau-Memprechtshofen Baden-Württemberg 15,7 °C +2,1 Grad

Besonders kalte Orte im Mai 2023*

Platz Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Carlsfeld Sachsen 9,3 °C +1,2 Grad
2 Zinnwald-Georgenfeld Sachsen 9,3 °C +0,8 Grad
3 Kahler Asten Nordrhein-Westfalen 9,4 °C +1,2 Grad

Besonders niederschlagsreiche Orte im Mai 2023**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Hindelang, Bad-Gailenberg Bayern 257,2 l/m² 160 %
2 Bischofswiesen-Winkl Bayern 237,1 l/m² 141 %
3 Kreuth-Glashütte Bayern 233,9 l/m² 121 %

Besonders trockene Orte im Mai 2023**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Arkona Mecklenburg-Vorpommern 1,5 l/m² %
2 Gardelegen-Lindstedterhorst Sachsen-Anhalt 1,6 l/m² %
3 Feldberg Mecklenburg-Vorpommern 2,0 l/m² %

Besonders sonnenscheinreiche Orte im Mai 2023**

Platz Station Bundesland Sonnenschein Anteil
1 Arkona Mecklenburg-Vorpommern 343 Stunden 131 %
2 Greifswalder Oie Mecklenburg-Vorpommern 341 Stunden 130 %
3 Rostock-Warnemünde Mecklenburg-Vorpommern 331 Stunden 135 %

Besonders sonnenscheinarme Orte im Mai 2023**

Platz Station Bundesland Sonnenscheindauer Anteil
1 Garmisch-Partenkirchen Bayern 147 Stunden 86 %
2 Oberstdorf Bayern 154 Stunden 93 %
3 Kempten Bayern 169 Stunden 93 %

Oberhalb 920 m NHN sind Bergstationen hierbei nicht berücksichtigt.
* Monatsmittel sowie deren Abweichung vom vieljährigen Durchschnitt (int Referenzperiode 1961-1990)
** Prozentangaben bezeichnen das Verhältnis des gemessenen Monatswertes zum vieljährigen Monatsmittelwert der jeweiligen Station (int Referenzperiode, normal = 100 Prozent).

Hinweis:
Einen ausführlichen Monatsüberblick für ganz Deutschland und alle Bundesländer finden Sie im Internet unter

Meteorologe Denny Karran
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Der meteorologische Sommer hat begonnen!

Der meteorologische Sommeranfang zeigt sich gerade in der Mitte und im Süden von seiner sonnigen, vor allem im Osten und Nordosten schon seit geraumer Zeit erneut von seiner anhaltend trockenen Seite. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, was wir in Deutschland wetter- und witterungstechnisch von den bevorstehenden drei Sommermonaten zu erwarten haben.
Zu Beginn sei auf die aktuelle Mittelfristvorhersage verwiesen, die 7 bis 10 Tage in die Zukunft schaut, manchmal auch mit Trendangaben bis zu Tag 15(siehe weitere Informationen zum Thema).

Ab diesem Zeitpunkt würde man dann allerdings schon vom subsaisonalen Bereich der Wettervorhersage sprechen, wobei diese Steilvorlage als Überleitung zu saisonalen Klimavorhersagen geeignet ist. Saisonale Klimavorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden Monate wärmer/kälter oder auch trockener/feuchter als im langzeitlichen Mittel werden. Die Kombination von numerischen Vorhersagen für die zukünftige Periode mit zusätzlichen Vorhersagen aus der Vergangenheit erlaubt eine gewisse statistische Bewertung der Prognosen und die Ableitung von Trendaussagen auf Basis einer Klimatologie.

Im Thema des Tages vom 11.05.23 wurde die aktuelle saisonale Wettervorhersage bereits ausführlich seziert, einschließlich Verweis auf die Copernicus-Seite [Multimodellvorhersage mit schöner Zusammenfassung der Highlights(siehe weitere Informationen zum Thema)].

Schaut man auf die prognostizierte mittlere Luftdruckverteilung auf Meereshöhe über die drei Sommermonate, fällt – unabhängig von im Sommer oft schwächeren Luftdruckgegensätzen – doch ein gewisses Muster auf, nämlich die erhöhte Wahrscheinlichkeit für höheren Luftdruck über dem östlichen Nordatlantik und Teilen Skandinaviens. Demgegenüber stehen relativ deutliche Signale für tieferen Luftdruck über Süd- und Südwesteuropa. Diese Konstellation entspräche für den Index der Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO-Index) wohl eine (leicht) negative Abweichung (siehe weitere Informationen zum Thema).

DWD Der meteorologische Sommer hat begonnen

Soweit so gut, aber was heißt Letzteres nun etwas konkreter für die zu erwartenden (mittleren) Witterungsverhältnisse bzw. mögliche Wettermuster über die Sommermonate für den atlantisch-europäischen Wetterraum und speziell für Mitteleuropa?
„NAO negativ“ bedeutete eine nach Süden verschobene Frontalzone im atlantischen Sektor (teilweise Verbindung von Subpolar- und Subtropen-Jet), bis in den zentralen Mittelmeerraum reichend. Demgegenüber haben wir prognostizierte positive Luftdruckabweichungen im östlichen Mittelmeerraum bis zum Schwarzen Meer und Kleinasien. Damit steigt vom zentralen-östlichen Mittelmeerraum bis nach Kleinasien das Risiko markanter Hitzewellen (vergleich Hitzewelle in großen Teilen des Mittelmeerraums in 2019 bei damals ebenso NAO negativ).

Positive Luftdruckabweichungen erkennt man auch vom östlichen Nordatlantik bis nach Skandinavien, mit entsprechend simulierter positiver Temperaturabweichung in diesen Bereichen.

Für Mitteleuropa bestünde somit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für insgesamt (leicht) zu warme Verhältnisse, bei wohl insgesamt häufigeren Großwetterlagen (GWL) mit nordwestlichen oder nördlichen Strömungsverhältnissen – zyklonal oder antizyklonal ausgepägt würde letzteres auch im Mittel eher normale bis (leicht) zu niedrige Niederschlagsmengen für Mitteleuropa bedeuten. Bei möglichen Blockierungen im Bereich Nordmeer/Skandinavien hingegen bestünde bei nordöstlichen bis östlichen Strömungsverhältnissen und dem Zustrom von überwiegend trockener Festlandsluft gerade für die Nordosthälfte das Risiko längerer trockenerer Perioden.

Im Tagesthema vom 11.05.23 wurden bereits mögliche Ursachen dieser persistenten Blockierungslagen (einschl. Spurensuche bei der Frühjahrszirkulation) untersucht. Letztendlich sind aber Langfristvorhersagen immer mit Vorsicht zu genießen, da diese lediglich einen mittleren Zustand der atmosphärischen Bedingungen beschreiben. Abweichungen davon, auch über einen längeren Witterungsabschnitt sind daher durchaus möglich.

 

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.06.2023
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Clear Air Turbulence – die unsichtbare Gefahr

Aktuell ist die Warnkarte des Deutschen Wetterdienstes nahezu leer. Auch letzten Donnerstag, den 25.05.2023 gab es in keinem einzigen Landkreis eine Wetterwarnung. Ruhige Zeiten also für die Meteorologen im Vorhersagedienst. Letzten Donnerstag traf das aber nicht auf alle Bereiche in der Meteorologie zu. Im Flugwetterdienst war nämlich einiges los. Ein Kaltlufttropfen sorgte in der Höhe für starke Turbulenzen. Am Boden bekommt man davon nichts mit. Für die Luftfahrt sind das aber wichtige Informationen. Durch die Warnung vor starker Turbulenz werden die meteorologische Sicherheit der Luftfahrt gewährleistet und Flugrouten optimiert. Wie kam es genau zu den Turbulenzen und wie werden diese prognostiziert?

Clear Air Turbulence (CAT) oder auf deutsch Klarluftturbulenz ist mit dem bloßen Auge nicht zu sehen, da es sich um Turbulenz in wolkenfreier Luft handelt. Die CAT wird durch das Aufeinandertreffen von signifikant andersartigen Luftmassen verursacht, die sich mit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Höhen oberhalb 6 Kilometern bewegen. Durch den ungleichen Charakter der Luftmassen entsteht an der Zone des Zusammentreffens ein Bereich erhöhter Windgeschwindigkeiten auch Jetstream genannt. Die horizontale Erstreckung von Gebieten mit CAT liegt bei 80 Kilometern, kann sich aber auch auf einen Bereich bis 500 Kilometer erstrecken. Die vertikale Ausdehnung beträgt im Mittel 600 Meter. Die unteren Grenzwerte liegen bei 20 bis 30 Metern. Diese Art von Turbulenz ist besonders gefährlich für die Luftfahrt, da sie im Gegensatz zu anderen Wetterphänomenen, wie zum Beispiel Gewittern oder Vereisung, weder mit dem bloßen Auge noch mit Radar geortet werden kann. Die Turbulenzen sind aber meist zu schwach, um ein Verkehrsflugzeug stark zu beschädigen oder zu zerstören. Es kam jedoch schon zu kleineren Beschädigungen an Luftfahrzeugen sowie zu verletzten Passagieren (meist nicht angeschnallt).

 

DWD Clear Air Turbulence die unsichtbare Gefahr

DWD Clear Air Turbulence die unsichtbare Gefahr 1

DWD Clear Air Turbulence die unsichtbare Gefahr 2

Letzten Donnerstag gab es einen typischen Fall für CAT. In der unteren Troposphäre herrschte Hochdruckeinfluss vor. Ein kräftiges Hoch über den Britischen Inseln streckte einen Keil über Deutschland hinweg bis nach Südosteuropa. In der mittleren und oberen Troposphäre zirkulierte jedoch zwischen Frankreich und dem Südwesten Deutschlands ein Kaltlufttropfen. Die unterschiedlichen Luftmassen sind im Luftmassen RGB (Abbildung 1) gut zu sehen. Im rot gefärbten Bereich ist die Luftmasse sehr trocken und kalt.

Während über dem Südosten Deutschlands eine warme und feuchte Luftmasse vorherrschte (in der Abbildung bläulich). Die unterschiedlichen Eigenschaften der Luftmassen werden auch in den Radiosondenaufstiegen von Idar-Oberstein und Oberschleißheim deutlich. Der Aufstieg von Idar-Oberstein erfolgte in der trockenen und kalten Luftmasse (im roten Bereich), während das Vertikalprofil von Oberschleißheim die wärmere und feuchtere Luftmasse repräsentiert (Abbildung 2). An der Grenze zwischen den unterschiedlichen Luftmassen entwickelte sich ein Starkwindband. Im ICON 6-Modell konnte man die simulierten Windgeschwindigkeiten des Jetstreams an der Nordwestflanke des Kaltlufttropfens mit Spitzengeschwindigkeiten von 120 Knoten (etwa 220 Kilometer pro Stunde) gut erkennen. (siehe Isotachen-Darstellung in Abbildung 3)

Die Zutaten für starke Turbulenz in der Troposphäre waren also gegeben. Es gab zwei signifikant unterschiedliche Luftmassen in der Höhe. Und es hat sich im Grenzbereich der beiden Luftmassen ein Jetstream entwickelt. Wo genau sich jetzt die CAT-Zone befindet, lässt sich durch die Zusammenschau von Radiosondenaufstiegen und Satellitenbilder verifizieren. Doch um bereits vor dem Ereignis warnen zu können, werden numerische Vorhersagemodelle herangezogen. Dabei sind zum einen die Windprognosen in unterschiedlichen Höhenstufen wichtig. Zum anderen wird aber auch die Berechnung des Eddy Dissipiation Parameters zu Rate gezogen. Der Eddy Dissipitation Parameter (EDP) wird aus der berechneten turbulenten kinetischen Energie hergeleitet. Der Parameter wurde bereits jahrelang verifiziert und mit Meldungen aus dem Cockpit sowie Messungen durch spezielle Mess-Flugzeuge verglichen. Inzwischen ist die Bereitstellung des EDP für die Luftfahrt operationalisiert und wird als Grundlage zur Turbulenzeinschätzung für die Luftfahrt routinemäßig herangezogen. Auch letzten Donnerstag haben die Berechnungen des EDP ein Gebiet mit starker Turbulenz über Deutschland prognostiziert. (Abbildung 4)

DWD Clear Air Turbulence die unsichtbare Gefahr 3

Die Zusammenschau der vorliegenden Messungen und numerischen Modellparameter führte letztendlich zur Ausgabe einer Warnung vor einer signifikanten meteorologischen Erscheinung für die Luftfahrt – kurz SIGMET abgekürzt. Da Wetterphänomene sowie der innereuropäische und internationale Luftverkehr nicht an politischen Grenzen enden, ist eine Absprache mit den angrenzenden Wetterdiensten von großer Bedeutung. Dies beugt Irritationen durch widersprüchliche Wetterinformationen vor. In diesem Fall hat die Region der starken Turbulenz nicht nur den deutschen Luftraum beeinflusst, sondern auch den französischen. Dank der Absprache zwischen der Flugwetterzentrale des Deutschen Wetterdienstes in Frankfurt mit dem Büro der Météo France in Toulouse, wurde eine einheitliche Warnung vor schwerer Turbulenz in einem Bereich zwischen Flughöhe 250 und 340 (also zwischen 7500 Metern und 10000 Metern über NN) ausgegeben.

So unerwartet wie vielleicht angenommen, treten die Turbulenzen also gar nicht mehr auf. Die numerischen Modelle können schon viele der unsichtbaren Turbulenzbereiche prognostizieren. Und auch Satellitenmessungen geben Auskunft über Gefahrenbereiche, auch wenn diese nicht durch auffällige Wolkenformationen gekennzeichnet sind. Durch die Warnungen können Piloten den größeren Gebieten gefährlicher Turbulenzen ausweichen, sodass es oft gar nicht mehr so turbulent im Flieger wird. Es ist jedoch wohl weiterhin ratsam, angeschnallt zu bleiben.

DWD Clear Air Turbulence die unsichtbare Gefahr 4

M.Sc. Sonja Stöckle (Meteorologin)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.05.2023
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„Immer dieser kalte Ostwind“

„Schon wieder dieser kalte Ostwind!“, so oder so ähnlich wurde es in den letzten Wochen häufig kolportiert. Die meisten werden in diesem Frühling das Gefühl einfach nicht los, dass an den meisten Tagen ein äußerst beständiger, böiger Ostwind weht, der die ohnehin meistens nur mäßig warme Luft deutlich kälter erscheinen lässt.

Woher der Wind bei uns weht, hängt von der Verteilung der Druckgebilde, also der Hochs und Tiefs ab. Man spricht dabei auch von einer bestimmten Großwetterlage. Sie ist definiert durch eine mittlere Luftdruckverteilung in Meereshöhe und der mittleren Troposphäre (bis ca. 10 km Höhe) in einem großen Gebiet und über eine Dauer von mehreren Tagen. Der Deutsche Wetterdienst klassifiziert die Großwetterlagen nach dem von Paul Hess und Helmuth Brezowsky entwickelten Schema. Dabei wird insgesamt zwischen 29 Großwetterlagen unterschieden, die wiederum in 7 Großwetterlagentypen und 3 Zirkulationsformen gruppiert werden. Unabhängig davon spricht man bei einem Übergang zwischen zwei Wetterlagen von einer Übergangswetterlage. Eine vollständige Beschreibung und Liste der Großwetterlagen finden Sie im DWD-Wetterlexikon.

Der Übersicht halber beschränken wir uns auf die Zirkulationsformen. Hier definiert man die sogenannte „zonale“, „gemischte“ und „meridionale“ Form. Bei der zonalen Zirkulation befinden wir uns zwischen tiefem Luftdruck nördlich von uns und hohem Luftdruck südlich von uns in einer mehr oder weniger glatten West-Ost-Strömung. Es weht also ein Wind aus westlicher Richtung. Bei einer gemischten Zirkulation verschieben sich die Druckgebilde soweit, dass der Wind eine Nord- oder Südkomponente bekommt (also aus Nordwest oder Südwest weht) oder sich ein Hoch oder Tief über Mitteleuropa befindet. Die meridionale Zirkulation ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Nord- oder Südströmung über Mitteleuropa, je nachdem, ob sich die Tiefs westlich oder östlich von uns aufhalten. Aber auch kräftige, oft stationäre und im Fachjargon als blockierend bezeichnete Hochdruckgebiete über Nord- und Nordosteuropa gehören dazu. Letztere sind ein Garant für Winde aus östlichen Richtungen (von Nordost bis Südost). Wollen wir also Großwetterlagen mit östlicher Strömung identifizieren, müssen wir nach den meridionalen Zirkulationsformen schauen.

DWD Immer dieser kalte Ostwind

Im oberen Diagramm der gezeigten Abbildung wird die über den Zeitraum von 1881 bis 2008 gemittelte, relative Häufigkeit der Zirkulationsformen für die jeweiligen Monate dargestellt. Wir erkennen, dass die meridionale Zirkulationsform im Mittel im Frühling Hochkonjunktur hat. Soweit, so gut. Allerdings fallen nur etwas mehr als die Hälfte der Tage im April und Mai auf diese Zirkulation. Der Anteil der Ostlagen, der als Linie im Diagramm eingeblendet ist, liegt lediglich bei rund 20%. Nur an 2 von 10 Tagen wäre demnach ein östlicher Wind zu erwarten. Im unteren Diagramm wird die Verteilung der Zirkulationsformen für den Zeitraum von Januar bis Mai 2023 dargestellt. Nachdem im Januar, Februar und März gemischte Zirkulation und zonale Westlagen dominierten, konnten wir im April und Mai einen enormen, bezogen auf das Klimamittel äußerst ungewöhnlichen Zuwachs an meridionalen Wetterlagen verzeichnen. An etwa Dreiviertel der Tage konnte eine meridionale Zirkulationsform klassifiziert werden. Noch bemerkenswerter ist allerdings die Tatsache, dass es sich im April ausschließlich, im Mai zu einem großen Teil um Ostlagen handelte. Eine relative Häufigkeit von 70% bedeutet, dass an 7 von 10 Tagen ein Wind aus vorwiegend östlichen Richtungen wehte.

Es lässt sich also statistisch belegen, dass wir seit April ungewöhnlich oft mit Ostwind zu tun haben. Der subjektive Eindruck des unangenehmen Ostwindes ist wohl meistens ein Resultat einer kognitiven Dissonanz oder wird zumindest durch diese verstärkt: Einerseits sind die mit dem Ostwind herangeführten Luftmassen trocken, sodass die Sonne oft von einem stahlblauen Himmel scheint, womit optisch der Eindruck eines warmen Sommertages erzeugt wird. Andererseits kann mit der östlichen Strömung die im Frühling über Osteuropa teilweise noch lagernde Kaltluft angezapft werden, sodass ein thermisches Empfinden entsteht, das dem optischen Eindruck sehr gegensätzlich sein kann. Erst im Sommer, wenn sich die Landmassen und damit auch die Luft über Osteuropa stark erwärmt haben, wird der Ostwind wärmer und als nicht mehr ganz so unangenehm empfunden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.05.2023

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Es qualmt und raucht – besser nicht

„Wer kann schon Tabak in Nahrung verwandeln?“ Mit dieser rhetorischen Frage wird in diesem Jahr das Motto des Weltnichtrauchertags eingeleitet, der traditionell am 31. Mai begangen wird und 1987 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen wurde. Die Deutsche Krebshilfe und das Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass auch vermeintlich „gesündere“ Alternativen wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer Umweltschäden verursachen. Dazu gehören neben der Anbaufläche für den Tabak, der potentiell auch für Nahrungsmittel genutzt werden könnte, die Kosten für die Produktion und Entsorgung. Tabakstifte, Nachfüllfläschchen, Metall, Batterien/Akkus, all das führt neben den Plastikbestandteilen zu großen Mengen an Sondermüll. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Laut Bundesministerium für Gesundheit haben sich die Zahlen der rauchenden Jugendlichen (12-17 Jährigen) von 27,5 (im Jahr 2001) auf 6,6 Prozent (2018) und der jungen Erwachsenen von 44,5 (2001) auf 24,8 Prozent (2018) erheblich reduziert. Der Anteil der Raucher in der erwachsenen Bevölkerung ist dagegen nur leicht rückläufig. Im Schnitt raucht etwa jeder Vierte. Dabei besteht nach wie vor ein leichtes geschlechtliches Ungleichgewicht. Mit 27 Prozent rauchen mehr Männer als Frauen (20,8 Prozent).

Wer dieser Tage seine Kippe auf Wald und Wiese achtlos wegwirft oder unbedacht „wild“ grillt, der riskiert rasch einen wahren Flächenbrand. So ist laut Feuerwehr vermutlich auch der Moorbrand im Hohen Venn im deutsch-belgischen Grenzgebiet bei Aachen auf menschliche Unachtsamkeit zurückzuführen. Seit Montagabend sind mehr als 170 Hektar verbrannt und über 100 Feuerwehrleute im Einsatz. Durch das schwer zugängliche Gebiet konnte das Feuer nur durch Wasserschneisen unter Kontrolle gebracht werden. In die Schlagzeilen geriet auch der Moorbrand im September 2018 in Meppen (Emsland), wo auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle 91 Raketenerprobungen durchgeführt wurden und versehentlich die Moorfläche in Brand setzten. Unterirdische Schwelbrände im Torf, trockene Böden und böige Winde aus wechselnden Richtungen erschweren die Löscharbeiten generell extrem.

DWD Es qualmt und raucht besser nicht

Nun legte das Frühjahr 2023 zwar einen überaus wechselhaften und nassen Start hin, in den vergangenen Wochen kam allerdings nicht mehr sonderlich viel Niederschlag hinzu. Gerade im Nordosten war die Trockenheit im Mai so markant wie selten zuvor. Schaut man sich einmal die aus dem Radar ableiteten Regensummen der vergangenen 2 Wochen an, so erkennt man vor allem von der Nordsee bis zum Harz und nach Ostwestfalen, sowie an den Alpen größere Areale mit flächendeckenden 10 bis 30, lokal um 50 mm. Ansonsten sind abgesehen von örtlichen Schauern und Gewitter, die kleinräumig etwas mehr Regen brachten, kaum nennenswerte Summen zu verzeichnen. In einigen Regionen blieb es gänzlich trocken, so auch im Hohen Venn bei Aachen am Nordrand der Eifel (NRW).

Die anhaltende Trockenheit in Kombination mit einer hohen Verdunstung und tagsüber böigem Wind begünstigt eine hohe Waldbrandgefahr, die inzwischen nahezu landesweit auf einem alarmierenden Niveau angelangt ist (Stufe 3 bis 4 von 5). Der Waldbrandgefahrenindex WBI beschreibt das meteorologische Potential für die Gefährdung durch Waldbrand. Er zeigt die Waldbrandgefahr in 5 Gefahrenstufen an: 1= sehr geringe Gefahr bis 5 = sehr hohe Gefahr. Der WBI dient den für die Waldbrandvorsorge verantwortlichen Landesbehörden zur Einschätzung der Waldbrandgefahr und zur Herausgabe von Warnungen. Die Waldbrandgefahrenstufen des DWD bilden somit die Grundlage für eine auf Landesebene harmonisierte Waldbrandgefahrendarstellung. Die örtliche Einschätzung der Waldbrandgefahr kann allerdings vom DWD-Produkt abweichen.
Weitere Informationen hierzu finden Sie auf den Internetseiten der Landesforstbehörden, die Sie über erreichen.

DWD Es qualmt und raucht besser nicht 1

Nun sind die Aussichten für die kommenden Tage leider nicht sonderlich vielversprechend. Am morgigen Donnerstag und Freitag sorgt teils kompakte Bewölkung bei etwas kühleren Temperaturen im Norden und Nordwesten für eine vorübergehende Linderung. Ansonsten bleibt die Gefahrenlage bei nahezu gleichbleibenden Wetterverhältnissen, sprich viel Sonnenschein bei anhaltender Trockenheit, mindestens bis Ende der kommenden Woche brisant.

Dipl.-Met Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.05.2023

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Start der Hurrikansaison mit rekordwarmem Nordatlantik

Seit Anfang März ist das oberflächennahe Wasser des Nordatlantiks zwischen dem Äquator und 60 Grad Nord sowie dem Null-Meridian und 80 Grad West so warm wie nie zuvor seit es Satellitenbeobachtungen (Start 1981) gibt. Nun ist es bei fortschreitender Erwärmung des Klimas und damit auch der Ozeane nicht überraschend, dass auch der Nordatlantik von Zeit zu Zeit neue Rekorde hinsichtlich der Temperatur erreicht. Doch die derzeitige Rekordphase ist in zweierlei Hinsicht außergewöhnlich. Zum einen ist es der Abstand zu den vorherigen Rekordhaltern (Abbildung 1). Es sind zwar nur einige Zehntel Grad Celsius, doch gemittelt auf solch eine große Fläche ist dies enorm. Zum anderen ist es die ungewöhnlich lange Andauer von mittlerweile knapp drei Monaten, in der die Temperatur über allen bisherigen Jahren liegt.

DWD Start der Hurrikansaison mit rekordwarmem Nordatlantik

Gründe für Erwärmung, Südteil des Atlantiks im Fokus

Neben der allgemeinen Erwärmung der Ozeane durch eine wärmere Troposphäre in Folge des Klimawandels hat wahrscheinlich ein sich wiederholende Großwetterlage über dem Nordatlantik eine Rolle für die hohen Temperaturen gespielt. Verschiebung von Hoch- und Tiefdruckgebieten führten zu vergleichsweise geringen Luftdruckgegensätzen über Teilen des Ozeans. Als Folge schwächten sich die beständigen Nordostwinde, auch Passatwinde genannt, über dem Südteil des Nordatlantiks ab. Geringere Windgeschwindigkeiten führen zu einem niedrigeren Seegang und dieser wiederum zu einer schwächeren Durchmischung des warmen Oberflächenwassers mit dem kälteren Tiefenwasser. Die Folge: steigende Meeresoberflächentemperatur.
Besonders hoch im Vergleich zum Klimamittel sind derzeit die Temperaturen des Ost- und Südteils des Nordatlantiks (Abbildung 2). Gebietsweise betragen die positiven Abweichungen dort mehr als drei Grad Celsius. Von besonderem Interesse ist der Südteil des Nordatlantiks. Dort liegt die Hauptentstehungsregion für tropische Wirbelstürme. Typischerweise ziehen im Sommer und Herbst Gewitterkomplexe vom afrikanischen Kontinent auf den südlichen Nordatlantik, wo sie sich bei günstigen Bedingungen auf ihrer Drift nach Westen zu tropischen Wirbelstürmen verstärken können.‘

DWD Start der Hurrikansaison mit rekordwarmem Nordatlantik 1

Entstehung tropischer Wirbelstürme

Ein entscheidender Parameter für die Bildung und Intensität von tropischen Wirbelstürmen ist die Meeresoberflächentemperatur des Ozeans. Die derzeit deutlich erhöhten Wassertemperaturen in der Hauptentstehungsregion sprechen also zunächst einmal für verbesserte Bedingungen für die Bildung dieser Stürme. Doch die Wassertemperatur ist nur ein Faktor. Weitere Faktoren sind Stabilität der Troposphäre (mehr Hochdruck) und vor allem die Stärke der vertikalen Windscherung, also sich in Intensität und Richtung ändernde Winde innerhalb der Troposphäre. Konkret: Eine wenig stabile Troposphäre und eine nur schwach ausgeprägte vertikale Windscherung sind förderlich für die Entstehung tropischer Wirbelstürme.

El Niño als Gegenspieler und Prognosen

Um die Aktivität der kommenden atlantischen Hurrikansaison abschätzen zu können, braucht es den Blick zum Pazifik. Dort findet gerade der Wechsel von La Niña zu El Niño ) statt. Großräumig ändern sich dort derzeit die Zirkulationsmuster in der Atmosphäre und die Meeresoberflächentemperatur des Ozeans. Dies hat auch Auswirkungen auf den Nordatlantik. Typischerweise verstärkt sich unter El Niño die vertikale Windscherung und atmosphärische Stabilität über dem Nordatlantik. Dies wäre hinderlich für die Bildung tropischer Wirbelstürme. Zum Start der Hurrikansaison gibt es Faktoren, die für und gegen eine schwache oder starke Saison sprechen. Eine Prognose ist somit besonders schwierig. Verschiedene Institute privater und staatlicher Natur versuchen sich Jahr für Jahr an einer Prognose. Dieses Jahr gehen die Schätzungen besonders weit auseinander und reichen von einer unterdurchschnittlichen bis weit überdurchschnittlichen Saison (Abbildung 3). Im langjährigen Schnitt sind sieben Hurrikane in einer Saison zu verzeichnen gewesen. Die National Oceanic and Atmospheric Adminstration (NOAA) mit ihrem National Hurricane Center (NHC) ist verantwortlich für die Warnungen vor tropischen Stürmen auf dem Nordatlantik und geht derzeit von einer durchschnittlichen Saison aus.

DWD Start der Hurrikansaison mit rekordwarmem Nordatlantik 2

Wie viele Stürme es am Ende auch sein werden, bereits ein einzelner Hurrikan, der auf Land trifft, kann prägend für die gesamte Saison sein.

M.Sc Thore Hansen ( Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.05.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

VERA macht Sonne

War der Frühling bisher von Tiefdruckgebieten mit vielen Wolken, wiederholten Regenfällen und starkem Wind geprägt, hat nun zum Ende des meteorologischen Frühlings mit VERA endlich auch einmal ein Hoch die Regentschaft übernommen. VERA (oder ihre Ableger bzw. ihre Nachfolgerin WIOLA) macht aber nicht nur Mittag bei uns, sondern möchte über das Pfingstfest hinaus Deutschland mit viel Sonnenschein verwöhnen. Wo viel Licht (Sonne) ist, da ist bekanntlich aber auch viel Schatten.

In diesen sollten sich alle Menschen flüchten, wenn sie bei Aktivitäten im Freien nicht an ausreichenden Sonnenschutz denken. So entfaltet die Sonne knapp einen Monat vor ihrem höchsten Stand zum astronomischen (kalendarischen) Sommeranfang am 21. Juni 2023 derzeit schon enorme Kraft, was sich in Deutschland in den kommenden Tagen in einem UV-Index mit Werten meist zwischen 6 und 8 widerspiegelt. Ein Wert von 6 bis 7 heißt, dass die gesundheitliche Gefährdung hoch ist, bei Werten von 8 bis 10 ist sie sehr hoch. Viele weitere Informationen zum UV-Index gibt es im Thema des Tages vom 6. Mai 2023 unter

DWD VERA macht Sonne

Mit dem üppigen Sonnenschein und den überwiegend nur wenigen Wolken fällt in den kommenden Tagen außerdem kaum noch Regen, sodass die Trockenheit in vielen Teilen Deutschlands wieder zunimmt. Zwar zehrt der Oberboden bis 25 cm Tiefe meist noch von den reichlichen Niederschlägen der vergangenen Wochen, im Gesamtboden bis 1,8 m gibt es aber vor allem im Osten immer noch einige Regionen mit Dürre (siehe dazu auch den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung GmbH (UFZ) unter ). Dort ist in den letzten Monaten bei Weitem nicht so viel Regen gefallen wie im Westen und Südwesten, sodass die vergangenen trockenen Jahre immer noch nachwirken.

DWD VERA macht Sonne 1

Die Trockenheit bedingt darüber hinaus eine erhöhte Waldbrandgefahr (siehe ). Diese wird beim DWD mit dem Waldbrandgefahrenindex WBI in einer fünfteiligen Skala erfasst bzw. vorhergesagt. Je höher der Index, desto höher die Waldbrandgefahr. In den kommenden Tagen liegen die Werte zunehmend häufig bei 3 bis 4, womit eine mittlere bis hohe Waldbrandgefahr gegeben ist. Durchweg hohe Werte von 3 bis 4 weist auch der Graslandfeuerindex auf (siehe ), womit die Feuergefährdung von offenem, nicht abgeschattetem Gelände mit abgestorbener Wildgrasauflage ohne grünen Unterwuchs beschrieben wird.

DWD VERA macht Sonne 2

Neben all diesen Schattenseiten ist noch eine weitere negative Auswirkung des aktuellen Wetters zu verzeichnen: Durch das trockene Wetter hat der Pollenflug der Gräser (siehe) stark zugenommen, was bei Allergikern für „verschnupfte Nasen“ und tränende Augen sorgt. Neben den Gräsern sind derzeit auch Birken- und Roggenpollen unterwegs. Die Belastung von Birkenpollen ist dabei nur noch gering, weil die Saison gerade zu Ende geht. Die Roggenpollen dagegen haben Anfang Juni Hochsaison, sodass deren Belastung aktuell zunimmt. Ihre Saison endet dann Anfang Juli.

DWD VERA macht Sonne 3

Wann das Wetter dann ein „Einsehen“ hat, ist derzeit ziemlich offen. Am Sonntag driftet von Norden her zwar eine wenig wetteraktive Kaltfront in den Norden Deutschlands, mehr als ein paar kompakte Wolkenfelder liefert sie allerdings nicht. Danach deuten die Modelle anhaltenden Hochdruckeinfluss an, wobei die Temperaturen mit 25 Grad oder mehr häufig im sommerlichen Bereich liegen. Das passt aber auch wieder gut zum meteorologischen Sommeranfang am kommenden Donnerstag (1. Juni 2023).

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

„Karl the Fog“

All that is sunny does not glitter, not all those in the fog are lost.“ („Nicht alles, was sonnig ist, glänzt, nicht alle im Nebel sind verloren.“) So begrüßt @KarlTheFog die Besucher seines Twitter-Accounts. Ja, der Nebel entlang der kalifornischen Westküste und insbesondere in der San Francisco Bay Area besitzt sogar eigene Internetseiten (mehr dazu am Ende).

Was ist die Ursache des Nebels?

Der Nebel in San Francisco und Umgebung wird als Advektionsnebel bezeichnet, der sich horizontal bewegt und entsteht, wenn feucht-warme Luft über eine kältere Oberfläche strömt und dabei abgekühlt wird. Hauptursache ist die Wechselwirkung zwischen dem kalifornischen Festland, dem Pazifischen Ozean und bestimmten Meeresströmungen. Über dem Nordpazifik kann sich die untere Atmosphärenschicht, die sogenannte „Meeresschicht“, über tausende von Kilometern durch Verdunstung vom Ozean mit Wasserdampf anreichern. Durch das typischerweise vorherrschende Nordpazifikhoch wird diese vergleichsweise kühle Meeresluft mit einer nordwestlichen Strömung nach Kalifornien geführt. Unmittelbar entlang der Küste kommt es im Ozean zu einem starken Auftrieb, der kalte unterirdische Gewässer nach oben befördert.

Dadurch herrschen entlang der Küste ganzjährig Wassertemperaturen von nur 11 bis 14 °C. Diese kalten Meeresströmungen kühlen die Meeresschicht entlang der Küstenlinie weiter ab, der Wasserdampf kondensiert und es bildet sich Nebel. Gleichzeitig kann sich im Sommer das kalifornische Festland stark aufheizen. Temperaturen von 40 °C sind dort keine Seltenheit. Dadurch entsteht ein starker Druckunterschied zwischen dem Landesinneren (tiefer Luftdruck) und dem Pazifik (hoher Luftdruck). Dieser dreht die nordwestlichen Winde entlang der Küste auf West, womit der Nebel landeinwärts „schwappen“ kann. Die ca. 50 km nordwestlich von San Francisco gelegene Meerzunge „Point Reyes“ kommt so auf durchschnittlich 200 Nebeltage pro Jahr und ist der nebligste Ort der nordamerikanischen Pazifikküste.

DWD Karl the Fog

Wann tritt der Nebel auf?

„Karl“ legt sich folglich hauptsächlich im Sommerhalbjahr über die Stadt, normalerweise von April/Mai bis Oktober, mit dem Höhepunkt der Nebelsaison im Juli und August. Während das Nebelhorn der Golden Gate Bridge im März durchschnittlich nur 30 Stunden ertönt, warnt es im Juli und August jeweils etwa 160 Stunden durchfahrende Schiffe vor schlechter Sicht.

Der Nebel durchläuft dabei einen typischen Tageszyklus. Das morgendliche Sonnenlicht durchdringt die Nebelschicht und erwärmt die Erdoberfläche sowie anschließend die darüber liegende Meeresschicht. Dadurch setzt turbulente Durchmischung ein, die allmählich den Nebel auflöst. Er zieht sich üblicherweise gegen Mittag Richtung Küste zurück. Bis zum Nachmittag erwärmt sich die Luft über der Stadt weiter, wodurch ein kleines Wärmetief entsteht. Als Folge setzt ein Wind vom Meer Richtung Stadt ein, der die kühle Meeresschicht samt Nebel wieder über die Stadt fließen lässt.
Durch die Golden-Gate-Meerenge, über die die gleichnamige Brücke führt, wird das Ansaugen des Nebels noch verstärkt. Dort kann man besonders eindrucksvoll beobachten, wie der Nebel vom Pazifik kommend durchs Golden Gate zieht und die Brücke zunehmend im Nebel verschwindet. Nachts kühlt sich die Luft auch weiter landeinwärts ab, sodass der Wind einschläft und der Nebel bis zum nächsten Morgen über der Stadt liegenbleibt.

DWD Karl the Fog 1

Wenn die Meeresschicht relativ dünn ist, bilden die bekannten Hügel, die sich quer durch San Francisco ziehen, eine Barriere. Von oben kann man so am Morgen im Westen auf ein Nebelmeer blicken, während die Wolkenkratzer im Osten der Stadt bereits im Sonnenlicht glänzen. Daher ist es im Sommer in den östlichen Stadtteilen viel sonniger und wärmer als in den westlichen Wohnvierteln.

Wird der nachmittägliche Seewind durch ein schwaches Tief über dem Pazifik verstärkt, kann der Nebel weiter landeinwärts vordringen. Vor allem die westlichen Stadtteile bekommen mitunter bis zu zwei Wochen oder länger keine Sonne zu Gesicht. Einheimische sprechen dann von „May Grey„, „June Gloom„, „No Sky July“ oder „Fogust„.

DWD Karl the Fog 2

DWD Karl the Fog 3

Welche Auswirkungen hat der Nebel?

Karl the Fog“ beschert San Francisco ein besonderes Mikroklima. Im Gegensatz zum im Sommer tagsüber oft sehr heißen amerikanischen Kontinent hat der Nebel in Kombination mit dem vom Pazifik wehenden Seewind eine kühlende Wirkung. Selbst im Hochsommer steigen die Temperaturen nachmittags durchschnittlich nur auf knapp 20 °CSan Francisco wird quasi natürlich klimatisiert und weist unter allen größeren Städten der USA im Sommer die kühlsten Nachmittagstemperaturen auf.

Karl the Fog“ als Influencer

Wie schon angedeutet, ist „Karl“ zum Internetstar oder neudeutsch „Influencer“ geworden. Seit August 2010 besitzt er den Twitter-Account @KarlTheFog und hat mittlerweile über 350.000 Follower. Auf seinem Kanal twittert er regelmäßig launige und mitunter sehr amüsante Kommentare über sich und seine Heimat oder zeigt auf Fotos seinen Facettenreichtum. Auch auf Instagram und dem Fotosharing-Dienst Flickr ist er sehr präsent. Werfen Sie mal einen Blick auf diese Seiten und lernen die Schönheit und den Humor von @KarlTheFog kennen. Und falls Sie mal in San Francisco sind, scheuen Sie sich nicht, ihn zu fotografieren und Ihre Aufnahmen zu posten. „Karl the Fog“ freut sich über jedes Foto, das Sie mit ihm und anderen Followern teilen – man könnte auch behaupten, er steht gerne im Rampenlicht.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.05.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst