IPCC-Bericht: Anleitung für eine lebenswerte Zukunft

Hunderte führende Wissenschaftler aus aller Welt haben über mehrere Jahre hinweg die Ergebnisse von zehntausenden, bereits begutachteten Studien gesichtet, diskutiert und bewertet. In drei Arbeitsgruppen des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC), kurz Weltklimarat, arbeiten diese Wissenschaftler zusammen und kommen dabei aus verschiedenen Bereichen, wie z.B. Klima- und Meeresforschung, Statistik, Ökonomie und Gesundheit. Dabei fasst die 1. Arbeitsgruppe den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammen. Die 2. Arbeitsgruppe schaut auf die Folgen der Erderwärmung und wie Natur und Gesellschaft sich anpassen können und die 3. Arbeitsgruppe zeigt, wie die Erderwärmung begrenzt werden kann.

Die drei Arbeitsgruppen haben ihre Ergebnisse bereits im August 2021, sowie im Februar und April 2022 vorgestellt. Am Montag (20. März) erschien nun der Synthesebericht, also die Zusammenfassung der Teilberichte aus der sechsten Berichtsperiode („AR6 Synthesis Report“).

Ein Überblick über die wesentlichen Ergebnisse:

– Die globale Durchschnittstemperatur hat bereits um etwa 1,1 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zugenommen. Dabei ist die Erwärmung nicht überall auf der Welt gleich – einige Regionen wie die Arktis und Afrika erwärmen sich schneller als andere.

– Die zunehmende Erderwärmung führt zu stärkeren Hitzewellen, häufigeren und intensiveren extremen Wetterereignissen sowie zu einem Anstieg des Meeresspiegels und zunehmender Ozeanversauerung.

– Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark betroffen: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Regionen, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind, wie Afrika südlich der Sahara, Teile von Asien sowie Zentral- und Südamerika. Einige Gegenden werden irgendwann nahezu unbewohnbar sein – z.B. wegen Hitze und Trockenheit oder im Falle von Inseln und Küstenregionen durch Überflutungen (so wäre im Jahr 2060 mit +4 °C Erwärmung die halbe Erde nahezu unbewohnbar). Der Klimawandel führt also auch zu einer Verschärfung von bestehenden sozialen Ungleichheiten, Konflikten und Migration.

– Den Klimawandel zu begrenzen ist möglich, erfordert aber eine sofortige und tiefgreifende Reduzierung der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren und eine drastische Veränderung unserer Lebensweise. Mit den aktuellen Maßnahmen steuern wir auf eine Erwärmung von 3,2 °C im Jahr 2100 zu. Um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, muss die Weltgemeinschaft bis 2030 die Emissionen um die Hälfte senken und selbst für das 2-Grad-Ziel müssen die Emissionen global sehr schnell fallen (siehe Abb. 1).

DWD IPCC Bericht Anleitung fuer eine lebenswerte Zukunft

– Jedes zehntel Grad macht einen Unterschied: Mit jeder noch so kleinen Zunahme der globalen Erwärmung steigen die Risiken und die Auswirkungen von abrupten und irreversiblen Veränderungen im Klimasystem; einschließlich der Veränderungen, die durch das Erreichen von Kipppunkten ausgelöst werden.

– Klimatische und nicht-klimatische Risiken werden sich zunehmend gegenseitig beeinflussen und zu kaskadenartigen Risiken führen, die komplexer und schwieriger zu beherrschen sind. (Beispiel: starke Hitze beeinträchtigt u.a. Schienen- und Straßenverkehr, was Lieferketten beeinflusst, was sich wiederum auf die wirtschaftliche Produktion und Verteilung von Gütern auswirkt. Gleichzeitig ist bei einer starken Hitzebelastung in manchen Berufen auch die Arbeitsproduktivität beeinträchtigt.)

– Klimaschutz kostet, aber die Klimakrise kostet mehr: Der wirtschaftliche Nutzen bei Erreichen des 2-Grad-Ziels liegt in den meisten Studien höher als die Investitionen, die für Klimaschutz nötig sind (dabei sind noch nicht einmal die Schäden eingerechnet, die durch den Klimawandel verursacht werden). Allein die Vorteile für die menschliche Gesundheit durch saubere Luft könnten die Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen mindestens ausgleichen. Je wärmer die Welt allerdings wird, desto mühsamer und teurer wird es, sich anzupassen.

– Viele der Lösungen sind bereits vorhanden (wie Sonne, Wind, Erhalt von Ökosystemen z.B. durch Aufforstung, etc.), bei denen wir gleich in mehrfacher Hinsicht profitieren würden: sie bieten gesundheitliche und ökonomische Vorteile (erneuerbare Energien sind sogar schon heute günstiger als Energien aus fossilen Brennstoffen), und könnten sogar zu mehr Gerechtigkeit beitragen und die Energieabhängigkeit von totalitären Staaten reduzieren (siehe Abbildung 2).

DWD IPCC Bericht Anleitung fuer eine lebenswerte Zukunft 1

– Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide. Die Auswirkungen für die nächsten Generationen hängen von unserem jetzigen Handeln und den Entscheidungen ab, die wir in diesem Jahrzehnt treffen (siehe Abbildung 3).

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Vor dem Hintergrund des letzten Punktes rief auch UN-Generalsekretär António Guterres bei der Vorstellung des Berichts zum Handeln auf: „Die Klima-Zeitbombe tickt. Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein Leitfaden zur Entschärfung der Klima-Zeitbombe. Er ist ein Überlebensleitfaden für die Menschheit.“

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.03.2023
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Wenn unten nichts ankommt…

Vergangenen Mittwochnachmittag: Papa holt den Sohnemann von der Kita ab. Jetzt noch schnell einen Abstecher auf den Spielplatz bevor es demnächst anfängt zu regnen. Das Radar zeigt nämlich ein von Westen auf Offenbach zuziehendes Regengebiet. Und wie sooft vergeht die Zeit dann doch schneller als man denkt und plötzlich fällt einem auf: Müsste es eigentlich nicht schon längst regnen? Schnell das Smartphone gezückt, WarnWetter-App geöffnet und tatsächlich! Mittlerweile hatte der Regen nicht nur Frankfurt, sondern auch Offenbach erreicht – zumindest laut Radar. Am Boden kam davon aber nichts an und auch der Blick gen Westen deutete nicht wirklich auf Regen hin. Die Wolken wirkten allerdings an ihrer Unterseite etwas verwaschen.

Am Tag darauf zeigte das Radar erneut ein Regengebiet, das das Rhein-Main-Gebiet erfasst hat. Dieses Mal kam aber auch etwas am Boden an, wie die Messungen einiger Wetterstationen belegen.

DWD Wenn unten nichts ankommt...

as war denn da jetzt los? Radar kaputt? Nein, natürlich nicht. Sonst wäre der Text an dieser Stelle ja auch schon zu Ende. Den Grund dafür findet man, bei Betrachtung der vertikalen Schichtung der unteren Atmosphäre, genau genommen den Verlauf von Lufttemperatur und -feuchtigkeit mit der Höhe. Dafür nutzt man sogenannte Radiosonden. Bei einer Radiosonde handelt es sich um ein Gerät, das mit einem Sender und mehreren Messfühlern ausgestattetet ist. Angebunden an einen mit zumeist Heliumgas gefüllten Gummiballon, steigt die Radiosonde mit rund 300 Metern pro Minute in die Luft auf und misst dabei stetig Luftdruck, -feuchte und -temperatur sowie indirekt durch die Windverlagerung auch Geschwindigkeit und Richtung des Windes. Diese Daten werden über den Sender direkt an die Empfangsstation am Boden übermittelt. Kurz darauf stehen sie schließlich uns Meteorologen grafisch aufbereitet zur Verfügung und liefern zudem neben vielen weiteren Beobachtungsdaten die Basis für die Prognosen unserer Wettermodelle. Weitere Infos zu Radiosondenaufstiege finden Sie zum Beispiel auch im Thema des Tages vom 03.07.2020.

Schauen wir uns doch nun einmal den Radiosondenaufstieg am Beispiel von Idar-Oberstein von Mittwoch 19 Uhr an. Kurz zur Orientierung: Auf der linken Vertikalachse ist der Luftdruck in hPa und auf der Horizontalachse unten die Temperatur in Grad Celsius aufgetragen. Die Temperatur bleibt dabei entlang der roten Linien, die von unten nach schräg-rechts-oben verlaufen, konstant. Die Null-Grad-Linie ist blau eingefärbt. Den vertikalen Verlauf der Lufttemperatur stellt nun die durchgezogene schwarze Linie dar und der Taupunkt (Maß für die Luftfeuchtigkeit) wird durch die gestrichelte schwarze Linie repräsentiert. Liegen die beiden Linien, also Temperatur und Taupunkt, nah beieinander, ist die relative Luftfeuchtigkeit hoch, sind sie weit voneinander entfernt, ist sie niedrig.

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Verfolgt man die beiden Linien des Aufstiegs von Mittwoch 19 Uhr in Idar-Oberstein von oben nach unten, stellt man fest, dass sie zunächst relativ nah beieinander liegen, die relative Luftfeuchtigkeit also recht hoch ist. Erst ab etwa 750 hPa beginnen sie stark auseinanderzugehen mit einem Maximalabstand bei etwa 800 hPa (grob 2 km Höhe). Hier ist die Luft also relativ trocken und das ist der entscheidende Punkt: Der Regen, der sich darüber entwickeln konnte, hatte es nicht durch diese trockene Schicht geschafft, sondern ist verdunstet und kam daher nicht am Boden an.

Durch die Verdunstung wurde diese trockene Luft aber allmählich angefeuchtet und ist einige Stunden später – wie man am Radiosondenaufstieg von Donnerstag 13 Uhr sieht – verschwunden. Die Temperatur- und Taupunktslinien verlaufen nun fast durchweg recht eng beieinander, wodurch es der Regen nun problemlos bis zum Boden schaffte – was er übrigens auch in den kommenden Tagen immer wieder tun wird.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.03.2023
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Windige Sache

Subjektiv betrachtet bescherte uns das Jahr 2023 in Deutschland immer wieder Tage mit viel Wind, ohne dass es allerdings den ganz großen Sturm mit orkanartigen Böen ( 104 km/hBft 11) oder Orkanböen ( 118 km/hBft 12) gab (mit Ausnahme der Küste und der Berge). Dennoch entstand der Eindruck, dass es in diesem Jahr windiger ist als sonst. Aber stimmt das auch?

Um die Frage zu klären, hat der Autor des Textes die Statistik bemüht und Winddaten von etwa 550 Stationen in Deutschland ausgewertet. Des Weiteren wurde dafür empirisch ein sogenannter „Windtag“ definiert. An solch einem Tag sollen mindestens 50 % der Stationen mindestens eine Windstärke von 50 km/h (Bft 7) erreichen. Angewandt auf das Jahr 2023 kamen so bis zum 21. März 2023 20 Tage zusammen, an denen die Kriterien erfüllt waren.

Da das Jahr allerdings erst 80 Tage alt ist, klingt das zunächst nach viel. Im Vergleich zu den Vorjahren schrumpft die Zahl aber rasch zusammen. So ist in Abb. 1 zu erkennen, dass die dunkelblaue Linie (Windtage im Zeitraum 01.01. bis 21.03. eines Jahres) in diesem Jahr nicht besonders nach oben abweicht und nur knapp oberhalb des Mittels 2000 bis 2023 von 17,7 Tagen landet (hellblaue Linie). 2020 und 2022 beispielsweise hatten zum aktuellen Zeitpunkt im Jahr mit 33 bzw. 25 schon mehr Windtage. Die windschwachen 2010er-Jahre hingegen blieben fast alle unter dem Mittelwert. Am wenigsten Windtage gab es 2006 mit nur 2, am meisten 2002 mit 35.

 

DWD Windige Sache

Auf das ganze Jahr gesehen kann man im Mittel 42 Windtage erwarten (hellbraune Linie). 2007 bot mit 69 Windtagen das Maximum. Damals war im Prinzip jeder siebte Tag ein Windtag. Interessanterweise korrelieren die beiden dunklen Linien (außer 2016) ganz gut miteinander. Würde die Korrelation auch dieses Jahr stimmen, dürften es am Jahresende 35 bis 45 Windtage werden.

Dass die Statistik am Ende stimmt, dafür will die Natur in den kommenden Tagen einen Beitrag leisten. So erwarten uns ein windiger Freitag, dem ein noch windigerer Samstag folgt. Beide Tage dürften recht problemlos die an dieser Stelle definierten Kriterien des Windtages erfüllen. Ähnliches gilt für den Montag, womit dann 3 weitere Tage die 2023-Bilanz aufhübschen. Einen ausgewachsenen Sturm soll es aber weiterhin nicht geben.

Dipl.-Met Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.03.2023
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Ein klein wenig Poesie zum Start in den Frühling

Der „Welttag der Poesie“ wird seit dem Jahr 2000 begangen und steht unter der Schirmherrschaft der UNESCO und der Vereinten Nationen. Er betont die Bedeutung und die Vielfalt des Kulturguts Sprache und soll den interkulturellen Austausch fördern. Des Weiteren soll er dem Bedeutungsverlust der Poesie entgegenwirken. Insbesondere waren Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt traditionell dazu aufgefordert, Gedichte über Gewalt und Frieden zu verfassen und um 11:30 Uhr (MEZ) für den Frieden zu trommeln.
Das Wort „Poesie“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Erschaffung“. Es beschreibt die künstlerische Art, die Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache zu nutzen, um dem Adressaten Lebenserfahrungen und Weltdeutungen zu vermitteln. Gerne werden hierzu Verse und eine metaphorische Sprache verwendet.

Auch das Thema „Wetter“ findet sich in vielen Gedichten wieder. Ebenfalls in Reimform, aber meist kürzer und selten mit allerlei Stilmitteln ausgeschmückt, sind die allseits bekannten Bauernregeln. Bauernregeln sind alte Volkssprüche, die Auskunft über das Wetter und die Folgen für die Landwirtschaft geben sollen. Die Reimform erleichtert die Merkfähigkeit der eigentlichen Informationen und das Wissen konnte so gut an die Nachfahren weitergegeben werden. Zu den bekanntesten Bauernregeln gehören die Siebenschläfer-Regel und die Regeln zu den Hundstagen und der Schafskälte. Andere Regeln berücksichtigen keine festen Tage, sondern beziehen sich eher auf die Tier- und Pflanzenwelt (z.B. das viel zitierte „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter (oder es bleibt wie es ist)“) oder es sind einfach lustige kleine Gedichte ohne Bezug zur Wettervorhersage. Zwei Bauernregeln zum heutigen 21. März lauten unter anderem „An Sankt Benedikt achte wohl, dass man Hafer säen soll!“ oder „Willst du Erbsen und Zwiebeln dick, so säe sie an Sankt Benedikt!“

Auch bekannte Dichter und Denker verfassten mehr oder weniger kurze Reime zum Thema „Wetter“. Wilhelm Busch (1832-1908) schrieb beispielsweise „Der Weise äußert sich vorsichtig, der Narr mit Bestimmtheit über das kommende Wetter.“ Leider ist dies nicht nur beim Thema „Wetter“ so, dass sich vermeintliche Experten beziehungsweise diejenigen, die sich als solche erachten, am lautesten zu einem Thema äußern. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) nahm fast ernüchtert zur Kenntnis, dass „es regnen soll, wenn es regnen will, denn wenn es nicht mehr regnen will, so hört es auch von selber wieder auf.“ Dies wollte Mark Twain (1835-1910) nicht ganz so schulterzuckend hinnehmen und äußerte: „Alle Welt schimpft auf das Wetter, aber niemand tut etwas dagegen.“

Da der Frühling nun auch astronomisch begonnen hat, wird dieser Tatsache nun auch mit einem kleinen Frühlingsgedicht von Fred Endrikat (1890-1942) Rechnung getragen:

Früher Frühling

Zwischen Februar und März
Liegt die große Zeitenwende,
und, man spürt es allerwärts,
mit dem Winter geht`s zu Ende.
Schon beim ersten Sonnenschimmer
Steigt der Lenz ins Wartezimmer.
Keiner weiß, wie es geschah,
und auf einmal ist er da.
Manche Knospe wird verschneit
Zwar im frühen Lenz auf Erden.
Alles dauert seine Zeit,
nur Geduld, es wird schon werden.
Folgt auch noch ein rauher Schauer,
lacht der Himmel umso blauer.
Leichter schlägt das Menschenherz
zwischen Februar und März.

Neben dem „Welttag der Poesie“ ist heute zudem der Tag der Farbe, des Holzes und des Waldes. Grund genug also, die Gedichtsammlung oder das Poesiealbum erst am Abend herauszukramen und zuvor noch einen (Wald-)Spaziergang einzulegen, um die ersten Farben des Frühlings zu bewundern. Vor allem südlich der Donau ist dies sehr vielversprechend, denn Höchsttemperaturen von 16 bis 18 Grad und ein teils heiterer Himmel locken sicherlich den Einen oder die Andere nach draußen. Anders sieht es leider in der Nordhälfte aus. Dort zeigt sich die Sonne meist leider nicht am Himmel. Des Weiteren wurde und wird es dort von Westen her zunehmend regnerisch. Wer also die ersten Frühlingsboten möglichst trocken begrüßen möchte, trägt einen Schirm nicht ganz umsonst mit sich herum.

M.Sc. (Meteorologin) Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.03.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Kein Frühlingshoch in Sicht

Ach, wie war das schön am vergangenen Wochenende und teilweise auch in den letzten Tagen. Endlich mal etwas Sonne, gepaart mit angenehm warmen Temperaturen in weiten Teilen des Landes. Die 20-Gradmarke wurde am Freitag und Samstag an einigen Orten (z. B. Wolfach, Garmisch-Partenkirchen, Kitzingen) in Baden-Württemberg und Bayern geknackt. Gestern reichte es ebenfalls nochmals für milde 18,1 Grad in Regensburg (Bayern).

Zunächst bleibt es noch recht warm, denn auf der Vorderseite des Tiefs HILMAR draußen auf dem Nordwestatlantik wird mit einer lebhaften südwestlichen Strömung milde bis sehr milde, aber auch zunehmend feuchte Atlantikluft nach Deutschland geführt.

DWD Kein Fruehlingshoch in Sicht

Am heutigen Mittwoch kommt mit einem Tiefausläufer von Nordwesten bereits ein erster Schwall an feuchter Luft in Deutschland an. In der Nordwesthälfte regnet es dann zeitweilig ein wenig, während in der Südosthälfte die Sonne noch häufig zum Zuge kommt. Dort klettert das Thermometer südlich der Donau auf über 20 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der Regen ostsüdostwärts aus. Viel kommt allerdings nicht zusammen. Allenfalls im Norden und Nordwesten des Landes fallen bis Donnerstagmorgen um 10 Liter pro Quadratmeter. Gänzlich trocken bleibt es im Süden. Frost steht in der kommenden Nacht und in den darauffolgenden Nächten nicht auf der Agenda. Mitunter bleiben die Tiefstwerte sogar im zweistelligen Bereich.

Am Donnerstag zeigt sich die Sonne nur noch im Umfeld der Alpen etwas häufiger. Höchstwerte bis 22 oder gar 23 Grad lassen nochmal einen Biergartenbesuch zu. Ansonsten macht sich die Sonne eher rar, mit Höchstwerten zwischen 11 und 19 Grad ist es aber noch relativ mild. Die zeitweiligen Regenfälle aus der Nacht nehmen im Tagesverlauf zunehmend Schauercharakter an. Im Norden können ganz vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen werden. Den Regenschirm festzuhalten dürfte aber zunehmend problematisch werden, denn der Wind bläst recht kräftig aus südwestlichen Richtungen. Sturm herrscht auf den Bergen.

Am Freitag legt der Wind dann noch eine Schippe drauf. Bis ins Flachland drohen dann einzelne stürmische Böen um 65 km/hBft 8. Dabei zieht eine Kaltfront samt Regen über Deutschland hinweg und erreicht am Nachmittag auch die Alpen. Rückseitig der Kaltfront folgen bevorzugt im Westen noch einige, teils gewittrige Schauer nach.

DWD Kein Fruehlingshoch in Sicht 1

Typisches Aprilwetter im März gibt es dann am Samstag, denn dann wechseln sich dicke Quellwolken mit kurzen sonnigen Abschnitten ab. Aus den Quellwolken entwickeln sich immer wieder Schauer und kurze Gewitter. Der stürmische Südwest- bis Westwind tut sein Übriges, um einen ungemütlichen Wettereindruck entstehen zu lassen. Mit Ausnahme des Nordostens treten verbreitet stürmische Böen und Sturmböen zwischen 65 und 80 km/h (Bft 8 bis 9) auf. Die Temperaturen gehen deutlich zurück und es werden nur noch zwischen 9 und 14 Grad erreicht. Diese fühlen sich durch den starken Wind noch deutlich kühler an und statt Gartenarbeit kann getrost der Frühjahrsputz drinnen erfolgen.

Auch der Sonntag scheint eher herbstlich als frühlingshaft zu verlaufen. Verbreitet regnet es leicht bis mäßig und mitunter länger anhaltend. Trocken bleibt es voraussichtlich im äußersten Norden und Nordosten. Die Natur wird es danken. Akkumuliert kommen bis Montagmorgen in der Fläche meist zwischen 10 und 30 Liter pro Quadratmeter zusammen.

DWD Kein Fruehlingshoch in Sicht 2

In einigen Staulagen sind 50 bis 70 Liter pro Quadratmeter möglich. Deutliche Unterschiede ergeben sich am Alpenrand, wo laut GFS akkumuliert um 80 Liter pro Quadratmeter fallen sollen. Eine genaue Prognose ist demnach noch nicht zu geben.
Eins ist aber sicher, ein Frühlingshoch ist bis auf Weiteres nicht auf den Wetterkarten zu finden. Ganz im Gegenteil sind zu Beginn der kommenden Woche in den Mittelgebirgen wieder Flocken möglich. Die Winterjacke sollte demnach noch nicht eingemottet werden und weiter griffbereit sein.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.03.2023
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Die Entwicklung der Globalstrahlung

Die Globalstrahlung ist die auf der Erde empfangene solare Strahlung und gibt an, wie viel Energie der kurzwelligen Strahlung von der
Sonne auf der horizontalen Erdoberfläche ankommt. Sie setzt sich zusammen aus der direkten Strahlung und der diffusen Strahlung. Die diffuse Strahlung ist die an Luftmolekülen, Aerosolen und Wolken gestreute solare Strahlung. Die direkte Strahlung hingegen legt den kürzesten Weg durch die Atmosphäre zur Erdoberfläche zurück, ohne gestreut zu werden. Die Energieausbeute der Globalstrahlung variiert räumlich und zeitlich. Letztere ist unter anderem abhängig von der geografischen Breite, der Höhe über dem Meeresspiegel, der Jahres- und Tageszeit, den Wetterbedingungen und den Luftbeimengungen.

Im Januar 2023 veröffentlichte der DWD einen Bericht zur Entwicklung der Globalstrahlung in Deutschland im Zeitraum von 1983 bis 2020

Die Datenbasis für diesen Bericht sind Monatssummen der deutschlandweiten Globalstrahlung. Diese basieren auf Satellitendaten, die mit Bodenmesswerten aus dem Strahlungsmessnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verknüpft werden. Die Auflösung beträgt 1 x 1 km. Die Daten liegen in der Einheit Kilowattstunde pro Quadratmeter (kWh/m²) vor.

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Jahressumme der Globalstrahlung in Deutschland seit 1983 bis 2020 gestiegen ist. Der Anstieg der Globalstrahlung über den betrachteten Zeitraum kann verschiedene Ursachen haben. In diversen wissenschaftlichen Untersuchungen werden die Bewölkung und vom Menschen induzierte Aerosole in der Atmosphäre als zwei wichtige Faktoren genannt.

Der beobachtete Effekt des so genannten Brightening kann neben der Verbesserung der Luftqualität (u.a. Verringerung der Belastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid) durch eine Veränderung in der Bewölkung erklärt werden. Diese kann laut wissenschaftlicher Untersuchungen sowohl natürlichen Ursprungs sein und/oder durch den indirekten Effekt von anthropogenen Aerosolen auf die Wolkenbildung hervorgerufen werden.

Ein Anstieg der Globalstrahlung aufgrund erhöhter Sonnenaktivität lässt sich hingegen ausschließen. Die Sonnenaktivität unterliegt natürlichen 11-jährigen Schwankungen. Durch die komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Land ist es sehr schwierig, den exakten Einfluss der Sonnenaktivität auf das Klima zu bestimmen. Zudem beziehen sich die Schwankungen zum Großteil auf die ultraviolette Strahlung, welche bei der Messung der Globalstrahlung eine untergeordnete Rolle spielt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Anstieg der Globalstrahlung in Deutschland (wie auch differenziert in Europa) vermutlich durch das Zusammenspiel aus verbesserter Luftqualität und veränderten Wolkenmustern erklärt werden kann. Dennoch ist damit der Brightening-Effekt noch nicht vollständig erklärt, da weltweit nur wenige hinreichend lange Datenreihen zur Globalstrahlung vorliegen. Besonders über den Ozeanen und in Gebirgen ist das Datenaufkommen unzureichend.

Aus dem zitierten Bericht des DWD wurden lediglich Auszüge verwendet, hier lohnt sich jedoch ein intensiveres Nachlesen.

In Bezug auf den Einfluss der variablen Sonnenaktivität auf die Erdatmosphäre wird noch auf folgendes Tagesthema verwiesen –

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.03.2023

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Phänologie im Klimawandel – Teil 1: Verschiebung der phänologischen Jahreszeiten

Zwar wollte der Winter in der ersten Märzhälfte in Deutschland noch nicht ganz klein beigeben. Selbst dem Flachland brachte er nasskaltes Wetter mit Schnee- und Graupelschauern und regional wurde es auch nochmals weiß, insbesondere ab mittlere Höhenlagen. Die Vegetation ist dennoch bereits aus ihrem Winterschlaf erwacht. Nach einer extrem milden Witterungsperiode zum Jahreswechsel und in der ersten Januarhälfte begann im deutschlandweiten Mittel die Hasel bereits am 16. Januar zu blühen, in Nordrhein-Westfalen sogar schon am 10. Januar. Damit begann der Vorfrühling ebenso wie der Erstfrühling (in dem wir uns aktuell befinden) deutlich früher als „normal“, worauf im Thema des Tages vom Vortag bereits ausführlich eingegangen wurde. Aber was heißt in Zeiten der globalen Erwärmung eigentlich „normal“ oder anders ausgedrückt: Haben sich die Vegetationsperioden in Folge des Klimawandels in Deutschland mittlerweile verändert? Dieser Frage wollen wir im heutigen Thema des Tages nachgehen.

Mit Fragestellungen dieser Art beschäftigt sich der Fachbereich der „Phänologie“ (griechisch: „Lehre der Erscheinungen“). Die Phänologie untersucht die Entwicklung der Pflanzen und Tiere im Jahresverlauf, beispielsweise anhand der Eintrittszeiten für Blattentfaltung, Blüte und Fruchtreife (sog. Pflanzenphasen) unterschiedlicher Pflanzenarten.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) besitzt hierzu einen in seinem Umfang weltweit einzigartigen „Datenschatz“ aus Beobachtungen, die bis weit in die Vergangenheit zurückreichen. Dazu betreibt der DWD ein dichtes Beobachtungsmessnetz, bestehend aus ca. 1100 ehrenamtlichen Jahresmeldern. Sie dokumentieren kontinuierlich die Entwicklung bestimmter Pflanzen im Umkreis von 5 Kilometern und in gleicher Höhenlage um ihren Standort und melden diese Daten zum Jahresende dem DWD. Beispielsweise beobachten sie Jahr für Jahr eine bestimmte Buche und notieren, wann diese im Frühjahr austreibt oder im Herbst ihre Blätter abwirft. Es können bis zu 168 Pflanzenphasen beobachtet werden und die Daten reichen bis 1951 zurück, an einigen Orten sogar bis ins 19. Jahrhundert.

Eine Untergruppe der Jahresmelder (zurzeit 317 Beobachter) sind zusätzlich als Sofortmelder tätig. Sie beobachten die frühesten Pflanzen, also beispielsweise die früheste Forsythie, die in ihrem Umkreis zu blühen beginnt und melden dies sofort dem DWD. Diese Daten reichen für insgesamt 83 Pflanzenphasen bis ins Jahr 1992 zurück.

Seit kurzem können auch Sie mit der Vollversion der Warnwetter-App des DWD Pflanzenmeldungen aus ihrer Region abgeben und diese mit Fotos belegen. Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Beobachtungen beim Sonntagsspaziergang oder auf dem Weg mit dem Rad zur Arbeit mit uns teilen und damit unserem einzigartigen Datensatz erweitern.

DWD Phaenologie im Klimawandel – Teil 1 Verschiebung der phaenologischen Jahreszeiten

Mithilfe all dieser Beobachtungsdaten kann das Jahr in phänologische Jahreszeiten unterteilt werden, die man anschaulich mit der „Phänologischen Uhr“ darstellen kann (Abb. 1 bis 3). Dazu werden im Uhrzeigersinn die zehn phänologischen Jahreszeiten Vor-, Erst- und Vollfrühling, Früh-, Hoch- und Spätsommer, Früh-, Voll- und Spätherbst sowie der phänologische Winter aufgetragen. Auf die beiden erstgenannten sind wir ja bereits eingegangen. Jede dieser Jahreszeiten wird durch eine bestimmte Leitphase eröffnet (z.B. die Haselblüte für den Vorfrühling, die Holunderblüte für den Frühsommer oder die Blattverfärbung der Stiel-Eiche für den Spätherbst). Den aktuellen Zeigerstand der Phänologischen Uhr für Ihr Bundesland im Vergleich zum vieljährigen Mittel können Sie hier abrufen.

DWD Phaenologie im Klimawandel – Teil 1 Verschiebung der phaenologischen Jahreszeiten 1

DWD Phaenologie im Klimawandel – Teil 1 Verschiebung der phaenologischen Jahreszeiten 2

Kommen wir nun zur Ausgangsfrage zurück, ob sich die Vegetationsperioden durch den Klimawandel in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Abbildung 1 vergleicht für Deutschland den Jahresverlauf und die Dauer der phänologischen Jahreszeiten während der Periode 1961-1990 (äußerer Ring) mit der aktuelleren Periode 1991-2020 (innerer Ring). Dabei fällt sofort auf, dass in den Jahren 1991-2020 der Vorfrühling, definiert durch den Beginn der Haselblüte, deutlich früher beginnt als in der vorherigen Periode 1961-1990. Während der Vorfrühling damals durchschnittlich erst am 3. März anklopfte, fing die Haselblüte in der neueren Periode schon mehr als zwei Wochen früher (am 14. Februar) an zu blühen. Diese Verfrühung ist auch bei den meisten anderen phänologischen Jahreszeiten erkennbar. Der Spätherbst (Blattverfärbung der Stiel-Eiche) und der Winter (Blattfall der Stiel-Eiche) haben sich aber nur geringfügig nach hinten verschoben. Vor allem bedingt durch die milder werdenden Winter ist die Vegetationsruhe (phänologischer Winter) mittlerweile deutlich kürzer (1961-1990: 120 Tage, 1991-2020: 101 Tage). Dieser Trend hin zu einem früheren Frühlingserwachen und einem zeitlich nach vorne verschobenem Sommer wird in allen Regionen Deutschlands beobachtet, sodass der Klimawandel in Deutschland längere Vegetationsperioden zur Folge hat. Es gibt jedoch regionale Unterschiede, insbesondere beim Frühlingsbeginn (Abb. 2 und 3). In Ostdeutschland beginnt der Vorfrühling üblicherweise später als im Westen. So ist in Nordrhein-Westfalen mittlerweile schon am 5. Februar und in Sachsen „erst“ am 22. Februar mit dem Beginn der Haselblüte zu rechnen. Damit hat sich in Nordrhein-Westfalen die Winterruhe von 109 (1961-1990) auf 91 Tage (1991-2020) und in Sachsen von 130 auf 111 Tage verkürzt.

DWD Phaenologie im Klimawandel – Teil 1 Verschiebung der phaenologischen Jahreszeiten 3

Diese Veränderungen sind eng mit steigenden Temperaturen verknüpft, wie man am Beispiel von Geisenheim im Rheingau eindrucksvoll erkennen kann. Diese besonders wertvolle Zeitreihe haben wir schon im gestrigen Tagesthema vorgestellt. Dort reichen sowohl phänologische als auch Wetterdaten bis Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Abbildung 4 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Beginn der Schlehenblüte und der Temperaturabweichung zum vieljährigen Mittel von Januar bis April. Wie man sieht, beginnt in der Regel die Schlehenblüte in Jahren mit negativer Temperaturabweichung später als im Mittel (in Geisenheim am 3. April) und umgekehrt. Zudem ist klar zu erkennen, dass seit den 1990ern die Schlehenblüte in Geisenheim durchschnittlich zwei bis drei Wochen früher beginnt, was ebenfalls gut mit den wärmeren Temperaturen zwischen Januar und April korreliert.

Im zweiten Teil gehen wir der Frage nach, welchen Einfluss der frühere Vegetationsbeginn auf die Wahrscheinlichkeit für Schadfröste im Obstbau hat.

 

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Vorhersage- und Beratungszentrale

Fachliche Unterstützung:
Bianca Plückhahn
Abteilung Agrarmeteorologie

Deutscher Wetterdienst
Offenbach, den 19.03.2023
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Phänologie und Temperatursummen

Einleitung – Wozu sind Maßzahlen und die Phänologie wichtig?

Zur Beurteilung der sommerlichen oder winterlichen Witterung, kann man sich verschiedener Maßzahlen bedienen. Um die Strenge eines Winters einordnen zu können, nutzt man beispielsweise die Kältesumme – Die Summe aller negativen Tagesmitteltemperaturen über einen bestimmten Zeitraum. Darüber wurde beispielsweise im Thema des Tages vom 07.02.2022 geschrieben. Das Gegenstück dazu ist die sogenannte Wärmesumme, die einfach alle positiven Tagesmitteltemperaturen aufsummiert.
Zur Beurteilung des aktuellen Zustandes der Vegetation kann die Phänologie genutzt werden, die sich mit jährlich wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen in der Natur befasst. Bestimmte Maßzahlen und phänologische Erscheinungen sind für den Landwirt und Hobbygärtner wichtige Orientierungspunkte, um den Fortschritt der Vegetation einordnen zu können und darauf basierend seine gärtnerischen Arbeiten zu planen.

Von Phänologischen Jahreszeiten

Zunächst soll es ein paar Erläuterungen zur Phänologie und der Einordnung des aktuellen Zustandes der Natur geben. Es gibt insgesamt zehn phänologische Jahreszeiten: Winter, Vorfrühling, Erstfrühling, Vollfrühling, Frühsommer, Hochsommer, Spätsommer, Frühherbst, Vollherbst und Spätherbst.
Im Gegensatz zu den meteorologischen und kalendarischen Jahreszeiten gibt es beim phänologischen Kalender keine festgeschriebenen Daten. Vielmehr orientiert sich der Beginn einer Jahreszeit an bestimmten Zeigerpflanzen. Ein Netz von etwa 400 Sofortmeldern meldet tagtäglich den aktuellen Entwicklungsstand der Pflanzenwelt.
Derzeit befinden wir uns beispielsweise im Erstfrühling, dessen Beginn durch die Blüte der Forsythie angezeigt wird. Der darauffolgende Vollfrühling beginnt dann schließlich mit Beginn der Apfelblüte. Im vieljährigen Mittel von 1991 bis 2020 ist dies normalerweise am 26.April soweit (1961-1990: 08. Mai).

DWD Phaenologie und Temperatursummen

Zeitiger Start des Erstfrühlings

Der Erstfrühling ist in diesem Jahr schon sehr zeitig gestartet. Während im vieljährigen Mittel der Start für den 25. März angesetzt ist, ging es im Flächenmittel über Deutschland in diesem Jahr schon am 10.03.2023 los. Damit startete die Blütezeit der Forsythie bereits 15 Tage früher als üblich. Im Vergleich zu 1961 bis 1990 (07. April) sind es sogar ganze 28 Tage und damit fast einen Monat eher. Im Südwesten Deutschlands war der Blühbeginn in bevorzugten Gebieten sogar nochmal deutlich früher. Die langjährige Messreihe aus Geisenheim meldete in diesem Jahr bereits am 20.Februar den Auftakt zur Forsythienblüte. Das war einer der frühesten Zeitpunkte seit Beginn der Aufzeichnungen, nur noch getoppt vom Jahr 2002 (09. Februar). Die Zeitreihe von Geisenheim zeigt sehr deutlich den Sprung zwischen 1961-1990 und 1991-2020. Auch erkennt man, dass sich in den letzten zehn Jahren die Verfrühung weiter fortgesetzt hat.

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Über Deutschland gibt es natürlich große Unterschiede zwischen klimatisch bevorzugten Gebieten und Regionen mit einer gemeinhin kühleren Witterung. In Bayern ist der Erstfrühling zum Beispiel noch nicht überall angekommen. Und neben der Lage in Deutschland entscheidet natürlich auch die Höhenstufe über den Werdegang der Natur.

Abschließend sei bemerkt, dass mittlerweile auch alle Nutzer der WarnwetterApp Meldungen zum aktuellen Entwicklungsstand an ihrem Ort absetzen können. Siehe dazu auch:

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Grünlandtemperatur

Eine andere Möglichkeit den Entwicklungsstand der Natur objektiv zu beurteilen sind verschiedene Temperaturmaße. Ein Klassiker ist die Grünlandtemperatur. Diese Temperatursumme ist der oben angesprochenen Wärmesumme sehr ähnlich. Auch bei dieser Maßzahl werden die positiven Tagesmitteltemperaturen addiert, aufgrund des geringeren Sonnenstandes werden diese allerdings im Januar noch mit dem Faktor 0.5 und im Februar mit 0.75 multipliziert.
Mit langjährigen Beobachtungen kann man schließlich anhand der Summe Abschätzungen machen, wie weit die Pflanzenwelt gerade ist. Eine wichtige Schwelle ist die 200 K Marke, die allgemein als Vegetationsbeginn angesehen wird. Dies ist auch der Zeitpunkt, wenn man in aller Regel die Düngeausgabe beginnt. Startet man früher ist der Dünger von der Bodenwelt nicht umsetzbar und geht unnötig verloren.
Den aktuellen Stand der Grünlandtemperatursumme in Deutschland erkennt man anhand ausgewählter Stationen in Deutschland. Mancherorts sind bereits Werte bis 300 K erreicht, während im Südosten und Nordosten noch nicht überall der Vegetationsbeginn erreicht ist. Im höheren Bergland ist man natürlich noch recht weit davon entfernt.

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Korrelation Grünlandtemperatur und Phänologie

Dass es einen Zusammenhang zwischen Phänologie und der Grünlandtemperatursumme gibt, lässt sich erkennen, wenn man den Beginn der Forsythienblüte mit dem Start der Vegetationsperiode (Grünlandtemperatursumme 200 K) vergleicht. Die Unterschiede (mal früher, mal später als Erreichen der 200 K Marke) zeigen aber auch, dass nicht die Temperatur allein über die Entwicklung der Natur entscheidet. Einfluss haben auch Faktoren wie Sonne und Niederschlag oder auch vorübergehende Unterbrechungen in der Natur durch spätwinterliche Einbrüche.

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Verschiebungen Forsythienblüte und Vegetationsbeginn

Auffällig ist auf jeden Fall, dass in der Vergangenheit die Forsythienblüte in der Regel erst nach Erreichen der magischen 200 K- Marke einsetzte (1961-1990), während 1991 bis 2020 der Blühbeginn (zum auch deutlich) vor dem allgemeinen Vegetationsbeginn eingesetzt hat. Ein möglicher Grund dafür könnte die deutliche Zunahme der Sonnenscheindauer im Frühjahr sein.

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Aufsummierte Grünlandtemperatur am Beispiel Frankfurt am Main

Die vorübergehenden spätwinterlichen Kaltlufteinbrüche lassen sich auch gut bei der Betrachtung der Entwicklung der Grünlandtemperatursumme für Frankfurt am Main verfolgen. In der Grafik sind alle Jahre seit 1988 dargestellt, wobei einige kalte und warme Jahre sowie die Jahre seit 2020 bunt eingefärbt wurden. Der bisherige Rekord für die Grünlandtemperatursumme bis 31. März, stammt aus dem Jahr 1994 und das trotz einer mehr als 10-tägigen Pause rund um die zweite Februardekade.

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Andere Maßzahlen

Zu guter Letzt gibt es noch einige andere gern verwendete Maßzahlen. So gibt es noch die sogenannten Wachstumsgradtage, mit den ebenfalls bestimmte phänologische Erscheinungen von Pflanzen vorhergesagt werden können. Die Berechnung dieser Maßzahl ergibt sich als Durchschnitt aus täglicher Minimum- und Maximumtemperatur in Differenz zu einem Basiswert von 10 Grad. Positive Werte werden fortwährend aufsummiert.
Für die Sommermonate wird gerne auch eine andere Wärmesumme berechnet. Dabei werden die Tagesmitteltemperaturen addiert und die Differenz zu 20 Grad genommen. Diese Summe dient dann als Anhaltspunkt zur Prognose der Reife von landwirtschaftlichen Produkten.

So nun aber genug von Maßzahlen und Statistiken … auf in den Garten oder die Natur!

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.03.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Mildes und zunehmend feuchtes Frühlingswochenende

Den heutigen Freitag verbringt Deutschland im Übergangsbereich: Östlich von uns befindet sich Hoch JEANINE, das seinen Schwerpunkt langsam Richtung Russland verlagert; und beim Blick gen Westen prangt auf der Wetterkarte ein umfangreicher Tiefdruckkomplex namens GERSON, der gleich mit zwei Tiefzentren (bei Irland und vor der Norwegischen Küste) aufwartet. Während das Hoch sich allmählich nach Osten verabschiedet, kommt der Tiefdruckeinfluss von Westen peu à peu näher.

DWD Mildes und zunehmend feuchtes Fruehlingswochenende

Zum einen führt diese Konstellation dazu, dass auf der Vorderseite des Tiefs mit einer südlichen Strömung sehr milde Luft nach Deutschland geführt wird (Höchstwerte grob zwischen 15 und 20 °C). Zum anderen gelangt von Westen aber auch zunehmend feuchte Luft zu uns, wodurch die Schauer- und Gewitterneigung von Tag zu Tag zunimmt.

Nun aber zum Wetter an sich:

Am heutigen Freitag macht sich vielerorts noch Hoch JEANINE mit vielen Sonnenstunden bemerkbar, auch wenn zeitweise Wolkenfelder vorüberziehen. Am Nachmittag und Abend kann es im Westen und Nordwesten erste Tropfen in Form von schwachen Schauern geben, viel ist aber nicht zu erwarten. Die Temperaturen steigen im Küstenumfeld und im Nordosten auf 10 bis 14 °C, sonst auf sehr milde 15 bis 21 °C, wobei im Südwesten die höchsten Werte erreicht werden.

Am Samstag ist das Wetter zweigeteilt: Der Süden profitiert nach wie vor vom Hochdruckeinfluss, das heißt, dort steht dem Frühjahrsputz bei Sonne und Temperaturen an die 20 °C nichts im Wege. Im Norden und der Mitte gibt es einen Mix aus Sonne und Wolken, wobei letztere den dominanteren Part am Himmel haben. Hinzu kommt eine steigende Schauerneigung – vor allem nordwestlich einer Linie Saarland-Rügen. Einzelne Gewitter sind ebenfalls drin, wobei diese aufgrund des hohen Feuchtegehalts der Atmosphäre auch schnell mal mit Starkregen einhergehen können. Wenn’s von oben nass wird, ist aber eine „warme Dusche“ zu erwarten, steigen die Temperaturen doch auch in der Nordhälfte auf Werte zwischen 15 und 19 °C.

Am Sonntag hat GERSON dann vollends das Zepter in der Hand: Zwar gibt es immer mal wieder sonnige Abschnitte und nicht überall werden die Regentonnen gefüllt, dennoch überwiegt insgesamt der wolkige und wechselhafte Charakter. Im Vergleich zum Samstag gibt es auch verbreiteter Schauer und Gewitter, auch wenn diese nicht die „große Hausnummer“ sein werden. Die Höchstwerte gehen mit 13 bis 17 °C etwas zurück, liegen aber für März immer noch auf einem hohen Niveau.

Und ein kurzer Blick auf den Start in die neue Woche: Insgesamt gestaltet sich das Wetter wieder relativ ruhig. Während vor allem der Norden von schwachen Störungen beeinflusst wird und es dort auch mal regen kann, setzt sich nach Süden zu oft heiteres, trockenes und vor allem sehr mildes Wetter durch.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.03.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Kopfschmerzen, Schwindel, Unwohlsein – kommt´s vom Wetter?

Unter Wetterfühligkeit versteht man im Allgemeinen die wetterbedingte Veränderung des körperlichen und seelischen Allgemeinbefindens. Die Beschäftigung mit ihr reicht weit zurück. Bereits der griechische Arzt Hippokrates (460-370 vor Christus) wusste seinerzeit davon zu berichten.

Ein Blick in unseren Körper zeigt, dass im Inneren eine Temperatur von etwa 37 Grad herrschen muss, damit unsere Organe optimal funktionieren. Kommt es beispielsweise zu einem Wetterumschwung, der mit einer Temperaturänderung einhergeht, muss der Körper entsprechend auf diese Änderung reagieren. Dies geschieht durch die Regulation des vegetativen Nervensystems, was wiederum Auswirkungen auf den Hormonhaushalt hat.

Nun gibt es Menschen, die von dieser körpereigenen Anpassung überhaupt nichts mitbekommen, aber auch andere, an denen das Ganze nicht einfach so spurlos vorübergeht.
Zu welcher Personengruppe man gehört, ist von zwei Dingen abhängig:
Zum einen von der Anpassungsfähigkeit des eigenen Organismus und zum anderen von der Intensität des Wettereinflusses (je stärker die Wetteränderung, desto größer die Auswirkungen auf die Gesundheit). Wetterfühlige Menschen besitzen ein sehr empfindliches Nervensystem, dessen Reizschwelle bei Luftdruck- und/oder Temperaturänderungen schnell überschritten wird.

In einer Studie zum Thema Wetterfühligkeit, die vom Deutschen Wetterdienst im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt wurde, gaben von 1623 Befragten 50 % an, dass das Wetter einen Einfluss auf ihre Gesundheit habe.

Die häufigsten Symptome waren dabei Kopfschmerzen und Migräne (59 %), Müdigkeit (55 %), Abgeschlagenheit (49 %), Gelenkschmerzen (42 %) und Schlafstörungen (40 %). 29 % der Wetterfühligen waren im Jahr vor der Befragung mindestens einmal nicht in der Lage, ihrer normalen Tätigkeit nachzugehen.

Diverse Studien zu diesem Thema ergaben auch, dass vor allem kurzfristige Wetteränderungen wie zum Beispiel die mit der Passage von Tiefdruckausläufern verbundenen Luftmassenwechsel bei Wetterfühligen für Beschwerden sorgen.
Dagegen ist im Bereich eines Hochdruckzentrums die geringste negative Beeinflussung der menschlichen Gesundheit zu finden, sofern gleichzeitig keine thermische oder lufthygienische Belastung vorliegt (Bucher, 1993).

In den heutigen Grafiken ( siehe Link 1) des Deutschen Wetterdienstes, in denen täglich für die erste und zweite Tageshälfte des aktuellen sowie der zwei Folgetage Gefahrenindizes für die Wetterfühligkeit in Deutschland dargestellt werden, zeigt sich genau der Ansatz dieser Studien. Im Nordwesten ist ein erhöhter Einfluss für Wetterfühlige zu erkennen, denn dort streift ein Tiefausläufer das Vorhersagegebiet. Je weiter man nach Südosten und Osten vorankommt, umso geringer wird dieser Einfluss. Das liegt daran, dass sich über Ost- und Südosteuropa das Hochdruckgebiet JEANINE befindet.

Morgen früh erfasst dieser Tiefausläufer dann den Norden und sorgt dort für eine recht hohe Gefährdung. Auch im Osten und Südosten ist die gesundheitliche Beeinträchtigung für Wetterfühlige stark ausgeprägt. Dies dürfte wahrscheinlich an den großen Temperaturunterschieden zwischen den Früh- und Mittagsstunden liegen. Im weiteren Tagesverlauf nimmt der Einfluss des Wetters auf die Gesundheit dann allgemein ab.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst