Wenn unten nichts ankommt…

Vergangenen Mittwochnachmittag: Papa holt den Sohnemann von der Kita ab. Jetzt noch schnell einen Abstecher auf den Spielplatz bevor es demnächst anfängt zu regnen. Das Radar zeigt nämlich ein von Westen auf Offenbach zuziehendes Regengebiet. Und wie sooft vergeht die Zeit dann doch schneller als man denkt und plötzlich fällt einem auf: Müsste es eigentlich nicht schon längst regnen? Schnell das Smartphone gezückt, WarnWetter-App geöffnet und tatsächlich! Mittlerweile hatte der Regen nicht nur Frankfurt, sondern auch Offenbach erreicht – zumindest laut Radar. Am Boden kam davon aber nichts an und auch der Blick gen Westen deutete nicht wirklich auf Regen hin. Die Wolken wirkten allerdings an ihrer Unterseite etwas verwaschen.

Am Tag darauf zeigte das Radar erneut ein Regengebiet, das das Rhein-Main-Gebiet erfasst hat. Dieses Mal kam aber auch etwas am Boden an, wie die Messungen einiger Wetterstationen belegen.

DWD Wenn unten nichts ankommt...

as war denn da jetzt los? Radar kaputt? Nein, natürlich nicht. Sonst wäre der Text an dieser Stelle ja auch schon zu Ende. Den Grund dafür findet man, bei Betrachtung der vertikalen Schichtung der unteren Atmosphäre, genau genommen den Verlauf von Lufttemperatur und -feuchtigkeit mit der Höhe. Dafür nutzt man sogenannte Radiosonden. Bei einer Radiosonde handelt es sich um ein Gerät, das mit einem Sender und mehreren Messfühlern ausgestattetet ist. Angebunden an einen mit zumeist Heliumgas gefüllten Gummiballon, steigt die Radiosonde mit rund 300 Metern pro Minute in die Luft auf und misst dabei stetig Luftdruck, -feuchte und -temperatur sowie indirekt durch die Windverlagerung auch Geschwindigkeit und Richtung des Windes. Diese Daten werden über den Sender direkt an die Empfangsstation am Boden übermittelt. Kurz darauf stehen sie schließlich uns Meteorologen grafisch aufbereitet zur Verfügung und liefern zudem neben vielen weiteren Beobachtungsdaten die Basis für die Prognosen unserer Wettermodelle. Weitere Infos zu Radiosondenaufstiege finden Sie zum Beispiel auch im Thema des Tages vom 03.07.2020.

Schauen wir uns doch nun einmal den Radiosondenaufstieg am Beispiel von Idar-Oberstein von Mittwoch 19 Uhr an. Kurz zur Orientierung: Auf der linken Vertikalachse ist der Luftdruck in hPa und auf der Horizontalachse unten die Temperatur in Grad Celsius aufgetragen. Die Temperatur bleibt dabei entlang der roten Linien, die von unten nach schräg-rechts-oben verlaufen, konstant. Die Null-Grad-Linie ist blau eingefärbt. Den vertikalen Verlauf der Lufttemperatur stellt nun die durchgezogene schwarze Linie dar und der Taupunkt (Maß für die Luftfeuchtigkeit) wird durch die gestrichelte schwarze Linie repräsentiert. Liegen die beiden Linien, also Temperatur und Taupunkt, nah beieinander, ist die relative Luftfeuchtigkeit hoch, sind sie weit voneinander entfernt, ist sie niedrig.

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Verfolgt man die beiden Linien des Aufstiegs von Mittwoch 19 Uhr in Idar-Oberstein von oben nach unten, stellt man fest, dass sie zunächst relativ nah beieinander liegen, die relative Luftfeuchtigkeit also recht hoch ist. Erst ab etwa 750 hPa beginnen sie stark auseinanderzugehen mit einem Maximalabstand bei etwa 800 hPa (grob 2 km Höhe). Hier ist die Luft also relativ trocken und das ist der entscheidende Punkt: Der Regen, der sich darüber entwickeln konnte, hatte es nicht durch diese trockene Schicht geschafft, sondern ist verdunstet und kam daher nicht am Boden an.

Durch die Verdunstung wurde diese trockene Luft aber allmählich angefeuchtet und ist einige Stunden später – wie man am Radiosondenaufstieg von Donnerstag 13 Uhr sieht – verschwunden. Die Temperatur- und Taupunktslinien verlaufen nun fast durchweg recht eng beieinander, wodurch es der Regen nun problemlos bis zum Boden schaffte – was er übrigens auch in den kommenden Tagen immer wieder tun wird.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.03.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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