Jahresvorausschau 2025

Und schon wieder ist ein Jahr so gut wie Geschichte. 2025 ist kurz davor, seine Schicht anzutreten. Bekanntermaßen soll man seinen Blick ja stets nach vorne richten, also gönnen wir unserer Phantasie doch einfach mal etwas Auslauf und schauen uns an, was das neue Jahr so alles zu bieten haben könnte. Der Ernst wird dabei wie gehabt auf die Auswechselbank verbannt und durch seinen Kollegen „Nonsens“ ersetzt. 😉

Januar:
Da den Text-Wetterberichten immer weniger Bedeutung zugesprochen wird, stellt sie der DWD kurzerhand ein. Mit Hilfe von KI soll stattdessen für jeden Prognosetag ein Symbol entwickelt werden, dass den gesamten Wetterablauf des jeweiligen Tages darstellt.

Februar:
Nach der wochenlangen, hochdruckgeprägten Dauerfrostlage zu Beginn des Jahres folgt ab Mitte Februar ein regelrechter Verschleiß an Tiefdruckgebieten: „Erwin“, „Felix“, „Gilles“, „Heiko“, „Ivo“, „Julian“ und „Kevin“ sorgen für stürmisches und wechselhaftes Wetter. In Südbaden und am Alpenrand wird die 20-Grad-Marke geknackt!

März:
Tief „Orkan“ taucht auf der Wetterkarte auf, müsste, was das Wetter angeht, aber eher Tief „schwache Brise“ heißen: Ein paar Wolken, etwas Regen, mehr nicht… Trotzdem wird „Orkan“ in Sachen medialer Berichterstattung unter den Top-3-Tiefs des Jahres landen.

April:
Kein Aprilscherz: Direkt zum Monatsstart verzeichnet Ohlsbach (Oberrheingraben) den ersten heißen Tag des Jahres mit exakt 30,0 Grad – neuer Deutschlandrekord in Sachen frühester Hitzetag! Der Osterhase stellt seine Produktkette von Eiern auf Kokosnüsse um.

Mai:
150 Jahre Meterkonvention! Zur Feier dieses Ereignisses führen zahlreiche Wetterdienste eine neue Maßeinheit zur Abschätzung der Unsicherheit einer Prognose ein. Auf der zehnteiligen Schmetter-Ling-Skala (benannt nach den beiden Entwicklern Dr. Schmetter und Dr. Ling) bedeutet 1 SL eine sehr sichere Vorhersage, während 10 SL mit freiem Würfeln zu vergleichen ist.

Juni:
Pünktlich zum offiziellen Start der atlantischen Hurrikansaison stellt Hurrikan „Andrea“ einen neuen Rekord auf: Noch nie gab es so früh in der Saison einen Kategorie-5-Wirbelsturm – zum Glück nur über Wasser!

Juli:
Mehrtägige Hitzewelle in Deutschland! Örtlich steigt die Temperatur auf über 40 Grad. Ob es für einen neuen Deutschlandrekord reicht ist allerdings noch unklar. Kein Wunder bei einer Vorhersageunsicherheit von 6 Schmetter-Ling.

August:
Nach einem nassen Monatswechsel mit markantem Kaltfrontdurchgang sorgen besonders im Norden Deutschlands Perseiden und Polarlichter bei klaren Nächten für ein wahres Himmelsspektakel. Da wird es selbst im Matsch zu Wacken richtig romantisch.

September:
Perfekte Bedingungen in Florida für den Start des bemannten Raumflugs zum Mond im Rahmen der Artemis 2 Mission. Uns erreichen nicht nur spektakuläre Aufnahmen des Erdtrabanten, sondern auch von Humberto, dem zweiten Kat.-5-Hurrikan der Saison.

Oktober:
Föhn ohne Ende! Tagelang Höchstwerte über 20 Grad am Alpenrand lassen Wärmeliebhaber in Reit im Winkl vor Freude im Dreieck springen.

November:
Nach 10-monatiger Testphase kommt der DWD zu dem Schluss, dass das sommerliche Sonne-Wolken-Gewitter-Regen-Hagel-Sturm-Hitze-Symbol (kurz: Sowogerehasthi) wie auch das winterliche Sonne-Wolken-Schnee-Regen-Glätte-Sturm-Frost-Nebel-Symbol (kurz: Sowoschreglstfrne) zu Verwirrung und Fehlinterpretation in der Bevölkerung führt. Ein Lösungsansatz: Den Wetterablauf mit einer Aneinanderreihung prägnanter Wörter zu beschreiben, quasi so etwas wie ein Bericht.

Dezember:
Kurzer aber knackiger Wintereinbruch in der ersten Monatsdekade! Dem Nikolaus fällt vor Ungläubigkeit beinahe der Cocktail aus der Hand. Ob er es schafft, seine dicken Winterklamotten wieder aus dem Altkleidercontainer zu fischen?

Nun ja, wie auch immer die Nikolausgeschichte ausgehen mag, der Autor wünscht Ihnen auf jeden Fall und auch im Namen des gesamten Thema-des-Tages-Teams einen guten und vor allen Dingen gesunden Rutsch ins neue Jahr

 

DWD Jahresvorausschau 2025

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Wetterextreme 2024 Teil 2

August: Schwül mit häufigen Gewittern

Auch im August herrschte eine stärker mäandrierende Westwetterlage vor. Frontdurchgänge mit Gewitter, danach kurze Zwischenhochabschnitte anschließende Tiefvorderseiten mit sehr schwüler Subtropikluft und erneuten lokalen Gewittern prägten das Bild. Die erste schwere Gewitterlage trat am 1. August auf. An einer Superzelle am Oberrhein wurden bis zu 5 cm großer Hagel gemeldet. Zudem wurde an einer Station in Nordhessen in Trendelburg innerhalb von nur 12 Stunden über 150 l/qm registriert. Auch der 13.08. brachte lokale Überschwemmungen und größeren Hagel. Die nächste Gewitterlage ließ am 18.08. nicht lange auf sich warten. Betroffen war die Südosthälfte mit lokalen Starkregenspitzen bis 100 mm, die vor allem in Südbayern und Sachsen zu lokalen Überschwemmungen führten. Am 24.08. brachten Gewitter an der Nordsee orkanartige Böen. Großräumige Unwetter blieben jedoch aus. Der August war etwas zu warm, im Nordosten deutlich zu trocken, sonst waren die Niederschlagsmengen normal. Damit war der Sommer im Vergleich zum Klimamittel 1991-2020 eher durchschnittlich, zeitweise recht unbeständig, phasenweise sehr schwül, größere Hitzewellen blieben aber aus und großräumige Schwergewitterlagen blieben die Ausnahme.

September: Nach heißem Beginn, Temperatursturz in den Herbst

Der September begann schwül und heiß mit einer Hitzewelle. Starke Gewitter waren fast tägliche Begleiter. Am 08.09. beendete eine Kaltfront mit heftigen Starkregenfällen vor allem in der Mitte das Sommerwetter. Von da an begann der Herbst mit einer wechselhaften und kühleren Witterungsphase, die von häufigen Tiefdruckgebieten geprägt war. Am 12.09. zog ein Tiefdruckgebiet auf einer Vb-artigen Zugbahn, wurde dabei aber rückläufig und sorgte für verheerende Regenfälle mit großem Hochwasser in Österreich und Tschechien. Der Südosten Bayerns und Sachsens wurde dabei von den stärksten Niederschlägen „nur“ gestreift. Im Berchtesgadener Land fielen teilweise über 140 mm. In der Nacht zum 15.09. sorgte ein Kaltlufteinbruch in der Mitte und im Westen für den ersten Bodenfrost. Der Südwesten und der Alpenrand waren erneut von ergiebigen Niederschlägen betroffen. Oberhalb von 800 m kehrte in den Alpen der Winter ein. In Lagen über 1500 m fiel mehr als ein halber Meter Schnee. Die tiefe Schneefallgrenze verhinderte aber ein größeres Hochwasser. Vom 20. bis 23.09. wurde es wieder deutlich wärmer. Es folgten die letzten Sommertage, die am 24. mit kräftigen Gewittern endeten. Anschließend entwickelten sich am 25.09. in Nordrhein-Westfalen aus vergleichsweise schwachen, aber dynamischen Gewitterzellen gleich 3 Tornados. Die letzten Septembertage waren durchwachsen und herbstlich. Der September ging als etwas zu warmer, aber auch als deutlich zu nasser Monat in die Geschichtsbücher ein.

Oktober: Die erste länger andauernde Hochdruckphase

Im Oktober wechselten sich zunächst Tiefdruckgebiete mit nur kurzen Hochdruckphasen ab. Es blieb zunächst mäßig warm. Am 10.10. brachte ein kleinräumiges Sturmtief im Süden in den Hochlagen einzelne Orkanböen und im Westen Dauerregen. Zur Monatsmitte stellte sich die Wetterlage um. An der Westflanke eines sich immer wieder regenerierenden Hochdruckgebietes wurde für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Luft herangeführt. Es war die erste längere Hochdruckphase seit mehr als einem Jahr. Die Nächte gestalteten sich sehr mild und die Höchsttemperaturen lagen häufig über 20 °C. Der wärmste Tag war der 17.10. mit bis zu 25 °C am Alpenrand mit Föhnunterstützung. Damit fiel der Oktober zu warm aus. Allerdings konnte sich die warme Luft nicht überall durchsetzen. Vor allem im Süden bildete sich zunehmend Nebel, der sich tagsüber kaum auflöste. So war der Oktober dort teilweise deutlich zu trüb.

November: Dankelflaute und erster Wintereinbruch

Im November hielt die Hochdruckwetterlage an. Unter dem Hochdruckgebiet lagen weite Teile Mitteleuropas unter einer Hochnebeldecke und es folgten tagelange Dunkelflauten. Die eingeflossene milde Meeresluft kühlte sich nur sehr langsam ab. Erst zur Monatsmitte kippte die Zirkulation auf Nordwest und brachte zunächst den Mittelgebirgen, später auch tieferen Lagen Schnee. Am 22. sorgte das von Frankreich zu den Alpen ziehende Sturmtief RENATE im Süden für kräftige Schneefälle. Dabei fielen rund 20 cm, in den Allgäuer Alpen sogar über 40 cm Schnee. Diese Polarluft wurde aber schon bald auf der Vorderseite eines großräumigen Atlantiktiefs mit einem kräftigen Warmluftvorstoß ausgeräumt. Am Oberrhein, wo wenige Tage zuvor noch Schnee gefallen war, stieg die Temperatur am 25.11. auf bis zu 22 °C und erreichte damit einen Dekadenrekord. Selten gab es Ende November eine so warme Periode. Insgesamt war der November normal temperiert, im Norden zu nass, im Süden zu trocken.

Dezember: Hochdrucklastig und kaum winterlich

Anfang Dezember setzte sich eine stärker mäandrierende Westwetterlage durch. Es blieb unbeständig und nur im höheren Bergland zeitweise winterlich. Am 09.12. schnürte sich ein Tief über Oberitalien ab, sodass von Nordosten kältere Luft einsickerte. In den Mittelgebirgen gab es leichten Schneefall, sonst häufig Frost. Bald setzte sich aber wieder Hochdruckeinfluss mit Hochnebel und bodennaher Kaltluft durch. Vielerorts herrschte Dauerfrost. Ab dem 16. stellte sich eine sehr milde Westwetterlage mit Hochdruckeinfluss im Süden ein. Erst kurz vor Weihnachten brachte eine Nordwestwetterlage am Alpenrand und vor allem in den östlichen Mittelgebirgen etwas Schnee, sodass es dort auch einmal wieder weiße Weihnachten gab. Mit einem nachrückenden Hochdruckgebiet, das sich als Dauerhoch etablierte, setzte sich in der Höhe sehr milde Luft durch, was zu einer ausgeprägten Inversionswetterlage führte. In den Kammlagen der Mittelgebirge stiegen die Temperaturen teilweise über 10 °C. Der Brocken meldete am 28.12. mit 13,1 °C einen neuen Dezemberrekord. Gleichzeitig herrscht in den Niederungen Dauerfrost. Diese Situation wird sich auch in den nächsten Tagen bis Silvester fortsetzen. Auch der Dezember wird zu warm und leicht zu trocken

Das Jahr 2024 wird als das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Geschichte eingehen. 2024 ist auch eines der nassesten Jahre. Von der großräumigen vorherrschenden Wetterlage schlug das Jahr 2024 einen anderen Weg ein als die Vorjahre. Der Trend der letzten Jahre zu hochdruckgeprägten Dürresommern mit längeren Hitzewellen wurde in diesem Jahr gebrochen. Es dominierten überwiegend Westwetterlagen mit häufig südwestlichem Einschlag. Schwere Stürme blieben dennoch fast gänzlich aus.

Dipl.-Met. Christian Herold, M.Sc.-Met. Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Wetterextreme 2024

Januar – Kurzer Kaltlufteinbruch ansonsten sehr mild

Der Januar begann, wie das Jahr 2023 endete, mit einer milden und lebhaften Westwetterlage, die vor allem im Stau der Mittelgebirge viel Regen brachte und die bereits seit Ende Dezember anhaltende Hochwassersituation in Norddeutschland nochmals verschärfte. Ab dem 6. Januar wagte der Winter einen erneuten Vorstoß. Auf der Südseite eines Skandinavienhochs erreichte uns arktische Kontinentalluft. Schnee fiel nur im Norden und am Alpenrand, in den übrigen Gebieten herrschte Kahlfrost. Es folgte die kälteste Periode des Jahres. Mit Höchstwerten von -7 bis 0 °C trat fast überall Dauerfrost auf, nachts wurde es bis -17 °C bitter kalt. Bereits am 11. wurde es wieder milder, sodass die Temperaturen zumindest tagsüber wieder über 0 °C stiegen. Die Milderung war mit Glatteis durch gefrierenden Sprühregen verbunden. Am 15. und 16. sorgte ein Skandinavientief für einen Kaltlufteinbruch mit etwas Schnee bis in tiefe Lagen. Derweil bildete sich am 17. über dem Westatlantik ein kräftiges Tief, das über Frankreich ostwärts nach Deutschland zog. Es führte mit einer südlichen Strömung sehr milde subtropische Luft nach Norden, die gegen die arktische Kaltluft des Skandinavientiefs anlief. Dadurch bildete sich eine extrem schmale Luftmassengrenze zwischen 14 °C im Süden und etwa – 1 °C in der Mitte und im Norden. Auf der kalten Seite gab es über der nördlichen Mitte ergiebige Schneefälle, auf der warmen Seite im Süden Regen. Im Übergangsbereich kam es zu erheblichem Glatteisregen, der zu Verkehrsbehinderungen führte. Am Folgetag verlagerte sich die Luftmassengrenze nach Süden und brachte verbreitet etwas Schnee. Es folgte eine kurze, mäßig kalte Hochdruckphase, die von einer windigen und sehr milden Westwetterlage abgelöst wurde. Damit war der Winter in den meisten Regionen vorbei. Trotz der kalten Phasen fiel der Januar etwas zu warm und etwas zu nass aus.

Februar – Verfrühter Frühling

Der Februar war für Wärmeliebhaber eine Freude, für Wintersportler hingegen ein Alptraum. Denn wieder war die Westwetterlage mit meist sehr milder Atlantikluft wetterbestimmend. Am 08. und 09.02. fielen erneut ergiebige Niederschläge. Durch die gesättigten Böden kam es in der Mitte und im Norden wieder zu kleinen Hochwassern. Bald verschwand auch der letzte Schnee in den Gipfellagen der Mittelgebirge. Gegen Monatsmitte drehte die Wetterlage auf Südwest, sodass die Höchsttemperaturen am 16.02. fast 20 °C erreichten. Am 23.02. gab es ein kleines Sturmtief namens WENKE, das aber keine größeren Schäden anrichtete. Ansonsten blieb die winterliche Sturmsaison weitgehend aus. Mit 5 K über dem aktuellen Klimamittel war der Februar der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und deutlich zu nass. Am Mittelrhein gab es stellenweise sogar gar keinen Frost.

März – Auf in den Vollfrühling

Der März war zunächst geprägt von einem Tief über Westeuropa und einem Skandinavienhoch. Während es im Westen oft regnete, war es im Nordosten unter Hochdruckeinfluss häufig sonnig und meist trocken. Gegen Monatsmitte setzte sich vermehrt Hochdruckeinfluss durch. Dabei war es überwiegend sehr mild. Am 23.03. kam es während einer sehr dynamischen Schauerlage zu einzelnen Gewittern mit einem bestätigten Tornado und mehreren Tornadoverdachtsfällen. Ein kurzer „Kaltlufteinbruch“ zwischen dem 24.03. und 27.03. brachte nur in einigen Mittelgebirgen und im Allgäu etwas Schnee. Danach setzte sich die milde Witterung fort. Ein erster Sommertag im Osten am 30.03. wurde nur knapp verfehlt. Ansonsten verlief der März ohne markante Wettererscheinungen zu warm. Dabei fiel im Westen zu viel Regen, während es im Osten zu trocken war.

April – Vom Frühsommer zurück in den Winter

Auch im April setzte sich das warme Wetter fort. Wechselhaftes, aber mildes Aprilwetter stellte sich zu Beginn des Monats ein. An einer Kaltfront entwickelten sich heftige Gewitter mit gleich 3 Tornados. Danach ging das Aprilwetter direkt in den Sommer über. Ein kräftiges Atlantiktief führte mit einer südwestlichen Strömung für die Jahreszeit ungewöhnlich warme nordafrikanische Luft heran. Diese ermöglichte am 06.04. verbreitet Temperaturen über 25 °C. In Ohlsbach am Rhein wurde mit 30,1 °C der erste heiße Tag registriert. Dies war der früheste Hitzetag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Während die außergewöhnlich warme Wetterlage im Süden mit kurzer Unterbrechung bis zum 14.04. anhielt, brachten Tiefausläufer im Norden häufig Regen. Eine Kaltfront sorgte dann am 15.04. für eine Abkühlung. An der Front traten teilweise orkanartige Böen auf, die durch die schon belaubten Bäume größere Schäden verursachte. Vom Sommer ging es dann gleich wieder in den Winter mit Schneefällen, von denen besonders der zentraler Mittelgebirgsraum betroffen war. So meldete die Schmücke im Thüringer Wald am 21.04. noch 26 cm Schnee. Aber auch in tieferen Lagen blieb der Schnee vielerorts liegen. Die folgenden Spätfröste bis -6 °C verursachten große Schäden an der bereits weit fortgeschrittenen Vegetation. Erst gegen Ende des Monats wurde es wieder deutlich wärmer. Trotz der sehr warmen Phase war der April nur leicht zu warm und im Norden deutlich zu nass.

Mai – Unbeständig und deutlich zu Nass

Nach warmem Beginn endete das Sommerwetter am 2. Mai mit Gewittern mit Starkregen, Hagel und Überschwemmungen im Südwesten. Danach sorgte schwacher Tiefdruckeinfluss für etwas unterkühltes und leicht unbeständiges Wetter. Zur Monatsmitte setzte sich vorübergehend sommerliches Hochdruckwetter durch, das ab dem 15. durch Kaltlufttropfen über Mittel- und Westeuropa wieder beendet wurde. Diese brachten in den folgenden Wochen fast täglich kräftige Schauer und Gewitter mit Starkregen. Am 17. war die Südwesthälfte betroffen. Regenmengen von bis zu 90 l/m²l/m² in 12 Stunden führten vor allem im Saarland zu größeren Überschwemmungen. Der Höhepunkt dieser Wetterlage war vom 31.05. bis 01.06. Eine Vb-Wetterlage (siehe „Weitere Informationen zum Thema) sorgte für extremen, gewittrigen Dauerregen, der in Schwaben und im Allgäu teilweise über 160 l/m²l/m² Regen brachte. Dies führte erneut zu Hochwasser. Der Mai war insgesamt zu warm und deutlich zu nass.

Juni – Durchwachsen mit teils kräftigen Gewittern

Im Juni ging es unbeständig weiter. Besonders am Alpenrand hielten die Niederschläge auch am 1. Juni weiter an, sodass dort teilweise über 100 l/m²l/m² in 24 Stunden zusammenkamen. Zu viel für die gesättigten Böden. Der Landkreis Rosenheim rief Katastrophenalarm wegen Hochwasser aus. Bis zur Monatsmitte blieb es relativ kühl und leicht unbeständig. Erst danach wurde es zunehmend sommerlich. Dabei kam es immer wieder zu Gewittern. Erwähnenswert ist hier der 18.06., an dem eine dynamische Gewitterlage zahlreiche Superzellen mit Hagel hervorbrachte. In Südniedersachsen bei Heere gab es sogar einen stärkeren Tornado. Am 27.06. wurden die Mitte und der Norden von schweren Gewittern mit Starkregen und größerem Hagel heimgesucht. Gegen Ende des Monats brachte eine Südwestwetterlage eine kurze „Hitzewelle“, die mit einer sehr dynamischen Gewitterlage am 29.06. endete. Eine in der Nacht zum 30.06. über den Westen und Norden hinwegziehende Squallline (siehe „Weitere Informationen zum Thema) verursachte Sturmschäden. Angesichts des großen Unwetterpotenzials verlief diese Lage jedoch vergleichsweise glimpflich. Zusammenfassend war der Juni recht normal temperiert und etwas zu nass.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.12.2024
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Feuerwerk-Wetter

Während die Frage nach dem Weihnachtswetter oftmals schon Wochen vor dem Fest gestellt wird, scheint das Interesse am Silvester- und Neujahrswetter vergleichsweise gering zu sein. Ein Grund dafür dürfte die romantische Überhöhung der „Weißen Weihnacht“ sein, etwas Vergleichbares hat der Jahreswechsel auch nicht ansatzweise zu bieten.

Dem Silvesterwetter nähert man sich nüchtern-pragmatisch. Für alle, die selbst gerne mit Feuerwerk hantieren oder einfach nur zuschauen möchten, ist ein wesentlicher Aspekt das Fehlen lästiger Niederschläge. Dabei kann aber subtil unterschieden werden: Während man mit Schnee noch ganz gut umgehen kann, ist Regen verpönt.

Was den Niederschlag während des Feuerwerks angeht, gibt unser ICON-Modell für die größten Teile Deutschlands Entwarnung. Nur im (erweiterten) Küstenumfeld soll es in der Nacht Niederschläge geben, die obendrein überwiegend schwach ausfallen werden. Das ist eine Sichtweise, die von anderen Vorhersagemodellen durchaus gestützt wird, auch wenn die genaue räumliche Verteilung noch etwas unterschiedlich berechnet wird.

DWD Feuerwerk Wetter

Die Abbildung 1 zeigt die oben erwähnten Niederschläge unseres ICON-Modells für die dreistündigen Zeitintervalle von Silvester, 22:00 MEZ bis Neujahr 01:00 MEZ (links) sowie für 01:00 bis 04:00 MEZ an Neujahr (rechts), letzteres für alle, die größere Vorräte an Feuerwerk gehortet haben und entsprechend länger mit dem Abbrennen beschäftigt sind. Die möglicherweise vorhandene vage Hoffnung, dass es sich dabei um Schnee handeln könnte, muss an dieser Stelle schon enttäuscht werden. Die Schneefallgrenze liegt eindeutig zu hoch, als dass mit Flocken zu rechnen wäre. Es hilft also nur wasserabweisende Kleidung – oder einfach eine gewisse Regenresistenz.

Wer die Unterstützung eines Regenschirms ins Auge fasst sollte vorsichtig sein. Denn im Norden und Nordwesten weht ein kräftiger Wind, was das Halten des Schirms erschwert. Dazu verlangen steife oder stürmische Böen, vereinzelt auch Sturmböen überdies eine genaue Berechnung der Raketen-Flugbahn – ein Schicksal, dass die „nordischen“ Feuerwerker mit denen im höheren Mittelgebirge teilen.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des „Feuerwerk-Wetters“ ist die Sichtweite. Genauer gesagt die Sichtweite VOR Mitternacht. Sobald die ersten Böller angezündet sind, wird sich die Sicht ohnehin rasch eintrüben. Vor allem für jene, die aus größerer Entfernung von Aussichtspunkten aus das „Bunte Knallen“ genießen wollen, ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Einige Informationen zur Sichtweite hält Abbildung 2 bereit. Der erste Blick geht dabei auf die rechte Seite, die den sogenannten Spread zeigt. Dabei handelt es sich um den Unterschied zwischen der Lufttemperatur und der Taupunkttemperatur (in Kelvin), wobei letztere als Maß für die Feuchte der Luft fungiert. Ein Spread von null bedeutet, dass beide Temperaturen gleich sind, die Luft ist dann soweit abgekühlt, dass Kondensation einsetzt – und somit kann sich Nebel bilden. Ist die Lufttemperatur dagegen höher als die Taupunkttemperatur, was im Norden Deutschlands der Fall ist (zwei bis vier Grad Unterschied), dann ist die Nebelneigung gering bzw. nicht vorhanden.

Schon aufgrund dieser Aussage lassen sich die potentiellen Nebelgebiete recht gut eingrenzen. So ist in Niederbayern der Spread gering, ebenso am Bodensee und am Hochrhein, aber auch in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen.

DWD Feuerwerk Wetter 1

Im linken Teil der Abbildung 2 ist zusätzlich die Nebelwahrscheinlichkeit für die Stunde vor dem Jahreswechsel angegeben. Die Gebiete mit sehr niedrigem Spread stechen auch durch hohe Nebelwahrscheinlichkeiten hervor – so wie man es erwartet. Allzu große Sorgen muss man sich ob dieser Aussage aber nicht machen, schließlich liegt ihr eine internationale Festlegung zugrunde, die Nebel als eine Sichtweite unter 1000 m definiert. Mit anderen Worten: Bis zu einer erheblichen Sichteinschränkung ist es – meteorologisch – noch ein ganzes Stück!

Bleibt noch der Blick auf die Temperaturen. Auf jeden Fall frostfrei bleibt der Glockenschlag zum Jahreswechsel nach aktuellem Stand unter den Wolken im Norden. Mit fünf bis acht Grad ist es dort, wie auch am Niederrhein, vergleichsweise mild. Glühweintauglicher sind da schon die fünf bis null Grad von Eifel und Hunsrück bis an die Neiße. Im Süden muss man sich dann schon richtig „einpacken“. Dort werden null bis minus fünf Grad angepeilt, lokal könnte es sogar noch weiter nach unten gehen mit den Temperaturen.

Und wo ist es jetzt fürs Feuerwerk am besten? Vielleicht in einem Streifen südlichen Niedersachsen bis ins östliche Brandenburg. Trocken, frostfrei, moderater Wind bei guter Sicht – so könnte der Start ins neue Jahr gut gelingen.
Aber entscheiden Sie selbst – wenn Sie nicht ohnehin ortsgebunden sind und es nehmen müssen wie es kommt!

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.12.2024
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Diabatische Rossbywellen – eine etwas andere Tiefdruckentwicklung

Die Feiertage sind nun fast vorüber und die diesjährige besinnliche Zeit verlief mit Blick auf das Wettergeschehen dank des umfangreichen und langlebigen Hochdruckgebietes GÜNTHER insgesamt sehr ruhig.

Heute vor 25 Jahren sah dies ganz anders aus. Damals beendeten die beiden Orkane LOTHAR (26.12.1999) und MARTIN (27.12.1999) in West- und Mitteleuropa die weihnachtliche Ruhe schlagartig. Die Spitzenböen im Binnenland, die durch LOTHAR auftraten, waren wahrlich beeindruckend: In Baden-Württemberg meldeten die Stationen Stuttgart Schnarrenberg 139 km/h, Lahr 144 km/h und Stötten 176 km/h. Im höheren Bergland wurden gar maximale Böen von 197 km/h auf der Zugspitze oder 259 km/h auf dem Wendelstein gemessen. Auf der Wetterkarte (Abbildung 1) erkennt man farbig dargestellt das in 500 hPa sowie in Form der weißen Linien den Bodendruck. LOTHAR wurde entlang der Südseite des tiefen Geopotenzials zügig vom offenen Atlantik nach Mitteleuropa geführt und weiter westlich stand bereits MARTIN in den Startlöchern.

DWD Diabatische Rossbywellen eine etwas andere Tiefdruckentwicklung

Diese Sturmserie wurde in den folgenden Jahren genau untersucht. Dabei fiel auf, dass sich LOTHAR zunächst nicht klassisch entwickelte, sondern einen bis dahin noch nicht sehr bekannten Entwicklungsweg einschlug. Dieser Werdegang war zwar in den 80-iger und 90-iger Jahren bereits Gegenstand der Forschung, allerdings unter einem anderen Namen und darüber hinaus im Zusammenhang mit der  vor China, Taiwan und Japan.

Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine sogenannte „diabatische Rossbywelle“, die sich in der Folge zum Orkan LOTHAR entwickelte. „Diabatische Rossbywellen“ werden manchmal für besonders intensive Tiefdruckentwicklungen verantwortlich gemacht, weshalb wir dieses Phänomen nachfolgend näher betrachten. Aufgrund der Komplexität und der Übersicht halber, tun wir dies jedoch recht oberflächlich:

Die übliche Entwicklung eines außertropischen Tiefdruckgebietes wird meist von der Höhe aus angetrieben. Dies geschieht nicht selten in Form einer Störung (beispielsweise einem kleinräumigen Gebiet mit tieferem Geopotential, umgangssprachlich als „Welle“ oder „Kurzwellentrog“ bezeichnet), die mit einem ausgeprägten Temperaturgradienten interagiert. Dieser vertikale Temperaturunterschied mit der Höhe erstreckt sich über die gesamte Troposphäre. Dort herrscht am meisten Bambule: viel Wind, viel Hebung und Aufsteigen; beste Voraussetzungen für sich entwickelnde Tiefdruckgebiete. Eine „diabatische Rossbywelle“ hingegen entwickelt sich nur in einem vertikal gesehen sehr begrenzten Bereich, beispielsweise in den untersten 1 bis 2 km über Grund, meist innerhalb eines kräftigen Niederschlagsgebietes über dem Meer. Die Definition besagt, dass es sich dabei um eine gut ausgeprägte Störung handelt, die sich in einer feuchten Umgebung (viel Wasserdampf) befindet und in der sehr große horizontale Temperaturgradienten vorherrschen. Der wichtigste Punkt aber ist die Feuchtigkeit. Wenn diese gehoben wird, bilden sich Wolken und dabei wird  freigesetzt. Dies sorgt für rege Wolkenbildung an der Ostflanke der Störung und die Störung baut kontinuierlich nach Osten an – sozusagen ein selbsterhaltender Prozess, bei dem kein externer Antrieb (wie beispielsweise ein Höhentrog) benötigt wird. Durch diesen Prozess gelingt es der Störung schneller zu ziehen, als es die Hintergrundströmung eigentlich erlauben würde (nicht selten 250 km innerhalb von 6h). In solch einer Umgebung herrschen Zustände, die von Wettermodellen häufig nicht gut erfasst werden. Dazu zählen: vertikal stark begrenzte Ausdehnung, viel Freisetzung von latenter Wärme und eine Verlagerungsgeschwindigkeit jenseits dessen, was eigentlich zu erwarten wäre. Kein Wunder, dass es bei dieser Art der Tiefdruckentwicklung nicht selten zu Überraschungen im Bereich der numerischen Vorhersage kommt.

Während der initialen Phase setzt meist kein größerer Druckfall des sich entwickelnden Bodentiefs ein oder anders ausgedrückt: das Tief entwickelt sich vorerst kaum weiter. In der Folge kann sich dann aber die Entwicklung ähnlich der einer „normalen“ Tiefdruckentwicklung vollziehen. Sobald die „diabatische Rossbywelle“ aber mit all ihrer Feuchte als echtes Energiebündel in die Reichweite eines Troges kommt oder den Höhenjet durchquert, erfolgt nicht selten eine rasante Intensivierung des Bodentiefs.

Klimatologisch gesehen entstehen im Nordatlantik jedes Jahr im Schnitt 43 solcher Wellen, von denen sich glücklicherweise nur rund 15 Prozent rasant entwickeln, was in Zahlen ausgedrückt 5 oder 6 Fälle sind . Zwar ist das klimatologische Maximum dieser Wellen zwischen Island und Grönland zu finden, allerdings gelingt es doch immer wieder einzelnen Wellen, das europäische Festland zu erreichen.

Übrigens begann die Entwicklung von LOTHAR bereits am 23. Dezember 1999 nordöstlich von Florida in Form einer solchen Welle, bevor sie sich rund 48 Stunden später über dem Nordatlantik explosionsartig intensivierte und eine Spur der Verwüstung durch West- und Mitteleuropa zog.
Nach so vielen Worten tut es gut, wenn man das Gesagte in Form von Bildern nachvollziehen kann. Dafür verwenden wir einen Fall aus dem Dezember 2005, der sich über dem Nordatlantik zugetragen hat.

DWD Diabatische Rossbywellen eine etwas andere Tiefdruckentwicklung 1

Im Verlauf des 17. Dezembers entwickelte sich über dem Golf von Mexiko eine Störung, die nur in den untersten Bereichen der Troposphäre besser ausgeprägt war (hier nicht gezeigt). Diese Störung zog am Folgetag ostwärts weiter, überquerte Florida und lag am 18. Dezember knapp nordöstlich des Blake Plateaus (Abb. 2: unten, gelber Kasten). Im Satellitenbild erkennt man in dem Bereich rege und hochreichende Konvektion, die seit dem Vortag beständig peripher des Bodentiefs zu finden war.

DWD Diabatische Rossbywellen eine etwas andere Tiefdruckentwicklung 2

Nur 12 Stunden später zog das Bodentief rasch weiter nach Nordosten und weitete sich immer weiter auf. Dabei kam es zu keiner großartigen Intensitätsänderung. Im oberen Bild ist farblich die Abweichung des niederschlagbaren Wassers zur Klimatologie (1991 bis 2020) dargestellt. Die roten Farben heben eine Schliere mit ungewöhnlich hohen Feuchtewerte hervor, die sich vom Golf von Mexiko nordostwärts ausgedehnt hatte und auch den Bereich betraf, in dem das Bodentief lag. Somit war ein wichtiger Punkt für die Entwicklung einer „diabatischen Rossbywelle“ gegeben, nämlich die Feuchte.

DWD Diabatische Rossbywellen eine etwas andere Tiefdruckentwicklung 3

Am 20. Dezember erreichte die Rossbywelle letztendlich einen Bereich, in dem die Höhenwinde dramatisch zunahmen und vor der Ostküste der USA über 130 kt in 200 hPa erreichten (Bild links oben, Legende fehlt). Gleichzeitig näherte sich von den USA ein markanter Höhentrog (blauer Strich im Bild rechts oben, in dem das Geopotenzial in 500 hPa dargestellt ist), der von nun an eine stetige Intensivierung des Bodentiefs unterstützte. Das gelbe Kreuz im Bild rechts oben zeigt grob die Position des Bodentiefs, das in der Folge vom Höhentrog (blauer Strich) eingefangen wurde.

DWD Diabatische Rossbywellen eine etwas andere Tiefdruckentwicklung 4

Das Bodentief entwickelte sich fortan rasant weiter, um letztendlich mit einem Kerndruck von rund 975 hPa als veritables Sturmtief über dem offenen Nordatlantik sein Unwesen zu treiben.

Es ist sicherlich verständlich, dass die Entwicklung dieser „diabatischen Rossbywellen“ weiterhin Gegenstand der Forschung ist, denn sie können nicht nur beeindruckend im Satellitenbild aussehen, sondern gehen beim Landgang bei entsprechender Intensivierung auch mit einem hohen Schadenspotenzial einher.

Mag. rer. nat. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

25 Jahre nach Orkan LOTHAR

Orkan LOTHAR nahm seinen Ursprung als kleine Störung, welche sich am 24.12.1999 vor der amerikanischen Ostküste formierte. Das Tief zog unter mäßiger Vertiefung über den Atlantik und lag am 26.12.1999 um 00 UTC mit einem Kerndruck von 984 hPa noch westlich des Ausgangs des Englischen Kanals. Die weitere Entwicklung des Tiefs war dann nahezu explosionsartig. Innerhalb von nur sechs Stunden lag der Kern des Orkantiefs mit einem Druck von 961 hPa nordwestlich von Paris. Über dem Nordwesten Frankreichs gab es Messstationen die einen Druckfall von über 25 hPa in nur drei Stunden registrierten. In unseren Breiten spricht man bereits von einer Bombogenese, also einer sehr schnellen und starken Tiefentwicklung, wenn der Kerndruck innerhalb von 24 Stunden um 24 hPa fällt. Hier wurden diese Werte also bereits innerhalb von drei Stunden beobachtet.

 

DWD 25 Jahre nach Orkan LOTHAR

Auch in Deutschland kam es zu teils rasanten und starken Luftdruckabfällen. In Karlsruhe beispielsweise fiel der Druck von 1005 hPa am Abend des 25.12.1999 auf 975 hPa am 26.12.1999 um 13 Uhr MEZ(also etwa 30 hPa innerhalb von 12 Stunden). An der Station in Karlsruhe wurden auch die stärksten Böen im Flachland mit 151 Kilometern pro Stunde gemessen. Auf den Bergen Süddeutschlands lagen die Windgeschwindigkeiten noch deutlich darüber. Beispielsweise meldete die Station Weinbiet am 26.12.1999 Spitzenböen von 184 Kilometer pro Stunde, auf dem Feldberg im Schwarzwald wurden 242 Kilometer pro Stunde registriert. Die höchsten Windgeschwindigkeiten traten am bayerischen Wendelstein mit 259 Kilometern pro Stunde auf.

DWD 25 Jahre nach Orkan LOTHAR 1

Durch die extrem hohen Windgeschwindigkeiten traten im Zusammenhang mit Orkan LOTHAR enorme Schäden an der Infrastruktur auf. In Süddeutschland waren viele Haushalte für mehrere Stunden ohne Strom. In Baden-Württemberg wurden große Waldschäden durch den Orkan verursacht. Insgesamt wurde das Dreifache des Jahreseinschlags (30 Millionen Festmeter) in Baden-Württemberg entwurzelt oder abgeknickt. Die Aufräumarbeiten hielten mehrere Jahre an. Der gravierende Einschnitt in den Waldbestand des Schwarzwaldes ist bis heute erkennbar. Nicht nur in Deutschland waren die Auswirkungen des Orkans verheerend, auch in Frankreich, Österreich und der Schweiz kam es neben Sturmschäden an Wald und Infrastruktur auch zu menschlichen Verlusten. Insgesamt mussten 140 Tode (davon 13 in Deutschland) verzeichnet werden. Schätzungen zu Folge beläuft sich der gesamtwirtschaftliche Schaden von Orkan Lothar in Europa auf 11,5 Milliarden Euro.

DWD 25 Jahre nach Orkan LOTHAR

In den Tagen nach dem Orkan mussten die Wetterdienste viel Kritik einstecken. Es sei zu kurzfristig gewarnt und das Ausmaß des Sturms nicht richtig erkannt worden. Fakt ist, dass die Tiefentwicklung von allen Modellen, vor allem aber von der deutschen Modellkette erheblich unterschätzt wurde. Grund dafür war unter anderem, dass der Orkan zu kleinräumig war und sich zu schnell vertieft hatte. Diese Entwicklung konnten die numerischen Modelle nur schlecht erfassen und auch nicht richtig auflösen. Die Frage stellt sich also, ob sich in den letzten 25 Jahren etwas getan hat.

Veränderungen seit Ende der 90er Jahre gab es zum einen bei den numerischen Modellen an sich als auch bei der Datenerfassung (Was ist ein numerisches Modell?). Anfang Dezember 1999 wurde eine damals neue Modellkette im Deutschen Wetterdienst in den operationellen Dienst gestellt. Das numerische Global-Modell GME besaß damals eine Gitterauflösung von 60 Kilometern. Das deutsche Lokalmodell (LME) umfasste von seiner räumlichen Ausdehnung in etwa Europa und besaß eine Maschenweite von sieben Kilometern. Zum Vergleich besitzt das heutige, deutsche Globalmodell ICON eine Maschenweite von 13 Kilometern. Neben einem Lokalmodell gibt es nun mit ICON-D2 auch ein Regionalmodell mit einer Maschenweite von etwa 2,1 Kilometern. Zudem hat sich auch die vertikale Auflösung der Atmosphäre in den Modellen um ein Vielfaches verbessert.

Ende der 90er Jahre wurden im Europäischen Zentrum für Mittelfristvorhersage (EZMWF) die ersten Ensemble-Vorhersagen im operationellen Betrieb gerechnet. Eine Ensemble-Vorhersage dient zur Abschätzung der Unsicherheit von numerischen Simulationen. Dabei werden leicht unterschiedliche Anfangszustände der Atmosphäre herangezogen, und dessen Auswirkungen auf die Simulationen miteinander verglichen. Damals steckte diese Methode noch in den Kinderschuhen. Heutzutage werden am ECMWF 100 Simulationen im Ensemble berechnet. Auch die deutsche ICON-Kette berechnet mittlerweile mehrere eigene Ensemblevorhersagen.

Neben der Auflösung und Bereitstellung von numerischen Wettermodellen hat sich auch die Datenassimilation der Modelle deutlich verbessert. Es werden mittlerweile weit mehr Daten zur Erfassung des Anfangszustandes herangezogen. Auch die Auflösung und Verfügbarkeit von Daten hat sich weiterentwickelt. 1999 beobachtete noch ein EUMETSAT-Wettersatellit der ersten Generation unser Wetter vom All aus. Damals lieferten die Meteosat Satelliten jede halbe Stunde ein Bild mit einer Auflösung von fünf Kilometern direkt unterhalb des Satelliten. Anfang 2004 ging dann der erste Metesoat Satellit der zweiten Generation operationell in Betrieb. Mittlerweile ist der erste Satellit der dritten Generation aktiv. Er sendet alle 10 Minuten Bilder von 16 unterschiedlichen Kanälen auf die Erde mit einer räumlichen Auflösung von ein bis zwei Kilometern. In einem sogenannten „rapid-scan Modus“ sind sogar alle 2,5 Minuten aktuelle Satellitenbilder verfügbar.

All dies führte in den letzten Jahrzehnten zu einer signifikanten Verbesserung der numerischen Wettervorhersage. Die Qualität einer 2-Tages-Prognose Anfang der 80er entspricht in etwa einer 5-Tages-Prognose Anfang der 2000er und ist vergleichbar mit der Vorhersagegüte einer 7-Tages Prognose heute. Diese technische Weiterentwicklung wurde vor allem durch die größere Rechenleistung des Großrechners des Deutschen Wetterdienstes ermöglicht. In den 90ern wurde im Rechenzentrum des DWDs gerade der „Cray YMP“ mit einer Leistung von unter einem GigaFlop pro Sekunde durch eine „Cray T3E“ ersetzt. Aktuell verfügt der Deutsche Wetterdienst über einen leistungsstarken Supercomputer der Firma NEC. Das seit 2020 in Betrieb genommene System NEX SX-Aurora Tsubasa verzeichnet eine Spitzenleistung von bis zu 5,6 Petaflops, das entspricht 5,600‘000‘000‘000‘000 Rechenoperationen pro Sekunde.

DWD 25 Jahre nach Orkan LOTHAR 1

Trotz der Verbesserungen in der numerischen Wettervorhersage und der Datenerfassung wird auch weiterhin nicht alles bis ins Detail vorhersagbar sein. Vor allem sehr kleinräumige Ereignisse wie einzelne Gewitterzellen und Tornados können im operationellen Betrieb nicht von Wettermodellen exakt prognostiziert werden.

M.Sc. (Meteorologin) Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Milde Weihnachten

Es ist ein Weihnachtsfest, wie wir es in den letzten Jahren häufig erlebt haben, zumindest wettertechnisch. Von Westen strömt milde Luft ein und lässt die letzten Schneehäufchen sowie die Hoffnung auf weiße Weihnachten in den Niederungen schmelzen. Schnee liegt in nennenswerten Mengen aktuell nur in den Lagen oberhalb von 700 Metern sowie am Alpenrand und in Hochfranken. An den Alpen kommt heute im Tagesverlauf auch noch etwas Schnee hinzu. In allen anderen Regionen ist es zu mild, der Schnee schon weg oder gerade im Begriff zu schmelzen.

DWD Milde Weihnachten

Für die Weihnachtsfeiertage ist kein neuer Schnee in Sicht. Hochdruckgebiet GÜNTHER trocknet die Luft von oben her ab und die Niederschläge lassen nach. Die Wolkendecke senkt sich. Aus dichten Wolken fallen hier und da ein paar Regenspritzer oder Sprühregen über der Mitte und im Norden. Im Süden sorgt GÜNTHER am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag für teils sonniges Wetter. Nur an den großen Flüssen können sich Nebel- oder Hochnebelfelder länger halten.

Die Temperatur liegt tagsüber teils deutlich im Plus. Im Westen und Nordwesten werden an den Weihnachtsfeiertagen um 10 Grad erwartet, kühler ist es im Süden und Südosten mit Höchstwerten zwischen 1 und 5 Grad. Frost gibt es nur in den Nächten und meist im Süden. Dort sinkt die Temperatur bei klarem Himmel und über Schnee auch schonmal bis gegen -10 Grad. Sonst werden südlich des Mains Tiefstwerte von 0 bis -5 Grad erwartet. Nördlich des Main ist es überwiegend frostfrei. Nur in der kommenden Nacht, die Nacht zum Mittwoch, kann es auch über der Mitte und im Osten noch leichten Frost geben.

DWD Milde Weihnachten

Wenn es Ihnen wie mir geht, Sie nördlich des Mains wohnen und an Weihnachten der Kühlschrank aus allen Nähten platzt, dann können Sie in den Folgetagen unkritische Lebensmittel auch draußen lagern. Sonne ist keine zu erwarten, die für Verderbnis sorgen könnte. Getränke lassen sich prima auf dem Balkon oder im Garten kühlen. Auch Obst und Gemüse können bei Höchstwerten zwischen 4 und 10 Grad gut draußen liegen. Schauen Sie am besten auf die Lagerhinweise auf Ihren Lebensmitteln.
Ich wünsche Ihnen eine schöne und genussvolle Weihnachtszeit!

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Weihnachtswetter

Schnee im Süden oberhalb 500 bis 600 m und in den anderen höheren Mittelgebirgen, ansonsten meist grau mit zeitweilig leichtem Regen bei eher milden einstelligen Pluswerten – so lässt sich das Weihnachtswetter 2024 kurz zusammenfassen. Das ist bereits länger bekannt und hat sich auch mit den Vorhersagen vom heutigen Montag kaum geändert. Aber wie war das Wetter zu Weihnachten in der Vergangenheit? Dazu ein paar Zahlen für Deutschland.

Temperaturen an Weihnachten

Generell ist es zu Weihnachten im Zuge des Klimawandels in den letzten Jahren immer milder geworden. Das zeigt ein Vergleich der Durchschnittstemperaturen für die Zeiträume 1781-2023 und 1991-2020 (siehe Tabelle 1). Letzterer liegt mit einer Mitteltemperatur von 1,66 °C um 0,37 °C höher als der Durchschnitt der Jahre 1781-2023 (in denen der Zeitraum 1991-2020 mit eingepreist ist). Das letzte Weihnachtsfest 2023 übertraf diese Werte mit einer Mitteltemperatur von 8,19 °C deutlich. 2024 wird sicherlich nicht ganz so mild ausfallen, die Durchschnittstemperatur beider Vergleichszeiträume allerdings ebenfalls übertreffen.

DWD Weihnachtswetter

Dabei kann es zu Weihnachten fast schon frühlingshaft mild, aber auch knackig kalt sein. So stiegen die Temperaturen an einem 25. Dezember schon einmal auf 19,3 °C, womit neben den Weihnachtsgeschenken dann auch die T-Shirts ausgepackt werden konnten. Bei einem Tiefstwert von -29,1 °C an einem 24. Dezember gab es dagegen eine ziemlich frostige Bescherung. Es sei jedoch erwähnt, dass diese sehr tiefen Werte bereits länger zurückliegen. Auffallend ist auch, dass es vom 24. bis zum 26. Dezember von Tag zu Tag im Durchschnitt immer kälter wird.

Niederschläge über Weihnachten

In Sachen Niederschlag ist das Weihnachtsfest allgemein ein wenig nasser geworden, wobei der 24. Dezember der nasseste Tag des Weihnachtsfests ist. 2023 war es deutlich nasser als sonst, am 26. Dezember jedoch trockener als gewöhnlich. 2024 dürfte allgemein trockener ausfallen als der Durchschnitt beider Zeiträume, auch wenn es gebietsweise etwas schneit oder regnet.

Schneefälle über Weihnachten

Weiße Weihnachten gab es seit 2010 nicht mehr flächendeckend in Deutschland, die Wahrscheinlichkeit dafür ist eh gering. Darüber hinaus zeigt das Mittel der Schneehöhen für Stationen unterhalb 800 m im Zeitraum 1991-2020 einen deutlichen Rückgang im Vergleich zur länger zurück reichenden Periode. In den Durchschnittswerten wird außerdem nicht ersichtlich, dass in vielen Jahren an den Stationen gar kein Schnee lag. Das milde Weihnachtsfest 2023 sorgte dann auch bezüglich des Schnees für durchschnittlich sehr niedrige Werte, weil selbst in den Bergen fast aller Schnee wegschmolz und am 2. Weihnachtsfeiertag kaum noch etwas übrig war. In diesem Jahr werden die Zahlen ein wenig besser aussehen, vermutlich aber auch unter dem Durchschnitt der Jahre 1991-2020 landen. Das absolute Maximum von 144 cm Schnee ist dabei natürlich in weiter Ferne.

Wind zum Weihnachtsfest

Beim Wind ist eine marginal zunehmende Tendenz im Vergleich zu früher festzustellen. Am windigsten ist es am 24. Dezember, an den beiden Folgetage nimmt er etwas ab. 2023 fiel das Weihnachtsfest allerdings sehr windig aus, an allen Tagen traten verbreitet steife bis stürmische Böen zwischen 50 und 74 km/h (Bft 7 bis 8), vereinzelt auch Sturmböen zwischen 75 und 85 km/h (Bft 9) auf. Im Bergland und an der See war es teils noch stürmischer. Weihnachten 2024 wird beileibe nicht so windig, sondern zunehmend ruhig.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der 24. Dezember im Mittel der mildeste, nasseste und windigste Tag des Weihnachtsfestes ist, der 26. Dezember dafür der schneereichste. Während es an Weihnachten immer wärmer wird, gibt es beim Wind und bei den Niederschlägen nur kleine Veränderungen. Der Schnee allerdings ist deutlich auf dem Rückzug, was die Chancen auf weiße Weihnachten weiter mindert.

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Nordseesturm und Montagsschnee in der Mitte Deutschlands

Stand Sonntagmittag (22.12.2024) liegt DIANA als Sturmtief zwischen den Shetlands und Südnorwegen über dem Nordteil der Nordsee. Polare Meeresluft hat weite Deutschlands geflutet. Allerdings hat diese sich auf ihrem Weg nach Mitteleuropa über dem 8 bis 10 Grad „warmen“ Nordseewasser soweit erwärmt, dass heute nur lokal und vorübergehend in kräftigen Schauern oder Gewittern Schnee oder Graupel bis in tiefe Lagen fällt.

Dies ändert sich in der kommenden Nacht zum Montag und Montagvormittag. Die Schauer lassen, wie auch der Wind, über der Mitte nach und die Wolken lockern gebietsweise auf, so dass die Temperaturen im Bergland auf Werte knapp unter den Gefrierpunkt sinken. Knapp frostfrei bleibt es in tiefen Lagen. Zeitgleich nähert sich von der Nordsee und den Niederlanden ein Niederschlagsgebiet. Zwar ist es im Nordwesten Deutschlands so mild, dass der Niederschlag als Regen fällt. Doch je weiter das Regengebiet nach Südosten vorankommt, desto spannender wird die Frage der Niederschlagsphase.

DWD Nordseesturm und Montagsschnee in der Mitte Deutschlands

In den tiefen Lagen Nordrhein-Westfalens fällt in der zweiten Nachthälfte Regen, in den Mittelgebirgen Schnee. In Hessen setzt dagegen in den Frühstunden verbreitet für wenige Stunden Schneefall ein, ausgenommen sind davon wahrscheinlich nur die tiefsten Lagen in Südhessen. Die Schneefallgrenze liegt nahe 200 Meter. Gebietsweise wird sich eine dünne Schneedecke ausbilden können, teils reicht es für etwas Matsch auf den Straßen. So oder so verspricht das Wetter Montagfrüh teils schwierige Straßenverhältnisse im Berufsverkehr. Betroffen ist wahrscheinlich vor allem Hessen, aber auch in den umliegenden Bundesländern fällt gebietsweise Schnee.

DWD Nordseesturm und Montagsschnee in der Mitte Deutschlands

Im Laufe des Vormittags und mittags entspannt sich die Situation von Nordwesten nach und nach. Denn nach dem Niederschlagsgebiet fließt ein Schwall milderer Meeresluft ein, zudem sorgt auffrischender Wind für eine bessere Durchmischung in der unteren Troposphäre. Das heißt, die kalte Grundschicht in den untersten hundert Metern wird aufgelöst. So steigt die Temperatur bis zum Nachmittag in den mittleren Landesteilen verbreitet auf 2 bis 6 Grad, nur in Lagen oberhalb 500 Meter bleibt es kälter.

In den mittleren Landesteilen frischt der Wind zwar spürbar auf im Laufe des Montags, so stark wie an der Nordsee weht er aber weitem nicht. An der Deutschen Bucht legt der Nordwest- bis Nordwind bereits in der Nacht zum Montag deutlich zu und erreicht bereits im Mittelwind Sturmstärke, in Böen werden sogar schwere Sturmböen erwartet. Dies hat sehr wahrscheinlich eine Sturmflut Montagfrüh zur Folge. Details dazu finden Sie auf der Seite des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie, kurz BSH.

DWD Nordseesturm und Montagsschnee in der Mitte Deutschlands 1

MSc.-Meteorologe Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.12.2024
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Stürmischer Dionisio

Tief „Dionisio“ ist aus einer sogenannten „Genua-Zyklogenese“ hervorgegangen. Zwischen den beiden Tiefs ANKA und BIANCA über Nordeuropa und einem kräftigen Hoch mit Schwerpunkt über dem nahen Ostatlantik stellte sich ab Donnerstag (19.12.) über West- und Mitteleuropa eine kräftige Nordwestströmung ein. Damit konnte Kaltluft auf breiter Front südostwärts gesteuert werden. Die Westalpen stellten dabei ein natürliches Hindernis dar. Die Luft musste entweder über die Bergrücken gehoben oder um sie herumgeführt werden. Beide Prozesse sorgten in Zusammenspiel mit einer Beschleunigung der Kaltluft durch das südfranzösische Rhonetal (dieser kalte „Fallwind“ wird auch Mistral genannt) für eine Tiefdruckentwicklung im Lee der Seealpen und über dem Golf von Genua. Der Jet-Stream, das Starkwindband in der mittleren und oberen Troposphäre, diente als „Förderband“ und steuerte das Tief bis Freitag (20.12.) südostwärts über das Seegebiet zwischen Korsika und Italien zum Tyrrhenischen Meer. Dabei intensivierte sich das Tief vorübergehend sogar noch. Dadurch verschärften sich die Luftdruckgegensätze vor allem an der Westflanke des Tiefs nochmal deutlich. Zu dem orographischen und schwerkraftbedingten Mistral-Fallwind gesellte sich folglich noch eine von lokalen Luftdruckbegebenheiten gesteuerte Windverstärkung über dem gesamten nördlichen Teil des westlichen Mittelmeerraums.

DWD Stuermischer Dionisio

Abbildung 2 (links) zeigt eine Auswahl der stärksten Böen am Donnerstag und Freitag. Man sieht, dass in Südfrankreich und auf Korsika örtlich extreme Orkanböen über 140 km/h auftraten. Auch sonst gab es von Südfrankreich bis nach Korsika verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen, selbst in Großstädten wie Marseille. In der Folge kam es zu umstürzten Bäumen sowie Schäden an Gebäuden und an der Infrastruktur. Tausende Haushalte waren in Frankreich zeitweise ohne Strom.

DWD Stuermischer Dionisio 1

Darüber hinaus wühlte der Sturm die See mächtig auf. Es bauten sich mitunter meterhohe Wellen auf. Abbildung 2 (rechts) zeigt zur Verdeutlichung eine DWD-Vorhersage der Wellenhöhe. Es musste demnach mit bis zu 8 m hohen Wellen gerechnet werden. Dieser Seegang führte an den Küsten zu massivem Wellenschlag und Überschwemmungen.

Mittlerweile hat sich „Dionisio“ etwas abgeschwächt und zog über Süditalien zum Balkan. Dabei treten zwar nicht mehr die ganz hohen Windgeschwindigkeiten auf, allerdings kommt es zum Teil zu heftigen Regen- und Schneefällen.

Nach einer vorübergehenden Wetterberuhigung wiederholen sich die Ereignisse am Sonntag und Montag wahrscheinlich wieder. Bedingt durch einen neuen Kaltluftvorstoß über West- und Mitteleuropa ereignet sich wieder eine Genua-Zyklogenese. Das daraus resultierende und bereits auf den internationalen Namen „Enol“ getaufte Tief wird zwar nicht ganz die Stärke von „Dionisio“ erreichen. Dennoch muss rund um das westliche und zentrale Mittelmeer erneut mit Sturm, hohem Seegang, Starkregen und intensiven Schneefällen im Bergland gerechnet werden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.12.2024
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