Immer mehr Firmen beschreiten neue Wege!
“Weg vom Cobra-Einheitsbrei” scheinen sich immer mehr Board-Schmieden und -Manufakturen zu denken….
Die fetten Jahre der Windsurfindustrie sind schon sehr lange vorbei und durch das fortschreitende Markensterben hatte man sich als Kunde auch von einigen etablierten Marken verabschieden müssen. Doch seit Kurzem können wir etwas Faszinierendes am Markt beobachten: Es entstehen zahlreiche Board-Schmieden und -Manufakturen, die sich erfolgreich auf dem Markt etablieren können. Dabei werfen sie eingebrannte Denkweisen über Bord, beschreiten neue Wege und scheinen damit in diesem hart umkämpften Markt Erfolg zu haben.
Was diese Marken unserer Meinung nach anders machen und wer die neuen Wilden sind, hat sich unser Redakteur Tobi genauer angesehen.
Was die neuen Marken erfolgreich macht
Alleine in den letzten zwei Jahren haben sich mindestens fünf Marken neu am Markt positioniert oder nach Jahren der Abwesenheit wieder am Markt zurückgemeldet. Warum ist es derzeit so vielen Firmen möglich, sich in einem mehr oder weniger festgefahrenen Markt zu positionieren? Vergleicht man die Produkte und die Geschäftsmodelle dieser Marken, dann fällt auf, dass sie viele Dinge anders angehen, als es etablierte Firmen tun würden:
Weg mit dem Cobra-Einheitsbrei
Cobra hat sich über die Jahre zum Monopol in der Herstellung von Windsurfbrettern gewandelt. Fast ausnahmslos jede große und bekannte Marke lässt bei Cobra ihre Boards fertigen. Das spart den jeweiligen Brands zwar auf der einen Seite eigene Produktionskapazitäten, ermöglicht es aber auf der anderen Seite Cobra Preise und Qualitäten fast beliebig zu diktieren. Alle der im Folgenden genannten Marken haben sich von Cobra losgesagt und eigene, lokale Produktionen aufgebaut.
Neues gibt es nur, wenn auch wirklich Neues drinnen ist
Noch immer schmeißen große Brands Jahr für Jahr eine neue Linie auf den Markt. Dieser selbstverschuldete Druck führt oftmals zu den fragwürdigen Situationen, dass Boards mit dem haargenau gleichen Shape, aber einen neuen Optik und für ein paar Euronen mehr auf den Markt kommen. Echte Innovationen kommen so zu kurz und die hohen Aufwendungen für Marketing, Produktionsänderungen und Vertrieb werden oftmals direkt an den Kunden weitergegeben. Die neuen Wilden hingegen setzen oftmals mehrere Jahre auf ein und die selbe Linie. Weniger Änderungen am Design und am Shape halten die Produktionskosten stabil und erst wenn echte Innovationen vorhanden sind, wird eine Linie erneuert. Zudem kann sich der Kunde so auch deutlich länger an einem topaktuellen Brett erfreuen.
Sandwich kann jeder
Die einen bauen ihre Boards hohl und andere verwenden Naturmaterialien wie Balsa in großen Mengen. Die neuen Firmen haben erkannt, dass es nicht immer die altbewährte Carbon-Glasfaser-Sandwich-Technologie sein muss und experimentieren (erfolgreich) mit neuen Bauweisen oder übertragen Bauweisen aus den anderen Surfarten auf den Windsurfbereich.
Der Kunde ist König
Seit die Preise der Bretter durch die Decke gegangen sind und mittlerweile auch jenseits der 2.500 Euro Serienbretter auf dem Markt angeboten werden, suchen Kunden immer öfter nach Custom-Boards. Diese sind mittlerweile oftmals nicht mehr oder nicht wesentlich teurer als Serienbretter, können aber an die Vorlieben des Kunden angepasst werden. Viele der neuen Schmieden haben genau diesen Gedanken verinnerlicht und bieten die Möglichkeit, ihre Range in Gänze oder zumindest in Teilen zu individualiseren.
Ob Zufall oder nicht, es ist schon sehr erstaunlich, dass jede der neuen Windsurfmarken Grundlegendes anders macht, als es in der Industrie bisher Gang und Gebe ist und damit Erfolg zu haben scheint. Vielleicht hatte sich die Industrie über die Jahre einfach zu sehr festgefahren und Kunden fangen nun an verstärkt solche alternativen Konzepte nachzufragen.
Wer sind die neuen Board-Schmieden
Wer sich intensiv mit Big Wave Surfen befasst, dem ist Sunova sicherlich ein Begriff: Sebastian Steudner, selbst ehemaliger Windsurfer, reitet auf den Balsa-Boards von Bret Burger & Co. die gigantischen Wellen von Nazare ab. Seit diesem Jahr bietet Sunova auch eine eigene Windsurf-Range an. Alle Boards werden in der Sunova-eigenen Fabrik “The Board Factory” von Surfern für Surfer gebaut. Dabei bedient sich die Fabrik neuesten Erkenntnissen und Prozessen aus der Automobilindustrie. Sunova setzt auf ein vollflächiges Balsa-Deck und -Unterwasserschiff, welches Einschläge aufgrund seiner Flexibilität und gleichzeitigen Festigkeit besonders gut absorbieren kann. In Deutschland werden die Boards von Gun Sails vertrieben und können so bequem über den Gun Sails Shop bestellt werden.
Daniel Bruch, der aus dem Worldcup bekannte Deutsch-Spanier, hat sich mit seiner eigenen Boardmarke ein Denkmal gesetzt. Für das Wave-Ass war es ein leichtes, eine komplette Wave-Range zu shapen. Auch diese Boards werden fern ab der großen Cobra-Fabrik gefertigt. Dabei kann der Kunde eigene Wünsche äußern und jedes Board ist somit custom-made ohne den preislichen Rahmen zu sprechen.
Wieso jede Menge Geld in eine Fabrik investieren, wenn sich der Kunde sein Board doch auch selber zusammenbauen kann? Dies müssten sich die Herrschinger Jungs von ALALJOJO gedacht haben, als sie ihr DIY-Windsurfbrett zum Selberbauen entwickelt haben. So kann jeder seinen tiefsten Shaper-Träumen nachgehen und sich sein eigenes Board zusammenbauen. Dabei setzen die Jungs auf eine hohle Bauweise (ja richtig gelesen!) und liegen so nicht nur auf der Spaß-Skala sondern wohl auch auf der Innovationsskala ganz vorne mit dabei.
Ja zugegeben, F2 ist alles andere als jung. Aber nach Jahren der Nicht-Existenz hat sich F2 mit einer preislichen Kampfansage im Windsurfmarkt zurückgemeldet. Hierbei setzte F2 auch auf eine eigene Produktion, junge Teamfahrer und bewährte Shapes.
Und, und, und
Die vier genannten Marken stehen sinnbildlich für eine Vielzahl an kleineren Firmen und Custom-Schmieden, die immer mehr in den Fokus der Szene gelangen. Egal ob Wark, Windflüchtler, Flikka, Moo Custom, Mojo Custom Boards und viele Andere: Alle teilen ihre Leidenschaft für das Windsurfen direkt mit dem Kunden und oftmals sind es genau diese kleinen Firmen, die für die großen Innovationen sorgen.
Ausblick
“Windsurfing is dead, long live Windsurfing!” Als Teil dieses wundervollen Sports ist es schön zu sehen, wie lebendig unser Markt wieder wird. Vor allem für uns als Verbraucher ist es wichtig, dass Monopole herausgefordert und angestaubte Denkweisen in Frage gestellt werden. Eine hohe Anzahl an Marken mag zwar auf den ersten Blick unübersichtlich und abschreckend wirken, ermöglicht es aber so jedem Windsurfer, das für ihn ideale Board zu finden.
Die Probleme der Windsurfindustrie sind in einigen Fällen selbst verschuldet und so geht unser Redakteur Tobi davon aus, dass diese neuen Marken und Konzepte dabei helfen können, dass sich der Markt auf lange Sicht von selber reguliert und so einige Fehler korrigiert werden. Den eins ist klar: Die steigende Nachfrage der Kunden nach diesen alternativen Produkten und Konzepten zeigt, dass auch eine zunehmende Anzahl an Windsurfern von den alteingesessenen Firmen und deren Konzepten nicht mehr restlos überzeugt sind.