Pazifische Taifunbilanz 2024

Von einer wirklichen „Saison“ kann man eigentlich nicht so recht sprechen, denn Taifune können sich über dem Pazifik das ganze Jahr über bilden. Dennoch gibt es einen Hauptaktivitätszeitraum, der sich von Juli bis November erstreckt. Spricht man von einem pazifischen Taifun, so ist die Rede von einem tropischen Wirbelsturm, der sich in einem Bereich nördlich des Äquators sowie zwischen 100 und 180 Grad östlicher Länge bewegt. Während die Benennung von Hurrikanen (tropische Wirbelstürme über dem Nordatlantik und Ostpazifik) allein dem Nationalen Hurrikan Center (NHC) in Miami obliegt, können die Namen pazifischer Stürme – je nach genauem Entstehungsgebiet beziehungsweise genauer „Wirbelzone“ – von zwei Einrichtungen vergeben werden: der Japan Meteorological Agency (JMA) und der Philippine Atmospheric, Geophysical and Astronomical Services Administration (PAGASA). Dadurch kann es durchaus vorkommen, dass ein und derselbe Sturm zwei Namen führt, was dieses Jahr auch hin und wieder vorkam.

Benannt werden von der JMA dabei alle Stürme die eine zehnminütige mittlere Windgeschwindigkeit von 65 km/h überschreiten. Die PAGASA vergibt bereits ab einem Zehnminutenmittel von 39 km/h einen Namen, allerdings nur, wenn sich der Wirbel innerhalb des philippinischen Verantwortungsbereich zwischen 115 und 135 Grad östlicher Länge sowie 5 und 25 Grad nördlicher Breite aufhält. PAGASA benennt im Gegensatz zu JMA damit also auch tropische Tiefs. Von einem Taifun spricht man übrigens ab einem zehnminütigen Geschwindigkeitsmittel von 118 km/h und von einem schweren Taifun (auch Supertaifun genannt) ab 185 km/h, was der Kategorie 3 auf der fünfteiligen Saffir-Simpson-Skala entspricht.

Soweit zum Hintergrundwissen. Blicken wir nun einmal auf die Prognosen, die im Vorfeld der Hauptsaison erstellt wurden. Das englische Tropical Storm Risk Konsortium (TSR) prognostizierte im Mai 2024 eine leicht unterdurchschnittliche Saison mit 25 Tropischen Stürmen, von denen sich 15 zu Taifunen und davon wiederum 7 zu schweren Taifunen entwickeln sollten. Als Begründung wurde hauptsächlich die Umwandlung von El Nino in ein La-Nina-Event angeführt. Dabei handelt es sich grob gesagt um großräumige Zirkulationsmuster über dem Pazifik. PAGASA sagte im Januar 2024 für das erste Halbjahr 0 bis 6 tropische Systeme voraus (inkl. tropischer Tiefs, die beim TSR nicht berücksichtigt wurden) und im Juni 10 bis 17 Systeme für das zweite Halbjahr voraus. Das sind insgesamt also 10 bis 23 tropische Entwicklungen – wohlgemerkt nur in der vergleichsweise kleinen Region, für die sich PAGASA verantwortlich zeigt.

 

DWD Pazifische Taifunbilanz 2024

Im Mittel (1991-2020) treten übrigens 25,5 tropische Stürme auf, davon 16 Taifune und davon wiederum 9,3 schwere Taifune. Tatsächlich aufgetreten sind bisher 25 Tropenstürme, von denen 12 zu Taifunen und davon wiederum 4 zu schweren Taifunen heranreiften. Ihre Zugbahnen sind in Abbildung 1 aufgeführt. Damit verlief 2024 tatsächlich etwas unterdurchschnittlich, vor allem was die Anzahl schwerer Taifune angeht. Zudem hatte die „Saison“ mit Taifun „Ewiniar“ den fünftspätesten Startzeitpunkt seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnungen. Er entwickelte sich am 23. Mai südöstlich von Palau. Danach ging es vergleichsweise ruhig weiter. Im Juni gab es sogar überhaupt keinen Sturm – das erste Mal seit 2010. Erst Mitte Juli machte Taifun „Gaemi“ (von PAGASA als „Carina“ getauft) leider unmissverständlich klar, dass man sich am Beginn der Hauptaktivitätszeit befand. Er zog zweimal auf Land (zunächst in Taiwan, danach in China) sorgte zugleich aber auch auf den Philippinen für enorme Regenfälle, was dort zu 126 Toten führte.

Im August legte die Taifunsaison dann so richtig los und hielt – mit einer kleinen „Schwächelphase“ im Oktober – bis etwa Mitte November an. Als schwere Taifune gingen dabei „Yagi“ („Enteng“, 195 km/h), „Krathon“ („Julian“, 195 km/h), „Kong-rey“ („Leon“, 185 km/h) und „Man-yi“ („Pepito“, 195 km/h) in die Geschichte ein. In Klammern steht jeweils der Name, den PAGASA vergeben hatte, sowie das maximale Zehnminutenmittel der Windgeschwindigkeit. Ein beeindruckendes Satellitenbild ergab sich am 11. November, als sich vier tropische Systeme gleichzeitig zeigten, die zudem allesamt eine ähnliche Zugbahn hatten, nämlich über den Norden der Philippinen hinweg Richtung Vietnam, China oder Taiwan.

DWD Pazifische Taifunbilanz 2024 1

Doch so schön solche Bilder auch sind, so zerstörerisch sind die Kräfte, die am Boden wirken. Die traurige Bilanz dieses Jahr waren 1255 Tote und Schäden in Höhe von rund 26 Milliarden US-Dollar, was die pazifische Taifunsaison 2024 zur tödlichsten seit 2013 und fünftteuersten jemals macht.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.12.2024

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Wetter in der vorweihnachtlichen Woche

In der vergangenen Woche war es abseits der Berge hauptsächlich trüb. Die Temperaturen bewegten sich relativ nahe und ziemlich gleichbleibend um den Gefrierpunkt (nachts teils etwas darunter, tagsüber nur wenige Grad darüber, im Bergland leichter Dauerfrost). Die heute beginnende, vorweihnachtliche Woche kann dagegen zunächst mit deutlich höheren Temperaturen aufwarten.

Zwischen einem Tiefdrucksystem über Nordeuropa und einem Hoch über Südwesteuropa gelangt in einer recht flotten westlichen Strömung milde Luft nach Deutschland. Vor allem in den nördlichen Landesteilen weht der Wind dabei zudem stark bis stürmisch, exponiert zeitweise auch mit Sturm- oder schweren Sturmböen. Von Süden setzt sich vorübergehend der Einfluss des Hochs über Südwesteuropa durch, das Wetter gestaltet sich dadurch häufiger freundlich und überwiegend trocken. In der Mitte und im Norden des Landes, in relativer Nähe zur nordeuropäischen Tiefdruckzone, dominiert dagegen meist dichte Bewölkung. Gelegentlich fällt dort auch etwas Sprühregen, vor allem im Nordosten zeitweise auch etwas Regen. Die Tageshöchstwerte liegen zu Wochenbeginn am Montag und Dienstag zwischen 8 und 12 Grad. Nachtfrost ist meist kein Thema, dafür reicht es höchstens bei größeren Auflockerungen im Süden, vor allem aber im südlichen Bergland.

Am Mittwoch nähert sich ein weiteres Tief von Westen, auf dessen Vorderseite dreht die Strömung auf Südwest und führt dann sehr milde Luftmassen heran. Dabei erreicht Mittwochfrüh die Warmfront des Tiefs mit Niederschlägen den Westen und Nordwesten. Bei der Verlagerung nach Osten und Südosten verliert die Front im Tagesverlauf an Wetterwirksamkeit, nach Südosten regnet es abends kaum noch. Der mit der Südwestströmung verbundene Warmluftvorstoß wird erst im späteren Verlauf des Donnerstages beendet. Die Kaltfront überquert das Land am Donnerstag von Nordwest nach Südost/Ost mit zeitweiligem Regen, in den Staulagen der Mittelgebirge und ab den Abendstunden auch am Alpenrand können auch erhöhte Niederschlagsmengen auftreten. Ob dabei warnwürdige Regenmengen auftreten, ist noch unsicher, kann gebietsweise aber nicht ganz ausgeschlossen werden. Rückseitig dreht die Strömung wieder auf West bis Nordwest und so gelangen ab Donnerstagabend bzw. ab der Nacht zum Freitag wieder deutlich kältere Luftmassen zu uns, die zumindest im Bergland wieder für eher winterliche Witterungsverhältnisse sorgen: Etwaige Niederschläge gehen dann im Bergland in Schnee über. Dies betrifft voraussichtlich vor allem den Alpenrand, dort stauen sich die frontalen Niederschläge an und können über den Freitag hinweg anhalten. Mit einigen Zentimetern Neuschnee kann im höheren Bergland dann durchaus gerechnet werden. Rückseitig der Front treten überwiegend schauerartige Niederschläge auf, im Bergland dann in Form von Schnee. Ab Freitag werden wieder durchweg einstellige Tageshöchstwerte zwischen 2 und 8 Grad erwartet, nachts muss im Bergland, abseits davon gebietsweise mit leichtem Frost gerechnet werden.

Wie nachhaltig dieser Kaltluftvorstoß zum Wochenende bzw. über das Wochenende hinaus (und damit in Richtung Weihnachten) ist, bleibt abzuwarten. Vorbehaltlich aller vorhandenen Unsicherheiten stehen die Zeichen mittelfristig wohl aktuell eher auf Milderung. Aber dazu in den nächsten Tagen sicher mehr…

Dipl.-Met. Sabine Krüger
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.12.2024
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Phänomen Nebel – Teil 2: Der Advektionsnebel

Im Thema des Tages vom 5. Dezember 2024 (siehe unten angefügter Link) widmeten wir uns dem Strahlungsnebel, der häufigsten Nebelart in Deutschland. Vor allem bei ruhigen Hochdrucklagen im Winterhalbjahr ist dieser ein häufiger Begleiter und war in diesem Jahr beispielweise von Mitte Oktober bis Mitte November sehr präsent. Er ist eine Art des Abkühlungsnebels. Wie der Namen sagt, entsteht dieser durch die Abkühlung einer Luftmasse aufgrund nächtlicher Ausstrahlung unter den Taupunkt (Temperatur, bei der die Luftmasse gesättigt ist und eine relative Luftfeuchte von 100 % beträgt). Auch der sogenannte Advektionsnebel, den wir heute im zweiten Teil dieser Themenreihe erläutern, gehört zum Typ des Abkühlungsnebels. Er ist insbesondere Küstenbewohnern und in der Seeschifffahrt bekannt.

Advektionsnebel

Advektionsnebel bildet sich, wenn feuchtwarme Luftmassen horizontal über eine kalte Oberfläche verfrachtet werden. Über dem kälteren Untergrund kühlt sich die dem Erdboden aufliegende Luftschicht schnell ab und bei Erreichen des Taupunkts kondensiert überschüssiger Wasserdampf zu winzigen Nebeltröpfchen. Demnach ist die Entstehung des Nebels dieselbe wie beim Strahlungsnebel, nur dass die Abkühlung der Luftmasse nicht durch thermische Ausstrahlung, sondern durch den horizontalen Transport (d.h. Advektion) verursacht wird. Während Wind beim Strahlungsnebel hinderlich für dessen Entstehung ist, ist er beim Advektionsnebel eine zwingende Voraussetzung, da nur so die feuchtwarme Luft von ihrer Ursprungsregion zum kälteren Untergrund transportiert werden kann. Bei ausreichend starkem Wind (etwa 10 bis 25 km/h, 2 bis 4 Beaufort) kann durch turbulente Durchmischung eine mehr oder minder mächtige bodennahe Luftschicht unter den Taupunkt abkühlen, sodass der Advektionsnebel vertikale Mächtigkeiten von einigen 100 und in Extremfällen bis zu 1000 Metern erreichen kann. Er kann zu jeder Tageszeit auftreten und mitunter tagelang anhalten, sodass er nicht nur die mächtigste, sondern auch die dauerhafteste Nebelart darstellt.

Die bekannteste Form des Advektionsnebels ist der See- bzw. Meernebel. Dieser kann unter anderem entstehen, wenn die Wasseroberflächen deutlich kühler als die Landoberflächen sind und feuchtwarme Luftmassen vom Festland aufs Meer verfrachtet werden. Durch deren Abkühlung kann sich eine Nebelschicht über der Wasseroberfläche bilden. Bevorzugte Regionen sind kalte Meeresgebiete der höheren Breiten, Seegebiete mit großen Temperaturunterschieden wie im Bereich von kalten Auftriebswassern (siehe Abschnitt: „Karl the Fog“ in Kalifornien), Grenzzonen von warmen und kalten Meeresströmungen und Gebiete mit driftenden Eisbergen. Auch in den Küstenbereichen der gemäßigten Breiten entwickelt sich in Jahreszeiten, in denen die Temperaturgegensätze zwischen Land und Meer markant ausgeprägt sind, häufig Advektionsnebel. Dies ist einerseits im Frühjahr der Fall, wenn feuchte, erwärmte Festlandsluft auf das noch kalte Wasser übertritt (siehe Abschnitt: Küstennebel an der Ostsee). Andererseits entsteht im Herbst und Winter Küstennebel bei auflandiger Strömung, wenn erwärmte Meeresluft auf das kalte Festland trifft. Letzterer ist jedoch meist nur in einem schmalen Band entlang der Küste ausgeprägt. Auf ähnliche Weise kann Advektionsnebel entstehen, wenn feuchte Warmluft in höhere Breiten gelangt und über dem kalten winterlichen Festland zur Ruhe kommt.

Karl the Fog“ in Kalifornien

Ein bekanntes Beispiel ist der Seenebel vor und entlang der Küste von Kalifornien, der in San Francisco und Umgebung so häufig auftritt, dass man ihm sogar einen eigenen Namen gegeben hat – „Karl the Fog“. Hauptursache ist die Wechselwirkung zwischen dem kalifornischen Festland, dem Pazifischen Ozean und bestimmten Meeresströmungen. Die Meeresluft, die durch Verdunstung vom Ozean mit viel Feuchtigkeit angereichet ist, wird Richtung Kalifornien geführt. Unmittelbar entlang der Küste kommt es im Ozean zu einem starken Auftrieb, der kalte unterirdische Gewässer nach oben befördert. Diese kalten Meeresströmungen kühlen die Meeresluft entlang der Küstenlinie ab und es bildet sich Nebel. Gleichzeitig kann sich im Sommer das kalifornische Festland stark aufheizen, wodurch dort ein Hitzetief entsteht. Dadurch wird die Nebelluft angesaugt und kann entlang der Küste landeinwärts „schwappen“ (siehe Abbildung). Dieser Nebel beeinflusst maßgeblich das Mikroklima in San Francisco und hat eine stark kühlende Wirkung.

DWD Phaenomen Nebel Teil 2 Der Advektionsnebel

Weitergehende Informationen zu Eigenschaften von „Karl the Fog“ und deren Auswirkungen können im gleichnamigen nachgelesen werden.

Küstennebel an der Ostsee

In Deutschland ist Seenebel unter anderem im Spätfrühling an der Ostsee anzutreffen und wird durch Warmluftzufuhr aus dem südeuropäischen Raum bedingt. Hat sich der Seenebel einmal gebildet, ist er insbesondere dann bedeutungsvoll, wenn es am Folgetag durch eine Erwärmung im Landesinneren zu Seewind kommt, also wenn der Wind von der See Richtung Küste weht. Der eigentlich über dem Wasser lagernde Nebel wird dann an die Küsten transportiert und kann mehrere Kilometer ins Landesinnere reichen. Man spricht dann vom sogenannten Küstennebel. Ein solcher Küstennebeleinbruch ist mit erheblichen und oft plötzlich auftretenden Veränderungen der Sichtweite und einer spürbaren Abkühlung verbunden.

Seenebel ist nicht mit See- oder Flussrauch zu verwechseln, die wir neben weiteren Nebelarten im dritten Teil dieser Serie erläutern.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.12.2024
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Der „scheue“ Regenbogen

An dieser Stelle wurde vor etwa einem Monat bereits das besondere optische Phänomen des sogenannten „Nebelbogens“ intensiver beleuchtet. Dieser „weiße Regenbogen“ entsteht dann, wenn eine günstige Beleuchtungssituation und ein Tröpfchenspektrum mit kleinen Radien vorliegt. Ab Tröpfchengrößen von weniger als 50 Mikrometern (1 Mikrometer = 1/1000 Millimeter) überlagern sich nämlich die Regenbogenwinkel der einzelnen Spektralfarben zunehmend so, dass zusammen nur noch weißes Licht erkennbar ist. Mehr darüber kann im Thema des Tages vom 10.11.2024 nachgelesen werden (siehe Links).

Neben dieser optischen Erscheinung des Nebelbogens gibt es aber noch einige weitere Vertreter der sogenannten „Fotometeore“, die nur relativ wenigen Leuten bekannt sind. Im Allgemeinen sind Fotometeore Lichterscheinungen, die durch Brechung (Refraktion), Beugung (Diffraktion), Spiegelung (Reflexion), Lichtzerlegung (Dispersion), Streuung (Diffusion) oder Überlagerung (Interferenz) des Sonnen- oder Mondlichtes hervorgerufen werden. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass es optische Erscheinungen eben nicht nur bei Sonnenschein gibt, sondern auch in den Nächten bei entsprechend hoher Mondhelligkeit. Bei günstigen Bedingungen kann in den Nächten sogar ein „Mondregenbogen“ sichtbar werden, der meist aus einem weißlich erscheinenden Kreisbogen oder Teilen eines Kreisbogens auf einer vom Mondlicht angestrahlten Regenwand besteht.

DWD Der scheue Regenbogen

Dabei wird das Mondlicht, wobei dies eigentlich reflektiertes Licht der Sonne ist, durch Regentropfen in seine Spektralfarben zerlegt und anschließend reflektiert. Da dieses aber bekanntermaßen sehr viel lichtschwächer ist als das Sonnenlicht am Tage (etwa 470.000 mal schwächer), sind Mondregenbögen äußerst lichtschwach. Zu Vollmond oder an den Tagen zuvor und danach sind die Chancen für eine Beobachtung noch am größten. Allerdings darf der Mond noch nicht zu hoch am Himmel stehen, da sich dieser im Rücken des Betrachters befinden muss (wie bei der Entstehung eines klassischen Regenbogens). Hinzu kommt, dass in der Nähe von Ballungsräumen die Lichtverschmutzung eine Beobachtung fast unmöglich macht. Aber auch wenn alle äußeren Bedingungen optimal sind, reicht die Helligkeit der Mondsichel im Regelfall nicht für die Erzeugung eines Mondregenbogens aus.

Außerdem ist der Begriff „Regenbogen“ in diesem Zusammenhang etwas irreführend, denn unserem menschlichen Auge erscheint der Mondregenbogen in der Farbe Weiß, da das Farbsehen des Auges im Dunklen von Haus aus eingeschränkt ist bzw. entfällt (Nachtsehen). Allerdings kann mit dem Einsatz von Kameras dieses „Problem“ mittlerweile gut gelöst werden. Des Weiteren ermöglicht eine lange Belichtungszeit mit hoher Lichtempfindlichkeit ein farbiges Abbild des Mondregenbogens. Darin ist aber auch das ordentliche Enttäuschungspotential begründet: Wie bei den anderen lichtschwachen optischen Erscheinungen sowie auch bei spärlich ausgeprägten Polarlichtern sind die gemachten Bilder oft spektakulärer als die Betrachtung mit dem eigenen Auge.

Insgesamt ist die zufällige Beobachtung von Mondregenbögen sehr selten, eine gezielte Suche ist bei entsprechenden atmosphärischen Bedingungen etwas Erfolg versprechender. Ein heißer Tipp ist beispielsweise das Umfeld von größeren Wasserfällen. Die dort entstehende Gischt aus kleinen Tröpfchen und ein an der richtigen Position am Himmel stehender Vollmond sind zumindest gute Ausgangsbedingungen – der Rest ist Zufall und vielleicht auch etwas Glück. Zum Trost, falls es nicht klappen sollte: Es gibt noch weitere, besser zu beobachtende Lichterscheinungen, die durch den Einfluss von schwebender oder fallender Meteore entstehen. Mehr dazu an dieser Stelle aber ein anderes Mal.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.12.2024
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25 Jahre Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

Die Jubiläumsfeier am 5. Dezember wurde vom Bayerischen Ministerpräsident sowie dem Bayerischen Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz auf der Bergstation eröffnet. Auch Mitarbeitende des Deutschen Wetterdienstes haben aktiv an der Veranstaltung mit Vorträgen teilgenommen.

DWD 25 Jahre Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

Auf der Erde gibt es inzwischen nur noch wenige Orte, an denen die Verschmutzung der Atmosphäre gering ist und gleichzeitig mit modernsten Instrumenten kontinuierlich untersucht wird. Einer dieser Orte ist das Schneefernerhaus knapp unterhalb der Zugspitze. Die Höhen- und Klimaforschungsstation befindet sich in 2650 Metern Höhe und ist damit Deutschlands höchste Umweltforschungsstation. Sie wurde 1999 in Betrieb genommen. Seitdem werden im Schneefernerhaus chemische und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre sowie wetter- und klimawirksame Zusammenhänge beobachtet. Durch lange Messreihen können gesellschaftliche und politische Entscheidungen zum Klimaschutz für die Alpen und darüber hinaus getroffen werden.

Im Rahmen des Global Atmosphere Watch Programms (GAW) betreibt der Deutsche Wetterdienst zusammen mit dem Umweltbundesamt die Globalstation Zugspitze/Hohenpeißenberg zur Überwachung von Trends klimarelevanter Spurenstoffe. Der DWD betreibt das Hohenpeißenberger Observatorium und erfasst im Schneefernerhaus und auf dem Zugspitzgipfel meteorologische Größen, verschiedene Aerosolgrößen, sowie atmosphärisches Schwefeldioxid und die atmosphärische Radioaktivität.

Die Station ist Partner im Virtual Alpine Observatory (VAO) mit der GAW-DACH-Kooperation mit den Observatorien Sonnblick in Österreich und Jungfraujoch in der Schweiz, im europäischen Integrated Carbon Observation System (ICOS), und in der Aerosol Clouds and Trace Gases Research InfaStrucure (ACTRIS) zur Beobachtung von klimatischen und luftchemischen Veränderungen in Europa und speziell im Alpenraum.

DWD 25 Jahre Umweltforschungsstation Schneefernerhaus 1

Das Schneefernerhaus wurde ursprünglich als Hotel errichtet. Nachdem der Betrieb dort Anfang der 1990er Jahre eingestellt wurde, errichtete der Freistaat Bayern in dem zwölfstöckigen Gebäude die Umweltforschungsstation. Renommierte Forschungseinrichtungen führen heute im Schneefernerhaus permanente Beobachtungen und Studien durch und bilden mit dem Freistaat Bayern die Konsortialpartner der Station.

Ziel des Konsortialvertrages ist es, in der Umweltforschungsstation ein virtuelles Institut zu etablieren und dieses zu einem international vernetzten Kompetenzzentrum für Höhen- und Klimaforschung insbesondere zur Entwicklung, Demonstration und zum Betrieb innovativer Technologien für Klima- und Atmosphärenbeobachtung, Satellitendatenvalidierung, Höhenmedizin und Früherkennung von Naturgefahren zu entwickeln.

Zu den Konsortialpartnern gehören neben dem federführenden Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, der DWD, das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum , das Helmholtz Zentrum München, das Karlsruher Institut für Technologie , die Ludwigs-Maximilian-Universität München, die Max-Planck-Gesellschaft, die Technische Universität München, das Umweltbundesamt, die Universität Augsburg, das Bayerische Landesamt für Umwelt sowie die Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Das Schneefernerhaus steht neben den Konsortialpartnern auch anderen Forscherinnen und Forschern offen. Jede Einrichtung kann sich mit einem Projekt bewerben und ihre Studien auf der Station durchführen.

Gudrun Mühlbacher und Doktor Christian Plaß-Dülmer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.12.2024
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Die Paradoxie der maskierten Kaltfront

Dass Tiefdruckgebiete, die in mittleren Breiten entlang der Polarfront entstehen, stets Kalt-, Warm- und Mischfronten ausbilden, dürfte zumindest regelmäßigen Lesern dieses Mediums bekannt sein. Scheinbar selbstredend sorgen Warmfronten für einen Temperaturanstieg und Kaltfronten für einen Temperaturrückgang, während Mischfronten, die sogenannten Okklusionen, jegliche, aber meist eher geringe Temperaturänderungen hervorrufen können. Doch gerade die winterliche Kaltfront vermag ihr Charakteristikum manchmal zu verschleiern. So führt diese im meteorologischen Fachjargon als „maskiert“ bezeichnete Kaltfront zu einem zumindest vorübergehenden, scheinbar paradoxen Temperaturanstieg. Wie kommt es dazu?

Einer maskierten Kaltfront geht stets eine ruhige Hochdruckwetterlage voran. Im Sommer bedeutet das meist viel Sonnenschein. Dieser sorgt für einen Energieüberschuss und damit für eine sukzessive Erwärmung. Im Winter herrscht dagegen ein Energiedefizit. Die Luft kühlt sich in den langen Nächten immer weiter ab. Die ohnehin bräsige, weil schwere Kaltluft, kann sich bei windschwachen Verhältnissen bodennah immer weiter ansammeln. Je länger also die windschwache Hochdruckwetterlage anhält, desto kälter wird es. Lediglich die Hochlagen, die aus dieser Kaltluftschicht herausragen, können von wärmerer Luft profitieren. Es herrscht folglich ein inverses Temperaturprofil, eine sogenannte „Inversion“, bei der die Temperatur mit der Höhe nicht ab-, sondern zunimmt.

Wenn sich nun aber eine Kaltfront nähert, macht sie dieser bräsigen, flachen Kaltluftschicht sprichwörtlich Beine. Alleine schon durch den zunehmenden Wind und durch vertikale Luftmassenumwälzungen sorgt sie dafür, dass sich die Inversion abschwächt und sich auflöst. Im Fachjargon spricht man auch von „Durchmischung“, die dafür sorgt, dass sich wieder ein „normales“ Temperaturprofil (unten warm, oben kalt) einstellt. Luftpakete, die sich vertikal nach oben und unten bewegen, erfahren nämlich sogenannte „adiabatische Zustandsänderungen“, ohne, dass dem Luftpaket Wärme zu- oder abgeführt wird. Alleine durch die gravitationsbedingte Änderung des Luftdruckes mit der Höhe ändert sich die Temperatur. Steigt ein Luftpaket nach oben, dehnt es sich durch die äußere Druckabnahme aus und kühlt ab. Sinkt ein Luftpaket nach unten, wird es durch Druckzunahme gestaucht und erwärmt sich. Alleine dieser Prozess der Durchmischung führt also dazu, dass es bodennah wärmer wird und sich die Abkühlung lediglich auf die Hochlagen beschränkt.

Dazu kommt noch ein weiterer Effekt: Hinter Kaltfronten setzt sich hierzulande zunächst oft maritime Polarluft durch, also Kaltluft, die über dem Atlantik oder der Nordsee stark erwärmt wurde und nicht selten wärmer ist als die unter Hochdruckeinfluss mitunter tagelang gealterte und abgekühlte Luft. Nur, wenn die Kaltluftzufuhr unmittelbar aus polaren Breiten länger anhält oder die Kaltluft ihren maritimen Charakter verliert, kühlt es auch in tieferen Lagen wieder ab.

DWD Die Paradoxie der maskierten Kaltfront

Die genaue Temperaturvorhersage bzw. die Vorhersage des Temperaturprofils gestaltet sich bei einer solchen maskierten Kaltfrontpassage vor allem im hügeligen Terrain schwierig. Der Luftmassenaustausch vollzieht sich – je nach Orientierung von Tälern und Bergrücken – teils sehr unterschiedlich schnell. Da der Niederschlag durch die unterschiedlich temperierten Luftschichten hindurchfallen muss, führen die Unwägbarkeiten der Temperaturvorhersage unmittelbar auch zu größeren Unsicherheiten bei der Vorhersage der Niederschlagsphase. Typischerweise fallen die mit einer maskierten Kaltluft einhergehenden Niederschläge je nach Mächtigkeit der Kaltluftschicht anfangs bis in tiefe Lagen teils als gefrierender Regen oder Schnee, gehen dann aber nach Ausräumen der Inversion zunächst wieder vermehrt in Regen über. Je nach Stärke und Andauer der Kaltluftzufuhr beginnt die Schneefallgrenze mit etwas Abstand hinter der Kaltfront im Verlauf wieder abzusinken.

Eine maskierte Kaltfront kann die Wettervorhersage also stark verkomplizieren. Wenn in Wetterberichten die Rede davon ist, kann also davon ausgegangen werden, dass uns Meteorologen nicht selten die Köpfe rauchen.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2024
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Gegenstrahlung

Der Strahlungshaushalt bzw. die Strahlungsbilanz ist ein wesentlicher Faktor für die in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse. Dabei unterscheidet man in einem ersten groben Schritt einerseits die von der Sonne ausgestrahlte kurzwellige und sehr energiereiche Strahlung und andererseits die von der Erde ausgestrahlte langwellige (Wärme-)Strahlung. Bei genauerem Hinsehen werden beide Strahlungsarten auf ihrem Weg durch die Atmosphäre in vielfältiger Weise verändert, teils nur bezüglich ihrer Ausbreitungsrichtung, teils nur bezüglich ihres Wellenlängen-Spektrums – und manchmal auch bezüglich beider Eigenschaften.

Im heutigen Thema des Tages werfen wir einen Blick auf die Wärmestrahlung der Erde. Sie hat einen Energieverlust für den Erdkörper zur Folge, der umso höher ist, je besser die Wärmestrahlung durch die Atmosphäre in den Weltraum gelangen kann. Umgekehrt ist der Energieverlust dann gering, wenn ein großer Teil der irdischen Strahlung, z. B. durch Reflektion, wieder zur Erde zurück gelangt. Diesen Teil der irdischen Wärmestrahlung bezeichnet man als Gegenstrahlung, weil sie dem physikalischen „Drang“ der Erde, Energie abzugeben, entgegensteht.
Sozusagen im „Gegenstrahlungs-Fokus“ stehen aktuell natürlich die Treibhausgase und in der Folge der Klimawandel. Aber auch Wasserdampf und mithin die Wolken sind sehr effektive „Gegenstrahler“. Ein schönes Beispiel dafür zeigte sich am vorvergangenen Wochenende im Rhein-Main-Gebiet.

DWD Gegenstrahlung

In der Abbildung 1 ist dazu der Temperaturverlauf am Messfeld des Instituts für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz vom 29.11. bis 4.12.2024 angegeben. Genau genommen sind es sogar mehrere Temperaturverläufe, nämlich die Temperatur in 2 m Höhe (rot), in 20 cm Höhe (grün) und in 5 cm Höhe (blau). Die vierte Kurve (Taupunkt) ist ein Maß für die Feuchtigkeit. Letztendlich kann man sich für unsere Überlegungen eine der drei erstgenannten Kurven aussuchen, die zugrunde liegenden Prozesse sind bei allen Temperaturkurven gleich.

In der Nacht von Freitag auf Samstag (29.11. auf 30.11.) war der Temperaturverlauf (bzw. sind alle drei Temperaturverläufe) weitgehend so, wie man es erwartet. Die Temperatur sank – abgesehen von einem kleinen Peak nach oben zu Beginn der zweiten Nachthälfte) kontinuierlich ab. Gegen 07 Uhr MEZ am Morgen (Pfeil 1) und damit kurz nach Sonnenaufgang sorgte der solare Strahlungsinput dann für einen Temperaturanstieg bis etwa zur Mittagszeit. Am Nachmittag gewann die Ausstrahlung der Erde dann gegenüber der solaren Einstrahlung die Oberhand und die Temperatur sank wieder ab. Diese Temperaturkurve ist typisch für sogenanntes Strahlungswetter, das sich durch wolkenarme oder wolkenlose Gegebenheiten auszeichnet.

In der Nacht zum Sonntag passierte dann aber Ungewöhnliches. Schon gegen 02 Uhr MEZ (Pfeil 2) begann die Temperatur zu steigen. Eine mögliche Option wäre natürlich Warmluftadvektion gewesen, allerdings war der Wind schwach (Hochdruckeinfluss). Stattdessen kann man die Erklärung aus Abbildung 2 herauslesen.

DWD Gegenstrahlung 1

In dieser ist die tiefe Bewölkung dargestellt, wie sie unser Modell ICONEU für die Nacht vom 30.11. zum 1.12. vorhergesagt hat. Um 21 UTC am 30.11. (22 Uhr MEZ, oben links) war Mainz (roter Kreis) laut Modell noch frei von tiefer Bewölkung. In der frühen zweiten Nachthälfte (00 UTC entsprechend 01 Uhr MEZ), also kurz vor Beginn des Temperaturanstiegs an der Johannes Gutenberg-Universität, verdichtete sich die tiefe Bewölkung (oben rechts). Im weiteren Verlauf der Nacht zog die Bewölkung immer weiter zu (unten, von links nach rechts). Damit verstärkte sich die Gegenstrahlung und der Temperaturanstieg schritt bis in die Morgenstunden voran. Übrigens: Das wird auch der Grund für den kleinen Temperaturpeak in der Nacht zum Samstag gewesen sein.
Mit Tagesbeginn schwang das „Strahlungspendel“ aber zurück. Nunmehr dämpfte die Bewölkung die solare Einstrahlung, entsprechend stieg die Temperatur nur sehr zögerlich an – kein Vergleich zur raschen Temperaturzunahme am Vortag. Dafür hielt der kontinuierliche Temperaturanstieg bis in die Nacht zum Dienstag an. Dies war aber der Warnluftadvektion durch Frontensysteme geschuldet.

DWD Gegenstrahlung 2

In weiten Teilen des Rhein-Main-Gebiets war der 1.12. somit kein freundlicher Tag. Die Betonung liegt auf „in weiten Teilen“. Denn wer sich die Mühe gemacht hat auf den Feldberg im Taunus zu wandern, konnte ein spektakuläres Panorama bewundern (Abbildung 3, mit freundlicher Genehmigung von foto-webcam.eu).

Diplom-Meteorologe Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.12.2024
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Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Tornadozahlen seit 1999

Das Jahr neigt sich allmählich dem Ende zu und so bietet sich eine gute Gelegenheit Bilanz zu ziehen. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahlen der letzten 25 Jahre. Die Darstellung zeigt die sogenannten Tornadostripes, in Anlehnung an die allseits bekannten Warming Stripes. Dabei wird seit 1999 jedem Jahr ein eingefärbter Balken zugewiesen, der abhängig vom Mittelwert eine rötliche Farbe aufweist, wenn die Zahlen überdurchschnittlich hoch waren und eine blaue Farbe für unterdurchschnittliche Werte. Je nach Ausprägung der Abweichung ist der Farbton der Balken mehr oder weniger kräftig. Die durchschnittliche Anzahl an Tornados im Mittel zwischen 2000 bis 2023 liegt bei 45. Man erkennt eine starke Schwankung von Jahr zu Jahr, aber keinen Trend hin zu einer Zunahme der Tornadozahlen. In diesem Jahr sind bisher 40 Tornados offiziell bestätigt worden. Es ist aber davon auszugehen, dass am Ende noch ein paar mehr Verdachtsfälle bestätigt werden. Die Tornadoarbeitsgruppe (TAD) schaut sich immer im Frühjahr des Folgejahres alle Verdachtsfälle nochmal näher an, so dass die endgültige Gesamtzahl erst dann vorliegen wird. Man kann aber schon bilanzieren, dass die Saison 2024 eine recht durchschnittliche Tornadosaison gewesen ist, ähnlich wie in den vorangegangenen Jahren.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Stärkeverteilung 2024

Wenn man die Tornados nach Ihrem Auftreten unterscheidet, so waren 15 der 40 Tornados sogenannte Wasserhosen, also Tornados, die über Wasser gezogen sind. Die restlichen 25 sind folglich über Land entstanden und gezogen. Der überwiegende Teil der Wirbel war schwach. Für die Bewertung der Stärke der Tornados wird die internationale Fujita-Skala verwendet (IF-Skala: Bei zwölf der bestätigten Tornados konnte keine Stärkeeinteilung vorgenommen werden. Dies ist meist der Fall, wenn die Tornados über Wasser ziehen oder kein Schaden am Boden gefunden werden konnte. Acht Tornados hatten die Stärke IF0 (2) oder IF0.5 (6). Der größte Anteil mit 19 Fällen ist in der Kategorie IF1 zu finden (IF1: 10, IF1.5: 9). Lediglich ein Fall kann als signifikanter Tornado der Stärke IF2 klassifiziert werden.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 1

Jahresgang und Tagesgang 2024

Werfen wir nun einen Blick auf den Jahresgang. Der Großteil der Tornados trat in den Sommermonaten auf. Sieben Tornados wurden im Juni, neun im Juli und zehn im August registriert. Im April waren es sechs Fälle und im Frühjahr sind von März bis Mai zusammen acht Fälle aufgetreten. Die Verteilung passt gut zu den vieljährigen Statistiken von 2000 bis 2023. Auch hinsichtlich der Wasserhosen war es ein sehr typisches Jahr, da neun der insgesamt 15 Wasserhosen im August registriert wurden. Immerhin traten fast die Hälfte aller Tornados über Wasser seit 2000 im August auf.
Bei der Betrachtung des Tagesganges lässt sich feststellen, dass der überwiegende Teil aller Tornados in den Nachmittagsstunden gemeldet wurden. Ganze 23 und damit mehr als die Hälfte aller Wirbel traten zwischen 12 und 18 Uhr UTC auf. In den Vormittagsstunden (6 bis 12 UTC) sind elf Tornados registriert worden, wobei der größte Teil Wasserhosen (9) gewesen sind. Die Stunden (+/- 30min) mit den meisten Tornados waren 13 UTC (6) und 14 UTC (7). Auch diese Zahlen passen wieder gut zu den Langzeitstatistiken.

Interessant ist noch die Tatsache, dass die große Mehrheit an Tornados im Jahre 2024 aus Südwest (Südwest, Süd-Südwest, West-Südwest) in Richtung Nordost gezogen sind (immerhin 14 von 40). Von West nach Ost zogen fünf, von Süd nach Nord zwei und von Nordwest in Richtung Südost vier Tornados. Bei den restlichen 25 Wirbeln wurde keine Zugrichtung angegeben.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 2

Ausgewählte Fälle

Der erste Tornado 2024 trat am 21.03.2024 um 13:40 UTC in Landsberg am Lech auf und hatte eine Stärke von IF1. Der Tornado richtete auf eine Länge von 5.2 km vor allem Schäden in der Vegetation an, beschädigte aber auch ein paar Gebäude in Landsberg. Im März sind Tornados eher unüblich. Nur knapp 2 % aller Tornados in der Datenbank traten in diesem Monat auf.
Der stärkste Tornado mit einer Stärke von IF2 wurde am Abend des 18.06.2023 um 18:15 UTC in Heere in NRW registriert und war einer von drei Tornados an diesem Tag. Dieser Wirbel zog vor allem über Felder und durch Waldgebiete und richtete teils erhebliche Schäden an der Vegetation an.
Der Tag mit den meisten Tornados an einem Tag war der 08.08.2024. An diesem Tag finden sich insgesamt sieben Tornados in der Datenbank. Es handelte es sich dabei um Wasserhosen, die zwischen 07:30 und 08:45 UTC über der Nordsee von Föhr und Borkum aus gesichtet wurden. Eine dieser Wasserhosen zog schließlich an Land und warf zahlreiche Strandkörbe um. Das Video dazu war recht prominent in den Medien zu finden.
Der breiteste Tornado 2024 war wiederum auch der stärkste Tornado 2024 in Heere. Bei der Analyse der Schäden wurde eine maximale Breite von 450 m registriert. Der Tornado in Heere zog über eine Länge von 5.3 km.
Der Tornado mit der längsten Zugbahn fand am 12.07.2024 in Marienfeld in Nordrheinwestfalen statt. Schäden von diesem IF1.5 Tornado konnten auf eine Länge von 8.3 km gefunden werden.
Im Mittel haben starke Tornados eine längere Lebensdauer und sind auch größer als schwache Tornados.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 3

Ein kurioser Fall

Zu guter Letzt noch ein Wort zum kuriosesten Tornado in diesem Jahr. Dieser fand an einer unscheinbaren Schauerzelle bei Philippsburg in Baden-Württemberg statt. Das kuriose daran war, dass die Zelle, die den Tornado produzierte, kein Gewitter war (es gab also weder Blitz noch Donner). Trotzdem war das Erscheinungsbild auf dem Radar typisch für eine Superzelle (Hakenecho). Wahrscheinlich wäre dieser Tornado nie entdeckt worden, denn er richtete kaum Schäden an. Lediglich abgebrochene Äste und platt gedrückte Felder zeugen von seinem Auftreten. Der Zufall wollte es aber, dass Jannick Fischer vom KIT (Karlsruher Institut für Technologie) die verdächtige Zelle auffiel und er diese mit seiner Kamera verfolgte und den Tornado schließlich filmen konnte.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Dieser letzte Fall wirft die Frage auf, wie viele solcher Fälle jedes Jahr durch die Lappen gehen. Weil eben nicht zufällig jemand in der Nähe ist, der sich auskennt, oder weil es dunkel war und man den Tornado nicht sehen konnte. Sicherlich werden nach dem Treffen der TAD im Frühjahr noch ein paar Fälle hinzukommen, eine Dunkelziffer aber wird bleiben – wie jedes Jahr.
Sollten Sie noch einen interessanten Fall haben, der nicht in den Statistiken auftaucht, dann schreiben Sie unserer Tornado-Expertengruppe: tornado@dwd.de

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Tornado-Expertengruppe

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Paradoxe Nordostströmung und Ostseehochwasser

Deutschland liegt derzeit eingezwängt zwischen zwei jeweils umfangreichen Druckgebilden. Von den Britischen Inseln bis nach Südskandinavien erstreckt sich ein Hoch mit einem Kerndruck von über 1040 Hektopascal (hPa). Über Italien liegt ein Tief mit knapp unter 1005 hPa Kerndruck. Die Folge des deutlichen Druckunterschiedes über Deutschland ist ein mäßiger bis frischer, an den Küsten starker bis stürmischer Nordostwind.

Bei dieser Richtung und Stärke des Windes würde man zu dieser Jahreszeit, immerhin haben wir fast den Sonnentiefststand erreicht, wohl winterliches Wetter bis in tiefe Lagen erwarten. Dem ist aber nicht so. Woran liegt es? Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein entscheidender Faktor ist die Herkunft der Luftmasse. Diese hat ihren Ursprung nicht im Nordosten Europas, sondern kommt aus völlig anderen Himmelsrichtungen. Woher eine Luftmasse stammt, kann man mithilfe von sogenannten Rückwärtstrajektorien darstellen (siehe Bild 1). So ist der Ursprung der dort vorherrschenden Luftmasse Im Nordosten Deutschlands das Schwarze Meer, im Süden mehrheitlich der Balkan und im Westen Deutschlands Westeuropa oder sogar der Atlantik. Also Regionen mit deutlich milderem Klima. Erst über Mitteleuropa dreht die Strömung bodennah auf Nordost.

 

DWD Paradoxe Nordoststroemung und Ostseehochwasser

Nun könnte zumindest die Luft aus den östlichen Teilen Europas zu dieser Jahreszeit kalt sein, ist sie aber nicht. Die Vorgeschichte dort ist auch vergleichsweise mild und so fehlt dort eine Schneedecke, über der die Luft auskühlen könnte. Nur in den Bergen liegt dort Schnee. Dies ist weniger als im langjährigen Mittel und zu wenig für winterliches Wetter bei uns. Als dritten Punkt kann man das „warme“ Ostseewasser heranführen. Der Wasserkörper reagiert träger und kühlt damit langsamer ab als Landflächen. So fungiert die Ostsee gerade zum Winteranfang noch als Wärmespeicher, diese Wärme gibt sie an die darüber strömende Luft ab. Und auch in diesem Fall gibt es noch einen zusätzlichen Aufschlag, die Ostsee ist großflächig 1 bis 3 Kelvin wärmer als im langjährigen Mittel. An der deutschen Ostseeküste beträgt die Wassertemperatur aktuell 5 bis 7 Grad, weiter abseits der Küste zum Teil noch 8 Grad. Zu viel für wintertaugliche Luftmassen.

So erklärt sich nach einer vielleicht ersten Verwunderung das fehlende Winterwetter in tiefen Lagen. In Lagen ab 600 Meter reicht es aber doch für winterliches Wetter. Für diese Höhenlage ist dies zu dieser Jahreszeit aber auch nicht groß der Rede wert.
Eine markante Folge der aktuellen Wetterlage gibt es dann aber schon: Hochwasser an der Ostsee. Der anhaltende sowie kräftige Nordostwind treibt das Ostseewasser großräumig nach Südwesten und lässt es an der deutschen Küste besonders hoch steigen.

DWD Paradoxe Nordoststroemung und Ostseehochwasser 1

Nach mehreren Erhöhungen der prognostizierten Pegelstände sagt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) verbreitet Wasserstände von einem Meter und mehr über dem mittleren Wasserstand für den heutigen Montag voraus. Dies ist der Grenzwert, ab dem von Hochwasser gesprochen wird. Besonders hoch soll das Wasser mit +1,30 Meter in der Lübecker Bucht steigen. Tatsächlich wurden (Stand: Montag, 09.12.2024, 12 Uhr) bereits Pegelstände über 1,20 Meter gemessen. So zum Beispiel in Travemünde.

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MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2024
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Orkantief ANATOL – Paukenschlag vor 25 Jahren

In den vergangenen Tagen war es zwar windig bis stürmisch in Deutschland. An die Intensität ausgewachsener Stürme reichten die Windgeschwindigkeiten zumindest in Deutschland aber weitem nicht heran. Anders sah dies vor 25 Jahren im Dezember 1999 aus. Aus einem zunächst recht unscheinbaren Tief am 2. Dezember weit westlich von Irland entwickelte sich in nur 24 Stunden ein außergewöhnliches Orkantief. Es bekam den Namen Anatol. In nur rund 36 Stunden vertieft sich der Kerndruck von Anatol von etwa 1030 Hektopascal (hPa) (02.12.1999 01 MEZ) auf 960 hPa (03.12.1999 13 MEZ). Innerhalb von 24 Stunden betrug der Druckabfall immer noch mehr als 50 hPa. Der Grenzwert von 24 hPa in 24 Stunden für eine schnelle Intensivierung eines Tiefs wurde damit deutlich überschritten.

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Die Zugbahn von Anatol führte vom Seegebiet westlich von Irland über die Britischen Inseln zur Nordsee und weiter über den Norden Dänemarks nach Südschweden. Seinen Höhepunkt erreichte Anatol zwischen Dänemark und Südschweden. Am Abend des 3. Dezember 1999 wurden dort 952 hPa gemessen. In der Folge schwächte sich der Orkan dann ab. Das stärkste Sturmfeld von Anatol befand sich, wie für gewöhnlich üblich, an seiner Süd- bzw. Westflanke. Dort war der horizontale Druckunterschied am größten. Das intensivste Sturmfeld schwenkte somit über die Deutsche Bucht sowie Schleswig-Holstein und Süddänemark nach Osten.

 

DWD Orkantief ANATOL Paukenschlag vor 25 Jahren

Innerhalb Deutschlands war das Sturmfeld folglich umso stärker, je weiter nördlich sich der Beobachtungspunkt befand. Die stärkste Böe wurde wenig überraschend an der Station List auf Sylt registriert. Knapp 185 km/h (Beaufort 12) konnte der Windmesser aufzeichnen, ehe die Stromversorgung aufgrund des Orkans für mehrere Stunden ausfiel. Noch stärkere Böen können aufgrund der Messunterbrechung nicht ausgeschlossen werden. Ähnlich hohe Windgeschwindigkeiten wurden in Dänemark auf der Insel Romoe gemessen. In St.Peter-Ording, Flensburg, Fehmarn, Lübeck und auf Rügen erreichte der Orkan Windgeschwindigkeiten zwischen 140 und 155 km/h. In Hamburg reichte es für 108 km/h (Bft 11).

DWD Orkantief ANATOL Paukenschlag vor 25 Jahren 1

Die Auswirkungen waren dementsprechend immens. Auf der Nordsee gerieten Schiffe in Seenot, Seetonnen wurden fortgerissen und an Land entwurzelte der Sturm Bäume, deckte Dächer ab und ließ Verkehrsschilder durch die Luft fliegen. In Schleswig-Holstein wurden allein dem größten Versicherer insgesamt 35.000 Schadenfälle gemeldet. An der Nordsee kam es zum Teil zu einer sehr schweren Sturmflut, die Insel Romoe wurde dabei überflutet. Mindestens 20 Menschen kamen durch den Sturm in Europa ums Leben.

Anatol sollte aber nicht der einzige außergewöhnliche Sturm im Dezember 1999 bleiben. Am 26.12.1999 erreichte ein sich ebenfalls rasch vertiefender Sturm auf ungewöhnlich südlicher Zugbahn von Frankreich her Süddeutschland. Mit brachialer Gewalt sorgte „Lothar“ für enorme Schäden, vor allem auch in den Wäldern.

In der kommenden Woche sind Sturmtiefentwicklungen in Mitteleuropa sehr unwahrscheinlich. Für den Rest des Winters lassen sich jedoch keine belastbaren Aussagen treffen.

MSc.-Met. Thore Hansen
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Offenbach, den 08.12.2024
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