Teils erneut ungewöhnliche Oktoberwärme, aber nicht überall

Tief Patrick verlagert sich am heutigen Freitag über die Nordsee nach Südschweden. Dabei nehmen an der Südseite des Sturmtiefs die Druckunterschiede deutlich zu, sodass gerade an den Küsten und auf den Bergen stürmischer Wind aufkommt. Rückseitig des Sturmtiefs fließen in den Nordosten zum Sonntag hin dann deutlich kühlere Luftmassen polaren Ursprungs ein. Gleichzeitig wölbt sich über West- und Mitteleuropa ein kräftiger und stabiler auf, welcher in der Höhe erneut ungewöhnlich warme Luftmassen über Südwesteuropa nach Norden führt.

Somit gestaltet sich das Wetter in der Südwesthälfte bei wieder steigenden Temperaturen häufig freundlich. Am Sonntag sind im äußersten Südwesten örtlich schon wieder sogenannte „Sommertage“ mit Tageshöchstwerten von 25 Grad oder mehr wahrscheinlich. Zudem bestimmt eine Wetterdreiteilung das Land. Während im äußersten Südwesten und Nordosten häufig die Sonne scheint, ist es über den mittleren Landesteilen teils wolkiger. Dort positioniert sich eine markante Luftmassengrenze mit zeitweiligen Regenfällen.

So zeigt sich zu Wochenbeginn ein signifikantes Temperaturgefälle zwischen dem Nordosten und dem Südwesten Deutschlands. Während entlang des Oberrheins häufig Tageshöchsttemperaturen von über 25 Grad gemessen werden (im Breisgau lokal bis 27 Grad), schaffen es die Temperaturen im äußersten Nordosten wie beispielsweise auf der Insel Rügen nur noch auf maximal 13 bis 15 Grad. Noch imposanter zeigen sich die Temperaturunterschiede in 1500 Meter Höhe. Dort baut sich am Sonntag zwischen Greifswald und dem Breisgau ein Temperaturgradient von annähernd 20 Kelvin auf.

Auch im weiteren Verlauf schwächen sich die

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Temperaturunterschiede vorerst nur sehr langsam ab. Erst zur Wochenmitte werden die recht kühlen Luftmassen im Nordosten wieder verdrängt. Diese Luftmassengrenze ist allerdings nicht sehr wetterwirksam, da sie schnell unter Hochdruckeinfluss gerät. Damit schwächen sich die Niederschläge über den mittleren Landesteilen am Sonntag rasch ab, sodass keine warnwürdigen Mengen zusammenkommen.

Damit könnten entlang des Oberrheins bis zur Wochenmitte lokal nochmals bis zu vier Sommertage im Oktober dazukommen. Wodurch dort teils neue Oktoberrekorde aufgestellt werden können. Allerdings ist es noch fraglich, ob sich Nebelfelder die sich in den kommenden Nächten dort bilden auch rasch auflösen. Da vor allem zu Wochenanfang im Süden nur geringe Druckunterschiede vorhanden sind, könnte sich die Nebelauflösung örtlich als zäh gestalten, was einen spürbaren Einfluss auf die Tageshöchsttemperaturen hat. Betrachtet man das Flächenmittel, so liegt der Rekord bei rund 1 bis 2 Sommertagen aus dem Jahre 2018 (siehe Abbildung 2). Dieser Wert könnte in diesem Oktober durchaus eingestellt oder sogar überboten werden. Damit bleibt abzuwarten, ob auch der Oktober für zahlreiche neue Wärmerekorde sorgen wird.

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M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.10.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Ein außergewöhnlicher September

Selbst wenn man sich schon an das neue Klimamittel für September gewöhnt hat, wird man sicher festgestellt haben, dass der erste Herbstmonat in diesem Jahr außergewöhnlich warm und sonnig war. Und das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für ganz Europa. Im Mittel lag die Durchschnittstemperatur in Europa 2.5 K über dem vieljährigen Mittel von 1991-2020 und ganze 1.1 K über dem bisherigen Rekordwert von September (2020). Das sind schon enorme Abweichungen, wenn man bedenkt, dass es sich um einen Mittelwert über für den ganzen Kontinent handelt. Nicht überraschend wurden in vielen Ländern neue Septemberrekorde seit Aufzeichnungsbeginn gemessen.

DWD Ein aussergewoehnlicher September

Die wesentlichen Aspekte zum September 2023 wurden vor einigen Tagen bereits in der Pressemitteilung veröffentlicht

Wenn man sich den September etwas näher anschaut, so findet man aber noch einige spannende Details mehr. Diese sollen in der Folge kurz gezeigt und erläutert werden.

September 2023 im Vergleich zu den eigentlichen Sommermonaten

Bisher sind die Monate September und Oktober die Monate im Jahr, bei denen die Erwärmung der letzten Jahrzehnte noch am wenigsten ausgeprägt war.
Die Durchschnittstemperatur des Septembers lag bei 17.3°C und damit 4 K über den vieljährigen Mittelwerten von 1961-1990 (bzw. 3.4 K über 1991-2020). Der September 2023 war zudem 0.4 K wärmer als die bisherigen Rekordjahre 2006 und 2016.
Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem der Vergleich mit den Mittelwerten der eigentlichen Sommermonate Juni bis August. Diese lagen im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 bei 15.4 Grad (Juni), 16.9 Grad (Juli) und 16.5 Grad (August). Mit anderen Worten, der September 2023 war wärmer als ein nach der alten Vergleichsperiode üblicher Sommer und verlief etwa auf dem Niveau eines Durchschnittssommers nach der derzeitigen Vergleichsperiode 1991 bis 2020 (Sommermittel: 17.6°C).

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Interessant ist auch der Vergleich des Septembers mit den diesjährigen Mittelwerten der Sommermonate. Im Mittel über ganz Deutschland waren Juni (+1.3 K), Juli (+1.4 K) und August (+1 K) etwas wärmer als der September. Schaut man sich die verschiedenen Wetterstationen in Deutschland an, sieht man, dass dies nicht überall der Fall war. An den Küsten und auch im höheren Bergland war der September 2023 wärmer als jeder Sommermonat in diesem Jahr.

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Sommertage im September 2023 oft mit neuen Rekorden

Ebenfalls interessant ist der Blick auf die Anzahl der Sommertage, die im September 2023 erreicht wurden. Exemplarisch wurde dies für verschiedene Stationen quer über Deutschland untersucht. Es lässt sich feststellen, dass es an vielen Stationen neue Rekorde bei der Anzahl der Sommertage für einen September gab. Etwas davon ausgenommen ist der Nordwesten Deutschlands. Sonst wurden vielerorts die Rekorde eingestellt oder übertroffen. Besonders ausgeprägt war dies im Südwesten des Landes. In Frankfurt wurde der alte Rekord (15) um drei Tage überboten (18). In Mülheim am Oberrhein waren es ganze fünf Tage mehr (21 statt 16) und in Stuttgart auf dem Schnarrenberg sogar sechs (19 statt 13).

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September 2023 besonders extrem im Bergland

Auffällig sind auch wieder die Bergstationen. So wurde in Neuhaus auf 845 m Höhe sechsmal ein Sommertag registriert (bisheriger Rekord 3) und es gab noch keinen Frosttag. Aber auch an anderen Stationen im Bergland lassen sich enorme Abweichungen finden. Die Abweichungen zu den vieljährigen Mittelwerten sind ebendort besonders markant, wie die nachfolgende Tabelle zeigt. So liegt der Mittelwert über alle Stationen in ganz Deutschland bei +4 K. Betrachtet man nur die Stationen über 1000 m Höhe, sind es hingegen +5.2 K, wobei der Brocken mit +5.4 K hervorsticht.

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Zu guter Letzt noch eine weitere Grafik, welche den enormen Wärmeüberschuss im Bergland illustriert. Dargestellt ist der Verlauf der Mitteltemperatur auf der Zugspitze im Vergleich zu den höchsten bzw. niedrigsten Tagesdurchschnittswerten im vieljährigen Mittel. 2023 bewegte sich die Zugspitze fast immer am Oberrand des maximal Möglichen. An neun Tagen wurde ein neuer Rekordwert aufgestellt, davon acht Tage am Stück. In der Spitze wurde der alte Tagerekord um 4.3 K überboten (05.09.). Dieser September passt sich damit in den Trend ein, dass die Klimaerwärmung im Bergland schneller voranschreitet als in tiefen Lagen.

DWD Ein aussergewoehnlicher September 1

Abschluss, was macht der Oktober?

All diese Statistiken zeigen, wie außergewöhnlich der September 2023 gewesen ist, und dass man ihn mit Fug und Recht als vierten Sommermonat bezeichnen kann. Ob das auch für den Oktober gilt? Zumindest macht der zweite meteorologische Herbstmonat genau da weiter, wo der September aufgehört hat … mit neuen Rekorden. Richtiger Vollherbst ist in den nächsten 7 bis 10 Tagen nicht in Sicht.

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Offenbach, den 05.10.2023
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Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst

Als Jetstream oder Strahlstrom wird ein Starkwindband in der Atmosphäre bezeichnet. Dabei muss die maximale Windgeschwindigkeit des Starkwindbandes mindestens 60 Knoten, also etwa 110 Kilometer pro Stunde erreichen. Zwischen dem 40. und 60. Grad nördlicher und südlicher Breite befindet sich der sogenannte Polarfront-Jetstream in einer Höhe von 8 bis 15 Kilometern. Der Polarfront-Jetstream ist dabei aber kein statisches Band, das sich um die Erde legt. Durch größere Hindernisse wie beispielsweise die Rocky Mountains und die Corioliskraft gerät der Jetstream ins schlingern und bildet Wellen. Diese Wellen werden als Rossby-Wellen bezeichnet und mäandrieren um den Globus.

DWD Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst

Die genau Ausprägung der Rossby-Wellen hängt dabei zum einen von der Jahreszeit ab. Im Sommerhalbjahr befindet sich der Polarfront-Jetstream auf der Nordhalbkugel weiter im Norden, zum Herbst hin wandert der Strahlstrom wieder in südliche Richtungen. Zum anderen ist der Jetstream im Sommer generell weniger intensiv ausgeprägt als im Winter. Diese Verschiebung bestimmt das Wetter sowohl in Nordamerika als auch in Europa. In der Regel sind starke Stürme und Orkane über Europa auch immer mit einem starken Polarfront-Jetstream verbunden. Die Windgeschwindigkeit des Strahlstroms über dem Nordatlantik hängt dabei von dem Temperaturunterschied zwischen der arktischen Atmosphäre und der über den gemäßigten Breiten ab.
Je größer die Temperaturdifferenz ist, umso stärker weht der Strahlstrom. Im Sommer ist der Temperaturunterschied etwas geringer, sodass der Jetstream meist schwach ausgeprägt ist. Starke Stürme oder Orkane sind dann über Europa eher selten. Im Herbst hingegen werden die Unterschiede wieder größer. In der Arktis beginnt die Zeit der Polarnacht. Durch die fehlende Sonneneinstrahlung geht die Temperatur der Troposphäre (also der untersten Atmosphärenschicht) dort stark zurück. Im Gegensatz dazu sind die Temperaturen über Europa und auch die Meeresoberflächentemperaturen noch recht warm. Die Temperaturdifferenz wird also größer.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Flugzeiten zwischen Nordamerika und Europa. Flüge von West nach Ost, also in Stromrichtung des Jetstreams sind generell kürzer als in die Gegenrichtung. Ein Flug von London nach New York dauert durchschnittlich knapp acht Stunden, der Rückflug nur sieben Stunden. Die Flugzeuge fliegen in der Strömung mit, sodass sich die Geschwindigkeiten von Flieger und Umgebungsströmung addieren. Das heißt, dass die Geschwindigkeit eines Fliegers über Grund schneller oder langsamer ist als die wahre Fluggeschwindigkeit relativ zur Umgebungsströmung. Typischerweise erreicht der Jetstream im Herbst und Winter Maximalgeschwindigkeiten von etwa 260 Kilometern pro Stunde. Bei einer Reisegeschwindigkeit des Flugzeuges von 800 Kilometern pro Stunde ergibt sich in Richtung Osten eine Geschwindigkeit von 1060 Kilometern pro Stunde über Grund. Würde das Flugzeug entgegen des Strahlstroms fliegen, würde sich die Geschwindigkeit auf 540 Kilometer pro Stunde verringern und die Reisezeit würde dadurch erheblich verlängert werden. Für die Berechnung der Flugzeit und dem damit benötigten Treibstoff eines Fluges sind die Vorhersage des Jetstreams und der Windgeschwindigkeit in Reisehöhe wichtig.

Aufgrund der potentiellen Treibstoffeinsparung und der modernen Navigations- und Telekommunikationssysteme wurden vor einigen Jahren auch die festen Flugrouten über dem Nordatlantik abgeschafft. So kann der Pilot bzw. die Airline ihre Flugroute selbst planen und die effizienteste Route wählen. Dabei hilft die numerische Wettervorhersage, die für die einzelnen Flughöhen die Windgeschwindigkeiten und -richtungen prognostiziert werden. Es werden auch spezielle Karten für die Luftfahrt erstellt, aus der Lage und Verlauf des Jetstreams hervorgeht.

DWD Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst 1

Normalerweise dauert ein Flug von London nach New York knapp acht Stunden. In umgekehrter Flugrichtung knapp sieben Stunden. Ein Flug der British Airways heute morgen hatte eine Reisezeit von etwas über 6 Stunden. Obwohl der Flieger mit einer Verspätung von einer Stunde gestartet ist, kam er noch zur geplanten Ankunftszeit in London an. Dabei half der Jetstream ordentlich mit.

DWD Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst 2

Im Februar 2020 betrug die Flugzeit einer Boeing 747 unterwegs von New York nach London nur 4 Stunde 56 Minuten. Kurzzeitig erreichte die Maschine dabei eine Spitzengeschwindigkeit von über 1300 Kilometern pro Stunde über Grund. Das ist schneller als der Schall. Die Schallmauer wurde aber nicht gebrochen, da der Knall nur bei absoluten Windgeschwindigkeiten ausgelöst wird. Der starke Jetstream hat damals Orkantief SABINE verursacht, das im Februar 2020 über Deutschland hinwegfegte. Den bis heute gültigen Reisezeit-Rekord einer kommerziellen Maschine hält übrigens immer noch die Concorde. Der Überschallflieger legte die Strecke 1996 in 2 Stunden 53 Minuten zurück.

Für morgen werden keine neuen Rekorde erwartet. Die Abbildung 1 zeigt die Prognose des Windgeschwindigkeiten etwa in Reisehöhe des zivilen Flugverkehrs (etwa 10 Kilometer über Grund). Die Geschwindigkeiten über dem östlichen Nordatlantik nehmen etwas ab. Sollte Ihr Flieger in Nordamerika also mit Verspätung starten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er diese durch eine kürzere Reisezeit wieder aufholen kann.

M.Sc. Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.10.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ungewöhnliche Wärme

Es ist Anfang Oktober, der Herbst ist in vollem Gange, aber die Temperatur lässt uns noch an den Sommer glauben. Grund dafür war die großräumige Strömung. In dieser hat Hochdruckgebiet SONJA mit Zentrum über Mittel- und Südeuropa warme bis heiße und weitgehend trockene Luft über Nordafrika und Südwesteuropa angezapft und sowohl am Sonntag (obere Grafik) als auch am Montag (untere Grafik) nach Deutschland geführt. Bei viel Sonnenschein und unter großflächigem Absinken im Hochdruckbereich hat sich so die Luft über Deutschland kräftig erwärmt.

DWD Ungewoehnliche Waerme 1

DWD Ungewoehnliche Waerme

Am 01. Oktober (Sonntag) wurde im Westen und Süden des Landes oftmals die 25-Grad-Marke überschritten. Steigt die Temperatur an einem Tag über 25 Grad, so spricht man von einem Sommertag. Am gestrigen Montag wurden in Deutschland verbreitet über 25 Grad gemessen. Örtlich wurde nur knapp die 30-Grad-Marke verfehlt. Ist es wärmer als 30 Grad, so nennt man dies einen heißen Tag.

Tageshöchstwerte am gestrigen Montag, 02.10.2023:

Notzingen/BW 29,8 Grad
Müllheim/BW 29,6 Grad
Freiburg/BW 29,5 Grad
Weilerswist-Lommersum/NRW 29,4 Grad
Metzingen/BW 29,2 Grad
Bad Neuenahr-Ahrweiler/RP 29,0 Grad
Emmendingen-Mundingen/BW 29,0 Grad
Ellwangen-Rindelbach/BW 28,7 Grad
Hechingen/BW 28,7 Grad
Mühlacker/BW 28,7 Grad

Heiße Tage, also Tage mit Höchstwerten über 30 Grad, sind so spät im Jahr sehr ungewöhnlich. Bemüht man die Statistik, so treten sie im langjährigen Mittel so gut wie nicht mehr auf. Sommertage sind im Oktober hingegen keine so große Seltenheit. Wenn man von den nördlichen Bundesländern einmal absieht, so sind Sommertage im Oktober im langjährigen Mittel immer wieder aufgetreten. Dabei lässt sich rein statistisch im Vergleich der Zeiträume 1961 – 1990 und 1981 – 2010 keine Zunahme in der Häufigkeit feststellen.
In der Nacht zum heutigen Dienstag kühlte es vor allem im wolkenverhangenen Westen nur wenig ab. Dabei wurde eine Tropennacht – eine Nacht mit einer Tiefsttemperatur über 20 Grad – in Essen-Bredeney mit 19,7 Grad Tiefstwert nur knapp verpasst. Auch in Duisburg und Aachen kühlte es nur auf rund 19 Grad ab.

Die große Wärme findet am heutigen Dienstag ein Ende, denn Tiefdruckgebiet NOAH lenkt zunächst eine Kaltfront mit reichlich Wolken und teils kräftigen Gewittern zu uns und dahinter dann auch deutlich kühlere Luft. Dabei wird es heute in der Südosthälfte Deutschlands noch einmal sehr warm. Örtlich sind erneut knapp 30 Grad möglich. Am morgigen Mittwoch (04.10.2023) erreichen die Temperaturhöchstwerte allerdings nur noch um 20 Grad.

Auch in den Folgetagen lässt der Zustrom kühlerer Luft aus Westen nicht nach und die Temperatur ist eher gedämpft, wenngleich es tagsüber nicht unbedingt kühl wird. In den Nächten sind zumindest im Süden allerdings tiefe einstellige Temperaturwerte zu erwarten. Zum Wochenende findet nach aktuellem Trend wieder wärmere Luft den Weg zu uns. Ob es noch einmal verbreitet für über 25 Grad und somit Sommertage reicht, ist noch ungewiss.

Dipl. Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.10.2023
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Die besonderen Reize des Oktobers

Im Oktober lohnt ein ausgiebiger Spaziergang in der Natur eigentlich immer. In erster Linie können dabei natürlich die Veränderungen der Natur mit der fortschreitenden Blattfärbung bestaunt werden, zum anderen gibt es aber auch lokal auftretende Effekte zu beobachten. Ein solcher ist der sogenannte „Seerauch“, der in den kommenden Wochen, zumindest aus klimatologischer Sicht, häufiger auftreten wird.

Dabei steigen Fragmente von Nebelschwaden von der Seeoberfläche auf und verschwinden anschließend relativ schnell wieder. Der sich daher ständig bewegende Seerauch ist eine besondere Nebelform und gehört zur Klasse der Verdunstungsnebel. Wenn relativ warmes Wasser mit deutlich kälterer Umgebungsluft in Berührung kommt, resultieren daraus nämlich Verdunstungseffekte. Einer dünnen Luftschicht über dem See wird dabei unter Erwärmung Wasserdampf zugeführt. Damit einhergehend findet aber gerade über den größeren Seen auch eine starke Labilisierung der untersten Atmosphärenschicht statt, denn die nun erwärmte Luft steigt auf und mischt sich mit der relativ dazu kälteren Umgebungsluft. Bei diesem Mischungsvorgang kondensiert der Wasserdampf und der Seerauch entsteht. Besonders während des Sonnenaufgangs kann dadurch eine eindrucksvolle Szenerie entstehen. Da die kalte, trockenere Luft aber deutlich überwiegt, folgt beim weiteren vertikalen Aufsteigen der feuchten Luft rasch wieder die Verdunstung der Wassertröpfchen. Daher entsteht aus Seerauch in vielen Fällen auch kein „richtiger“ Nebel.

Allerdings können tiefliegende Inversionen dafür sorgen, dass die dünne Luftschicht darunter langsam mit erhöhter Feuchte angereichert wird. Bei einem sehr großen See mit einem großen Wasserdampfangebot passiert es dann ab und zu, dass es zur erneuten Kondensation kommt. Die Inversion als atmosphärische Sperrschicht verhindert nun aber das weitere Aufsteigen der Luftpakete und damit die Einmischung von kalter, trockener Luft. Infolgedessen entsteht eine dünne (Hoch-) Nebelschicht, die aber in den ersten Oktobertagen mit Hilfe der Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf häufig doch noch aufgelöst wird.

DWD Die besonderen Reize des Oktobers 1

Doch wie schauen nun die Bedingungen für das Entstehen von Seerauch in den nächsten Tagen aus? Dabei lohnt ein Blick auf die aktuellen Wassertemperaturen der Seen. Der außergewöhnlich warme September (wärmster September seit Aufzeichnungsbeginn) sorgte dafür, dass auch die heimischen Seen meist eine überdurchschnittliche Wassertemperatur aufweisen. Am Starnberger See, Chiemsee und Bodensee werden am heutigen Tag Werte von knapp unter 20 Grad gemessen (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt) und auch die Temperaturen der Müritz liegen nicht weit darunter. Damit wäre die erste Zutat für die Entstehung von Seerauch jedenfalls gegeben.

Allerdings mangelt es aktuell an der erforderlichen zweiten Randbedingung: eine Luftmasse polaren oder subpolaren Ursprungs ist zunächst nicht in Reichweite. Aktuell dominiert das Hochdruckgebiet SONJA über Mitteleuropa und sorgt dabei für eine durchwegs warme, stellenweise auch sommerliche Witterung. Am Montag verlagert sich dieses Hoch mit seinem Schwerpunkt ostwärts und macht dabei die Bahn frei für den Zustrom noch wärmerer Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum. Im Süden und der Mitte werden am Montag bei viel Sonnenschein Höchstwerte zwischen 24 und 29 Grad erreicht, im Norden sind des immerhin 20 bis 23 Grad. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im äußersten Südwesten die Marke von 30 Grad örtlich knapp übertroffen wird.

Am Dienstag mischt sich vorübergehend ein kleines Tief, das von England nach Südschweden zieht, in das mitteleuropäische Wettergeschehen ein. Mit der dazugehörenden Kaltfront strömt zwar deutlich kühlere Meeresluft heran, aber diese kommt zunächst aufgrund des deutlich auffrischenden Windes nicht zur Ruhe. Am Beginn der zweiten Wochenhälfte folgt schließlich eine weitere Kaltfront. Der Blick in die Mittelfrist zeigt außerdem, dass zum kommenden Wochenende der Temperaturtrend wieder deutlich nach oben zeigt. Daher muss wohl dieses Jahr für die Beobachtung von Seerauch noch etwas Geduld aufgebracht werden.

Mag. rer. nat. Florian Bilgeri (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.10.2023

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Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur „El-Niño – Southern Oscillation“

Die Gegend um San Francisco und Los Angeles (Kalifornien, USA) verwöhnt die vielen Besucher häufig mit Sonnenschein und sehr warmen Temperaturen. Das Meerwasser an den Küsten will aber nicht so richtig warm werden. Stattdessen kühlt es die unteren Luftschichten so stark ab, dass sich teilweise sogar dichter Nebel bilden kann, der dann z.B. die „Golden Gate Bridge“ ein in Grau-in-Grau hüllt. Dieses Phänomen lässt sich jedoch nicht nur an der kalifornischen Küste beobachten. Vielmehr herrscht an allen tropischen und subtropischen Westküsten der Kontinente mehr oder minder stark ausgeprägt kaltes Küstenwasser vor. Doch warum ist dies so?

Wie die Atmosphäre ist auch der Ozean ständig in Bewegung. An der Oberfläche und in der Tiefe dominieren dabei häufig horizontale Strömungen. Jedoch kann das Meerwasser lokal auch Absinken oder Aufsteigen.

DWD Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur El Nino Southern Oscillation 1

Oberflächenströmungen werden im Wesentlichen durch Wind angetrieben. In erster Linie sind dafür die Passate (beständiger Wind in tropischen Seegebieten bis etwa 25° südlicher und nördlicher geographischer Breite) und die Westwinde in den mittleren Breiten verantwortlich. Dabei gibt der Wind durch die Reibung einen Impuls (Bewegungsgröße, Stärke einer bewegten Masse) an das Wasser der oberflächennahen Schichten des Ozeans ab. Das Wasser wird entsprechend mit der Windrichtung gezogen. Durch die Erdrotation wirkt jedoch auf bewegte Flüssigkeiten oder Gegenstände eine ablenkende Kraft, die sogenannte Corioliskraft . Mit der Tiefe nimmt die Abweichung der Wasserströmung von der herrschenden Windrichtung stetig zu, bis der Windimpuls seine Antriebskraft komplett verloren hat und das Wasser steht. Über die gesamte Tiefe gemittelt kommt es daher zu dem Effekt, dass sich das Wasser nicht in Windrichtung, sondern in eine Richtung senkrecht zum Wind bewegt. Auf der Nordhalbkugel zeigt diese Richtung nach rechts (wenn man den Wind im Rücken hat), auf der Südhalbkugel nach links. Eine Strömung, die durch diesen Effekt zustande kommt, wird „Ekman-Transport“ genannt.

DWD Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur El Nino Southern Oscillation 4

An den tropischen und teils auch subtropischen Westküsten der Kontinente wehen die Passatwinde häufig küstenparallel zum Äquator. Entsprechend des beschriebenen Ekman-Transportes wird das küstennahe Oberflächenwasser westwärts von den Küsten weg auf den Ozean getrieben. Da durch die Kontinente von Osten kein Wasser nachströmen kann, quillt aus Massenerhaltungsgründen kaltes nährstoffreiches Tiefenwasser auf und ersetzt somit das abtransportierte Oberflächenwasser.

Als Folge liegen die küstennahen Wassertemperaturen in den Aufquellgebieten von Tiefenwasser und somit auch vor San Francisco selbst im Sommer nur bei etwa 13 Grad. Daher sind diese Küstengebiete nur bedingt für Badegäste geeignet. Gleichzeitig freuen sich jedoch die Fischer über einen durch das kalte, nährstoff- und sauerstoffreiche Tiefenwasser überdurchschnittlich hohen Fischreichtum.

Schwächeln nun die Passatwinde wird weniger warmes Oberflächenwasser von den Küsten Südamerikas westwärts Richtung Australien und Indonesien transportiert, sodass das kalte Tiefenwasser kaum oder gar nicht aufquillt. Dadurch befindet sich das wärmste Wasser nicht mehr über Südostasien, sondern weiter östlich in Richtung der Westküste Südamerikas. Der Weg für ein sogenanntes El-Niño-Ereignis wäre frei.

Als Maß für die Bewertung und Vorhersage eines „El-Niño-Ereignisses“ wird beispielsweise der sogenannte „Ozean Niño Index (ONI)“ verwendet, der auf den mittleren dreimonatigen Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen in der Niño3.4 Region (170° W bis 120° W, 5° S bis 5° N) basiert. Als Referenz dienen verbesserte und homogene historische Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den 30-jährigen Zeitraum zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist dabei durch einen positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad definiert. Bei einem La Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder gleich -0,5 Grad vor.

DWD Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur El Nino Southern Oscillation 3

Auch derzeit wird ein „El-Niño-Ereignis“ beobachtet. Dieses Ereignis geht dabei mit überdurchschnittlich hohe Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen tropischen Pazifik einher. Die Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen betrugen zwischen dem 18. und 25. September 1,2 Grad in der Niño 4 Region und bis 2,8 Grad in der Niño 1+2 Region. Insgesamt sind seit März überdurchschnittliche Werte zu verzeichnen. Derzeit wird mit einer 95%-Wahrscheinlichkeit erwartet, dass El Niño über den Winter der nördlichen Hemisphäre hinweg bis mindestens März 2024 anhält. Einhergehend ist über Indonesien mit der Abnahme der Niederschläge zu rechnen, während diese über dem zentralen und östlichen tropischen Pazifik zunehmen bzw. weiter überdurchschnittlich ausfallen.

DWD Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die Verbindung zur El Nino Southern Oscillation 2

Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.09.2023
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Auf der Jagd nach dem Indian Summer

Rückseitig einer Tiefdruckrinne wird am morgigen Samstag etwas kühlere Luft von Nordwesten nach Deutschland geführt, trotzdem wird es wohl der heißeste September seit Aufzeichnung in Deutschland werden (siehe unten verlinkte Pressemitteilung vom 29.09.2023). Die Temperaturen der vergangenen Woche wirken eher sommerlich. Auch am heutigen Freitag werden die Höchstwerte vielerorts wieder über 25 Grad liegen. Phänologisch gesehen hat diese Woche am 25.09.2023 aber der Vollherbst Einzug erhalten.
In der Phänologie definieren sich die Jahreszeiten durch den Entwicklungsstand verschiedener mitteleuropäischer Pflanzen. Dabei wird das Jahr in zehn unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Den Vergleich der aktuellen phänologischen Jahreszeit mit dem langjährigen Mittel stellt die Phänologische Uhr dar. Der Beginn des Vollherbstes ist durch die Fruchtreife der Stiel-Eiche definiert und wurde in diesem Jahr am 25.09. beobachtet.

DWD Auf der Jagd nach dem Indian Summer

Die phänologische Jahreszeit Vollherbst zeichnet sich vor allem durch die Blattverfärbung der meisten Laubbaumarten wie beispielsweise Rosskastanie, Esche oder Rotbuche aus. Die Laubverfärbung hat in der zweiten Hälfte des Vollherbstes ihren Höhenpunkt. Die Änderung der Blätterfarbe von grün-gelb auf orange-rot wird durch die kürzer werdende Tageslänge ausgelöst. Im Frühling und Sommer gewinnt der Baum durch Photosynthese im Blattwerk seine Energie. Das dazu benötigte stickstoffhaltige Chlorophyll besitzt grüne Farbstoffe. Somit sind auch die Blätter der Laubbäume grün. Im Winter kann aufgrund mangelnden Lichts und der zunehmenden Kälte keine Photosynthese stattfinden. Des Weiteren verlieren Laubbäume über ihre Blätter viel Wasser, das im Winter bei gefrorenem Boden durch die Wurzeln nur schwer nachgeliefert werden kann. Deshalb ziehen Laubbäume im Herbst alle Nährstoffe aus den Blättern zurück. Dabei wird das grüne Chlorophyll in den Blättern abgebaut. Zurück bleiben gelbe und rote Blattfarbstoffe (Carotinoide und Anthozyane), die langsamer abgebaut werden. Dadurch entsteht die typisch leuchtend rote und gelbe Färbung der Blätter. In Deutschland ist das die Zeit des goldenen Oktobers.

Um den Verfärbungsprozess in Gang zu setzen und zu beschleunigen, sind nicht nur kürzere Tageslängen notwendig, sondern auch kalte Nächte. Besonders mehrere, aufeinander folgende Tage mit Nachtfrösten sind für eine großflächige Blattverfärbung vorteilhaft, da dadurch der Abbau des Chlorophylls beschleunigt wird. Um den Start und den Höhepunkt der Blattverfärbung im goldenen Oktober nicht zu verpassen, muss man also immer ein Auge auf die Minimumtemperaturen im Herbst legen. Was in Deutschland als goldener Oktober bekannt ist, wird auf dem nordamerikanischen Kontinent als Indian Summer bezeichnet. Woher genau die Bezeichnung Indian Summer kommt, ist unbekannt. Es gibt allerdings eine indianische Legende, die sich um die Laubverfärbung während des Indian Summers dreht. Demnach soll im Herbst das Blut eines erlegten Bärens die Blätter des Ahornbaums rot färben. Die Blattfärbung der riesigen Laub- und Mischwälder Nordamerikas kann rund um den Globus beobachtet werden und wird zudem touristisch vermarktet. Es gibt durch das große touristische Interesse Webcams in den Wäldern Kanadas (Beispiel) als auch in den USA explizite Vorhersage-Karten des „fall foliage“, also der Blattverfärbung. Dort hat ein umfangreiches Hochdruckgebiet mit trockener und gleichzeitiger Zufuhr kühler Luft aus Norden in der letzten Woche für eine rasche Ausbreitung der orange-roten Blätterpracht geführt. Doch nicht nur in den USA, auch für die Schweiz gibt es mittlerweile solche Vorhersagekarten.

DWD Auf der Jagd nach dem Indian Summer 1

In Deutschland zeichnen sich die kommenden Nächte nicht mit besonders niedrigen Temperaturen aus. Ganz im Gegenteil. Vor allem am kommenden Montag bringt Hoch SONJA (ein Name, über den ich mich besonders freue) nochmal warme Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum heran. Dabei können im Südwesten tagsüber sogar nochmal an die 30 Grad erreicht werden. Der deutsche Indian Summer wird also erst mal noch auf sich warten lassen. Auch in der kommenden Woche sind noch keine Nachtfröste in Sicht, die die Blattverfärbung beschleunigen würde. Letztes Jahr begann der Vollherbst fast „pünktlich“ am 16. September. Dieses Jahr startete er erst neun Tage später am 25. September. Der Höhepunkt der diesjährigen orange-roten Offensive der Laubbäume wird also vermutlich erst später zwischen Mitte und Ende Oktober eintreffen. In der Warn-Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes können Nutzer neben der Blattverfärbung von sechs Baumarten, auch andere herbstliche Erscheinungen der Phänologie melden. Ein Spaziergang durch die Natur am kommenden Sonntag lohnt sich also immer, auch wenn es für die Jagd auf den Indian Summer noch zu früh ist.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.09.2023
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Als Wetterdaten laufen lernten

Zugegeben, wirklich laufen können Wetterdaten auch heute nicht. Aber sie werden in einem globalen Netzwerk gesammelt und in (Achtung: Wortspiel) Windeseile verteilt. Somit stehen Messwerte schon wenige Minuten nach der Registrierung global zur Verfügung, und dies gilt auch für die abgelegensten Stationen auf dem Globus.

Dagegen dauerte es im Mittelalter Tage oder Wochen, bis wesentliche und bedeutende Informationen auch nur die nächste Stadt erreichten. Und das galt natürlich auch für Informationen bezüglich des Wetters. Schneller lief die Informationsübertragung dann mit Einführung eines relativ engmaschigen, regelmäßig bedienten Stafettenreiter-Postsystems. Die Geschwindigkeit dieses Posttransports lag dabei meist im einstelligen km/h-Bereich.

Aber: Für den Transport von Wetterdaten ist auch das natürlich viel zu langsam. Das aktuelle Tief KILIAN bewegt sich beispielsweise mit etwa 50 km/h – und damit schneller als jeder Postreiter.

Für den Traum der Menschheit, das Wetter vorherzusagen, waren diese Geschwindigkeiten natürlich nicht annähernd ausreichend. Denn neben der Aufgabe, an möglichst vielen Orten das Wetter regelmäßig und zeitgleich zu beobachten und diese Informationen schnell an einem Ort zusammenzutragen (das ist das klassische Betätigungsfeld der synoptischen Meteorologie), stand man auch vor der Herausforderung, die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse möglichst rasch wieder an potentielle Nutzer zu verteilen. Auf die in früheren Jahren mindestens ebenso große Herausforderung, aus den registrierten Daten und ihrer zeitlichen Änderungen zeitnah eine mögliche zukünftige (Wetter-)Entwicklung abzuleiten, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Eine ausreichend schnelle Datenübertragung war erstmals mit der Erfindung bzw. Weiterentwicklung der Telegrafie möglich. Mit ihrer Hilfe konnte man Wetterdaten verschiedener Orte sammeln, schnell zusammenführen und die Auswertungen dann auch schnell wieder verteilen. Genau genommen muss man an dieser Stelle allerdings sagen: Man hätte es machen können, lange Zeit hat man es aber nicht gemacht. Bis im Jahr 1854 während des Krimkrieges die alliierte Flotte von einem Orkan versenkt wurde.

Der französische Kaiser Napoleon III soll erzürnt gewesen sein – und der Leiter der Pariser Sternwarte, Urbain Le Verrier, beschäftigte sich in der Folge mit der Frage, ob es möglich wäre, solche Stürme vorherzusagen. Natürlich nicht in unserem heutigen mathematisch-physikalisch berechnenden Sinn, sondern mehr im Sinn einer Warn- bzw. Meldekette. Le Verrier, der 1845/46 die Existenz des Planeten Pluto postulierte und dessen Name sogar auf dem Eiffelturm verewigt ist, kam zu einem positiven Ergebnis. Und präsentierte am 19. Februar 1855 eine Wetterkarte auf Basis telegrafierter Wetterdaten. Damit war er in Europa führend. Aber in den USA war man noch etwas schneller.

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Schon mit der operationellen Einführung des Telegrafen 1845 kam man dort auf die Idee, Wetterdaten zu sammeln. Im Jahr 1849 lieferten bereits über 100 Freiwillige zu festgelegten Zeiten Wetterinformationen per “Fernschreiber“, dazukamen noch Meldungen der US Army. Am Rande sei hier erwähnt, dass der DWD auch heute noch auf die wertvollen Informationen von ehrenamtlichen Wettermeldern baut, zu denen vor noch gar nicht allzu langer Zeit die anlassbezogen, hochladbaren Wetterinfos in der DWD-App hinzugekommen sind.

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Portrait of Urbain Jean Joseph Le Verrier; 1811-1877. By: Rosselin. . Page or plate: 12.5 x 10 cm

Doch zurück nach Amerika. In den Vereinigten Staaten der späten 1840er und der 1850er Jahre gingen die Wetterinformationen an die sogenannte „Smithsonian Institution„. Diese wurde am 10. August 1846 durch ein Gesetz des US-Kongresses gegründet. Die finanziellen Mittel dazu stammten aus dem Nachlass von James Smithson, was dann auch den Namen erklärt. Und die Aufgabe der Smithsonian Institution war (und ist) die “Vermehrung und Verbreitung von Wissen“.

“Vermehrung und Verbreitung von Wissen“, damit sind wir bei der zweiten großen Persönlichkeit dieses Beitrages angelangt: Joseph Henry. Dieser war nicht nur von 1846 bis 1878 und somit 32 Jahre (!) amtierender Vorsitzender der Smithsonian Institution, sondern er ist auch Namensgeber der SI-Einheit für die Elektrische Induktivität – und erbrachte u.a. 1831 den Nachweis, dass mit Hilfe eines Telegrafen Nachrichten zwischen zwei Orten ausgetauscht werden können. Also sozusagen den Nachweis, dass man (auch) Wetterdaten “Beine machen“ kann.

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„Record Unit 95, Box 11, Folder 15“

Aber Henry war in seinem Wirken keineswegs auf Elektrizität und den damit verbunden Magnetismus fokussiert. Das wissenschaftliche Multitalent, das als Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina durchaus auch Kontakte nach Deutschland hatte, forschte u.a. im Bereich der Akustik, konstruierte Leuchttürme und beschäftigte sich mit dem Wetter. Dabei erkannte er sofort, dass die schnelle Übertragung von Wetterdaten mittels Telegrafen gewinnbringendem Nutzen für die Meteorologie bringen würde. Entsprechend zeichnete er auf, was ihm die o.g. Freiwilligen und die US Army übermittelten. Und schuf somit die erste(n) Wetterkarte(n) der Welt – noch vor derjenigen von Le Verrier.

Leider war es dem Autor nicht möglich, bei seinen Recherchen genaueres über die Form und den Inhalt der Wetterkarten von Le Verrier und Henry herauszufinden. Es ist aber anzunehmen, dass bei beiden die potentiell schadenträchtigen Wetterlagen besonders im Focus standen. Bei Le Verrier kann dies sogar als sicher gelten, denn immerhin war es bei ihm ein Unwetterereignis, das den Impuls für seine Untersuchungen gab. Aber auch in Nordamerika zogen Unwetter das Interesse der Forschergemeinde auf sich. So zeigt Abbildung 4 die Zugbahn eines Sturms am 21. August 1857, der knapp nördlich von Milwaukee auf den Lake Michigan traf.

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Unabhängig von den exakten Inhalten und auch unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Wetterkarten von Le Verrier und Henry – die Leistung der beiden Forscher kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Idee, Wetterdaten zu einem festen Zeitpunkt in einem größeren Gebiet oder sogar weltweit darzustellen bzw. den räumlich-zeitlichen Ablauf eines Ereignisses wiederzugeben, erweist sich noch heute als Erfolgsmodell.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Weltraumwetter

Am heutigen deutschen „Tag der Raumfahrt“ wollen wir uns im Thema des Tages dem sogenannten „Weltraumwetter“ widmen. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um ein Oxymoron zu handeln, also eine Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe. Immerhin beschreibt das „Wetter“ im ursprünglichen Sinne den spürbaren, kurzfristigen Zustand der Atmosphäre, um genau zu sein sogar nur der Troposphäre, dem untersten Bereich der Lufthülle der Erde. Als Weltraum dagegen bezeichnet man den Raum zwischen den Himmelskörpern. Diese haben zwar keine feste Grenze zum Weltraum, sondern eher einen fließenden Übergang zwischen der Atmosphäre, die nach außen hin immer „dünner“, also immer weniger Teilchen beherbergt. Ab einer bestimmten Höhe spricht man aber vom Beginn des Weltraumes, eines Bereiches mit extrem geringer Teilchendichte. Wie passt das zusammen?

Da der Weltraum nach obiger Definition also kein wirklich „leerer Raum“ ist, sondern – genau wie die Atmosphären der Himmelkörper – kleine Teilchen beinhaltet (Gase, Staub etc.), lassen sich Analogien herstellen. So kann es durch „Sonnenwinde“ im Weltraum durchaus stürmisch zugehen und auch für „Regen“ ist gesorgt, wenn kleinste Teilchen von der Sonne auf die Erde prasseln. Immer dann, wenn die Auswirkungen vom Sonnenwind und -regen für uns Menschen auf der Erdoberfläche sichtbar oder spürbar werden, sprechen Experten vom Weltraumwetter. Eine weitere Analogie wurde damit ganz beiläufig angesprochen: Genauso wie das rein irdische Wetter wird auch das Weltraumwetter maßgeblich von der Sonne bestimmt, wenngleich es auch viele weitere Einflussfaktoren gibt.

Unter Sonnenwind verstehen wir einen Strom elektrisch geladener Gasteilchen, die von der Sonne in alle Richtungen wegströmen. „Stürmisch“ wird es dann, wenn es zu einem „koronalen Massenauswurf“ (englisch: Coronal Mass Ejection, kurz: CME) kommt. Es handelt sich dabei um eine Art Explosion auf der Sonne, bei der nicht nur eine gewaltige Menge an Teilchen, sondern auch ganze Magnetfelder von der Sonne weggeschleudert werden. Dieses Gemisch nennt man „Plasma“. Manchmal beobachtet man auch sogenannte „Flairs“, eine Art Blitz, bei der sich Röntgenstrahlung, also elektromagnetische Energie oder Licht mit Lichtgeschwindigkeit in alle Richtungen ausbreitet.

In unregelmäßigen Abständen sind Sonnenstürme zur Erde gerichtet. Generell schützt uns das Magnetfeld bzw. die darin eingefangenen geladenen Teilchen, der sogenannte Strahlungsgürtel, vor dem gefährlichen Plasma des Sonnenwindes. Ist der Partikelstrom aber zu stark, wird dieses Schutzschild verformt und es können sich vermehrt Schwachstellen auftun. Im schönsten Fall dringen nur verhältnismäßig wenige geladene Partikel des Sonnenwindes bis in die obere Atmosphäre ein, wo sie auf Sauer- und Stickstoffteilchen treffen, diese anregen und zum Leuchten bringen. Diesen Effekt kennen wir als ungefährliches, aber optisch sehr ansprechendes Polarlicht. Im schlimmsten Falle gelangen aber größere Mengen an geladenen Teilchen in die Atmosphäre und sorgen für starke elektrische Ströme. Diese beeinträchtigen in erster Linie Gerätschaften in größerer Höhe wie Satelliten oder Computersysteme in Flugzeugen. Dadurch können die Navigations- und Kommunikationssysteme auf der Erde in Mitleidenschaft gezogen werden oder gar ausfallen. Die Verformung des Magnetfeldes kann sich aber auch am Erdboden bemerkbar machen, indem sich beispielsweise in Stromleitungen große Spannungen aufbauen und starke Ströme fließen können, die zu Überlastungen und Ausfällen im Stromnetz führen.

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Ähnlich wie beim Wetter gilt es diese gefährlichen Situationen möglichst zu erkennen, mögliche Auswirkungen vorherzusagen und Warnungen auszusprechen. Mit vielen unterschiedlichen Messgeräten wird die Sonne pausenlos beobachtet und die Richtung und Stärke etwaiger Sonnenstürme gemessen. Wenn sich ein solcher ereignet, bleiben noch zwei bis vier Tage Vorlaufzeit, bevor sie die Erde erreichen. Mit verschiedenen Maßnahmen können Auswirkungen und Schäden an technischen Systemen vorgebeugt werden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.09.2023
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„Zwischen Skylla und Charybdis“

Es gibt Orte auf der Welt, die so besonders sind, dass sie Gegenstand von Mythen und Legenden geworden sind und darüber sogar Bücher geschrieben wurden wie z.B. die „Odyssee“ von Homer in der griechischen Mythologie. Einer dieser Orte ist die Straße von Messina, eine Meerenge zwischen Kalabrien an der Stiefelspitze des italienischen Festlands und der Insel Sizilien. An der Meerenge sollen demnach Charybdis und Skylla, zwei Meeresungeheuer, gelebt haben. Skylla hauste auf dem größeren der beiden sich gegenüberstehenden Felsen der Meerenge und Charybdis unterhalb des kleineren Felsens. Charybdis saugte dreimal am Tag das Meerwasser ein, um es danach brüllend wieder auszustoßen. Schiffe, die in den dadurch entstandenen Sog gerieten, waren verloren und nicht einmal der Meeresgott Poseidon konnte diese Schiffe retten. Eventuell überlebende Schiffbrüchige wurden dann von Skylla gefressen.

Daraus hat sich in der Alltagssprache der Region die Redewendung „zwischen Skylla und Charybdis“ entwickelt. Denn für die Schiffskapitäne sind Skylla und Charybdis wie Pest und Cholera, zwischen denen sie sich entscheiden müssen. Es ist unmöglich, ohne Schaden aus diesem Dilemma herauszukommen.

Nachfolgend soll eine wissenschaftliche Erklärung geliefert werden. Die Straße von Messina verbindet das Tyrrhenische Meer im Norden und das Ionische Meer im Süden. Die Meeresstraße ist 32 km lang, zwischen 3 und 8 km breit und maximal 250 m tief (Abbildung 1). Die Durchfahrt durch die Straße von Messina gestaltet sich tatsächlich aufgrund der Wind- und Strömungsverhältnisse sowie der beiderseits nahen Steilküsten von je her sehr schwierig.

Da die beiden o.g. Meere unterschiedliche Gezeiten und Salzgehalte aufweisen, ergibt sich eine Meeresströmung, die eigentümliche hydrodynamische Phänomene zur Folge hat. Weil die Gezeiten der beiden Meere gegensätzlich verlaufen, also in dem einen Ebbe und im anderen Flut herrscht, weisen die Meeresspiegel einen Höhenunterschied von bis zu 27 cm auf. Dies führt zu wechselnden Ausgleichsströmungen und so zu einem Wasseraustausch.

Bei einer Strömung vom Tyrrhenischen Meer ins Ionische Meer (Nord-Süd-Richtung) fließt das aufgrund des niedrigeren Salzgehaltes leichtere tyrrhenische Wasser über das schwerere ionische Wasser. Andersherum bei einer Strömung vom Ionischen Meer ins Tyrrhenische Meer (Süd-Nord-Richtung) taucht das schwerere ionische Wasser, nachdem dieses einen unterseeischen Sattel überquert hat, unter das tyrrhenische Wasser (siehe Grafik).

Daraus entstehen Turbulenzen wie „Meeresrippen“ oder „Strudel“. Beim Ersten sind es Wellen, die durch das reine Strömen des Wassers verursacht werden (siehe Abbildung 2). Letztere werden durch entgegengesetzte Strömungen und die unterseeische Orographie hervorgerufen.
Diese Phänomene können durch die vorherrschenden Winde über der Meerenge noch verstärkt werden, vor allem wenn der Wind gegen die Meeresströmung weht.

Im Sommer dominieren nordöstliche Winde („Vento Cavaliere“) – eine „Brise“, die im Mittel 30 bis 40 km/h erreicht und in den Nachmittagsstunden am stärksten ist (Abbildung 3). Manchmal kann der Nordostwind auch Windgeschwindigkeiten über 60 km/h erreichen und gegen den Tagesgang anhaltend stark bleiben. Dies passiert, wenn hoher Luftdruck im westlichen und niedriger Luftdruck im östlichen Mittelmeerraum herrscht.

Im Herbst, im Winter sowie im Frühjahr weht abhängig von der großräumigen Luftdruckverteilung entweder der sogenannte „Mistral“ oder der „Scirocco“. Der Mistral ist ein Nordwestwind, der manchmal Orkanstärke über 120 km/h erreichen kann. Bei solchen Lagen bleibt die Wellenhöhe allerdings niedrig, da die Straße von Messina nach Norden hin ihre engste Stelle hat und deswegen vor den Wellen aus dem Tyrrhenischen Meer geschützt ist.

Beim Scirocco hingegen – ein Süd- bis Südostwind, der vor allem in den Wintermonaten besonders kräftig bis zur Orkanstärke sein kann, können sich die Wellen vom Ionischen Meer leicht in die Meerenge ausweiten, da die Straße von Messina nach Süden hin offen ist. Bei einer nord-südlichen Meerströmung können die Wellen sogar ihre Amplitude vergrößern. Bis zu 7 m hohe Wellen sind dann keine Seltenheit (Abbildung 4). Dadurch treten große Probleme auf wie Küstenerosion an der sizilianischen Seite der Meerenge. Aber vor allem die Fährverbindung zwischen Messina und dem Festland ist dann eingestellt, mit großen negativen Auswirkungen für den Transport und für die Menschen, die täglich zwischen Sizilien und Kalabrien pendeln.

DWD Zwischen Skylla und Charybdis

Dipl.-Met. Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.09.2023
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