Historisch niedrige Eisausdehnung auf den Großen Seen

Seit 1973 wird die Eisausdehnung auf den Großen Seen an der Grenze zwischen Kanada und den USA per Satellit gemessen. Durchschnittlich frieren 53 Prozent der Fläche der Großen Seen im Winter zu. Das Maximum der Eisausdehnung wird üblicherweise Ende Februar bis Anfang März erreicht. Mitte Februar lag die Eisausdehnung auf allen fünf Seen allerdings bei gerade mal 2,7 Prozent und abgesehen von einem kurzen Peak zum Ende des Monats stieg die durchschnittliche Ausdehnung auch nicht mehr nachhaltig an (siehe Abb. 1). Auf dem Eriesee gab es zu diesem Zeitpunkt sogar so gut wie gar kein Eis. Eine solch geringe Ausdehnung wurde seit Beginn der Satellitenmessungen noch nie registriert.

 

DWD Historisch niedrige Eisausdehnung auf den Grossen Seen

Den Grundstein für die Bildung von Eis auf den Großen Seen legen die Wetterlagen zu Beginn eines jeden Winters im Dezember. Die ersten Vorstöße arktischer Luftmassen nach Süden sorgen für eine nachhaltige Abkühlung des Wassers. Der Eisbildungsprozess beginnt in geschützten Buchten und entlang der Küstenlinien und setzt sich dann bei entsprechend kalter Witterung über den Winter fort. Bleiben die Kaltluftvorstöße in den frühen Wintermonaten aus, wird die Zeit knapp, bis zum Ende der Saison eine signifikant große Eisausdehnung zu erreichen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden immer häufiger Dezember mit viel zu hohen Temperaturen beobachtet. Dieses Jahr lagen die Temperaturen im gesamten Winter signifikant über dem Durchschnitt. In der Abbildung zeigt sich eindrücklich, dass sich bis in den Januar hinein kaum Eis auf den Großen Seen gebildet hatte. Erst Mitte Januar stieß arktische Kaltluft bis in die Mitte der Vereinigten Staaten vor. Als nachhaltig konnte dieser Wintereinbruch jedoch nicht bezeichnet werden, was sich direkt in der zurückgehenden Eisausdehnung zeigte.

Insgesamt ist in den vergangenen 50 Jahren die Eisausdehnung auf den Großen Seen pro Dekade um etwa 5 Prozent zurückgegangen, im gesamten Zeitraum also um etwa 25 Prozent. Zudem ist die Periode mit Eis auf den Gewässern im Mittel fast einen Monat kürzer als noch in den 70er Jahren. Im zurückliegenden Winter 2023/2024 stand das Wetterphänomen El Niño im Verdacht, entfernt Einfluss auf die Eisausdehnung auf den Großen Seen zu haben. El Niño ist zwar ein Phänomen, das sich im äquatorialen Pazifik abspielt, die Fernwirkung ist jedoch beachtlich. Letztlich wird vermutet, dass nicht allein der El Niño die geringe Eisausdehnung verursacht hat. Auch Veränderungen anderer globaler Meeresströmungen wirken sich auf die Großwetterlagen über Nordamerika aus, welche wiederum die Klimatologie der Großen Seen beeinflussen. Im Grunde zeigen sich die steigenden Temperaturen in Verbindung mit der bis in den Herbst hinein andauernden Speicherung der sommerlichen Wärme in den Seen verantwortlich. In einem Artikel des Umweltforschungslabors der Großen Seen der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) wird der Klimawandel zwar nicht explizit erwähnt, dennoch wird darauf hingewiesen, dass der letzte starke El Niño die extrem geringe Eisausdehnung voraussichtlich “nur” verschlimmert hat. Sowohl die ohnehin über die vergangenen Jahrzehnte gestiegenen Temperaturen – also häufiger werdenden milden Winter – als auch kürzere Perioden mit nach Süden vorstoßenden arktischen Luftmassen sind hauptverantwortlich für die geringe Eisausdehnung. Ähnlich wie in Europa ist in großen Teilen der kontinentalen USA in den Wintermonaten ein Erwärmungstrend zu beobachten. Rund um die Großen Seen (Bundesstaaten Iowa, Michigan, Minnesota, North Dakota, South Dakota and Wisconsin) ist der Trend jedoch am dramatischsten.

Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die Frau der Ringe

Der Titel “Die Frau der Ringe” sollte nicht die Aufmerksamkeit der Leser und Leserinnen auf eine Fortsetzung des Romans “Der Herr der Ringe” von J. R. R. Tolkien hinführen, sondern “Die Frau der Ringe” ist ein Spitzname, den die Einheimischen der Mittelmeerinsel Sizilien einem Berg gegeben haben. Dieser berühmte Berg ist der Vulkan Ätna, welcher der größte und aktivste Vulkan Europas ist.

Die Einheimischen geben dem Vulkan üblicherweise den Namen “Idda” oder “Mamma Etna”, weil seine Hänge landwirtschaftlich betrieben werden und der Lavaboden sehr fruchtbar ist. Da der Ertrag oft sehr gut ist, ist für die Bauern der Ätna wie eine “liebende Mutter”. Aber ab und zu wird “Mamma Etna” zornig und spuckt Feuer und Lava sowie Asche, die dann Probleme und manchmal auch Zerstörung bringen.

Der Ätna ist immer für eine Überraschung gut: In den letzten Tagen konnte man am Ätna ein weltweit einzigartiges Phänomen bewundern. Aus einem der fünf Hauptkrater sind etliche weiße Rauchringe aufgestiegen, die dann für mehrere Minuten am Himmel zu sehen waren. Es ist nicht zum ersten Mal, dass der Ätna Rauchringe produziert. In den Jahren 2000 bis 2003 konnte man schon dieses Naturwunder beobachten. Diesmal war jedoch die Frequenz erstaunlich hoch mit mehreren Ringen hintereinander und nicht wie üblich ein oder zwei am Tag.

Was ist ein Rauchring und wie entsteht er?
Ein Rauchring, im Fachjargon “Volcanic Vortex Ring“, ist ein Wirbel in der Form eines Ringes mit Strömungsrichtung um den Ringkörper herum. Die innere Geschwindigkeit ist stets höher und somit entsteht ein in sich geschlossenes Strömungs- und damit Energiesystem. Die Ringe, zum Beispiel am Ätna, können einen Durchmesser von bis zu 200 m haben.

DWD Die Frau der Ringe

DWD Die Frau der Ringe

Am Südostkrater, einem der Hauptkrater des Ätnas, hat sich ein “Pit”-Krater gebildet: ein Krater, der wie ein Brunnen aussieht, in dem heiße Gase austreten. Nun sollte man es sich am Ätna so vorstellen: Der Vulkanschlot ist mit Magma gefüllt. Das Magma kommt aus großer Tiefe, aus dem Erdmantel. Das Magma trifft auf dem Weg zur Erdoberfläche auf mehrere Becken. Eines davon liegt auf 2900 m Höhe, also knapp unter dem Krater, der 3352 m hoch ist. Das Magma ist aber zähflüssig und die Gase können nicht so leicht ausweichen, daher bilden sich größere Gasblasen, die dann plötzlich zerplatzen und einen hohen Druck erzeugen. Die erzeugte Druckwelle muss nun durch die relativ enge Krateröffnung austreten. Durch die Reibung entlang der zylinderförmigen Wände wird die Druckwelle eingebremst, während in der Mitte die Gase schneller austreten können. Somit entsteht ein kreisförmiger Wirbel, der dann nach außen geschleudert wird. Ein Rauchring ist somit entstanden.

In den sozialen Medien sind tolle Bilder der Rauchringe zu finden. Auch in Artikeln und sogar im Fernsehen wurde das Phänomen gezeigt und beschrieben. Der Fotograf und Bergführer Giò Giusa hat dankeswerterweise einige Bilder zu Verfügung gestellt. Diese wurden Anfang April geschossen. Aktuell hat die Anzahl der Ringe zwar abgenommen, aber es können jeder Zeit wieder mehr werden.

DWD Die Frau der Ringe 2

Wer also Urlaub auf Sizilien verbringen will, kann auch dieses Naturschauspiel erleben, auch wenn in den nächsten Tagen das Wetter nicht mehr so mitspielt. Das Wetter zeigt sich nämlich wechselhafter und der Gipfel des Vulkans liegt dann oft in Wolken.

Dipl.-Met. Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jahreszeitenwirrwarr…

Letztes Wochenende sommerliche Wärme und mit einem neuen deutschlandweiten Temperaturrekord für die erste Aprildekade (Ohlsbach am Oberrhein mit 30,1 Grad). Danach vorübergehender Temperatursturz auf ein für die ersten Frühlingswochen normales (oder wenigstens nur leicht überdurchschnittliches) Niveau. Am morgigen Samstag dann vor allem in der Südwesthälfte wieder ein Sommertag bei erwarteten Höchstwerten zwischen 25 und 28 Grad. Und danach? Tja, nächste Woche mischen sich dann doch tatsächlich winterliche Elemente in das Wettergeschehen.

Schauen wir uns doch mal an, wie es zu diesem Jahreszeitenwirrwarr kommt: Beim Blick auf die Luftdruckverteilung sticht einem förmlich eine großräumige Hochdruckzone ins Auge, die sich von Südwesteuropa über das südliche Mitteleuropa bis nach Südosteuropa erstreckt. Dieses Hoch hört auf den Namen PETER und verortet sein Zentrum irgendwo zwischen Süddeutschland und Ostfrankreich. Durch das Absinken der Luft innerhalb der Hochdruckzone erwärmt sie sich allmählich, wodurch die Temperatur in Deutschland heute schon wieder recht verbreitet auf Werte um oder über 20 Grad steigt.

DWD Jahreszeitenwirrwarr

Noch weiter nach oben geht es mit der Temperatur am Samstag. PETER verlagert sich etwas weiter nach Südosten, sodass zwischen ihm und der ziemlich aktiven Tiefdruckzone über dem Nordmeer mit südwestlicher Strömung eine durchaus sommerlich anmutende Luftmasse ins Land einfließt. Verbreitet werden über 20 Grad, am Oberrhein sogar bis zu 28 Grad erwartet. Gleichzeitig tut sich aber über dem Atlantik etwas ganz Entscheidendes für unser zukünftiges Wetter. Ein Tief zwischen dem Seegebiet zwischen Island und Schottland zieht ost-südostwärts Richtung norwegische Küste. Zwischen ihm und dem nachfolgenden atlantischen Hoch westlich der Britischen Inseln stellt sich eine nordwestliche Strömung ein, mit der polare Kaltluft angezapft wird.

Dieses eben genannte Tief leitet am Sonntag eine Wetterumstellung ein. Während es weiter zur Ostsee zieht, greift die dazugehörige Kaltfront von Norden auf Deutschland über und kommt bis zur Mitte voran. PETER verliert zwar allmählich seinen Einfluss auf unser Wetter, schafft es aber zumindest noch, die Front vom Süden fernzuhalten. Dort macht der Sonntag seinem Namen also nochmals alle Ehre bei bis zu 27 Grad. Ansonsten wird es in der einfließenden Kaltluft aber spürbar kühler. Im Norden sind größtenteils nicht einmal mehr 15 Grad drin.

DWD Jahreszeitenwirrwarr 1

Zum Wochenstart hat PETER endgültig ausgespielt und die Kaltfront überquert nun auch den Süden. Gleichzeitig entert ein Sturmtief von Island kommend die Nordsee und führt den nächsten Kaltluftschwall nach Deutschland. Stehen am Montag zumindest in der Südosthälfte noch 15 bis 20 Grad auf der Prognosekarte, liegt die Höchsttemperatur ab Dienstag allgemein meist nur noch bei Werten um 10 Grad oder anders ausgedrückt: Mancherorts verbleibt die Temperatur im einstelligen Bereich.

DWD Jahreszeitenwirrwarr 2

In den Nächten besteht dann vor allem im Bergland und dort, wo die Bewölkung längere Zeit auflockert, Luftfrostgefahr. Mit Frost in Bodennähe muss recht verbreitet gerechnet werden. Zudem wird es nächste Woche sehr unbeständig und windig bis stürmisch. In den Hochlagen der Mittelgebirge mischen sich zunehmend Schneeflocken in den Niederschlag und in mittleren und höheren Lagen der Alpen sind einige Zentimeter Neuschnee zu erwarten.

Diese mit winterlichen Elementen gespickte Witterung wird uns voraussichtlich bis mindestens Ende nächster Woche, vielleicht sogar auch am darauffolgenden Wochenende begleiten. Eine Rückkehr zum “Frühsommer” steht nach heutigem Stand nicht zur Debatte. Was die Jahreszeiten angeht, herrscht in dieser Beziehung also erst einmal Klarheit.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Neue Intensitätsklassifikation für Tornados: Die Internationale Fujita Skala (IF)

Tornados gehören zu den gefährlichsten und schadensträchtigsten Wetterereignissen weltweit. Da es sich um verhältnismäßig kleinräumige Phänomene handelt, gestaltet sich die direkte Messung der Windgeschwindigkeiten innerhalb des Tornados aber sehr schwierig. Selbst “indirekte” Messungen mit Hilfe von Fernerkundungsinstrumenten wie dem Wetterradar oder die Abschätzung durch die photogrammetrische Analyse von Bildern und Videos des Tornados unterliegen mitunter Ungenauigkeiten. So bleibt am Ende meist nur die Abschätzung der Windgeschwindigkeiten anhand von Schadensbildern.

Eine solche schadensbasierte Intensitätsskala wurde bereits 1971 vom amerikanisch-japanischen Meteorologen Ted Fujita entwickelt. Die Fujita-Skala (F) enthielt ursprünglich 12 Stufen von F1 bis F12, wobei jeder Stufe ein exakt definierter Windgeschwindigkeitsbereich zugewiesen wurde. Die Windgeschwindigkeiten wurden im zweiten Schritt mit groben Schadensausmaßen qualitativ verknüpft, um die Tornadointensität zu bestimmen. Die Schadensindikatoren waren aber noch sehr generell und ohne wissenschaftliche Basis. Mit der Einführung der “Erweiterten Fujita Skala” (EF) wurde in den Vereinigten Staaten im Jahre 2007 eine neue Intensitätsskala präsentiert, die zwar auf der ursprünglichen F-Skala basierte, aber deutlich spezifischere Schadensindikatoren und eine wissenschaftlich fundiertere Assoziation zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden beinhaltete.

Die Schadensindikatoren selbst basieren allerdings auf der typisch nordamerikanischen Leichtbauweise und sind deswegen nicht 1:1 auf andere Orte der Welt übertragbar. So gibt es weltweit eine Vielzahl an mehr oder weniger stark modifizierten Intensitätsskalen wie die Kanadische EF-Skala, die japanische EF-Skala oder die TORRO-Skala, die in Großbritannien entwickelt und von TorDACH (dem Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und der Schweiz) für Mitteleuropa angepasst wurde.

Wissenschaftler des ESSL (European Severe Storms Laboratory) und diverser Wetterdienste kamen in mehreren Workshops seit 2014 zusammen, um eine möglichst allgemeingültige Tornadoklassifikation zu entwickeln, die weltweit ohne weitere Anpassung angewendet werden kann: Die Internationale Fujita Skala (IF). Sie basiert auf den ersten 5 Stufen der ursprünglichen F-Skala, allerdings werden den Stufen keine fest abgegrenzten Windgeschwindigkeits-Intervalle zugeordnet, sondern nur Richtwerte. Zudem soll es sich bei den Windgeschwindigkeiten nicht mehr um Mittelwerte des horizontalen Windes in 10 Metern Höhe handeln, sondern um instantane 3-dimensionale Windgeschwindigkeiten auf Schadenshöhe, sodass auch Radardaten und photogrammetrische Analysen herangezogen werden können. Damit möchte man den real auftretenden maximalen Windgeschwindigkeiten näherkommen. Um eine feinere Unterscheidung vornehmen zu können, werden zwischen Stufe IF0 und IF3, wo sich die große Mehrheit der Ereignisse einsortieren dürfte, Halbstufen eingeführt (siehe Abbildung 1).

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF

Die wichtigste Errungenschaft der neuen IF-Skala ist allerdings die deutliche Erweiterung der Liste der Schadensindikatoren (Hausdächer, Fahrzeuge, Bäume, Windmessung, …) und die Berücksichtigung von unterschiedlicher Bauweise, Struktur oder Widerstandsfähigkeit des Schadensindikators bzw. der Art der Messung. Abbildung 2 zeigt die vollständige Liste der Schadensindikatoren (Damage Indicators). Aus der Kombination aus Schadensindikator, Bauweise (Subclasses) und Schadensausmaß (Degrees of Damage) lässt sich mit einer Matrix jeweils eine IF-Stufe ableiten. Der Tornado erhält schließlich die aus dieser Ableitung hervorgehende höchste IF-Stufe, basierend auf dem schlimmsten Schaden bzw. der höchsten Windgeschwindigkeit, die er produzierte. Selbstverständlich können auch andere, nicht-tornadische Windereignisse auf diese Weise klassifiziert werden.

DWD Neue Intensitaetsklassifikation fuer Tornados Die Internationale Fujita Skala IF 1

Die Ergebnisse der Analysen werden auf der European Severe Weather Database (ESWD) veröffentlicht, inklusive der IF-Klasse und des dafür entscheidenden Schadensindikators.

Tiefergehendes Material zum Thema “Internationale Fujita Skala” und Beispiele erhalten Sie auf der Seite des ESSL (siehe Link unter diesem Text).

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die knieenden Mönche im Schnee

Zugegeben, bei den teils sommerlich anmutenden Bedingungen ist ein winterliches Thema auf den ersten Blick etwas fehl am Platz, doch wir werden sehen, dass dem nicht so ist. Beginnen wir nun aber der Reihe nach.
Was macht man, wenn man sich im Winter vor lauter Grau, Regen und Wetter-Tristesse mal nach etwas Abwechslung in Form schöner Schneebilder sehnt? Richtig, man durchforstet die unzähligen Bildberichte im Internet von wagemutigen Bergsteigern, deren Reiseberichte mit schönen Aufnahmen gespickt sind. Neben beeindruckenden Panoramaaufnahmen von Gipfeln, wo man als Normalsterblicher wohl eher nicht hinwandern würde, kann man sich an tief verschneiten Schneelandschaften sattsehen – und stolpert manchmal über Aufnahmen, die einen stutzen lassen.
So auch in diesem Fall bei einem Bericht von einem Bergsteiger in den Anden.

Nach etwas Nachforschung stellte sich heraus, dass die entdeckten Schnee- und Eisformationen in der Tat einen Namen besitzen und zudem auch noch Gegenstand aktueller Forschungen sind. Sie tragen den englischen Namen “snow penitents“, was sich ins Deutsche in etwa in “Büßerschnee oder Büßereis” übersetzen lässt. Wieso diese Benennung? Von der Ferne sehen die Formationen aus wie betende Mönche mit ihren weißen Hauben, was die früheren Entdecker auf diese Namensgebung brachte.

 

DWD Die knieenden Moenche im Schnee

Seit der Entdeckung dieser Schneeformationen im Jahre 1835 durch keinen geringeren als Charles Darwin, rankten sich unzählige Theorien über deren Entstehung. Die Theorien umfassten den Einfluss der Sonne, einen warmen Wind oder aber die elektromagnetische Ausrichtung der Schneeflocken. Besonders oft konnte man von diesen Beobachtungen hören, wenn z.B. in alpinen Regionen nach einer schneereichen Periode im Spätwinter/Frühling direkt eine heiße Witterung folgte (wie es auch aktuell der Fall war). Anderswo kann man solche Formationen sehr häufig beobachten, und zwar in Gebirgen, die in subtropischen oder tropischen Bereichen liegen, wie z.B. den Anden in Chile.

Bereits 1942 erkannte der Professor C. Troll, dass wohl einzig die Sonnenstrahlung für die Entwicklung des Büßereis verantwortlich sei. Seitdem gab es weitere Studien und Untersuchungen, wo das Bild der Entwicklung immer genauer nachvollzogen werden konnte. Grundsätzlich sind folgende meteorologische Bedingungen notwendig:

Die Lufttemperatur sollte nahe dem Gefrierpunkt zu finden sein, der Taupunkt sollte sich deutlich unterhalb des Gefrierpunktes befinden und es muss eine starke Sonneneinstrahlung vorhanden sein. Dies alles ist z.B. in den Hochlagen der (sub)tropischen Gebirge gegeben.

Doch wie entstehen diese Skulpturen nun eigentlich? Man kann den Entstehungsprozess z.B. mit der Entwicklung von Schlaglöchern in Straßen vergleichen. Dort sorgen die kleinste Unebenheit oder Risse für eine Wasseransammlung, die durch wiederholte Gefrierprozesse im Winter sowie durch mechanische Einwirkung des Straßenverkehrs zügig echte Krater in den Straßen hervorrufen kann.

In unserem Fall sorgt die kleinste Unebenheit oder etwa Staub auf der Schneeoberfläche dafür, dass eine zunehmende Mehrfachreflexion der einfallenden Sonnenstrahlen die Chance erhöht, dass die Strahlungswärme vom Schnee aufgenommen werden kann (u.a. auch Veränderung der Albedo). Der direkte Einfluss der Strahlung ist wohl auch der bedeutendste Faktor bei der Entstehung der Formationen, was u.a. die Beobachtungen hervorheben, die die größten Formationen in den tropischen Bereichen sowie in hoch gelegenen Gegenden mit intensiver Sonneneinstrahlung zeigen.

Nun kommt die extrem trockene Luft ins Spiel, die den Taupunkt bei deutlich unter 0 Grad belässt. Würde der Schnee durch die aufgenommene Wärme schmelzen, dann würde sich Wasser sammeln und der Schnee würde an diesen Stellen nicht mehr bzw. stark verzögert weiter schmelzen können. Doch bei der trockenen Luftmasse erfolgt auch kein Schmelzprozess, sondern eine direkte Phasenumwandlung von fest zu gasförmig, genannt “Sublimation”. Die durch diesen Prozess benötigte Energie wird durch die Sonnenstrahlung wieder zugeführt, sodass sich ein Art Gleichgewichtsprozess einstellen kann. In den Senken sorgt die zunehmend komplexere Reflexion des Sonnenlichts dafür, dass immer mehr Wärme gespeichert werden kann und somit die großen Hohlräume entstehen. An der u.a. von der Wissenschaftlerin Meredith Betterton (Universität Colorado) aufgestellten Theorie gibt es Zweifel, dass dieser Prozess nicht alles erklärt. So würde man alleine durch den beschriebenen Prozess nicht die zu beobachtende recht homogene Größe der schneefreien Flächen erhalten. Von hier aus geht es weit in die Schneephysik hinein sowie in Feinheiten wie z.B. die Tatsache, dass Wärme von den Schneekuhlen weniger effektiv abgestrahlt werden kann, als von den Schneespitzen, was auch einen vertikalen Temperaturgradienten nach sich zieht, was wiederum die Sublimationsrate beeinflusst. Wie so oft zeigt sich, dass auch diese schönen Naturphänomene einer komplexen Entwicklung unterworfen sind.

Der Wind sollte zudem recht schwach ausfallen, da er sonst die benannten physikalischen Prozesse rasch (negativ) beeinflussen könnte. Das ist auch der Grund, wieso viele dieser Formationen im Lee von Bergen oder Hängen zu finden sind, wo ein gewisser Windschutz besteht.

Wenn Ihr Interesse nun geweckt wurde, dann können Sie gerne noch weitere Informationen in dem unten aufgeführten “fachlichen” Link nachlesen. Ansonsten bleibt mir nur Ihnen viel Spaß beim Genießen der im Internet zu findenden Bilder zu wünschen und wer weiß: Vielleicht hat ja jemand von Ihnen diese Formation schon einmal in echt sehen und fotografieren können?

Dipl. Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Kaltfront leitet markanten Luftmassenwechsel ein

Die warmen Tage sind in fast ganz Deutschland nun vorerst gezählt. Eine Kaltfront sorgt dafür, dass die aus Nordafrika eingeflossene Warmluft der vergangenen Tage nach Osteuropa abgedrängt wird. Postfrontal kann sich dann maritime Polarluft durchsetzen. Um 06 UTC befand sich die Kaltfront, die zum Tief VANESSA mit Kern über Mittelengland gehört, in etwa auf einer Linie Emsmündung-Siegerland-Vorderpfalz-Klettgau.

DWD Kaltfront leitet markanten Luftmassenwechsel ein

Nun stellen sich sicherlich einige von Ihnen die Frage, warum es nicht ordentlich rumst und kracht an der Kaltfront? Der Temperaturkontrast über Deutschland ist doch sehr ausgeprägt, was sich aktuell beispielsweise in den um 14 Uhr MESZ gemessenen Temperaturen deutlich widerspiegelt. 7 bis 9 Grad in den westlichen Mittelgebirgen stehen 26 bis 28 Grad im äußersten Osten gegenüber. Immerhin eine Temperaturdifferenz von etwa 20 Grad.

DWD Kaltfront leitet markanten Luftmassenwechsel ein 1

Eine Erklärung für ausbleibende konvektive Umlagerungen liegt darin, dass der Wind im Zusammenhang mit einer mäßig bis stark ausgeprägten Druckanstiegswelle bereits vor der Kaltfront auf West gedreht und deutlich aufgefrischt hat. Somit wird die vorgelagerte und potenziell instabil geschichtete Warmluft quasi von unten stabilisiert. Im Zusammenhang damit, dass im höheren Niveau dynamische Antriebe fehlen, um die Warmluft zu “triggern” und diese Warmluft auch nicht sonderbar feucht ist, da sie durch die Überströmung der Alpen durch den Föhn zusätzlich abgetrocknet wurde, können sich wahrscheinlich keine kräftigen Gewitter entwickeln. Ein geringes Gewitterrisiko bleibt aber trotzdem bestehen.

Die Kaltfront geht vor allem mit einem schauerartigen Regenband einher, das sich am Nachmittag von Schleswig-Holstein bis zu den Alpen erstreckt und am Abend dann auch den äußersten Osten und Südosten erreicht. In den Alpen kann die Schneefallgrenze durch die einfließende maritime Polarluft auf etwa 1000 m absinken und bis morgen Mittag kommen oberhalb von 1000 m 1 bis 5, in Staulagen bis 10 cm zusammen. Der Südwest- bis Westwind bläst vor allem im Norden in der Nacht noch kräftig, an der Nordsee mitunter stürmisch.

Morgen kommt es mit Übergreifen eines Hochkeils von Westen und Südwesten her zu einer deutlichen Wetterberuhigung, wobei die Höchstwerte, die zwischen 11 und 17 Grad liegen, dem entsprechen, was man zu dieser Jahreszeit normalerweise erwartet.

 

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Spannender nächtlicher Temperaturverlauf in Oberbayern

Das erste verbreitet sommerliche und rekordverdächtige Wochenende in diesem Jahr in Deutschland ist nun Geschichte. Am wärmsten war dabei der Samstag, an dem es mit Ausnahme des Nordens und Ostens sowie der Hochlagen verbreitet einen Sommertag mit Höchstwerten über 25 °C gab. Nähere Informationen dazu und warum es am gestrigen Sonntag nicht ganz so warm wurde, gibt es im.

Aber nicht nur die Tageshöchstwerte waren ungewöhnlich und rekordverdächtig, sondern auch die Tiefstwerte der vergangenen zwei Nächte. Beispielsweise wurden in der Nacht zum Sonntag nach vorläufigen und noch nicht validierten Messungen in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) 20,0 °C, in Bad Harzburg (Niedersachsen) 19,2 °C und in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) 18,7 °C registriert. Quedlinburg erreichte somit sogar eine Tropennacht, bei der der nächtliche Tiefstwert laut Definition nicht unter 20,0 °C liegen darf. Der Monatsrekord für das deutschlandweite höchste Minimum datiert vom 23.04.1968 mit 20,2 °C in Nossen und Altergeringswalde (beides Sachsen). An einigen Stationen wurden aber neue Monatsrekorde für das höchste je gemessene Minimum gebrochen. Für Anfang April ist das absolut außergewöhnlich.

DWD Spannender naechtlicher Temperaturverlauf in Oberbayern

Nun wollen wir uns aber einem spannenden und ungewöhnlichen Verlauf der Temperatur in der vergangenen Nacht zweier Orte in Oberbayern widmen. Die Protagonisten sind Wielenbach, das auf etwa 550 m etwas südlich des Ammersees liegt und Bad Kohlgrub am Fuße des Ammergebirges auf knapp 750 m. Die zwei Orte trennen also fast 200 Höhenmeter und rund 25 km Luftlinie.

DWD Spannender naechtlicher Temperaturverlauf in Oberbayern 1

DWD Spannender naechtlicher Temperaturverlauf in Oberbayern 2

Die Grafiken wurden von  entnommen und unter findet sich eine umfassende Legende zu den dargestellten Linien. Wir wollen uns aber hauptsächlich auf die obere rote Linie, die den zehnminütigen Lufttemperaturverlauf darstellt und die zwei blauen Linien, die den Verlauf des Taupunktes und der relativen Luftfeuchte zeigen, konzentrieren. Schon zu Beginn der Nacht ergeben sich Unterschiede bei den Meteogrammen. Während in Wielenbach die Lufttemperatur langsam aber sicher ab- und die relative Luftfeuchte zunahm, änderten sich diese Werte in Bad Kohlgrub nur unwesentlich. Dies deutet darauf hin, dass sich im tiefer gelegenen Wielenbach bereits eine bodennahe Kaltluftschicht ausbilden konnte, was im höher gelegenen Bad Kohlgrub nicht der Fall war. Im weiteren Verlauf der Nacht konnte sich die Lufttemperatur in Wielenbach immer weiter abkühlen. Ganz anders was es hingegen in Bad Kohlgrub. Dort kam es ab etwa 0 UTC zu einem deutlichen Anstieg der Lufttemperatur und gegen 1:30 UTC wurden außergewöhnlich warme 24 °C erreicht. Dazu trocknete die Luftmasse erheblich ab und der Taupunkt sank von +5 °C auf Werte um -4 °C. Was war nun der Auslöser dieses Temperaturanstiegs und warum wurde es weiter nördlich nicht wärmer?

Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass sich in Bad Kohlgrub mitten in der Nacht der Föhn durchgesetzt hat. Dieser sorgte für eine leichte Turbulenz im Bereich der bodennahen Kaltluftschicht, wodurch diese durchbrochen werden konnte und es zu einer Durchmischung der Luftmasse kam. In Wielenbach hingegen konnte sich der Föhn nicht durchsetzen und dort hielt sich eine dünne und entkoppelte Kaltluftschicht, in der sich die Lufttemperatur bis zum Morgen immer weiter abkühlte. Erst nach Sonnenaufgang nahm der normale Tagesgang wieder seinen Lauf und die Lufttemperatur stieg wieder an. Der Rückgang der Lufttemperatur am frühen Morgen in Bad Kohlgrub war vermutlich damit verbunden, dass der Wind sich etwas abschwächte und es somit vorübergehend nicht mehr zu einer Durchmischung der Luftmasse reichte.

Ein Ausblick in die kommenden Nächte zeigt, dass ab der Nacht zum Mittwoch die Minima wieder auf einstellige Werte sinken und vor allem in der Nacht zum Donnerstag droht in der Südosthälfte wieder Frost in Bodennähe.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ungewöhnlich warmes erstes Aprilwochenende!

Am gestrigen Samstag wurde in der Mitte und im Süden Deutschlands verbreitet ein Sommertag mit Höchsttemperaturen von über 25 Grad verzeichnet. In Ohlsbach gab es sogar den ersten Hitzetag mit einem Spitzenwert von 30,1 Grad. Damit wurden dort sowie an vielen anderen Stationen Temperaturen erreicht, die bisher in der ersten Aprildekade noch nie auftraten. Zudem gab es noch nie so früh im Jahr einen Hitzetag mit einer Tageshöchsttemperatur von mindestens 30 Grad.

Verantwortlich für diese bemerkenswerte warme Witterung ist ein langwelliger über Westeuropa in Verbindung mit einem kräftigen Sturmtief bei Irland. Auf der Vorderseite des Tiefs gelangt sehr warme bis heiße Luft von Nordafrika bis nach Mitteleuropa. So liegt die Temperatur in 850 Hektopascal (etwa 1500 Meter Höhe) im Süden Deutschlands bei bis zu 18 Grad. Da sich erst im Laufe des Samstags im Westen Saharastaub bemerkbar machte, konnte sich die Luftmasse durch überwiegend ungestörte Sonneneinstrahlung auch in Erdbodennähe noch ordentlich erwärmen. Denn Saharastaub hat einen dämpfenden Einfluss auf die Tageshöchsttemperaturen. Zum einen wird die von der Sonne ausgehende kurzwellige Strahlung an den Staubpartikeln reflektiert und zum anderen fördern die die Ausbildung von hohen Wolkenfeldern. Durch die fehlende Einstrahlung wird das volle Potenzial einer Luftmasse nicht ganz ausgenutzt.

DWD Ungewoehnlich warmes erstes Aprilwochenende

DWD Ungewoehnlich warmes erstes Aprilwochenende 1

Zuvor dominierte gestern um die Mittagszeit noch größtenteils ungetrübter Sonnenschein. Erst im Laufe des Nachmittags stieg die Saharastaubkonzentration im Westen deutlich an. Dies hatte aber nur noch einen geringen Einfluss auf die Temperaturentwicklung, wodurch rekordverdächtig hohe Werte erreicht wurden. In der Nacht auf Sonntag hatte der Saharastaub allerdings den gegenteiligen Effekt. Durch verstärkte Wolkenbildung zusammen mit einem teils böigen Südwind war die nächtliche Abkühlung nur schwach ausgeprägt. Vor allem an den Nordrändern der Mittelgebirge kamen zusätzlich noch Föhneffekte hinzu. Somit wurde im Umfeld des Harzes sogar örtlich eine Tropennacht mit einer Tiefsttemperatur von über 20 Grad verzeichnet.

Auch am heutigen Sonntag hält das frühsommerliche Wetter an. Von Nordwesten nimmt der Tiefdruckeinfluss allmählich zu. An einer wellenden Kaltfront kann in der Nordwesthälfte etwas Regen fallen. Nach Südosten überwiegt der Hochdruckeinfluss. Allerdings fördert dort die hohe Konzentration an Saharastaub die Wolkenbildung, sodass die Höchsttemperaturen im Vergleich zum Vortag etwas geringer ausfallen werden. Dennoch zeigt das Thermometer abgesehen vom äußersten Norden und Nordwesten in den Niederungen verbreitet Temperaturen um 25 Grad an. Im Süden und Osten sind stellenweise auch rekordverdächtige Werte bis 28 Grad möglich. Erst in der kommenden Woche machen sich von Nordwesten sukzessive deutliche kühlere Luftmassen bemerkbar. Bis dahin zeigt sich der April aber von seiner frühsommerlichen Seite.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Start in die Gewittersaison

Warnungen entstehen grundsätzlich in einem mehrstufigen Prozess. Dabei ist es egal, welchen Warnparameter man betrachtet, es gilt für Schneefall genauso wie für Wind oder eben auch Gewitter. Allerdings sind Gewitter weit im Voraus schwierig vorherzusagen. Dieser Warntyp erfordert eine ständige Beobachtung, Neubewertung und Anpassung der aktuellen Lage in der Kürzestfrist, auch “Nowcasting” genannt. Die Vorbereitungszeit bei Gewittern ist recht “entspannt”, dafür erfordert die Warnzeit ein hohes Maß an Agilität. Bei skaligen Ereignissen wie Wind oder längerem Regen ist hingegen die Vorbereitungszeit intensiver als die Warnzeit.

Bereits etwa 6 Tage vor einem Warnereignis kann man mit Hilfe probabilistischer Ensemble-Verfahren schon einmal grob vorpeilen, ob ein markantes oder Unwetter-Ereignis möglich ist. Bis zum Vorhersagezeitpunkt werden laufend die Ergebnisse aus Ensembleberechnungen und deterministischen Modellen verglichen und im Falle einer zu erwartenden Unwetterlage wird bis zu 3 Tage vor einem Ereignis ein erster grober Unwetterhinweis formuliert. Etwa 48 Stunden vor einem Wetterereignis liefern fein aufgelöste Lokalmodelle die notwendigen Details zur Eingrenzung eines Warngebietes und nicht selten den eigentlichen Input für die Ausprägung der zu erwartenden Warnlage. Aufgrund der feinen Modellauflösung ist die benötigte Rechenleistung sehr hoch und der Vorhersagehorizont daher begrenzt.

Einen Wetterwarnentwurf gibt es meist 24 Stunden vor einem Ereignis. Bei einer erneuten Modell- und Ensembleanalyse sowie bei großräumigen Ereignissen auch einer Sichtung der Punktprognosen aus dem MOS (Model Output Statistics) kann nun eine Warnung in einem näher bestimmten Gebiet vordefiniert werden. Im meteorologischen Kürzestfristzeitraum – 6 bis 12 Stunden vor einem Wetterereignis – wird der Warnentwurf noch einmal überprüft und gegebenenfalls angepasst. Jetzt fließt auch das aktuelle Wetter in Form von Messwerten, Radar-, Blitz- und Satellitendaten sowie von analysierten Wetterfronten in die zu konkretisierende Wetter- oder Unwetterwarnung mit ein.

Bei Gewittern kann eine Warnung meist nur sehr kurzfristig erfolgen. Sind großräumig schwere Gewitter wahrscheinlich, wird mittels Vorabinformation auf das Potenzial und die möglichen Auswirkungen hingewiesen. Dann wird meistens auch ein Unwetterclip produziert, der noch einmal in Bild und Ton auf die möglichen Gefahren hinweist und den Bereich eingrenzt. Oft wird in diesen Videos auch auf die Sicherheit oder Unsicherheit der Lage hingewiesen. Gerade aber bei Wärmegewittern, die sich spontan und schnell bilden, sind oft schon erste Blitze aufgetreten, bevor eine Warnung erfolgt.

DWD Start in die Gewittersaison

Sollten Sie also im Wetterbericht für Ihre Region das Wort “Gewitter” hören oder lesen, empfiehlt sich des Öfteren ein Blick in den Himmel und in eine Wetter-App. Mit der WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes erhalten Sie alle Warnungen kostenfrei. Im Falle einer großräumig schadensträchtigen Gewitterzelle können Sie Warnungen auch direkt mittels Cell Broadcast auf Ihrem Mobiltelefon empfangen.

Dipl. Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Pollenflug

Über 15 % der Deutschen reagieren allergisch auf Pollen, und die Zahl steigt weiter an. Vereinfacht ausgedrückt erkennt der Körper bei Pollenallergikern die eigentlich harmlosen Pollen als „Angreifer“, was dazu führt, dass das Immunsystem gegen sie sensibilisiert wird. Beim Kontakt mit den Pollen aktiviert das Immunsystem dann Abwehrmechanismen und setzt Botenstoffe frei, die für die pollenbedingten Symptome wie Schnupfen und Erkältungsähnliche Beschwerden verantwortlich sind. Es handelt sich dabei um eine Überreaktion des Immunsystems.

Die Konzentration von Pollen in der Luft hängt nicht nur vom Blühzustand der entsprechenden Pflanzen ab, sondern auch von den Wetterbedingungen. Bei anhaltender Trockenheit ist die Pollenkonzentration beispielsweise höher, während Regen dazu führt, dass die Pollen aus der Luft „ausgewaschen“ werden.

Der Deutsche Wetterdienst erstellt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PDI) Vorhersagen zum Pollenflug-Gefahrenindex für verschiedene Blütenpollen. Der Pollenflug-Gefahrenindex beschreibt die Schwere der Symptome bei Pollenallergikern, die von der spezifischen Pollenart und deren Konzentration abhängt. Dazu werden nicht nur die Wettervorhersagen berücksichtigt, sondern auch die von der PDI gemessenen Pollenkonzentrationen. Die phänologischen Daten zum Blühzustand, die von der Abteilung Agrarmeteorologie des DWD ermittelt werden, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Den Pollen-Gefahrenindex können Interessierte unter abrufen.

Aufgrund der deutlich wärmeren Witterung ist die Vegetation in diesem Jahr etwa 3 Wochen früher dran als üblich, wodurch bestimmte Pollenarten auch früher fliegen. Während Allergiker von Hasel- und Erlenpollen vorerst aufatmen können, beginnt für Allergiker von Weide, Esche, Buche und Birke die Hauptleidenszeit, wobei die Birkenpollensaison gerade ihren Höhepunkt erreicht. Bisher haben Tiefausläufer mit häufigem Regen, besonders im Westen, die Pollenkonzentration immer wieder gedämpft. Das warme und trockene Wetter am kommenden Wochenende führt jedoch zu sehr hohen Konzentrationen dieser Pollen. Erst ab Montag bringen neue Tiefausläufer zunächst im Westen und später auch im Osten Entspannung. Weitere Informationen zu Pollenallergien und Blühzeiten finden Sie auf der Website des PDI

DWD Pollenflug

Diplom-Meteorologe Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst