Die Orkanserie im Jahre 1990 – Ein Vergleich mit Februar 2022

Seit Ende Januar und bis vor wenigen Tagen erlebten wir mit kurzen Unterbrechungen über dem Nordatlantik und Europa eine sehr ausgeprägte Westwetterlage. Angetrieben von einem starken Jetstream (Starkwindband in etwa 10 Kilometern Höhe) rauschten Tiefs wie am Fließband über Europa hinweg und brachten uns nasses und teils stürmisches Wetter – eine Wetterlage prädestiniert für ausgewachsene Orkane. Ende Januar machte Orkantief NADIA den Anfang und blies im Norden und Nordosten Deutschlands mit Böen zwischen 90 und 100 km/h (Beaufort 9-10), an den Küsten gab es Orkanböen über 120 km/h (Bft 12). Auch im Februar ging es stürmisch weiter. Richtig spektakulär wurde es ab dem 17. Februar, als kurz hintereinander die Orkantiefs YLENIA und ZEYNEP für Furore sorgten. YLENIA fegte mit Böen zwischen 90 und 110 km/h (Bft 10-11) über weite Teile Deutschlands hinweg. An den Küsten, vereinzelt auch im Binnenland, kam es zu Orkanböen über 120 km/h. ZEYNEP suchte vor allem den Norden mit verbreiteten Böen zwischen 100 und 140 km/h heim und bescherte Hamburg die erste “sehr schwere Sturmflut” seit 2013. ANTONIA komplettierte die Serie mit einem stürmischen Kaltfrontdurchgang in der Nacht zum 21. Februar.

Dem Autor kam dabei die bisher stärkste Orkanserie seit Messbeginn aus dem Jahre 1990 in den Sinn, an die er sich (damals im Kindergartenalter) aber nur noch in wenigen Bruchstücken erinnern kann.

Los ging es auch seinerzeit Ende Januar. Orkantief DARIA zog über die Britischen Inseln, erreichte über der Nordsee einen Kerndruck von etwa 945 hPa und wütete am 25. und 26. Januar vor allem in der Nordwesthälfte Deutschlands und Teilen der Mitte mit verbreiteten Böen zwischen 110 und 150 km/h. Selbst über das Binnenland fegten extreme Orkanböen (z.B. Aachen: 150 km/h, Bückeburg: 154 km/h) hinweg, in Cuxhaven wurden 161 km/h erreicht und auf dem Brocken wurden Böen bis 230 km/h gemessen. 94 Todesopfer in Europa, davon 8 in Deutschland, waren die traurige Bilanz des Orkans.

Bereits am 3. und 4. Februar zog Orkan HERTA als Schnellläufer (kleinräumiges, sehr schnell ziehendes Tief) von der Biskaya über den Ärmelkanal und Niedersachsen zur Ostsee. Südlich dieser Zugbahn fegte ein heftiges Sturmfeld über den Süden, die Mitte und den Osten Deutschlands hinweg. Bis ins Flachland kam es zu Böen zwischen 100 und 130 km/h, die vor allem im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hessen große Schäden hinterließen. Selbst am Main wurden (extreme) Orkanböen gemessen (z.B. Würzburg: 148 km/h, Offenbach: 133 km/h). Sieben Tote und 770 Mio. Euro versicherter Schaden waren die Folge.

Das nächste Orkantief ließ nicht lange auf sich warten. JUDITH brachte am 8. Februar dem Norden, Westen und der Mitte verbreitet Böen zwischen 90 und 120 km/h oder mehr, auf dem Brocken wurden erneut 230 km/h registriert. Am 14. und 15. Februar folgte schließlich Orkan POLLY, dessen Sturmfeld Deutschland mit Ausnahme des Nordostens überquerte. Besonders über den Südwesten und das Alpenvorland zogen Orkanböen (z.B. Stuttgart-Echterdingen: 135 km/h), auf dem Wendelstein wurden 200 km/h erreicht. POLLY hatte im Süden auch heftigen Dauerregen im Gepäck. Es kam zu großflächigen Überschwemmungen sowie einem Hochwasser an Saar, Mosel, Rhein und Donau.

Den fulminanten Höhepunkt dieser Orkanserie bildeten aber die Orkane VIVIAN und WIEBKE zwischen dem 26. Februar und dem 1. März. VIVIAN zog am 26. und 27. Februar als Orkantief von Schottland über die Nordsee nach Schweden, erreichte dort einen Kerndruck von etwa 940 hPa und hatte an der Südseite ein riesiges Sturmfeld im Schlepptau. Durch den Orkan kamen 64 Menschen ums Leben, 15 alleine in Deutschland. Hamburg musste gleich mehrere Sturmfluten verkraften und zahlreiche Karnevalsumzüge mussten abgesagt werden. Nahezu landesweit wurden Böen zwischen 100 und 140 km/h gemessen. Über die Nord- und Ostseeküste traten über mehr als einen Tag lang extreme Orkanböen (z.B. Strucklahnungshörn: 160 km/h) auf, aber selbst im Binnenland wurden vergleichbare Böen erfasst (z.B. Hameln: 152 km/h). Am 27. Februar verlagerte sich das Hauptsturmfeld in den Süden, wo ebenfalls extreme Orkanböen (z.B. Friedrichshafen: 143 km/h) verheerende Schäden anrichteten. Auf dem Wendelstein wurden unglaubliche 265 km/h registriert.

Nach einer nur kurzen Verschnaufpause bildete sich am 28. Februar über der Nordsee ein Randtief, das bis zum 1. März nach Polen zog. WIEBKE war das letzte Orkantief dieser schlimmen Serie. Vor allem im Westen und Süden Deutschlands sowie in den angrenzenden Nachbarländern tobte ein weiterer schwerer Orkan. Böen zwischen 100 und 140 km/h oder mehr verursachten schwere Verwüstungen, der versicherte Schaden in Deutschland betrug wie schon bei Orkan VIVIAN 1,5 Mrd. Euro. Weitere 35 Todesopfer waren zu beklagen. Selbst in den Flussniederungen von Rhein, Ruhr, Main und Donau kam es verbreitet zu Orkanböen (z.B. Essen: 141 km/h, Würzburg: 135 km/h, Ulm: 143 km/h). In Waging am See wurde sogar eine extreme Orkanböe von 155 km/h gemessen; Feldberg (Schwarzwald), Zugspitze und Wendelstein erreichten über 200 km/h.

Wie wir eindrucksvoll erkennen, war die damalige Orkanserie eine ganz andere Hausnummer als jene in diesem Winter. Beiden Wetterperioden gemein war allerdings die stramme Westströmung, die milde und feuchte atlantische Meeresluft zu uns schaufelte, was man auch gut an den Monatsbilanzen festmachen kann. Mit 5,7°C war der Februar 1990 der bisher wärmste seit Messbeginn und mit 100 mm fiel mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Monatsniederschlags. Der Februar 2022 war mit 4,4°C ebenfalls viel zu mild und mit rund 80 mm deutlich zu nass. Mit den Werten von 1990 kann er allerdings nicht mithalten, was nochmals die Besonderheit der damaligen Wetterlage unterstreicht. Bleibt zu hoffen, dass wir eine solch verheerende Orkanserie so schnell nicht mehr erleben müssen.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 28.02.2022

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