Hitzewelle endet historisch

Schon Anfang Juli wurde in den Medien kolportiert, es stünde eine extreme Hitzewelle ab Monatsmitte in Deutschland bevor. Zu diesem Zeitpunkt wurden diese Aussagen seitens der seriösen Meteorologie zurecht als unwissenschaftlich bezeichnet. Denn zu groß war der Vorhersagehorizont und die damit in Verbindung stehende Unsicherheit und zu extrem die angekündigten Temperaturen bis 45 °C. Leider fand die “Modellhitze”, wenn auch in nicht ganz so extremer Form und leicht verspätet, letztendlich doch ihren Weg in den seriösen Vorhersagebereich und bewahrheitete sich schließlich in den vergangenen zwei bis drei Tagen. Dabei war weniger die Andauer, als die Intensität bemerkenswert.

Während am Dienstag (19.7.) im Westen die 40-Gradmarke im DWD-Stationsnetz noch denkbar knapp verfehlt wurde, ging es am gestrigen Mittwoch (20.7.) gleich an vier Stationen im Norden und Osten über die 40 °C hinaus. In Bad Mergentheim-Neunkirchen (40,3 °C), Hamburg-Neuwiedenthal (40,1 °C), Barsinghausen-Hohenbostel und Huy-Pabstorf (40,0 °C) wurden nicht nur die Allzeitrekorde für die Stationen überboten, sondern auch die des jeweiligen Bundeslandes (Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt). Dazu kamen zwei weitere Bundeslandrekorde für Mecklenburg-Vorpommern (Boizenburg 39,4 °C) und Schleswig-Holstein (Grambek 39,1 °C). Außergewöhnlich ist der Wert für Hamburg, nicht nur, weil der vorherige Rekord gleich um knapp 3 Grad überboten wurde, sondern auch, wenn man ihn im geographischen Kontext liest: Temperaturen von 40 °C und mehr sind auf diesem Breitengrad und in dieser maritimen Klimazone eine echte Rarität, weltweit. In Europa – Russland ausgenommen – wurde noch nie so weit im Norden die 40-Gradmarke gerissen.

Alleine diese Daten zeugen von der historischen Dimension der Hitzewelle. Dennoch gibt es Stimmen, die behaupten, Tage mit 40 °C und mehr habe es früher schon “öfter” gegeben und man habe im “Sommer” solche Temperaturen zu erwarten. Dabei handelt es sich aber im besten Falle um eine verzerrte, subjektive Wahrnehmung, die unter Umständen durch die sich gerade in den letzten Jahren beschleunigende Klimaerwärmung begünstigt worden sein könnte. Die “nackten Zahlen” sprechen eine andere Sprache: Der 20. Juli 2022 ist gerade einmal der 10. Tag, an dem seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland 40 °C erreicht wurden. Das erste Mal war es 1983 in Kösching (Bayern) und Gärmersdorf (Bayern) der Fall, dann erst wieder im legendären “Jahrhundertsommer” 2003. In den 2010er Jahren nahm schließlich nicht nur die Frequenz der Hitzewellen mit Spitzenwerten über 40 Grad zu, sondern auch die Verbreitung, mit der die 40-Gradmarke überschritten werden konnte. Im August 2015 wurden 3-mal, im Juli 2019 unglaubliche 25-mal die “40 Grad” verkündet. Die jüngste Hitzewelle reiht sich mit 4 Stationsmeldungen immerhin auf Platz 2 ein.

Zum Abschluss soll betont werden, dass es sich bei den Temperaturwerten der vergangenen beiden Tage noch um vorläufige Werte handelt. Der Deutsche Wetterdienst wird die Daten nochmal eingehend auf Plausibilität prüfen und behält sich etwaige Anpassungen oder – im schlimmsten Fall – Annullierungen vor.

Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 21.07.2022

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