Wolkenpoesie

“Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind.” oder auch “Da steh’ ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als wie zuvor!”: Diese Passagen aus Goethes Werken sind ja landläufig bekannt. Doch wussten Sie, dass Goethe auch dem Begründer der modernen Wolkenkunde, Luke Howard, ein eigenes Gedicht gewidmet hat? Dieses stach kürzlich meinem geliebten Opa aus seiner reichhaltigen Literatursammlung zufällig ins Auge, was der Autor an dieser Stelle dankend aufgreifen möchte – ganz im Einklang mit der Feiertagspoesie aus dieser Rubrik vom 1. Weihnachtsfeiertag.

Im Namen des gesamten Vorhersageteams wünschen wir Ihnen ein glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2023!

HOWARDS Ehrengedächtnis

Wenn Gottheit Kamarupa, hoch und hehr,
Durch Lüfte schwankend wandelt leicht und schwer,
Des Schleiers Falten sammelt, sie zerstreut,
Am Wechsel der Gestalten sich erfreut,
Jetzt starr sich hält, dann schwindet wie ein Traum,
Da staunen wir und traun dem Auge kaum.

Nun regt sich kühn des eignen Bildens Kraft,
Die Unbestimmtes zu Bestimmtem schafft;
Da droht ein Leu, dort wogt ein Elefant,
Kameles Hals, zum Drachen umgewandt,
Ein Heer zieht an, doch triumphiert es nicht,
Da es die Macht am steilen Felsen bricht;
Der treueste Wolkenbote selbst zerstiebt,
Eh er die Fern erreicht, wohin man liebt.

Er aber, Howard, gibt mit reinem Sinn
Uns neuer Lehre herrlichsten Gewinn.
Was sich nicht halten, nicht erreichen läßt,
Er faßt es an, er hält zuerst es fest,
Bestimmt das Unbestimmte, schränkt es ein,
Benennt es treffend! – Sei die Ehre dein! –
Wie Streife steigt, sich ballt, zerflattert, fällt,
Erinnere dankbar deiner sich die Welt.

DWD Wolkenpoesie

Stratus

Wenn von dem stillen Wasserspiegelplan
Ein Nebel hebt den flachen Teppich an,
Der Mond, dem Wallen des Erscheins vereint,
Als ein Gespenst Gespenster bildend scheint,
Dann sind wir alle, das gestehn wir nur,
Erquickt’, erfreute Kinder, o Natur!

Dann hebt sich’s wohl am Berge, sammelt breit
An Streife Streifen; so umdüstert’s weit
Die Mittelhöhe, beidem gleich geneigt,
Ob’s fallend wässert oder luftig steigt.

Kumulus

Und wenn darauf zu höhrer Atmosphäre
Der tüchtige Gehalt berufen wäre,
Steht Wolke hoch, zum Herrlichsten geballt,
Verkündet, festgebildet, Machtgewalt,
Und, was ihr fürchtet und auch wohl erlebt,
Wie’s oben drohet, so es unten bebt.

Cirrus

Doch immer höher steigt der edle Drang!
Erlösung ist ein himmlisch leichter Zwang.
Ein Aufgehäuftes, flockig löst sich’s auf,
Wie Schäflein trippelnd, leicht gekämmt zuhauf.
So fließt zuletzt, was unten leicht entstand,
Dem Vater oben still in Schoß und Hand.

Nimbus

Nun laßt auch niederwärts, durch Erdgewalt
Herabgezogen, was sich hoch geballt,
In Donnerwettern wütend sich ergehn,
Heerscharen gleich entrollen und verwehn! –

Der Erde tätig-leidendes Geschick!
Doch mit dem Bilde hebet euren Blick:
Die Rede geht herab, denn sie beschreibt;
Der Geist will aufwärts, wo er ewig bleibt.

DWD Wolkenpoesie 1

Wohl zu merken

Und wenn wir unterschieden haben,
Dann müssen wir lebendige Gaben
Dem Abgesonderten wieder verleihn
Und uns eines Folgelebens erfreun.

So, wenn der Maler, der Poet,
Mit Howards Sondrung wohl vertraut,
Des Morgens früh, am Abend spät
Die Atmosphäre prüfend schaut,

Da läßt er den Charakter gelten;
Doch ihm erteilen luftige Welten
Das Übergängliche, das Milde,
Daß er es fasse, fühle, bilde.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.01.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jahresvorausschau 2023

Januar:
Nach einem sehr milden Jahresstart kommt der Winter zum Ende des Monats mit voller Wucht zurück! Weite Teile des Landes sind in ein weißes Kleid gehüllt.

Februar:
Massives Tauwetter bei der Biathlon-WM in Oberhof. Das deutsche Team versucht mit dem Umstieg auf Wasserski die bis dato norwegische Dominanz zu brechen.

März:
Nach intensiven Wartungsarbeiten an der Wetterstation in Lingen wird diese wieder ins Messnetz des DWD integriert.

April:
“Dem Osterhasen schmelzen die Eier weg!” titelt ein großes deutsches Boulevardblatt. Bei Sonne pur und Höchstwerten bis 27 Grad zu den Feiertagen ist Schokolade aber vielleicht wirklich nicht die beste Wahl für’s Osternest.

Mai:
Charles III wird in der Westminster Abbey zum König gekrönt. Hoch QUEENIE sorgt für Kaiserwetter.

Juni:
Gemäß dem Motto: “Was die FIFA kann, können wir schon lang!” vergibt das IOC die Olympischen Winterspiele 2030 nach…Kairo. Der Schnee wird aus den Skigebieten Saudi-Arabiens geliefert.

Juli:
Neuer Temperaturrekord in Deutschland! 42,6 Grad, gemessen in … ohoh … Lingen. Die Station wird darauf hin vorsorglich wieder aus dem Messnetz entfernt und in ein Museum für Messtechnik umgewandelt.

August:
Tornado-Outbreak in Deutschland! Das Cellbroadcasting wird das erste Mal operationell eingesetzt und funktioniert sogar. Vielleicht waren die zum Teil massiven Schäden auch gerade deshalb zum Glück rein materieller Natur.

September:
Schneeregen zum Wiesnstart in München! Keine Chance für die “Alkoholübersättigten” bei den rutschigen Bedingungen den Westhügel (meist auch als “Kotzhügel” bekannt) zu erklimmen.

Oktober:
Ringförmige Sonnenfinsternis in Teilen Amerikas am 14. Oktober! Atemberaubende Bilder erreichen uns dabei von Fischern auf dem Golf von Mexiko im wolkenlosen Auge von Hurrikan MARGOT.

November:
Sturmtief VICCO fegt am 12. November über Deutschland hinweg – passend zu Loriots 100. Geburtstag. Die Medienwelt vergibt den Beinamen HEINZELMANN und titelt: “Es bläst und saugt der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur…”.

Dezember:
Mildester Dezember seit Aufzeichnungsbeginn! Die Weihnachtsmänner fluchen unter ihren dicken Anzügen und hoffen auf bessere Zeiten…

…Sie vielleicht auch? Oder konnten Sie das Jahr für sich sogar als Erfolg verbuchen? Der Autor wünscht Ihnen auf jeden Fall – auch im Namen des gesamten Thema-des-Tages-Teams – einen guten und vor allem gesunden Rutsch ins neue Jahr! Sie können sich auch in 2023 wieder auf spannende, informative und hin und wieder auch lustige Themen des Tages freuen.

DWD Jahresvorausschau 2023

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.12.2022
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Zu warm, zu trocken, (zu?) sonnig

Mittlerweile kann man es wohl fast kaum noch jemanden übel nehmen, wenn man der immer weiter zunehmenden Rekord- und „Extrem”-Meldungen zum Thema Wetter und Klima überdrüssig wird. Immer wieder neu aufgestellte Temperatur- und Sonnenscheinrekorde, Extremniederschlagsmengen oder aber langanhaltende Dürreperioden und damit einhergehende Vegetationsbrände – die Meldungen prasseln immer häufiger auf einen ein.
Allerdings ist es die Faktenlage, die etwas anderes kaum noch zulässt. Und so stand auch das Jahr 2022 wieder einmal im Zeichen gefallener oder neu aufgestellter Rekorde. Allem voran war auch 2022 im Mittel wieder einmal viel zu warm. Die bis dato erreichte Jahresmitteltemperatur beträgt (gerundet) +10,5°C und liegt damit 1,2 Grad über dem Mittel 1991-2020 bzw. 2,3 Grad über dem Mittel 1961-1990. Damit handelt es sich mindestens um das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Bisher hält das Jahr 2018 dabei die Spitzenposition. Im „Wettlauf” darum, ob 2022 auch der neue Gesamtspitzenreiter wird, läuft es am Ende wohl auf ein Fotofinish hinaus, bei dem jetzt auch noch die letzten Tage des Jahres entscheidend sind.
Besagte letzte Tage haben es dabei nochmal in sich. Wie auch schon in den kürzlich erschienenen Themen des Tages bereits angesprochen, erwartet uns in Deutschland der wärmste Jahreswechsel seit Aufzeichnungsbeginn. Grund dafür ist eine ausgesprochen lebhafte Südwestströmung, mit der gleichzeitig ungewöhnlich milde Luftmassen zu uns nach Deutschland gelangen. Bezeichnend dafür ist unter anderem die Temperatur im 850 hPa-Niveau (in ca. 1,5 km Höhe), die zu Silvester in Süddeutschland bei etwa +10°C liegt. Das sind Werte, die man normalerweise eher im Spätfrühling erwarten würde. Dementsprechend fallen auch die Höchsttemperaturen aus. Diese liegen im Norden und der Mitte Deutschlands bei 14 bis 18°C. Aber noch wärmer wird es in Süddeutschland. Hier klettert das Thermometer tatsächlich auf Spitzenwerte von 20 bis 22, eventuell sogar 23°C. Das reicht zwar nicht aus, um den deutschlandweiten Dezemberrekord zu brechen (24,0°C am 16.12.1989 in Müllheim/Baden), aber die bisher gesehenen Spitzenwerte zu Silvester würden damit reihenweise regelrecht pulverisiert.
Damit scheint es auch nicht unwahrscheinlich, dass 2022 letztendlich das insgesamt wärmste Jahr in Deutschland wird. Für das exakte Ergebnis müssen aber die tatsächlich aufgetretenen Temperaturen noch abgewartet und mit in die Statistik einbezogen werden. Dies geschieht dann im Laufe des Januar 2023.
Aber nicht nur bezüglich der Temperaturen war das Jahr 2022 auffällig. Neue Rekorde wurden auch – Solaranlagenbesitzer wird es freuen – bei der Sonnenscheindauer aufgestellt. Im bundesweiten Mittel betrug die Gesamtsonnenscheindauer 2025 Stunden und lag damit 30% über dem Referenzwert der Klimaperiode 1961-1990 (1544 Stunden) bzw. immer noch etwa 20% im Vergleich zum Mittel des Zeitraums 1991-2020 (1665 Stunden).
Bezüglich des gefallenen Niederschlags bleibt vor allem die ausgeprägte Dürreperiode im Sommer dieses Jahres in Erinnerung. Das spiegelt sich auch in der Jahressumme wieder, denn diese weist im bundesweiten Mittel ein Defizit von etwa 15% gegenüber der Referenzperioden 1961-1990 und 1991-2020 auf. Dabei fiel dieses Defizit noch einigermaßen moderat aus aufgrund der sehr nassen Monate Februar und September. Das Niederschlagsdefizit der reinen Sommermonate (Juni, Juli, August) lag dagegen für sich betrachtet bei enormen 40%. Die höchste Tagesniederschlagssumme fiel dabei in Babenhausen/Unterallgäu mit 112 l/m².
Die genauen Top 3-Spitzenreiterwerte für Temperatur, Niederschlag und Sonnenschein erscheinen dann zu Beginn des neuen Jahres in einem eigenen „Thema des Tages”. Weiterführende Informationen finden sich außerdem unter
M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.12.2022
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst